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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Gebt uns Frieden durch wirtschaftliche Entwicklung!

Von Helga Zepp-LaRouche

Die folgende Rede hielt die Gründerin und Präsidentin des internationalen Schiller-Instituts per Videoschaltung während der Konferenz des Instituts in New York City am 9. Juni 2018. Sie wurde aus dem Englischen übersetzt, die Zwischenüberschriften von der Redaktion hinzugefügt.

Vielen Dank, meine Damen und Herren, liebe Freunde des Schiller-Instituts,

ich bin eigentlich sehr optimistisch über die Lage. Ich denke, es besteht absolut die Möglichkeit, daß wir schon in naher Zukunft den Aufstieg eines völlig neuen Paradigmas der Zivilisation erleben werden. Denn schon jetzt sammelt sich die Mehrheit der Nationen um die Idee, daß es die eine Menschheit gibt, die von einer höheren Ordnung ist als die nationalen Interessen oder gar geopolitische Konfrontation. Nie zuvor waren der Gegensatz und der Kampf zwischen dem neuen Paradigma und dem alten Paradigma offensichtlicher als heute.

Diese Konferenz war ursprünglich dazu geplant, diesen Prozeß zu beschleunigen und insbesondere darauf zu dringen, daß so bald wie möglich ein Gipfeltreffen zwischen Präsident Trump und Präsident Putin stattfindet, weil das der einzige Weg ist, den laufenden, britisch initiierten und gesteuerten Putschversuch gegen die Vereinigten Staaten auszumanövrieren. Nun sind wir voller Hoffnung, daß ein solches Treffen schon in naher Zukunft stattfinden kann. Es wird davon gesprochen, daß er schon im Juli stattfinden könnte. Das wurde in die Wege geleitet, als Präsident Putin seinen, wie ich sagen würde, historischen Besuch in Wien machte, wo er vorgeschlagen hat, daß Österreich als ein neutrales Land und als ein Land, das sich ganz bewußt als eine Brücke zwischen Ost und West versteht, ein guter Ort für eine solche Konferenz wäre. Präsident Putin hat heute zum Ausdruck gebracht, daß er sich sehr darauf freut und denkt, daß dies ein sehr produktives Treffen wäre.

Zwei Paradigmen: G-7 und SCO

Die wichtigen Änderungen, die sich derzeit vollziehen, kann man wahrscheinlich am besten anhand der beiden parallelen Konferenzen und Gipfeltreffen illustrieren, die an diesem Wochenende stattfinden. Das eine, die G7, findet in Kanada statt, das andere, die SCO, in Qingdao in China. Bei dem einen, der G7, wollen die meisten Länder oder wenigstens einige Länder den Status quo des neoliberalen, geopolitischen alten Paradigmas verteidigen, das andere Gipfeltreffen, das der SCO, ist typisch für jene Nationen, die versuchen, eine neue Ordnung zu schaffen – eine Win-Win-Kooperation aller Nationen auf dem Planeten.

Zum G7-Treffen kam Trump spät, er fuhr vorzeitig wieder ab und er weigerte sich, die britische Premierministerin Theresa May zu treffen - was meiner Meinung nach eine gute Sache ist –, um schnell nach Singapur weiterzureisen, wo sein Treffen mit Kim Jong-un stattfinden wird. Er brachte es auf den Punkt, als er sagte, daß dieses G7-Treffen eigentlich nicht in dieser Form stattfinden sollte, es fehle Rußland, und es sollten wieder die G8 sein. Er sagte, es sei vielleicht politisch nicht korrekt, dies zu sagen, aber man habe schließlich eine Welt zu regieren.

Ich denke, das ist genau der richtige Geist. Man konnte schon vorher die Auseinandersetzungen von Macron und Trudeau mit Trump sehen, die sogar sagten, wenn die Spannungen mit Trump in der Handelsfrage andauern, werde es nur eine G6+1 geben. Aber dann geschah etwas sehr interessantes, nämlich, daß der neue italienische Premierminister Giuseppe Conte Trmps Forderung, daß es eine G8 sein sollte, unterstützte – also sind es vielleicht nur die G5. Das war ein ganz klarer Bruch der Einheit der Europäischen Union, was Conte da machte.

Das Problem mit dem europäischen Establishment ist, daß diese Leute vollkommen unfähig sind, zu lernen. Sie verstehen nicht, daß das ganze Modell der Weltordnung, wie sie sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entwickelte, gescheitert ist – die Idee, eine unipolare Weltordnung zu schaffen, der sich alle Länder unterwerfen müßten, und wer das nicht tun will, der bekommt einen Regimewechsel durch Farbrevolutionen oder sogar durch „humanitäre“ Interventionskriege, so wie dies im Irak und in Libyen geschah, wie es in Syrien versucht wurde und in der Ukraine im Gang ist. Teil dieser Weltordnung war die Idee, Rußland und China einzukreisen und letztlich auch diese beiden Länder einem Regimewechsel zu unterziehen, um Präsident Putin loszuwerden und die kommunistische Führung in China loszuwerden, so unwahrscheinlich diese Vorstellungen auch sein mögen. Teil der Weltordnung, die jetzt kollabiert, ist auch das neoliberale System, das eine völlige Deregulierung des Finanzsystems betrieb, was natürlich den Abstand zwischen Reich und Arm immer weiter vergrößerte.

Globale Revolte

Aber was wir jetzt sehen, ist eine Revolte im globalen Maßstab gegen dieses neoliberale, sterbende alte System des Britischen Empire. Das äußerte sich im Brexit, es äußerte sich in der Wahl von Präsident Trump und der Niederlage Hillary Clintons, es äußerte sich im Votum gegen die Verfassungsänderungen in Italien im letzten Jahr, es wurde deutlich in der Wahl der gegenwärtigen österreichischen Regierung und nun der italienischen Regierung.

In Italien geschah etwas sehr bemerkenswertes, und es ist meiner Meinung nach wichtig für die Menschen in aller Welt, das zu verstehen, denn darin spiegelt sich wider, warum das europäische Modell nicht funktioniert. Die beiden Parteien, die gerade gewählt wurden – die Lega und die Fünf-Sterne-Bewegung – waren sogenannte „eurokritische“ Parteien, die wirklich die enorme Unzufriedenheit mit dem neoliberalen Paradigma zum Ausdruck brachten, wie sie auch in Trumps Wahlsieg, im Brexit und in der österreichischen Wahl zum Ausdruck kam.

Offensichtlich gab es in Brüssel einen großen Aufruhr dagegen, daß es eine eurokritische Regierung geben würde. Der EU-Kommissar Oettinger – ein recht seltsamer Kerl – sagte ganz offen: „Die Märkte werden die Italiener lehren, das richtige zu wählen.“ Das ist natürlich nicht ganz im Geiste der Demokratie, aber so sagte er es. Dann, nach Oettingers Äußerung, hat die Europäische Zentralbank, wie die Financial Times berichtete, es den Spekulanten ermöglicht, gegen die italienischen Staatsanleihen zu spekulieren, indem sie die Anzahl der italienischen Staatsanleihen, die sie Monat für Monat kauft, reduzierte und so eine Ausweitung des sog. „Spreads“ auf bis zu 300 Punkte [3% höhere Zinsen] gegenüber deutschen Anleihen herbeiführte.

Dieser Druck wurde dann von Präsident Mattarella zum Vorwand genommen, um den ersten Vorschlag einer Regierung mit Giuseppe Conte als neuem Ministerpräsidenten abzulehnen. Er hielt eine Rede, die wirklich bemerkenswert ist, weil er darin sagte, die ausländischen Investoren mögen den vorgeschlagenen Finanzminister Savona nicht, weil er dafür bekannt ist, daß er kritisch zum Euro steht und Reformen im System der Eurozone haben will.

Mattarella hat im wesentlichen Savona abgelehnt. Savona ist ein bekannter Ökonom, er war Chef des Industrieverbands in Italien, er war Minister in einer früheren, moderaten Regierung. Und er war anfangs für den Euro. Aber nachdem er erkannt hatte, welche Folgen die Austeritätspolitik des Maastricht-Stabilitätspakts hat, die Italien von Brüssel aufgezwungen wurde und die italienische Wirtschaft vollkommen ruinierte, wurde er zum Euro-Kritiker und verlangte, daß Italien einen „Plan B“ entwickeln sollte für den Fall, daß dies nicht funktioniert und die Lage nicht besser wird. Er verlangte, daß die Maastricht-Regeln neu ausgehandelt werden sollten.

Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel hat einmal gesagt, ja, wir haben eine Demokratie, aber wir brauchen eine „marktkonforme“ Demokratie. Nun, dieser Fall Italiens, wo der Präsident dem Druck der EZB und der Europäischen Union nachgab und sich weigerte, einen Ministerpräsidenten zu ernennen, der von den Parteien vorgeschlagen wurde, die gerade eine Mehrheit gewonnen hatten, ist wirklich ein absoluter Skandal. Er bedeutet, daß die Demokratie in Wirklichkeit gar nicht existiert. Ich denke, das ist eine sehr ernste Entwicklung, weil sie zeigt, wie es tatsächlich um die berühmten „westlichen Werte“ steht, von denen immer gesprochen wird. Der Chef der italienischen Metallarbeitergewerkschaft machte eine bemerkenswerte Äußerung. Er sagte, die Tatsache, daß ein Mann aus dem Establishment wie Savona als subversiv gilt, zeige, wie weit die Europäische Union unter der Herrschaft der neoliberalen Politik in den letzten Jahrzehnten nach rechts gerückt ist. Und genau das ist das Problem.

Offensichtlich scheiterte diese Taktik, sie wurde zum Bumerang. Der Versuch, einen Technokraten als Ministerpräsidenten einzusetzen, funktionierte nicht. Nun haben wir eben diesen Giuseppe Conte als Ministerpräsident in Italien, und das erste, was Conte sagte, war, wir müssen die Sanktionen gegen Rußland abschaffen. Das sagte auch Kanzler Kurz in Österreich, der ab dem 1. Juli Vorsitzender der Europäischen Union sein wird. Er hat bereits versprochen, daß er die Sanktionen Schritt für Schritt abbauen und letztendlich das Sanktionsregime ganz abschaffen wird.

Dann kündigte Conte an, daß es ein großes Investitionsprogramm geben wird, um die industrielle Entwicklung Italiens wieder in Gang zu bringen.

Europas Einheit existiert nicht

Schauen wir uns das einmal im Ganzen an. Die europäische Einheit existiert nur im Wunschdenken der Leute, die unter dem europäischen Gruppendenken leiden. Denn wenn man sich den Zustand Europas anschaut – da gibt es die Visegrad-Länder, das sind Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei, dann gibt es die ost- und mitteleuropäischen Länder, die alle bessere Beziehungen zu China wollen, und die meisten von ihnen auch mit Rußland. Das gleiche gilt für die Balkanstaaten, es gilt für Südeuropa, für Griechenland, für Italien, Spanien und Portugal, die alle Knotenpunkte für die Neue Seidenstraße werden wollen. Auf der anderen Seite ist da Brüssel, das auf einem System besteht, das ein riesiger überbürokratischer Apparat ist. Es gibt also keine Einheit. Und da ist Frau Merkel, die verlangt, daß Deutschland und Europa ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen sollten. Außenminister Maas verlangt, Europa müsse neue Bündnisse schließen. Die Frage ist, mit welchen Ländern sie diese neuen Bündnisse schließen wollen? Denn sie sind ja gegen Rußland, Merkel hat gerade abgelehnt, Rußland wieder in der G8 zuzulassen. Rußland will auch gar nicht zurück in die G8 – warum sollte es sich einer solchen, obsoleten Gruppe anschließen? Sie versuchen auch, Chinas Einfluß mit der Neuen Seidenstraße zu blockieren. Wo sollen da die neuen Bündnisse herkommen?

Deutschland schickt erstmals Soldaten zu Manövern im Südchinesischen Meer, wo die Schiffe, die auch französische Soldaten an Bord haben, die Hoheitsgewässer der chinesischen Inseln verletzen werden. Was ist dies also? Was ist diese Idee, daß Europa eine neue, imperiale, „globale“ Rolle spielt, wie es die deutsche Verteidigungsministerin von der Leyen immer sagt? Das ist ein altes Modell. Ich erwarte nicht, daß von diesen Kernländern, die den Status quo verteidigen wollen, irgendwelche positiven Änderungen kommen. Ich erwarte viele positive Änderungen aus den Ländern in Europa, die mit der Neuen Seidenstraße kooperieren wollen.

Das neue Modell der Win-Win-Kooperation

Aber wenn man den gegenwärtigen Zustand Europas mit dem vergleicht, was sich in Asien vollzieht, dann könnte der Kontrast nicht dramatischer sein. Es gibt ein neues Modell der Win-Win-Kooperation, dem Handeln im Interesse des anderen, Respektieren der Souveränität des anderen Landes, Nichteinmischung, Respektieren des unterschiedlichen Gesellschaftssystems des anderen Landes und der Idee, sich für einen höheren Zweck der ganzen Menschheit zu verbünden.

Diese Politik, die das Ergebnis von Chinas Politik der Neuen Seidenstraße ist, die inzwischen seit fast fünf Jahren auf der Tagesordnung steht, hat eine ganz unglaubliche Dynamik entwickelt. Sie ist das größte Infrastrukturprojekt der Geschichte, und es ist schon jetzt klar, daß dies die neuen Regeln der Welt bestimmen wird.

Schauen wir uns an, was diese Regeln sind. Im Mittelpunkt dieser strategischen Neuausrichtung, die sich weltweit vollzieht, steht die umfassende strategische Partnerschaft zwischen Rußland und China. Diese wird auch zementiert durch die sehr enge persönliche Freundschaft zwischen Präsident Putin und Präsident Xi Jinping. Putin, der gerade einen Staatsbesuch unmittelbar vor dem SCO-Gipfel machte, wurde mit der Freundschaftsmedaille Chinas ausgezeichnet, und es gab eine große Feier in der Großen Halle des Volkes am Tiananmen-Platz.

Putin kam gerade von seiner jährlichen Fragestunde mit dem russischen Volk. Er beantwortete 87 Fragen, und das dauerte sechs oder mehr Stunden, ein umfassender Dialog mit der Bevölkerung. Die russischen Medien berichteten, daß 91,3% der russischen Bevölkerung der Meinung sind, daß Weisheit der wichtigste Charakterzug von Präsident Putin ist. Offensichtlich hat er ein enormes Charisma. Die Menschen stimmten auch darüber ab, was sie am liebsten täten, wenn sie Putin persönlich träfen. 37,8% wollen ein Foto mit Putin, 29,9% hätten gerne eine Welpe von dem Hundeliebhaber Putin (diese Option würde ich natürlich auch wählen), und 22,47% wünschen sich eine herzliche Umarmung des Präsidenten.

Ich sage das bewußt, weil ich weiß, daß das Leute aufregen wird, die die Verteufelung Putins durch die Massenmedien gewohnt sind. Ich kann Ihnen versichern, daß diese Bewunderung für Putin nicht nur in Rußland existiert, sie existiert auch in China. Es gab gerade in den chinesischen Medien einen Bericht über die Gründe, warum zehn Millionen Chinesen oder sogar noch mehr einen „Putin-Fanclub“ im Internet gegründet haben. Sie erklärten, der Grund für die freundliche Haltung der Chinesen gegenüber Putin sei, daß sie von der Arroganz des Westens empört sind, und ihnen fällt auf, daß Putin und Chinas Präsident Xi die gleiche Behandlung erfahren – sie werden verleumdet und verteufelt. Und tatsächlich ist es in den neoliberalen Mainstream-Medien dasselbe auch gegen Präsident Trump.

Aber es gibt noch mehr asiatische Länder, die vom Geist der Neuen Seidenstraße erfaßt sind. Unter der Regierung Obama war die Politik der Vereinigten Staaten der „Schwenk nach Asien“ – das war nichts anderes als eine geopolitische Manipulation der Länder am Indischen und Pazifischen Ozean, nämlich der Versuch, mit Australien, Japan, Neuseeland und Indien ein indo-pazifisches Bündnis gegen China zu bilden. Das Argument war, Indien sollte sich als die „größte Demokratie“ mit den westlichen Demokratien gehen das „autoritäre“ China verbünden.

Aber das ist nicht mehr der Fall. Es gab kürzlich ein zweitägiges Gipfeltreffen in Wuhan in China, wo Premierminister Modi und Präsident Xi Jinping zwei ganze Tage lang in sechs Sitzungen über alle möglichen bilateralen und multilateralen Fragen diskutiert haben. Und das hat offensichtlich zu einem Neustart der indischen Politik gegenüber China geführt.

Premierminister Modi hat gerade eine sehr wichtige Rede beim Shangri-La-Dialog in Singapur gehalten, wo er ein neues Konzept dargelegt hat und an die Welt appellierte, sich über das Konkurrenzdenken zu erheben und vereint zusammenzuarbeiten. Er erwähnte in seiner Rede mehrfach die Philosophie der Vedante, die Veden und Upanischaden. Er sagte, die wesentliche Idee der Einheit aller bilde die Grundlage für die neuen Bündnisse in Asien. Er sagte: „Asien und die Welt werden eine bessere Zukunft haben, wenn Indien und China mit Vertrauen und Zuversicht zusammenarbeiten und sensibel für die Interessen des anderen sind.“ Und weiter: „Diese Welt steht an einer Wegscheide. Es gibt die Versuchung, die schlimmsten Fehler der Geschichte zu wiederholen. Aber es gibt auch den anderen Weg der Weisheit. Er weist uns auf eine höhere Aufgabe: uns über die enge Sicht unserer Interessen zu erheben und zu erkennen, daß jeder von uns seinen Interessen besser dienen kann, wenn wir als Gleichrangige für das Wohl aller Nationen zusammenarbeiten. Ich bin hier, um Ihnen zu raten, diesen Weg zu beschreiten. Keine andere Beziehung Indiens ist so vielschichtig wie unsere Beziehung mit China. Ich bin fest davon überzeugt, daß Asien und die Welt eine bessere Zukunft haben werden, wenn Indien und China mit Vertrauen und Zuversicht zusammenarbeiten und dabei die Interessen des anderen berücksichtigen.“

Indien und China rücken nun einander näher. Es gibt auch einen Kurswechsel in Japan bei den Beziehungen zu Rußland. Bisher folgte Japan weitgehend dem Washingtoner Konsens, aber in jüngster Zeit hat sich unter Ministerpräsident Abe eine große Veränderung in der Haltung gegenüber Rußland vollzogen. Rußland und Japan arbeiten zusammen bei der wirtschaftlichen Entwicklung der Kurilen-Inseln, und Abe hofft, noch in seiner Amtszeit einen Friedensvertrag mit Rußland schließen zu können. Gegenüber Chinas Gürtel- und Straßen-Initiative war Japan anfangs skeptisch. Aber dann, im letzten Mai, schickte Abe den Generalsekretär der regierenden Liberal-Demokratischen Partei, Toshihiro Nikai, zum Belt & Road-Forum. Er ist der zweitwichtigste Politiker Japans. Seit Juni 2017 kooperiert Japan voll und ganz mit China in der Gürtel- und Straßen-Initiative. Gleichzeitig war Abe der erste Politiker, der den gerade zum Präsidenten gewählten Donald Trump am 17. November 2016 im Trump Tower besuchte, und er war der erste ausländische Regierungschef, der Trump im Weißen Haus und dann am 10. Februar in Mar-a-Lago in Florida besucht hat. Da bildet sich also ein neues Bündnis.

Wenn man sich nun das Verhältnis zwischen China und den Vereinigten Staaten anschaut: Xi Jinping hat im April 2017 Präsident Trump in Mar-a-Lago besucht. Sie haben eine außergewöhnliche persönliche Freundschaft entwickelt. Xi Jinping beantwortete diese Einladung mit einer außergewöhnlichen Führung durch die Verbotene Stadt in Beijing für Präsident Trump und dessen Frau. Sie nannten das einen „Staatsbesuch plus“. Nun bildet sich ein Bündnis zwischen allen diesen großen Mächten. Putin hat gerade über das geplante Treffen mit Trump gesagt, jetzt bist du dran, sorgen wir dafür, daß das klappt.

Offensichtlich blickt die Welt voller Erwartungen auf den kommenden Dienstag [12.6.], an dem das Treffen zwischen Präsident Trump und Kim Jong-un stattfinden wird. Nun, ich weiß nicht, ob es da große Überraschungen geben wird und alles an einem Tag gelöst werden kann, ich glaube es nicht. Ich denke, wahrscheinlich hat eher [der russische] Außenminister Lawrow recht, der sagte, man müsse sehr sorgfältig den schrittweisen Abbau der Sanktionen und die Denuklearisierung organisieren, sodaß Nordkoreas Sicherheitsinteressen gewahrt werden. Und das von Rußland gegebene Versprechen, eine große Rolle bei der wirtschaftlichen Entwicklung Nordkoreas zu spielen, und Präsident Trumps Versprechen, wenn Nordkorea diesen Weg gehe, werde es ein prosperierendes Land werden, das alles müsse auch tatsächlich passieren.

Ich denke, diese Lage wäre ohne den Geist der Neuen Seidenstraße, der offensichtlich die Bevölkerung in Nord- und Südkorea erfaßt hat, gar nicht möglich. Sie erhoffen sich sehr viel von dieser Entwicklung, die verspricht, zur Einigung der beiden Koreas zu führen, zum Bau von Eisenbahnverbindungen von Busan bis zur Transsibirischen Eisenbahn und zum Anschluß an das chinesische Eisenbahnnetz. Das ist eine wirklich hoffnungsvolle Situation, die zum Modell für die Beilegung aller Konflikte auf der Welt werden könnte.

Tatsächlich ist dieses Modell die Vision meines Ehemanns, Lyndon LaRouche, der schon 2007 gefordert hat, daß diese drei Länder – Rußland, China und Indien – zusammenarbeiten müssen, um dem üblen Einfluß des Britischen Empire entgegenzuwirken. 2009 betonte er beim Rhodos-Forum für den Dialog der Zivilisationen, der einzige Weg, wie die Welt aus ihrem gegenwärtigen Zustand herauskommen könne, sei ein Vier-Mächte-Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten, Rußland, China und Indien.

Viele in Asien sind überzeugt, daß dieses Jahrhundert das Asiatische Jahrhundert sein wird. Es ist sehr klar, daß der wirtschaftliche und wissenschaftliche Impuls derzeit aus Asien kommt. Wenn Wissenschaftler etwas tun wollen, dann gehen sie nach China, sie gehen in andere asiatische Länder. Das Wirtschaftswachstum in China und Indien und einigen anderen Ländern ist weit, weit höher als irgendwo im sogenannten Westen.

Eine weltweite Renaissance

Aber das reicht offensichtlich nicht aus. Wenn wir so etwas haben wollen wie das, was Xi Jinping als die „Gemeinschaft für eine gemeinsame Zukunft der Menschheit“ bezeichnet, dann brauchen wir eine kulturelle Renaissance der besten Traditionen aller Nationen und Kulturen. Die Neue Seidenstraße muß auf den grundlegendsten ontologischen, epistemologischen und metaphysischen Konzepten aller Traditionen basieren. Für China bedeutet dies das konfuzianische Prinzip der Selbstvervollkommnung und des lebenslangen Lernens und der Veredelung des Charakters, der Harmonie zwischen Unterschieden. Für Indien ist es das vedische Konzept der kosmischen Ordnung, die das politische Leben auf der Erde steuern soll, das Konzept des Dharma für die Gürtel- und Straßen-Initiative, das Konzept des Panchsheel-Vertrages, das Konzept des Ahimsa, der Entwicklung des eigenen Charakters bis zu dem Punkt, wo man gar nicht mehr fähig ist, Böses zu denken.

Die europäische Zivilisation, deren Teil Amerika ist, hat mit ihren eigenen humanistischen Traditionen vieles dazu beizutragen. Eines der wichtigsten Konzepte ist hierbei das neue Denken, das im 15. Jahrhundert von Nikolaus von Kues eingeführt wurde – die Coincidentia oppositorum, das Zusammenfallen der Gegensätze, was bedeutet, daß die menschliche Kreativität und der menschliche Geist eine höhere Ordnung schaffen können, wo alle Unterschiede verschwinden. Es ist die Idee, daß die Ordnung des Makrokosmos nur existieren kann, wenn die größtmögliche Entwicklung aller Mikrokosmen stattfindet, was bedeutet, daß sich alle Nationen maximal entwickeln und im Interesse aller anderen handeln, um eine harmonische Welt zu schaffen.

Es bedeutet auch das Prinzip des Westfälischen Friedens: daß die Außenpolitik, um den Krieg für immer zu überwinden, auf Nächstenliebe und dem Interesse der anderen gründen muß. Sie muß auch auf den Ideen von Leibniz gründen, daß es im Charakter des Menschen und im Charakter des Universums liegt, daß man ein Übel stets durch ein noch größeres Gut überwinden kann; und der Idee Friedrich Schillers, daß jeder Mensch eine schöne Seele entwickeln kann, für die Plicht und Neigung, Notwendigkeit und Freiheit ein und dasselbe sind, daß nur Menschen, für die dies zutrifft, Genies sind, und daß die Zahl der Genies unbedingt wachsen wird. Das sind auch die Ideen von Wladimir Wernadskij, dem russischen Wissenschaftler. Mein Ehemann Lyndon LaRouche sagt in seinem wunderbaren Buch Die kommenden 50 Jahre der Erde, das er schon vor 20 Jahren schrieb, daß die Integration Eurasiens nur funktionieren wird, wenn sie auf den Ideen von Wernadskij aufbaut, d.h, daß der Einfluß der Noosphäre auf die Biosphäre immer weiter wachsen muß – mit anderen Worten, daß die Erzeugnisse des schöpferischen Geistes als dem Charakter der Menschheit immer stärker dominieren müssen. Und genau das ist es, was wir bei dieser Entwicklung gerade erleben.

Das ist der Geist einer völlig neuen Ära der Menschheit. Das ist wunderbar, und es geschieht.

Warum schließen sich die Leute nicht einfach an und sagen, das ist ein besseres Modell, es paßt offensichtlich besser zur menschlichen Natur, daß wir uns für ein höheres Ziel und für die gemeinsamen Ziele der Menschheit für die Zukunft einigen? Nun, der Grund ist, daß die europäische Zivilisation und ein Teil der Vereinigten Staaten sich von ihren besten europäischen Traditionen abgewandt haben, sie haben sich vom Humanismus abgewandt.

Das gegenwärtig dominierende Modell des alten Paradigmas beruht auf einer neoliberalen und linksliberalen Art von Humanismus, was direkt auf die Frankfurter Schule und ihre „Kritische Methode“ zurückgeführt werden kann. Ich habe hier nicht die Zeit, das gründlich zu behandeln, aber ich kann Ihnen versichern, daß ich das in der Vergangenheit sehr gründlich angesehen habe, und das ist eine völlig destruktive Idee. Es ist die Idee, daß es nichts schönes und nichts wahres gibt, daß man keine Kriterien für die Moral definieren kann, sondern daß man alles in Frage stellen kann. Und jeder, der behauptet, er habe einen Weg, die Wahrheit auf wissenschaftliche Weise festzustellen, oder man könne mit wissenschaftlicher Präzision bestimmen, was schön ist, habe einen „autoritären Charakter“.

Erst kürzlich erschien eine große Studie einer deutschen Denkfabrik namens MERICS [Mercator Research Institute for China Studies], die ein Großangriff auf Chinas Gürtel- und Straßen-Initiative ist und sie als ein „autoritäres Modell“ attackiert. Was China tut, beruht offensichtlich auf einem Versuch, Wahrheit festzustellen, dem Versuch, das Gemeinwohl für die Menschen festzustellen und die Welt schöner zu machen. Das hat Xi Jinping beim 19. Kongreß der KPC [Kommunistischen Partei Chinas] und bei verschiedenen anderen Veranstaltungen wiederholt erklärt. Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß es das ist, was auch Präsident Putin und viele Staatsführer von Entwicklungsländern inspiriert.

Das alte geopolitische Denken ist tatsächlich bis zu dem Punkt degeneriert, daß nach den Werten, die sie angenommen haben, das Prinzip gilt: Alles ist erlaubt. Und das hat zu der gegenwärtigen tiefen kulturellen Krise im Westen geführt – zu der Drogenepidemie in Amerika, der Tatsache, daß die Lebenserwartung in allen Altersgruppen sinkt, während die gesunde Lebenserwartung in China zum ersten Mal die in den Vereinigten Staaten übertrifft.

Wir brauchen offensichtlich eine kulturelle Renaissance, und einer der Gründe, warum wir morgen das Konzert veranstalten,1 ist der, daß uns dies ein Gefühl dafür vermitteln wird, was das Neue Paradigma ist, das wir absolut erreichen müssen, in der Tradition der schönsten Errungenschaften der europäischen klassischen Traditionen. Wenn die Präsidenten - Trump, Putin, Premierminister Modi, Xi Jinping – gemeinsam mit den Führern anderer Entwicklungsländer und hoffentlich auch einiger europäischer Länder auf der Grundlage dieser neuen Ideen zusammenkommen, dann bedeutet dies das Ende der Geopolitik und deshalb auch das Ende der Ursachen der Kriege, wie wir sie gekannt haben.

Eine große Frage, die in aller Welt gestellt wird, ist die: Kann sich Präsident Trump durchsetzen, angesichts des Putsches gegen ihn, angesichts des Einflusses dessen, was die Menschen fälschlich den „Staat im Staat“ (Deep State) oder den militärisch-industriellen Komplex nennen, während man es besser einfach das Britische Empire nennen sollte? Sind diese Kräfte so mächtig, daß sie Präsident Trump überwältigen können?

Man muß die Rolle des Britischen Empire verstehen, gegen das die Amerikanische Revolution im Unabhängigkeitskrieg erkämpft wurde. Wir haben eine Menge über die 200 Jahre langen Bemühungen veröffentlicht, das amerikanische Modell der Republik zu untergraben und umzustürzen.

Bis zur Wahl von Trump war das Britische Empire sehr erfolgreich damit, das amerikanische Establishment zu korrumpieren, so daß es sich das Modell des Britischen Empire zu eigen macht, die Welt auf der Grundlage einer unipolaren Welt zu beherrschen. Wir haben das im Fall der Bush-Administrationen und bei der Obama-Administration gesehen, und offensichtlich war der Grund, warum diese Hysterie gegen Trump losbrach und mit Hilfe oder auf Initiative der britischen Geheimdienste das Russiagate in Gang gesetzt wurde, daß Trump mit dieser Tradition gebrochen hat. Das ist es, worum es im Spygate geht. Erinnern Sie sich, daß Präsident Trump kürzlich eine Twitter-Mitteilung herausgeschickt hat, in der er sagt, Spygate werde zum größten Skandal der amerikanischen Geschichte.

Wir haben mehrere wichtige Berichte veröffentlicht, die wir verbreiten sollten, und Sie sollten uns helfen, sie international zu verbreiten. Denn wenn Spygate ganz aufgedeckt werden kann, dann wird dies die größte Katharsis sein, die Sie je gesehen haben. Alles, was in den letzten mehr als 50 Jahren seit der Ermordung von John F. Kennedy, von Robert Kennedy 1968 und von Martin Luther King geschah, dieses halbe Jahrhundert der Erniedrigung wird überwunden und beendet werden, und es muß durch die besten Traditionen der amerikanischen Kultur und der amerikanischen Revolution ersetzt werden.

Ich bitte Sie daher, sich dem Schiller-Institut anzuschließen, damit wir das schaffen. Amerika muß sich der Neuen Seidenstraße anschließen, und wir müssen gemeinsam ein Neues Paradigma für die ganze Menschheit schaffen.

Vielen Dank.


Anmerkung

1. Am 10. Juni veranstaltete das Schiller Institut eine Aufführung von Ludwig van Beethovens Messe in C-Dur und afroamerikanischen Spirituals zum Gedenken an den 50. Jahrestag der Ermordung von Robert F. Kennedy.