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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
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Konfuzius und Benjamin Franklin

Von Dr. Dave Wang

Dr. Wang ist Leitender Bibliothekar der Queens Library in Laurelton im New Yorker Stadtbezirk Queens und Lehrbeauftragter an der katholischen St. John’s University in New York. Er hielt bei der New Yorker Konferenz des Schiller-Instituts am 13. April den folgenden Vortrag; die schriftliche Fassung ist leicht bearbeitet.

Guten Tag. Ich habe, wie wir alle, den Vortrag von Dr. Patrick Ho sehr genossen. Ich habe viel über die chinesische Kultur und über die neue Initiative, die die Chinesen gestartet haben, gelernt.

Bevor ich meinen Vortrag beginne, möchte ich noch Herrn Bill Jones und John und Renée Sigerson vom Schiller-Institut danken, die diesen Vortrag möglich gemacht haben. Ich glaube nicht, daß ich hier eine gründliche Darstellung meiner Forschungen geben kann. Ich will Ihnen aber meine Publikationen über den kulturellen Einfluß Chinas auf die Vereinigten Staaten vorstellen.1

In einem meiner frühesten Papiere über den chinesischen kulturellen Einfluß auf die Vereinigten Staaten schrieb ich, daß wir hier über den Amerikanischen Traum sprechen. Der Amerikanische Traum hat in China angefangen. Schon bevor die ersten Kolonisten landeten, hat es den chinesischen Einfluß gegeben. Denn die Virginia Company, die die Erforschung Nordamerikas förderte und einen Ort für die erste Landung aussuchen mußte, wollte möglichst nahe an einem Ort landen, von wo aus sie weiter nach China gelangen konnte.

Frankreich half bei der Amerikanischen Revolution. Warum? Die Franzosen waren sich sicher, daß George Washingtons Guerillas den Unabhängigkeitskrieg ohne internationale Unterstützung, im wesentlichen aus Frankreich, nicht gewinnen könnten. Und einer der entscheidenden Gründe, warum Frankreich diesen Krieg unterstützte, war es, zu verhindern, daß die Briten den Handel mit China monopolisieren könnten.

Benjamin Franklin hat im Siebenjährigen Krieg (Franzosen- und Indianerkrieg, 1754-63) die Idee der chinesischen Großen Mauer aufgegriffen.2 Franklin dachte, um die Vereinigten Staaten [bzw. Kolonien] zu schützen, sollte man eine Mauer wie die chinesische Mauer bauen. Er sprach zweimal von dieser Mauer, einmal im Siebenjährigen Krieg und dann nochmals im Revolutionskrieg. Es ist offensichtlich, daß diese Mauer die neugeborenen Vereinigten Staaten schützen sollte.

Ich habe über Benjamin Franklin und die konfuzianische Moralphilosophie geschrieben, und daß Franklin die Prinzipien des Konfuzius nutzte, um seine Tugend zu kultivieren. 2011 erschien mein Buch Die Gründer der USA und China: Der Ursprung des chinesischen kulturellen Einflusses auf die Vereinigten Staaten, es enthält auch ein Bild des Obersten Gerichtshofs, wo auch Konfuzius zu sehen ist. Wenn Sie den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten besichtigen und zum Osttor gehen, dann können Sie dort Konfuzius sehen.

Franklin veröffentlichte 1737 in seiner Pennsylvania Gazette ein Essay über die Moral des Konfuzius. Er veröffentlichte 1737 auch mehrere Kapitel aus Konfuzius’ Moralphilosophie. 1747 schrieb Franklin in einem Brief an George Whitefield, einen sehr bekannten Pastor: „Konfuzius war mein Vorbild. Ich folgte Konfuzius.“ Zwölf Jahre später veröffentlichte Franklin die Werke des Konfuzius.

1784, nach der Revolution, hofften einige Veteranen, sie könnten ihren Ruhm und ihre Titel an ihre Nachfahren weitervererben. Sie organisierten zu diesem Zweck die Cincinnatus Society. Franklin war mit dieser Idee, Titel und Ruhm an die nächste Generation zu vererben, nicht einverstanden, denn das entsprach dem europäischen System des erblichen Adels, gegen das sich unsere Revolution richtete. Wozu eine Revolution, wenn man danach das europäische aristokratische Erbschaftssystem wiederherstellt? Amerika sollte lieber das chinesische System der Verdienste übernehmen, für die öffentlichen Ämter sollte man Menschen mit der richtigen Begabung auswählen.

Nicht alle Forscher stimmen meinen Schlußfolgerungen zu. Professor David Weir von Cooper Union hat 2011 ein Buch veröffentlicht, in dem er mir zum Teil zustimmt. Er schrieb, Franklin habe tatsächlich viel von der chinesischen Kultur gelernt, insbesondere von der Philosophie des Konfuzius. Aber dann habe der Einfluß der Ideen des Konfuzius plötzlich aufgehört. Nach der Revolution habe es keinen konfuzianischen Einfluß mehr gegeben.

Ich war ganz anderer Ansicht. Deshalb schrieb ich ihm einen längeren Aufsatz über den Einfluß von Konfuzius bei der Gründung Amerikas, worin ich mich damit befaßte, wie die Gründerväter – Benjamin Franklin, Thomas Jefferson und die anderen – versuchten, in der neuen Nation neue Tugenden zu schaffen. Sie dachten, die Ideen des Konfuzius sind gut, diese Ideen kann man aufgreifen, um neue Tugenden zu schaffen; wir können nicht an den alten Tugenden festhalten.

In einer Schrift, die ich vor einigen Tagen fertiggestellt habe, „Der Weg zur Übernahme des konfuzianischen Verdienstsystems, von Benjamin Franklin bis zum Pendleton Act 1883“, beschreibe ich den Weg der Vereinigten Staaten hin zur Einführung eines auf Verdienste gegründeten Systems für die Auswahl der Regierungsbeamten. Bei meiner Arbeit in einer öffentlichen Bibliothek gehört es zu meinen Aufgaben, meinen Kunden Material für ihre Prüfungen für die Beamtenlaufbahn zusammenzustellen, damit sie einen Job bei der Regierung bekommen können. Und das ist eine Idee aus China, Franklin erwähnt das 1784. Seine Vorschläge wurden aber nicht angenommen. Warum nicht?

1881 wurde Präsident Garfield von einem Stellenbewerber, Charles Guiteau, ermordet. Warum hat er ihn umgebracht? Weil er überzeugt war, daß er ein Anrecht auf ein Staatsamt hatte. Er hatte Garfield im Wahlkampf mit hohen Spenden unterstützt und zu dessen Wahlsieg beigetragen. Damals – von Thomas Jefferson bis James Garfield – folgte die Auswahl der Regierungsbeamten einem Patronagesystem. Unter diesem Patronagesystem bekam jeder, der zum Sieg eines politischen Kandidaten beigetragen hatte, zur Belohnung ein Staatsamt. Freunde, Verwandte, alle bekamen einen Posten beim Staat.

Aber dann beschloß die Öffentlichkeit: Wir müssen damit aufhören. Das kann nicht so weitergehen. Wir müssen zurück zu Franklins Ideen, wir müssen die Staatsbediensteten nach einem Bewerbungssystem auswählen. Jeder muß ein Staatsexamen für den Staatsdienst bestehen. Heute gibt es in den Vereinigten Staaten etwa 4,5 Millionen Staatsbedienstete, davon müssen 80% das Staatsexamen absolvieren. Die Vereinigten Staaten haben hundert Jahre gebraucht, von Franklin 1784 bis 1884, um den Pendleton Act zu beschließen, mit dem dieses Bewerbungssystem offiziell eingeführt wurde.

Zum Abschluß möchte ich Dr. Wilton Dillon zitieren, einen der besten Kulturanthropologen der Welt. Er schreibt in seinem Buch The Research on China and Our Founding Fathers („Die Forschung zu China und unseren Gründervätern”)3:

    „Ich habe Dave Wang bei einem Treffen der ,Freunde Franklins’ am Aspen Institute kennengelernt. Diesen chinesischen Gelehrten von der St. John’s University in New York kennenzulernen, eröffnete mir eine Fülle neuer Einsichten über den chinesischen Einfluß auf unsere Gründerväter und auf das koloniale Nordamerika. Prof. Wang reist jetzt durch die Welt, um seine neuen Erkenntnisse zu teilen. Ich habe den früheren Senatoren Larry Pressler, Republikaner aus South Dakota, und Harris Wofford, Demokrat aus Pennsylvania, Kopien einiger seiner Schriften gegeben, als sie in China Vorträge über das ,Zweiparteiensystem’ hielten. Die kulturellen Geschenke einer Nation an die andere zu würdigen – und ganz besonders die Fähigkeit, diese auch anzunehmen –, das macht gute Diplomatie aus.

    ,Wie China die amerikanische Kultur mitprägte: die Gründerväter und die chinesische Zivilisation’ ist der Titel von Wangs Zusammenfassung seiner Erkenntnisse, die 2010 im Virginia Review of Asian Studies erschien. Konfuzianische Philosophie, Tee, Porzellan, Tapeten, Rhabarber, Sojabohnen, Zentralheizung, Kanal- und Schiffbau, Ideen über Vernunft, Raketenbau und alternative Medizin gehören zu den zahlreichen kulturellen Beiträgen, die aus China kamen. Franklin entwarf eine hölzerne Mauer, die von der Großen Mauer inspiriert war, um Philadelphia nach dem Siebenjährigen Krieg vor den Indianern zu schützen. Jeffersons Architektur weist Andeutungen chinesischer Gestaltung auf. Wang verfolgt chinesische Einflüsse auf Thomas Paine, John Bartram, Benjamin Rush, Jedidiah Morse und andere...

    Man muß Grenzen ziehen zwischen Anbiederung zu politischen, wirtschaftlichen und Sicherheitszwecken auf einen Seite und historischen Studien der kulturellen Kontakte auf der anderen. Westliche und insbesondere amerikanische Einflüsse haben dazu beigetragen, Großchina zu revolutionieren. Die asiatische Idee des Yin und Yang würde den beiden voneinander abhängigen Parteien helfen, besser miteinander auszukommen.“

Ich danke Ihnen allen.


Anmerkungen

1. Siehe dazu Dr. Wangs Internetseite http://foundingfathersandchina.blogspot.com

2. „Defending the American Colonies: Benjamin Franklin’s Great Wall, 1756-1776“, Virginia Review of Asian Studies, 17. Jg. (2015), S. 213-220.

3. Aus Dillons Buch Smithsonian Stories: Chronicle of a Golden Age, 1964-1984, Transaction Publishers, 2015.