Friedrich Schiller Denkmal
Friedrich Schiller



Hauptseite
       

Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Die Integration des eurasischen Kontinents

Von Leonidas Chrysanthopoulos

Leonidas Chrysanthopoulos ist ehemaliger griechischer Botschafter und ehemaliger Generalsekretär (2006-12) der Organisation für Schwarzmeer-Wirtschaftskooperation (BSEC). Den folgenden Vortrag hielt er am 1. Juli im Rahmen der Bad Sodener Konferenz des Schiller-Instituts. Er wurde aus dem Englischen übersetzt.

Ich möchte zu Beginn die Schlußfolgerung des Papiers zitieren, das ich zur Internationalen Wissenschaftlichen Konferenz über die Neue Seidenstraße, die im vergangenen Jahr in Belgrad stattfand, eingereicht habe:

    „Wenn dieses Projekt, das von größter Bedeutung für die Menschheit ist, erfolgreich sein soll, dann müssen Frieden und Stabilität erhalten bleiben. Aber die Existenz und Förderung dieses Projektes kann auch erfolgreiche Friedensinitiativen erleichtern, wenn die Konfliktparteien erkennen, daß die Vorteile ihrer Beteiligung an der Gürtel- und Straßen-Initiative (BRI) die ungewissen Vorteile aus der Fortsetzung des Konfliktes weit überwiegen werden. Das war die Erfahrung mit der Ringautobahn um das Schwarze Meer, wo die Streitigkeiten zwischen einigen BSEC-Mitgliedstaaten1 so weit abgeschwächt werden konnten, daß die Autobahn durch Zonen eingefrorener Konflikte gebaut werden konnte. Deshalb ist eine erfolgreiche Gürtel- und Straßen-Initiative schon an sich ein Anreiz zur Befriedung. Man sollte sich nur einmal vorstellen, wie Asien aussähe, wenn in Afghanistan und im Nahen Osten Frieden herrschte; und die Perspektiven, die sich der Menschheit wissenschaftlich, kulturell, philosophisch und spirituell eröffnen würden, wenn weltweit Frieden herrschte, wären immens. Deshalb muß die Gürtel- und Straßen-Initiative ein Erfolg werden.“

    Und weiter: „Die erfolgreiche Umsetzung der Gürtel- und Straßen-Initiative könnte langfristig die überlappenden regionalen Organisationen und Initiativen in Asien in einer großen Organisation vereinen, die ihr Epizentrum in Gürtel und Straße hätte.“

Erlauben Sie mir nun, etwas näher auf die Probleme einzugehen, denen sich die BRI stellen muß, damit sie erfolgreich sein kann:

1. Ich will mit der EU beginnen, einer Organisation, die den Kontakt zu den Menschen in Europa verloren hat, eine Organisation, die die demokratischen Prozeduren abgeschafft hat, eine Organisation, die ihre Mitgliedstaaten zerstört. Die EU mag diese Initiative, die auf ihrem Gebiet endet und die ihr nützt, überhaupt nicht. Im April veröffentlichten die EU-Botschafter in Beijing einen Bericht, der die BRI kritisierte, weil sie den EU-Plänen für die Handelsliberalisierung zuwiderläuft und die Machtverhältnisse zugunsten subventionierter chinesischer Unternehmen verschiebt. Einzig Ungarn stimmte dem Inhalt dieses Berichtes nicht zu. China ist beteiligt an Infrastrukturprojekten in Mitteleuropa, wie der Hochgeschwindigkeitsbahn Ungarn-Serbien. Obwohl Ungarn China erlaubt hatte, mit dem Projekt zu beginnen, hat die EU es gestoppt, weil Budapest es angeblich nicht öffentlich ausgeschrieben hatte und statt dessen auf eine bilaterale Vereinbarung mit China setzte. Dies zeigt die politische Sorge in Brüssel und im europäischen Unternehmenssektor. Ein weiteres Problem, das die EU geschaffen hat, besteht darin, daß sie Staatsbetrieben – die natürlich einen Großteil der chinesischen Auslandsinvestitionen in der BRI stellen – nicht traut, und man tut alles, um ihre Beteiligung zu verhindern.

Diese Politik der EU ist natürlich sehr heuchlerisch, wenn man bedenkt, daß Griechenland gezwungen wurde, seine Flughäfen zu „privatisieren“, indem sie an die deutsche Fraport verkauft wurden, die in öffentlichem Besitz ist. Man fragt sich, was ist hier eigentlich die Definition von Privatisierung? Der europäische Protektionismus nimmt zu, während die chinesischen Unternehmen noch nicht ganz darauf vorbereitet sind, sich den komplizierten Vorschriften der EU zu unterwerfen.

Wenn die BRI ein Erfolg werden soll, dann ist also eine engere bilaterale Kooperation zwischen der EU und China notwendig, damit Europa wieder Endpunkt der Seidenstraße werden kann.

Einige sagen, ein potentielles Risiko für die BRI bestehe darin, daß die EU sich letztendlich auflöst, weil dann keine EU-Gelder mehr verfügbar wären. Ich würde das genaue Gegenteil sagen, nämlich daß die Auflösung der EU tatsächlich ein Segen wäre. Dann könnte man Geldmittel auf bilateraler Ebene mit europäischen Ländern aufbringen, und es gäbe keine strengen EU-Vorschriften mehr, die Investitionen von Staatsbetrieben in europäischen Ländern verhindern. Außerdem würden die Sanktionen der EU gegen Rußland entfallen, sodaß eine bilaterale Kooperation europäischer Länder mit Rußland und China effizienter würde. Beispielsweise verbieten es die russischen Gegensanktionen gegen die EU, polnische Agrarerzeugnisse [durch Rußland] auf der chinesischen Expreßbahn über die Eurasische Landbrücke nach China zu exportieren. Wenn die Sanktionen in Kraft bleiben, könnte dem Aufbau der BRI jedenfalls das Risiko schlechter Verkehrsverbindungen im Wege stehen. Allerdings könnte die EU nach dem jüngsten G7-Treffen, wo die USA isoliert waren, im Zuge ihrer Reaktion auf den Zollkrieg, den Washington angefangen hat, eine etwas andere Position einnehmen.

2. Die Position der USA zur BRI ist wichtig. Derzeit ist die amerikanische Position doppeldeutig, insbesondere, nachdem die USA sich im vergangenen Jahr aus der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) zurückgezogen haben. Sie unterstützen und beteiligen sich am Asien-Afrika-Wachstumskorridor (AAGC), einer Initiative, die von Australien, Indien und Japan gestartet wurde und mit wenig Erfolg als Alternative zur BRI angepriesen wird. Natürlich sehen die USA in China einen Konkurrenten im Rennen um die globale Vorherrschaft. Und solange sie auf diesem Kurs bleiben, werden sie gegen die BRI sein, trotz der Tatsache, daß sie sehr viel davon zu gewinnen haben. Aber solange die USA das Projekt nicht physisch sabotieren, ist das in Ordnung. Es könnte sogar als Reaktion auf die amerikanische Position die Kooperation zwischen den beteiligten Ländern verstärken.

3. Indien ist ablehnend wegen des Territorialstreits um Kaschmir mit Pakistan. Es bezeichnet die BRI als einen Akt des chinesischen Kolonialismus. Der Chinesisch-Pakistanische Wirtschaftskorridor führt durch das pakistanisch besetzte Kaschmir. Indien treibt das Projekt der Fernstraße Indien-Myanmar-Thailand (3200 km) voran, die Indien mit den ASEAN-Staaten verbinden wird. Aber wie schon gesagt, kann der wirtschaftliche Nutzen des Projektes die politischen Hindernisse bei der Konfliktlösung überwinden.

Wir hatten zwei Fälle solcher positiven Endergebnisse, als es um die geplante Route der Schwarzmeer-Ringstraße ging, eine 7500 km lange Autobahn, die die Mitgliedstaaten der BSEC verbinden und den Straßentransport von den Schwarzmeerländern nach Europa und Asien erleichtern soll.

Eines dieser Probleme war in Moldawien, wo die Autobahn entlang einer alten sowjetischen Fernstraße durch die Republik Transnistrien führen soll, die sich für unabhängig erklärt hat. Den moldawischen Behörden war es zuerst nicht recht, daß die Autobahn durch Tiraspol führen sollte. Es gab damals Verhandlungen zwischen beiden Seiten über eine mögliche Annäherung, und der Stolperstein waren die Ausweise von Tiraspol. Also sagten wir Kischinau, sie sollten der anderen Seite anbieten, wenn sie die moldawischen Ausweise akzeptieren, kann die Autobahn über Tiraspol führen. Und das geschah dann auch.

Das zweite Problem war zwischen Rußland und Georgien. Die Autobahn sollte über Abchasien nach Georgien führen, aber nach dem Krieg zwischen Rußland und Georgien im August 2008 weigerte sich letzteres, eine Autobahn durch Abchasien nach Georgien zuzulassen. Nachdem wir der georgischen Seite in allen Einzelheiten dargelegt hatten, welche wirtschaftlichen Vorteile sie von der Autobahn hätten, wenn sie zulassen, daß diese von Rußland aus durch ihr Land führt, konnten wir Tiflis überzeugen, dem Bau der Autobahn durch den Roki-Tunnel in Südossetien zuzustimmen.

Die negative Haltung der USA ist das wichtigste Element, das den Fortschritt der BRI behindern könnte. Die Teilnehmer sollten bilaterale oder multilaterale Bemühungen unternehmen, um Washington von den Vorteilen zu überzeugen, die es von der Beteiligung an diesem Projekt hätte. Das ist zwar fast eine mission impossible, aber man sollte es wenigstens immer wieder versuchen, um eine physische Behinderung der BRI-Initiative zu vermeiden. In diesem Sinne sollte man in engerem Kontakt zu Japan, Australien und Indien untersuchen, wie der Asien-Afrika-Wachstumskorridor (AAGC) in das BRI-Projekt eingebunden werden kann.

In Bezug auf die EU gibt es nicht viel, was getan werden kann, außer die EU-Vorschriften über die Ausschreibung und Finanzierung der Projekte zu befolgen, damit die ost- und mitteleuropäischen Länder EU-Gelder nutzen können, um ihre Infrastrukturprojekte mitzufinanzieren.

In einer Welt, in der bewaffnete Konflikte und Gewalt vorherrschen und das Völkerrecht nicht mehr existiert, ist es wichtig, die Rolle von Kultur, Philosophie, Humanismus und Spiritualität hervorzuheben. Auch sie müssen über die Seidenstraße transportiert werden, in Form des Austauschs von Ideen und Kultur zwischen Ost und West. Das Schiller-Institut spielt in dieser Hinsicht durch die aktive Beteiligung von Helga Zepp-LaRouche auf vielen internationalen Foren eine sehr positive Rolle. Auch in diesem Sinne hat Griechenland im vergangenen April das erste Treffen des „Forums alter Zivilisationen“ veranstaltet, an dem auch China teilnahm. Inzwischen gab es weitere Treffen.

Fassen wir zusammen: Die erfolgreiche Umsetzung der BRI kann wesentlich dazu beitragen, die internationalen Beziehungen humaner zu machen, die Bevölkerung der beteiligten Staaten wirtschaftlich und kulturell zu entwickeln und auf diese Weise die Voraussetzungen für den Weltfrieden zu schaffen. Das mag wie eine Utopie klingen. Aber wenn wir nicht an Utopien glauben, werden sie niemals wahr.


Anmerkung

1. BSEC = Organisation für Schwarzmeer-Wirtschaftskooperation

eir