Die Neue Seidenstraße bringt Hoffnung nach Mittel- und Osteuropa
Eine serbisch-chinesische Konferenz zur Neuen Seidenstraße in
Belgrad befaßte sich mit der Perspektive der Seidenstraßen-Initiative. Elke
Fimmen vom Schiller-Institut sprach über deren strategische Bedeutung für den
Weltfrieden.
Am 12. und 13. Juni fand in Belgrad die Konferenz „Initiativen der Neuen
Seidenstraße – Erfolge und Herausforderungen“ statt, organisiert vom Institut
für Internationale Politik und Wirtschaft (IIPE) in Belgrad und dem Institut
für Europäische Studien der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften
(CASS). Vor der Konferenz unterzeichneten beide Institute ein Abkommen,
mit das IIPE zum Regionalen Zentrum für die Organisation wissenschaftlicher
Projekte im 16+1-Format zwischen den 16 Zentral- und Osteuropäischen Ländern
(CEEC) und China wird.
Beim Staatsbesuch von Präsident Xi Jinping letztes Jahr im Juni war bereits
eine gemeinsame Konferenz zum Thema Donauraum und Neue Seidenstraße in Belgrad
organisiert worden. Dieses Jahr nahmen etwa 50 Redner aus zehn Ländern teil,
darunter eine große chinesische Delegation vom CASS, der Chongqing Akademie
für Sozialwissenschaften und vom Forschungszentrum für Fragen der
Energieentwicklung. Während der Konferenz würdigten serbische Organisatoren
und Sprecher die Arbeit des Schiller-Instituts und von Helga Zepp-LaRouche für
die Neue Seidenstraße.
Eröffnet wurde die Konferenz vom Direktor des IIPE Branislav Dordevic, dem
Staatssekretär im serbischen Ministerium für Bildung, Wissenschaft und
Technologische Entwicklung Vladimir Popovic, dem Präsidenten des Ausschusses
für Auswärtige Fragen im serbischen Parlament Zarko Obradovic, dem
chinesischen Botschafter in Serbien H.E. Li Manchang und vom Generalsekretär
des 16+1 (CEEC)-Netzwerkes der Denkfabriken, Huang Ping, der auch das Institut
für Europäische Fragen beim CASS leitet.
Botschafter Li hob in seiner Rede hervor, daß bisher die meisten der
16+1-Projekte in Serbien durchgeführt wurden – neben einer Reihe von
Industrieprojekten wurde die erste von chinesischen Unternehmen gebaute Brücke
in Europa in Belgrad errichtet; Serbien ist das erste Land, mit dem China in
Europa Visafreiheit vereinbart hat; China kaufte das erste Stahlwerk in Europa
in Serbien, und beim ersten gemeinsamen Hochgeschwindigkeits-Bahnprojekt in
Europa, der Bahnstrecke Belgrad-Budapest, werden im November die Bauarbeiten
beginnen. Der Botschafter beschrieb die OBOR-Seidenstraßen-Initiative Chinas
als ein Haus, das China zur Verfügung gestellt hat, dessen weitere
Ausgestaltung aber von allen Beteiligten abhängt.
Mehrere der chinesischen Redner sprachen die Probleme bei der Umsetzung der
Seidenstraßen-Initiative in Europa direkt an: Der EU-Protektionismus gegen
chinesische Investitionen, die Sanktionen gegen Rußland, die Lage in der
Ukraine und das Flüchtlingsproblem, vor allem für die Balkanländer, standen
ganz oben auf der Liste.
So sprach Prof. Zhao Chen, der die Abteilung für Internationale Beziehungen
beim Europa-Institut/CASS leitet, im ersten Themenkomplex „Die Neue
Seidenstraße – die chinesische Strategie der Weltentwicklung“ über BRI und
Europäische Integration. Die EU, die aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit
Investitionen chinesischer Staatsfirmen ablehne, sei mit ihren vielen
„veralteten“ Regularien und einem extrem bürokratischen System selbst
protektionistisch. Er schlug vor, Europa solle lieber das Potential der
Kooperation sehen, denn wirtschaftliche Entwicklung durch Infrastruktur erhöhe
die allgemeine Produktivität und Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaften.
Westeuropa könne von diesem „Spillover-Effekt“ profitieren und die
Wirtschaftsbeziehungen und den Absatz in den Märkten Ost- und Zentraleuropas
ausbauen. Wettbewerb sei nicht immer schlecht, er könne zu besseren Resultaten
führen und auch die EU zu Reformen zwingen. Die Seidenstraßen-Initiative biete
Stabilität an, wirtschaftliche Verbesserungen würden dem Radikalismus den
Boden entziehen, was auch wichtig bezüglich des Problems Terrorismus sei.
Prof. Zhao Chen sagte, dies werde „kein einfacher Prozeß“, aber zeige den Weg
„zu neuen Möglichkeiten in einer ungewissen Zeit.“
Elke Fimmen vom Schiller-Institut und der Nachrichtenagentur E.I.R. sprach
in der ersten Sitzung über „Die strategische Wichtigkeit der Neuen
Seidenstraße für den Weltfrieden“. Prof. Duzsko Dimitrijevic vom IIPE, der
Hauptorganisator der Konferenz, hob in der Einführung ihrer Rede und beim
Resümee am Abend des ersten Tages die Anwesenheit und Arbeit des „berühmten
Institutes aus Deutschland“ hervor. Frau Fimmen ging in ihrem zehnminütigen
Vortrag auf das äußerst erfolgreiche BRI-Forum in Beijing im Mai und die
Vielzahl jüngster wirtschaftlicher und diplomatischer Initiativen ein. Sie
zitierte Helga Zepp-LaRouche, die Präsidentin des Schiller-Instituts, die am
BRI-Forum teilgenommen hatte, mit den Worten, dies sei ein „sehr harmonisches
Ereignis“ gewesen, das vielen Teilnehmern, vor allem aus Entwicklungsländern,
Hoffnung gegeben habe. Die BRI breche mit der Geopolitik und stelle zum
erstenmal in der Geschichte ein neues „Win-Win“-Paradigma globaler Kooperation
dar, dem sich alle anschließen könnten. Ihre Perspektive, daß sich die Neue
Seidenstraße zur Weltlandbrücke entwickelt, konnten die Teilnehmer während der
Rede auf der „Weltlandbrückenkarte“ mit den wichtigsten
Seidenstraßen-Korridoren und weiteren geplanten Projekten sehen.
Frau Fimmen unterstrich die Bedeutung des Treffens zwischen den Präsidenten
Putin und Trump beim Hamburger G20-Gipfel, die mehrmaligen Treffen zwischen
Präsident Xi Jinping und Trump, die äußerst intensive chinesisch-russische
Kooperation auf allen Ebenen, wie sie vor dem G20-Gipfel in Präsident Xi
Jinpings Besuch in Moskau deutlich wurde, und die anderen Bereiche
strategischer Kooperation (BRICS-Treffen in China, die Aufnahme Indiens und
Pakistans in die SCO) als Beispiel für einen neuen Geist der Kooperation für
die Erhaltung des Weltfriedens. Wenn Putin, Xi Jinping und Trump als
Präsidenten der wichtigsten Nationen zusammenarbeiten können, gebe es eine
strategische Chance, ein wirklich neues globales Paradigma für Frieden und
Entwicklung aufzubauen und gemeinsam die großen Probleme der Menschheit wie
Unterentwicklung, Hunger, Flüchtlingsströme und die unmittelbar drohende
Gefahr eines Finanzcrashs anzupacken und zu lösen. In Europa begrüßten neben
den CEE-Ländern immer mehr Nationen die Seidenstraßen-Projekte Chinas als
Alternative zur zerstörerischen EU-Austeritätspolitik und Bankenrettung. Die
Tatsache, daß Deutschland beim Staatsbesuch von Präsident Xi Jinping vor dem
G-20-Gipfel angekündigt habe, mit China bei Projekten in Afrika
zusammenzuarbeiten, beweise, daß kein Weg mehr an Chinas erfolgreicher
Herangehensweise vorbeiführe. Deutschland, Europa und die USA müßten sich
jetzt auf ihre eigenen besten Traditionen zurückbesinnen und ebenso wie China
das Prinzip Entwicklung in den Mittelpunkt stellen.
Prof. Blagoje Babic, Mitglied des Komitees für Wirtschaftswissenschaften an
der Serbischen Akademie für Wissenschaft und Kunst, sprach über die „Neue
Seidenstraße – Antwort auf die Herausforderungen der chinesischen Wirtschaft“.
Er bezeichnete Chinas Politik als neue Anwendung des „New Deals“, mit einer
Industrie- und Investitionspolitik, die gleichzeitig neue Absatzmärkte
außerhalb der eigenen Grenzen schafft. Zum Schluß drückte er seine Freude
darüber aus, mit der Arbeit des Schiller-Instituts vertraut zu sein, dessen
Präsidentin seit mehr als 26 Jahren die Idee der Neuen Seidenstraße entwickelt
und dafür gekämpft hat – ein Konzept, das „zufälligerweise dem gleiche“, das
China jetzt umsetzt.
Dr. Jasminka Simic, Redakteurin und Journalistin beim staatlichen
serbischen Fernsehen RTS Serbia gab einen Überblick über die
interregionale Vernetzung durch die Seidenstraßenpolitik und Investitionen in
die physische Infrastruktur und hob Chinas Betonung auf Zukunfts- und
Hochtechnologien, um die Wirtschaft, um die Wirtschaft voranzubringen, hervor.
Sie plädierte dafür, die Bevölkerung viel mehr in dieses Projekt einzubinden
und dazu Runde Tische zu organisieren, und forderte auch die Medien auf, viel
aktiver zu werden.
Die deutsche Raumfahrtjournalistin Jacqueline Myrrhe (Go Taikonaut),
die kürzlich bei der Münchner Gedenkkonferenz für den deutsch-amerikanischen
Raumfahrtpionier Dr. Krafft-Ehricke gesprochen hatte, hielt in Belgrad einen
Vortrag über Chinas Raumfahrtprogramm und die „Weltraum-Seidenstraße“ zur
Unterstützung des globalen Fortschritts – eine ganz neue Perspektive für viele
Teilnehmer, die viel Anklang fand.
Edita Stojic Karanovic vom Internationalen Wissenschaftsforum „Donau – Fluß
der Kooperation“ sprach über die „Neue Seidenstraße und die regionale
Kooperation der Länder des Westbalkans“ und das
Morava-Vardar-Axios-Kanalprojekt. Dieses ist ein integraler Bestandteil, um
das volle Potential des Transportkorridors Ägäis-Belgrad-Budapest zu
entwickeln, an dem China, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn
arbeiten.
Anastas Vangeli, Doktorand an der Graduate School for Social Research der
Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau, wies in seiner Rede über
die chinesische Politik aus der Sicht der CEE-Länder darauf hin, daß die
chinesische Perspektive, allen Ländern in verschiedener Form die Mitarbeit an
der Seidenstraße anzubieten, den sehr unterschiedlichen Ländern Ost- und
Mitteleuropas die einzige realistische Chance gebe, historische Feindschaften
und Gegensätze zu überkommen und gemeinsam eine tragfähige und konstruktive
Zukunft aufzubauen.
Eine grundsätzliche Reflektion darüber, daß es bei der
Seidenstraßen-Initiative nicht nur um simple Transportlinien von A nach B geht
oder gar um PR-Projekte, entwickelte sich in der Diskussion am zweiten
Konferenztag um die Frage „Profitabilität“ der Seidenstraßen-Zugverbindungen
nach Ost- und Westeuropa. Dr. Jedrzej Czerep von der
Kardinal-Wyszynski-Universität in Warschau berichtete, daß die besseren
Verkehrsverbindungen und Exportchancen in Polen bereits deutlich zur
Steigerung der Produktion in verschiedenen Sektoren (Mineralwasser, Obst,
Milchprodukte) und insgesamt zu einem höheren Frachtvolumen von Polen nach
China geführt haben. Züge in Richtung China fahren jetzt also keineswegs mehr
fast leer zurück, wie dies zu Anfang der Fall war.
Die vielen interessanten Beiträge aus Serbien, Bosnien-Herzegowina, Polen,
Bulgarien, Rumänien, Rußland, USA, Deutschland und natürlich auch China werden
in Kürze vom IIPE in Buchform veröffentlicht und der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht werden.
Bei dieser Konferenz zeigte sich einmal mehr, wie verfehlt die EU-Politik
der letzten 25 Jahre insbesondere in den durch geopolitische Kriege,
Zerstörung der Industrie und Verarmung geprägten Balkanländern ist. Die
Menschen haben einfach genug von leeren Versprechungen und doktrinären
Floskeln über Demokratie, Marktwirtschaft, Reformen – ob es der „Berliner
Prozeß“ oder andere bürokratische EU-Formate sind. Chinas Politik für
wirtschaftliche Kooperation, Entwicklung von Infrastruktur und Hilfe bei der
Reindustrialisierung im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative ist hingegen real,
nicht an politische Bedingungen gebunden und bietet eine Zukunft – nicht nur
für ein Land wie Serbien, sondern für die gesamte Region und weit
darüber hinaus.
Daß in der chinesischen Sprache in den Worten für Krise und Chance jeweils
ein und dasselbe Schriftzeichen enthalten ist, läßt hoffen, daß auch
Deutschland in dieser Phase der weltstrategischen Veränderung die Zeichen der
Zeit erkennt und Teil der Lösung wird.
Elke und Klaus Fimmen
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