„Das Ziel der Seidenstraßen-Initiative ist es,
Chinas Wirtschaftswunder zu exportieren“
In einem Videobeitrag für eine Konferenz des Schiller-Instituts am 17. Juni
2017 in Detroit warb Helga Zepp-LaRouche für das Modell des chinesischen
Wirtschaftswunders als Ausweg aus der Krise und betonte, man dürfe sich nicht
durch die Berichterstattung der Massenmedien dazu verleiten lassen, in
Pessimismus zu verfallen.
„Wenn Sie nur auf die etablierten Medien in den Vereinigten Staaten hören
würden, dann hätten Sie allen Grund zum Pessimismus: Sie hätten einen
Präsidenten Trump, der vor dem Scheitern steht; Russiagate – angeblich hat
Rußland Hillary Clinton die Wahl gestohlen und sie Trump geschenkt; angeblich
wird die Justiz behindert; und wenn man auf diese Medien hört, dann ist es nur
eine Frage der Zeit, bis Präsident Trump abgesetzt wird. Aber das ist nicht
die wirkliche Lage, und deshalb sollten die Leute, die für Trump gestimmt
haben und hofften, daß seine Präsidentschaft eine Abhilfe für die vielen
Probleme in diesem Land bringt – wirtschaftliche und soziale –, die Hoffnung
nicht verlieren.“
Um ihren Hörern den Grund für ihren Optimismus zu vermitteln, berichtete
sie über die Fortschritte der chinesischen Initiative der Neuen Seidenstraße
und über das Seidenstraßen-Forum in Beijing, an dem sie selbst Mitte Mai als
geladene Rednerin teilgenommen hatte:
„Die Delegierten bei diesen Forum hatten das eindeutige Gefühl, daß sie an
der Gestaltung der Weltgeschichte beteiligt waren, an der Schaffung einer
neuen Weltwirtschaftsordnung, eines völlig neuen Paradigmas der Menschheit, in
dem die Geopolitik abgelöst wird durch eine ,Win-Win’-Kooperation zwischen
allen Nationen, die sich an diesem Projekt beteiligen.“
Es gehe dabei darum, das Modell des chinesischen Wirtschaftswunders in alle
Nationen Eurasiens, Afrikas und Lateinamerikas zu exportieren. Dieses
Wirtschaftswunder sei noch bedeutender als das deutsche Wirtschaftswunder nach
dem Zweiten Weltkrieg. „Denn als 1949 die Volksrepublik China gegründet wurde,
da lag die Lebenserwartung in China aufgrund des Bürgerkriegs und aufgrund des
Kriegs gegen Japan nur bei 35 Jahren, die Kindersterblichkeit lag bei 20%. Der
Anteil der Analphabeten lag bei 80%. Aber seit den Reformen unter Deng
Xiaoping, vor allem in den letzten 30 Jahren, hat diese Wirtschaftspolitik ein
Wirtschaftswunder geschaffen, das mit keiner anderen Entwicklung in anderen
Ländern vergleichbar ist. Es erhob 800 Millionen Menschen aus der Armut,
inzwischen sind nur noch 4% sehr arm, und es ist das Ziel der chinesischen
Regierung, diese Armut bis zum Jahr 2020 ganz zu überwinden und zu beseitigen.
Die Lebenserwartung ist auf durchschnittlich 76 Jahre gestiegen, die
Analphabetenrate auf 4% gesunken – was vermutlich viel weniger ist als heute
in den Vereinigten Staaten. China ist in vielen Bereichen zum Weltführer
aufgestiegen, insbesondere beim Bau schneller Zugsysteme, und es hat bereits
mehr als 20.000 km an Hochgeschwindigkeitsbahnen gebaut. Das Ziel ist, bis
2020 alle Städte Chinas durch schnelle Züge miteinander zu verbinden. Das
werden dann wahrscheinlich rund 50.000 km an solchen Schnellzugstrecken
sein.“
Integration Eurasiens und der Welt
Seit dem Seidenstraßen-Forum Mitte Mai habe es in schneller Folge zwei
weitere wichtige Wirtschaftskonferenzen gegeben: das Internationale
Wirtschaftsforum in St. Petersburg und das jährliche Gipfeltreffen der
Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit in Astana in Kasachstan. „Was man
bei diesen Treffen sah, ist eine extrem schnelle wirtschaftliche Integration
der Neuen Seidenstraße, der Eurasischen Wirtschaftsunion und der Shanghaier
Organisation für Zusammenarbeit, und es reicht sogar darüber hinaus.“
Präsident Putin habe kürzlich in seinem jährlichen vierstündigen Interview,
zu dem alle Russen Fragen einsenden konnten, auf eine Frage zur Zusammenarbeit
zwischen der Neuen Seidenstraße und der Eurasischen Wirtschaftsunion
geantwortet, es gehe nicht nur um die Verbesserung der Beziehungen zwischen
Rußland und China, sondern es sei von globaler Bedeutung für das Wohl der
gesamten Zivilisation. Dasselbe habe auch Chinas Präsident Xi Jinping schon
oft gesagt, nämlich, daß man einen vollkommen neuen Ansatz für die
Angelegenheiten der Welt brauche, eine Gemeinschaft für eine gemeinsame
Zukunft der Menschheit. Und für den Erfolg der Seidenstraßen-Initiative sei es
offensichtlich ganz entscheidend, daß auch die Beziehungen zwischen den
Vereinigten Staaten und China gut laufen. Sie müßten kooperieren, „denn das
sind die beiden größten Volkswirtschaften der Welt, und wenn diese beiden
Länder eine neue Beziehung zueinander finden können, dann bin ich absolut
zuversichtlich, daß es kein einziges Problem auf dieser Erde gibt, das wir
nicht lösen können“.
Es habe bereits ein sehr positives Treffen zwischen den Präsidenten Trump
und Xi in Florida stattgefunden, und anschließend habe Trump seinen engen
Berater Matt Pottinger zum Seidenstraßenforum nach Beijing entsandt. Genau
diese positive Haltung Trumps gegenüber China – und auch gegenüber Rußland –
sei der wahre Grund, warum die Vertreter des alten Paradigmas jetzt versuchen,
eine Farbenrevolution gegen Präsident Trump anzuzetteln.
Den Aufbau finanzieren
Sie warnte jedoch vor der gerade in Amerika verbreiteten Idee, bei den
notwendigen Infrastrukturinvestitionen auf private Investoren zu setzen, die
nur ihren kurzfristigen Profit im Auge haben. Die Folgen der Privatisierung in
Ostdeutschland nach dem Fall der Mauer und die Folgen der Schocktherapie in
Rußland unter Präsident Jelzin seien mahnende Beispiele. Sie betonte:
„Man muß verstehen, daß es bestimmte Bereiche in der Wirtschaft gibt, in
denen private Interessen keine nützliche Rolle spielen können, weil diese
Bereiche den Rahmen für die Wirtschaft insgesamt schaffen. Und Infrastruktur
kann man nicht an den Kosten messen, die man in sie investiert, oder an den
Profiten, die man durch Maut oder ähnliches aus ihnen herausholen kann.
Sondern der wahre Wert der Infrastruktur liegt offensichtlich in der
Transformation der Produktivität der Industrie, die möglich wird als Resultat
der Produktivität der Arbeitskraft.“
Als Beispiel verwies sie auf den Zustand der amerikanischen
Eisenbahninfrastruktur:
„Wir sprechen hier also von einer völlig neuen Wirtschaftsplattform, die
durch ein neues Technologieniveau definiert ist – und in unserer Zeit müssen
das wirklich schnelle Züge sein, es müssen Magnetbahnen sein. Und angesichts
der Tatsache, daß die Vereinigten Staaten derzeit nur jämmerliche 150
Kilometer Hochgeschwindigkeitsbahnen haben, irgendwo zwischen New York und
Boston, und diese nur bis zu 240 km/h fahren, brauchen die Vereinigten Staaten
etwa 40.000 Meilen einer Kombination von Magnetbahnen und schnellen Zügen,
integriert mit städtischen Metrosystemen, um die tägliche Fahrzeit der Pendler
von derzeit etwa vier Stunden auf 20 Minuten zu reduzieren.
Die Effizienz der Infrastruktur ist um so wichtiger, je höher das Niveau
der Produktion ist. Deshalb würde ich für viele Gebiete – industrielle
städtische Regionen wie New York, New Jersey, Philadelphia, San Francisco, Los
Angeles, Chicago oder den Großraum Detroit oder auch Cleveland/Ohio – als
Vorbild das Modell Beijing-Tianjin-Hebei wählen, die in eine Superstadt
verwandelt werden sollen, das sog. Jing-Jin-Ji-Modell. Es soll mit den rund
130 Millionen Einwohnern eine integrierte neue Stadt mit einer Fläche von
212.000 km2 schaffen, mit einem integrierten System von Flughäfen,
Schnellstraßen, schnellen Zugsystemen, Magnetbahnen und Metros, sodaß niemand
länger als 20 Minuten für die Fahrt von seiner Wohnung zur Arbeit
benötigt.
Diese Züge sollten mit 200-350 km/h fahren. Und im Fall des Modells
Beijing-Hebei-Tianjin hat jede der drei Städte eine besondere Rolle. Beijing
soll sich auf Technologie und Kultur konzentrieren, Tianjin wird eine
Forschungsbasis für die Industrie, Hebei wird einen Kern in den
Montanindustrien haben.
Für die Vereinigten Staaten sollte man einen ähnlichen Ansatz wählen, wo
die existierenden Stadtregionen, in denen die Infrastruktur absolut desolat
und vollkommen verfallen ist, erneuert werden, aber auch ganz neue Städte
aufgebaut werden – Wissenschaftsstädte, in denen Zentren für die
wissenschaftliche und technologische Kooperation und internationale Projekte
auf die Tagesordnung kommen.“
Vision für die Zukunft
Zepp-LaRouche betonte: „Ich denke, die größte Schwierigkeit ist, nicht in
den gegenwärtigen Problemen stecken zu bleiben. In der Infrastrukturdiskussion
in New York, die Sie in den letzten Tagen gesehen haben, fehlt bisher eine
Vision für die Zukunft. Sie wollen den Flughafen La Guardia sanieren, aber sie
berücksichtigen nicht, daß die Bevölkerung wachsen könnte, daß die Wirtschaft
wachsen könnte, oder daß sich mit einem schnellen Bahnsystem, wie wir es
vorschlagen, die Funktion der Flughäfen vollkommen ändern würde.
Dementsprechend sollte man sich vielleicht nicht nur auf die Flughäfen
konzentrieren, sondern man sollte von einem Schnellzugnetz als Teil eines
integrierten Infrastruktursystems ausgehen.“
Sie schloß: „Ich denke, wir müssen diese ganze Frage vom Standpunkt der
Zukunft aus betrachten, vom Standpunkt eines vollkommen neuen Paradigmas der
Kooperation zwischen den Nationen. Wir müssen von der Idee der einen
Menschheit ausgehen, einem Geflecht vollkommen neuer Beziehungen zwischen
den Nationen, in denen die Nationen nicht nur ihre eigenen Interessen
verfolgen, sondern vom Interesse der anderen ausgehen. Das war die Grundlage
des Westfälischen Friedens, das war die Grundlage des Völkerrechts, und das
ist jetzt die Grundlage für die Idee der ,Win-Win’-Kooperation. Und dann
können wir uns auf die gemeinsamen Ziele der Menschheit konzentrieren.
Was sind diese gemeinsamen Ziele der Menschheit? Wir können neue
Behandlungsmethoden für Krankheiten finden, die heute noch nicht heilbar sind.
Wir können die Idee der Energie- und Rohstoffsicherheit realisieren, sobald
wir über die kommerzielle Nutzung der Kraft der thermonuklearen Kernfusion
nachdenken. Wir können über den Nutzen nachdenken, den jedes Land aus der
gemeinsamen Arbeit in der Wissenschaft und Technologie der Weltraumforschung
ziehen wird. Und wir können uns noch viele, viele weitere Durchbrüche
vorstellen – Durchbrüche, die wir jetzt noch gar nicht kennen, weil wir noch
nicht einmal wissen, welche Fragen wir stellen sollten. Denn das ist die wahre
Natur der menschlichen Kreativität, daß es keine Grenzen für das gibt, was die
Menschheit erreichen kann.
Wir stecken immer noch im Säuglingsstadium der Entwicklung der menschlichen
Gattung, und ich denke, wir haben großes Glück, daß wir jetzt leben und zum
jetzigen Zeitpunkt die Zukunft gestalten können. Aber ich glaube, der
wichtigste Aspekt, damit diese ganze Perspektive Erfolg haben kann, ist der,
in unmittelbarer Zukunft dafür zu sorgen, daß die amerikanisch-chinesische
Zusammenarbeit für die Neue Seidenstraße funktioniert.“
alh
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