Die Mission der Stiftung für die Wiederbelebung der Klassischen
Kultur
Interview mit Lynn Yen
Dennis Speed vom „Manhattan Project“ des
LaRouche-Aktionskomitees führte am 29. April das folgende Interview mit Lynn
Yen, der Direktorin der Foundation for the Revival of Classical Culture.
Dennis Speed: Sprechen wir darüber, was die Foundation for
the Revival of Classical Culture im letzten Jahr in New York City geleistet
hat. Es wurde ja viel getan in den Schulen und mit jungen Leuten. Können Sie
das einmal beschreiben?
Lynn Yen: Ja. Dieses Jahr begannen wir ein
Öffentlichkeitsprogramm, um Künstler in die öffentlichen Schulen zu bringen
und viel mehr jungen Menschen klassische Musik nahezubringen. Bisher haben wir
eine Reihe von Konzertkünstlern - Pianisten, Cellisten, Geiger, Sänger und
klassische Musiker aller Art - eingeladen, diese Schulen zu besuchen, und so
erreichten wir, daß ganze Klassen und manchmal sogar die ganze Schule
versammelt wurden. Die Musiker trugen Werke vor und sprachen dann mit den
jungen Leuten und beantworteten Fragen darüber, was Musik und insbesondere
klassische Musik und Kultur bedeuten, und über die Musik, die sie ihnen gerade
vorgeführt hatten. Bisher haben wir etwa 43 Schulen besucht oder mit ihnen
zusammengearbeitet.
Es gab teilweise ganz außergewöhnliche Reaktionen von den Kindern und
Lehrern - allen voran von den Lehrern. Da war beispielsweise eine Lehrerin an
einer Schule in Queens, die uns, nachdem eine unserer Sopranistinnen an ihrer
Schule gesungen hatte, eine wundervolle Mail schickte, in der sie ihre
Dankbarkeit dafür ausdrückte dafür, daß wir ihre Schule in das Programm mit
aufgenommen hatten, und dafür, daß die Kinder von so wunderbaren Vorträgen
profitieren konnten. Es war nicht bloß eine Aufführung, sondern wirklich ein
Vortrag.
Wir hatten beispielsweise einen Bariton, der ging in eine öffentliche
Schule - eine Mittelschule -, und als wir dorthin kamen, sagte der
Elternbeauftragte der Schule: „Ihr seid die Leute mit der Klassik! Ich bin
total begeistert! Aber ich muß Ihnen sagen, diese Kinder mögen bloß Hip-Hop,
es könnte für euch sehr schwierig werden.“ Aber als der Bariton dann begann,
etwas aus Händels Messias zu singen - ich glaube, es war das zweite
Solo über das Kommen des Propheten -, da sah man auf allen Gesichtern dieser
Viert- und Fünftkläßler eine ungeheure Konzentration, sie waren vollkommen
gefangen von der Musik und vollkommen gefangen von dem Vortrag - dem ganzen
Stück, natürlich, aber auch dem ganzen Vortrag. Denn er hat sie mit einer für
sie neuen Musik bekannt gemacht. Sie stellten eine Menge Fragen. Und am Ende
sagte eines der Kinder: „Können Sie bitte noch etwas singen?“
Auch von anderen Lehrern bekamen wir Post; z.B. berichtete uns eine
Mittelschullehrerin, daß insbesondere ein Schüler, der in der Vergangenheit
schwer zugänglich gewesen war, ihr gesagt habe, daß er es wirklich genossen
habe, und gefragt habe, wann die Musiker zurückkämen. Und sie schrieb: „Für
mich war es besonders erfreulich, Schüler zu sehen, die zunächst erstaunt
waren über eine Opernstimme - sie kicherten anfangs ein bißchen -, aber dann
schnell interessiert und begeistert waren. Ich denke, die Gelegenheit, so
etwas zu erleben und sich damit zu befassen und es zu genießen, ist etwas
unglaublich Wichtiges und Eindrucksvolles für unsere Kinder.“
Ich denke, wir müssen das fortsetzen und es noch viel mehr Kindern in
vielen Schulen bieten. Allein in diesen 43 Schulen in Manhattan, Brooklyn,
Queens und Bronx haben wir mehr als 17.000 junge Menschen erreicht. Und wir
wollen solche Aufführungen zu etwas Dauerhaftem machen.
Speed: Sie sagten gerade, daß Sie vor mehr als 17.000 jungen
Leuten in 43 Schulen waren. Wieviel Menschen sind dann bei den jeweiligen
Veranstaltungen? Das hört sich ja ziemlich groß an?
Yen: Ja. Normalerweise sind es in einer Schule 300 bis 800.
Meistens haben wir die Veranstaltungen in die älteren und jüngeren Jahrgänge
aufgeteilt. In einigen wenigen Fällen hatten wir aber auch die ganze Schule
versammelt. Wir stellen jedoch immer sicher, daß das Ausmaß es den Kindern
noch erlaubt, wirklich Teil des Programms zu sein und nicht bloß Teil einer
Mammutaufführung.
Speed: Wie sind diese Programme aufgebaut?
Yen: Normalerweise dauern sie 45 Minuten bis eine Stunde,
also eine Schulstunde. Die Lehrer koordinieren, welche Jahrgangsstufen ins
Auditorium kommen sollen. In einem Fall, als wir einen ukrainischen Pianisten
und einen Cellisten hatten, fand es im Untergeschoß statt, und die Kinder
saßen im Kreis um den Pianisten und den Cellisten herum. Die Musiker bereiten
meistens zwei bis vier Stücke vor, im Fall dieses Kellerkonzerts waren es zwei
Stücke, eines von Beethoven und eines von César Franck.
Bei den längeren Instrumentalstücken führen die Musiker nur jeweils einen
oder zwei Sätze daraus auf. Sie sagen zunächst etwas über die Musik und laden
dann zum Fragenstellen ein, was sie dann gerne beantworten. In einigen Fällen
erklären die Sänger zunächst das Stück, wenn sie in anderen Sprachen als
englisch wie deutsch, italienisch oder französisch singen. Dann bitten sie die
Schüler, ein bestimmtes Wort in dieser Sprache auszusprechen. Dann kommt die
Aufführung und danach die Fragen und Antworten. Es ist ein sehr interaktives
Programm.
Händels Messias
Speed: Von Anfang an, gleich nach der Gründung der Stiftung,
haben Sie davon gesprochen, Händels Messias aufzuführen. Es gab mehrere
Aufführungen des Messias. Warum haben Sie das von Anfang an so
hervorgehoben, und was hat die Arbeit mit dem Messias im Laufe der
Jahre bewirkt?
Yen: Nun, zunächst einmal haben wir Aufführungen von Händels
Messias in den Vordergrund gestellt, weil er in Englisch geschrieben
wurde. Er ist heute in vieler Hinsicht eines der zugänglichsten klassischen
Werke für englischsprachige Menschen. Er hat viele Aspekte, die ihn groß
machen. Händel hat ihn in 24 Tagen komponiert, und er schrieb ihn in der
Absicht, anderen zu helfen; er schrieb ihn ursprünglich für ein
Benefizkonzert, um Menschen aus dem Schuldturm zu holen, für die Armen und die
Kranken.
Der Messias gibt den Hörern Hoffnung, er verspricht ihnen eine
bessere und hellere Zukunft.
Aber was noch wichtiger ist: Man muß sich anschauen, was die Vereinigten
Staaten und ihre Kultur bewirken und was nicht. Es gibt soviel Gewalt,
beispielsweise in den Schulen, in der jungen Bevölkerung. Es gibt so viel
Finsternis.
Was ist so wichtig am Messias? Um es in einen anderen Kontext zu
stellen: Martin Luther King hat einmal gesagt: „So großartig die Sterne am
Himmel sind, so großartig die Musik in Händels Messias ist - wieviel
großartiger ist der Geist des Menschen, der über dieses Singen nachdenkt?“
Das ist das eigentlich Bedeutende, denn ich denke, daß Händels
Messias diese göttliche Schöpferkraft, die jedem Menschen innewohnt,
wirklich feiert. Und daß die Menschen dadurch erkennen, daß sie das
wesentliche ihres eigenen Menschseins ist. Wovon spricht der Messias?
Er spricht von Liebe, er spricht vom Vergeben, er spricht über Frieden,
Einigkeit - über all das, was wir heute in Amerika und in der Welt brauchen.
Darüber, daß wir uns selbst zu der Idee der Liebe erheben. Wie King sagte: das
Prinzip der Gewaltlosigkeit ist das Prinzip der Liebe.
Die Menschen in Liebe zusammenführen
Wir hatten ursprünglich schon vor vier Jahren die Idee, Händels
Messias aufzuführen. Es war ein langer Weg, und wir haben noch einen
weiten Weg zu gehen. Aber im letzten Dezember haben wir Händels Messias
zweimal aufgeführt - einmal in Brooklyn und einmal in Manhattan, die ersten
beiden Teile. Das war in Zusammenarbeit mit dem Öffentlichen Chor des
Schiller-Instituts. Diese Zusammenarbeit begann am 20. Dezember 2014, genau
ein Jahr vor unserem Konzert im letzten Dezember. Denn am 20. Dezember 2014,
als wir Händels Messias zum erstenmal in einem viel kleineren Konzert
aufführten, wurden in Brooklyn zwei Polizisten ermordet. Und bei dem
Abendessen nach der Aufführung 2014 sagten der Dirigent und ich und die
Solisten und einige andere, das etwas geschehen müsse, um die Menschen zu
einer Gemeinschaft zusammenzuführen, um sie in Liebe zusammenzuführen.
Ein Jahr später fand dann die große Aufführung statt. Es gab zwei Konzerte,
am 19. und 20. Dezember, und wir hatten jedesmal ein volles Haus; in Manhattan
war der Saal sogar überfüllt. Viele junge Menschen und Familien kamen zu
diesen Konzerten, und ich denke, die Menschen wollen Teil sein von etwas, was
sie erhebt, was ihnen zeigt, daß es einen anderen Weg gibt, einen schöneren
Weg des Lebens.
An Ostern, am 27. März dieses Jahres, haben wir den zweiten und den dritten
Teil des Messias aufgeführt. Die Aufführung fand bewußt in der Kirche
der Heimsuchung der gesegneten Jungfrau Maria statt, denn als der Orkan Sandy
New York besonders hart getroffen hatte [im Oktober 2012], konzentrierte sich
dort ein großer Teil der Aktivitäten der Hilfe für die Stadt. Wir wollten hier
wieder etwas für die Allgemeinheit tun, indem wir die Menschen um eine höhere
Idee herum zusammenführen, und natürlich ist da die schöne Idee der
Auferstehung an Ostern.
Die Bedeutung der richtigen Stimmung
Die drei Konzerte 2015 und 2016 wurden alle, und das ist ganz wichtig, in
der richtigen Stimmung, der Verdi-Stimmung von c’=256 Hz (Schwingungen pro
Sekunde) aufgeführt, man könnte auch sagen, a’=432 Hz.
Das ist ein wichtiger Punkt, denn wenn man eine großartige klassische
Komposition in der richtigen Stimmung aufführt, stimmlich, musikalisch, dann
ermöglicht dies nicht nur, daß die Mächtigkeit, Majestät und Schönheit der
Musik voll zutage kommt, sondern das macht es auch viel leichter für das
Publikum, die wahre Idee der Musik zu hören und tatsächlich zu verstehen, was
da gesagt wird. Wir hoffen, noch mehr in dieser Richtung zu tun.
Speed: Sie haben einige Konzerte in der Carnegie Hall
veranstaltet, und Sie haben diese Konzerte in der richtigen Stimmung
durchgeführt. Können Sie etwas über das Konzert 2015 sagen, das der Ablehnung
von Gewalt gewidmet war?
Yen: 2013, nachdem ich die Bedeutung der richtigen Stimmung
bei musikalischen und künstlerischen Aufführungen, insbesondere von
klassischen Musikstücken, erkannt hatte, hatten wir unser erstes Konzert in
der Carnegie Hall, im Zankel-Saal der Carnegie Hall, am 28. Mai 2013. Wir
gaben ihm den Titel „Meisterwerke in der richtigen Stimmung“, und es spielte
der Pianist Tian Jiang. Das war sehr interessant, denn Leszek, der
Toningenieur der Carnegie Hall, der mit einem Grammy Award ausgezeichnet
wurde, sagte mir, nachdem er Tians Aufführung von Chopins Nocturnes
gehört hatte, sie sei so bel canto gewesen, so gesanglich, so
„singend“, wie er es noch nie zuvor gehört habe. Er sagte: „Ich bin Pole, und
Chopins Lieblingskomponist ist Bellini. Chopin komponierte also immer mit der
Idee der Vokalisierung seiner instrumentellen Stücke, seiner Klavierstücke,
und sie so zu hören, war wirklich wunderbar.“
So erkannte ich die Bedeutung der richtigen Stimmung, oder wie man sie
sonst nennt, der „Verdi-Stimmung”. Wir haben dann weitere Konzerte
veranstaltet, darunter ein sehr wichtiges am 21. Juni 2015, am Vatertag, und
es hatte den Titel: „Musik gegen Gewalt und Musik für die Zukunft“. Denn es
war uns auch hier wieder wirklich wichtig, die Menschen daran zu erinnern, daß
wir nicht bloß irgendein Konzert veranstalteten, sondern etwas Bedeutendes:
Was ist der Zweck der Musik? Was ist der Zweck der Kultur? Der Zweck ist es,
die Menschen zu bessern. Wenn man das nicht schafft, dann macht man etwas
falsch. Man tut dann nichts, was wirklich bedeutungsvoll ist.
Liebe gegen Haß
Dieses Konzert war unser Versuch, wieder junge Menschen zusammenzubringen,
und in diesem Fall hatten wir ein Publikum von 1700 jungen Menschen und deren
Eltern und Lehrern. Sie kamen aus mehr als 80 Schulen zu diesem
Vatertagskonzert. Gerade am Vatertag, weil so viele junge Männer und Väter
sinnlos durch Gewalt sterben. Hier wurden nicht nur am 11. September 2001
viele Menschen durch Terrorismus ermordet, seitdem sind in New York City auch
mehr als 500 Menschen gewaltsam ums Leben gekommen. Was soll man dagegen
tun?
An diesem Konzert nahmen auch Vertreter der New Yorker Polizei teil, und in
der Pause des Konzerts sprach Terry Strada, die Vorsitzende einer Gruppe von
Angehörigen der Opfer des 11. September (9/11 Families United for Justice
Against Terrorism), und Dr. Bernard Lafayette, der Nachfolger Dr. Kings als
Leiter der Southern Christian Leadership Conference. Er ist der
Vorstandsvorsitzende, und er ist auch der Leiter des Nationalen Zentrums für
kreative Gewaltlosigkeit.
Dr. Lafayette und Frau Strada sprachen beide über die Bedeutung von Liebe
statt Haß und darüber, wie wichtig die Musik ist. Dr. Lafayette erklärte z.B.,
daß gerade die Musik für die Bürgerrechtsbewegung ganz entscheidend war. In
seinen kurzen Bemerkungen machte er wirklich ganz klar, welche Rolle die Musik
spielt, und daß sie die Bürgerrechtsbewegung in die Lage versetzte, zu
arbeiten und erfolgreich zu sein. Er hob auch hervor, daß auch heute
Milliarden von Menschen in aller Welt diese Musik der Freiheit brauchen, die
niemals mit einer Einstellung der Gewalt gesungen werden kann.
Frau Strada sagte, wir müßten den Haß überwinden und eine schönere Kultur
schaffen. Das ist heute etwas ganz Entscheidendes! Heute ist es ganz besonders
wichtig, daß wir weiter zusammen auf diesen Geist der Menschen hinarbeiten,
und daran arbeiten, diesen Geist des Menschen in uns selbst und unter allen
Menschen wachzurufen - und das ganz besonders unter den jungen Menschen.
Anmerkung
1. Leszek M. Wojcik, der Leiter des Aufnahmestudios der Carnegie Hall,
arbeitet dort schon seit mehr als 30 Jahren. Er hat die meisten der großen
Pianisten der Welt aufgenommen - Brendel, Horowitz, Schiff und viele andere.
Er versteht mehr davon, Aufnahmen in der Carnegie Hall zu machen, als irgend
jemand sonst.
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