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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Die Mission der Stiftung für die Wiederbelebung der Klassischen Kultur

Interview mit Lynn Yen

Dennis Speed vom „Manhattan Project“ des LaRouche-Aktionskomitees führte am 29. April das folgende Interview mit Lynn Yen, der Direktorin der Foundation for the Revival of Classical Culture.

Dennis Speed: Sprechen wir darüber, was die Foundation for the Revival of Classical Culture im letzten Jahr in New York City geleistet hat. Es wurde ja viel getan in den Schulen und mit jungen Leuten. Können Sie das einmal beschreiben?

Lynn Yen: Ja. Dieses Jahr begannen wir ein Öffentlichkeitsprogramm, um Künstler in die öffentlichen Schulen zu bringen und viel mehr jungen Menschen klassische Musik nahezubringen. Bisher haben wir eine Reihe von Konzertkünstlern - Pianisten, Cellisten, Geiger, Sänger und klassische Musiker aller Art - eingeladen, diese Schulen zu besuchen, und so erreichten wir, daß ganze Klassen und manchmal sogar die ganze Schule versammelt wurden. Die Musiker trugen Werke vor und sprachen dann mit den jungen Leuten und beantworteten Fragen darüber, was Musik und insbesondere klassische Musik und Kultur bedeuten, und über die Musik, die sie ihnen gerade vorgeführt hatten. Bisher haben wir etwa 43 Schulen besucht oder mit ihnen zusammengearbeitet.

Es gab teilweise ganz außergewöhnliche Reaktionen von den Kindern und Lehrern - allen voran von den Lehrern. Da war beispielsweise eine Lehrerin an einer Schule in Queens, die uns, nachdem eine unserer Sopranistinnen an ihrer Schule gesungen hatte, eine wundervolle Mail schickte, in der sie ihre Dankbarkeit dafür ausdrückte dafür, daß wir ihre Schule in das Programm mit aufgenommen hatten, und dafür, daß die Kinder von so wunderbaren Vorträgen profitieren konnten. Es war nicht bloß eine Aufführung, sondern wirklich ein Vortrag.

Wir hatten beispielsweise einen Bariton, der ging in eine öffentliche Schule - eine Mittelschule -, und als wir dorthin kamen, sagte der Elternbeauftragte der Schule: „Ihr seid die Leute mit der Klassik! Ich bin total begeistert! Aber ich muß Ihnen sagen, diese Kinder mögen bloß Hip-Hop, es könnte für euch sehr schwierig werden.“ Aber als der Bariton dann begann, etwas aus Händels Messias zu singen - ich glaube, es war das zweite Solo über das Kommen des Propheten -, da sah man auf allen Gesichtern dieser Viert- und Fünftkläßler eine ungeheure Konzentration, sie waren vollkommen gefangen von der Musik und vollkommen gefangen von dem Vortrag - dem ganzen Stück, natürlich, aber auch dem ganzen Vortrag. Denn er hat sie mit einer für sie neuen Musik bekannt gemacht. Sie stellten eine Menge Fragen. Und am Ende sagte eines der Kinder: „Können Sie bitte noch etwas singen?“

Auch von anderen Lehrern bekamen wir Post; z.B. berichtete uns eine Mittelschullehrerin, daß insbesondere ein Schüler, der in der Vergangenheit schwer zugänglich gewesen war, ihr gesagt habe, daß er es wirklich genossen habe, und gefragt habe, wann die Musiker zurückkämen. Und sie schrieb: „Für mich war es besonders erfreulich, Schüler zu sehen, die zunächst erstaunt waren über eine Opernstimme - sie kicherten anfangs ein bißchen -, aber dann schnell interessiert und begeistert waren. Ich denke, die Gelegenheit, so etwas zu erleben und sich damit zu befassen und es zu genießen, ist etwas unglaublich Wichtiges und Eindrucksvolles für unsere Kinder.“

Ich denke, wir müssen das fortsetzen und es noch viel mehr Kindern in vielen Schulen bieten. Allein in diesen 43 Schulen in Manhattan, Brooklyn, Queens und Bronx haben wir mehr als 17.000 junge Menschen erreicht. Und wir wollen solche Aufführungen zu etwas Dauerhaftem machen.

 

Speed: Sie sagten gerade, daß Sie vor mehr als 17.000 jungen Leuten in 43 Schulen waren. Wieviel Menschen sind dann bei den jeweiligen Veranstaltungen? Das hört sich ja ziemlich groß an?

Yen: Ja. Normalerweise sind es in einer Schule 300 bis 800. Meistens haben wir die Veranstaltungen in die älteren und jüngeren Jahrgänge aufgeteilt. In einigen wenigen Fällen hatten wir aber auch die ganze Schule versammelt. Wir stellen jedoch immer sicher, daß das Ausmaß es den Kindern noch erlaubt, wirklich Teil des Programms zu sein und nicht bloß Teil einer Mammutaufführung.

Speed: Wie sind diese Programme aufgebaut?

Yen: Normalerweise dauern sie 45 Minuten bis eine Stunde, also eine Schulstunde. Die Lehrer koordinieren, welche Jahrgangsstufen ins Auditorium kommen sollen. In einem Fall, als wir einen ukrainischen Pianisten und einen Cellisten hatten, fand es im Untergeschoß statt, und die Kinder saßen im Kreis um den Pianisten und den Cellisten herum. Die Musiker bereiten meistens zwei bis vier Stücke vor, im Fall dieses Kellerkonzerts waren es zwei Stücke, eines von Beethoven und eines von César Franck.

Bei den längeren Instrumentalstücken führen die Musiker nur jeweils einen oder zwei Sätze daraus auf. Sie sagen zunächst etwas über die Musik und laden dann zum Fragenstellen ein, was sie dann gerne beantworten. In einigen Fällen erklären die Sänger zunächst das Stück, wenn sie in anderen Sprachen als englisch wie deutsch, italienisch oder französisch singen. Dann bitten sie die Schüler, ein bestimmtes Wort in dieser Sprache auszusprechen. Dann kommt die Aufführung und danach die Fragen und Antworten. Es ist ein sehr interaktives Programm.

Händels Messias

Speed: Von Anfang an, gleich nach der Gründung der Stiftung, haben Sie davon gesprochen, Händels Messias aufzuführen. Es gab mehrere Aufführungen des Messias. Warum haben Sie das von Anfang an so hervorgehoben, und was hat die Arbeit mit dem Messias im Laufe der Jahre bewirkt?

Yen: Nun, zunächst einmal haben wir Aufführungen von Händels Messias in den Vordergrund gestellt, weil er in Englisch geschrieben wurde. Er ist heute in vieler Hinsicht eines der zugänglichsten klassischen Werke für englischsprachige Menschen. Er hat viele Aspekte, die ihn groß machen. Händel hat ihn in 24 Tagen komponiert, und er schrieb ihn in der Absicht, anderen zu helfen; er schrieb ihn ursprünglich für ein Benefizkonzert, um Menschen aus dem Schuldturm zu holen, für die Armen und die Kranken.

Der Messias gibt den Hörern Hoffnung, er verspricht ihnen eine bessere und hellere Zukunft.

Aber was noch wichtiger ist: Man muß sich anschauen, was die Vereinigten Staaten und ihre Kultur bewirken und was nicht. Es gibt soviel Gewalt, beispielsweise in den Schulen, in der jungen Bevölkerung. Es gibt so viel Finsternis.

Was ist so wichtig am Messias? Um es in einen anderen Kontext zu stellen: Martin Luther King hat einmal gesagt: „So großartig die Sterne am Himmel sind, so großartig die Musik in Händels Messias ist - wieviel großartiger ist der Geist des Menschen, der über dieses Singen nachdenkt?“

Das ist das eigentlich Bedeutende, denn ich denke, daß Händels Messias diese göttliche Schöpferkraft, die jedem Menschen innewohnt, wirklich feiert. Und daß die Menschen dadurch erkennen, daß sie das wesentliche ihres eigenen Menschseins ist. Wovon spricht der Messias? Er spricht von Liebe, er spricht vom Vergeben, er spricht über Frieden, Einigkeit - über all das, was wir heute in Amerika und in der Welt brauchen. Darüber, daß wir uns selbst zu der Idee der Liebe erheben. Wie King sagte: das Prinzip der Gewaltlosigkeit ist das Prinzip der Liebe.

Die Menschen in Liebe zusammenführen

Wir hatten ursprünglich schon vor vier Jahren die Idee, Händels Messias aufzuführen. Es war ein langer Weg, und wir haben noch einen weiten Weg zu gehen. Aber im letzten Dezember haben wir Händels Messias zweimal aufgeführt - einmal in Brooklyn und einmal in Manhattan, die ersten beiden Teile. Das war in Zusammenarbeit mit dem Öffentlichen Chor des Schiller-Instituts. Diese Zusammenarbeit begann am 20. Dezember 2014, genau ein Jahr vor unserem Konzert im letzten Dezember. Denn am 20. Dezember 2014, als wir Händels Messias zum erstenmal in einem viel kleineren Konzert aufführten, wurden in Brooklyn zwei Polizisten ermordet. Und bei dem Abendessen nach der Aufführung 2014 sagten der Dirigent und ich und die Solisten und einige andere, das etwas geschehen müsse, um die Menschen zu einer Gemeinschaft zusammenzuführen, um sie in Liebe zusammenzuführen.

Ein Jahr später fand dann die große Aufführung statt. Es gab zwei Konzerte, am 19. und 20. Dezember, und wir hatten jedesmal ein volles Haus; in Manhattan war der Saal sogar überfüllt. Viele junge Menschen und Familien kamen zu diesen Konzerten, und ich denke, die Menschen wollen Teil sein von etwas, was sie erhebt, was ihnen zeigt, daß es einen anderen Weg gibt, einen schöneren Weg des Lebens.

An Ostern, am 27. März dieses Jahres, haben wir den zweiten und den dritten Teil des Messias aufgeführt. Die Aufführung fand bewußt in der Kirche der Heimsuchung der gesegneten Jungfrau Maria statt, denn als der Orkan Sandy New York besonders hart getroffen hatte [im Oktober 2012], konzentrierte sich dort ein großer Teil der Aktivitäten der Hilfe für die Stadt. Wir wollten hier wieder etwas für die Allgemeinheit tun, indem wir die Menschen um eine höhere Idee herum zusammenführen, und natürlich ist da die schöne Idee der Auferstehung an Ostern.

Die Bedeutung der richtigen Stimmung

Die drei Konzerte 2015 und 2016 wurden alle, und das ist ganz wichtig, in der richtigen Stimmung, der Verdi-Stimmung von c’=256 Hz (Schwingungen pro Sekunde) aufgeführt, man könnte auch sagen, a’=432 Hz.

Das ist ein wichtiger Punkt, denn wenn man eine großartige klassische Komposition in der richtigen Stimmung aufführt, stimmlich, musikalisch, dann ermöglicht dies nicht nur, daß die Mächtigkeit, Majestät und Schönheit der Musik voll zutage kommt, sondern das macht es auch viel leichter für das Publikum, die wahre Idee der Musik zu hören und tatsächlich zu verstehen, was da gesagt wird. Wir hoffen, noch mehr in dieser Richtung zu tun.

Speed: Sie haben einige Konzerte in der Carnegie Hall veranstaltet, und Sie haben diese Konzerte in der richtigen Stimmung durchgeführt. Können Sie etwas über das Konzert 2015 sagen, das der Ablehnung von Gewalt gewidmet war?

Yen: 2013, nachdem ich die Bedeutung der richtigen Stimmung bei musikalischen und künstlerischen Aufführungen, insbesondere von klassischen Musikstücken, erkannt hatte, hatten wir unser erstes Konzert in der Carnegie Hall, im Zankel-Saal der Carnegie Hall, am 28. Mai 2013. Wir gaben ihm den Titel „Meisterwerke in der richtigen Stimmung“, und es spielte der Pianist Tian Jiang. Das war sehr interessant, denn Leszek, der Toningenieur der Carnegie Hall, der mit einem Grammy Award ausgezeichnet wurde, sagte mir, nachdem er Tians Aufführung von Chopins Nocturnes gehört hatte, sie sei so bel canto gewesen, so gesanglich, so „singend“, wie er es noch nie zuvor gehört habe. Er sagte: „Ich bin Pole, und Chopins Lieblingskomponist ist Bellini. Chopin komponierte also immer mit der Idee der Vokalisierung seiner instrumentellen Stücke, seiner Klavierstücke, und sie so zu hören, war wirklich wunderbar.“

So erkannte ich die Bedeutung der richtigen Stimmung, oder wie man sie sonst nennt, der „Verdi-Stimmung”. Wir haben dann weitere Konzerte veranstaltet, darunter ein sehr wichtiges am 21. Juni 2015, am Vatertag, und es hatte den Titel: „Musik gegen Gewalt und Musik für die Zukunft“. Denn es war uns auch hier wieder wirklich wichtig, die Menschen daran zu erinnern, daß wir nicht bloß irgendein Konzert veranstalteten, sondern etwas Bedeutendes: Was ist der Zweck der Musik? Was ist der Zweck der Kultur? Der Zweck ist es, die Menschen zu bessern. Wenn man das nicht schafft, dann macht man etwas falsch. Man tut dann nichts, was wirklich bedeutungsvoll ist.

Liebe gegen Haß

Dieses Konzert war unser Versuch, wieder junge Menschen zusammenzubringen, und in diesem Fall hatten wir ein Publikum von 1700 jungen Menschen und deren Eltern und Lehrern. Sie kamen aus mehr als 80 Schulen zu diesem Vatertagskonzert. Gerade am Vatertag, weil so viele junge Männer und Väter sinnlos durch Gewalt sterben. Hier wurden nicht nur am 11. September 2001 viele Menschen durch Terrorismus ermordet, seitdem sind in New York City auch mehr als 500 Menschen gewaltsam ums Leben gekommen. Was soll man dagegen tun?

An diesem Konzert nahmen auch Vertreter der New Yorker Polizei teil, und in der Pause des Konzerts sprach Terry Strada, die Vorsitzende einer Gruppe von Angehörigen der Opfer des 11. September (9/11 Families United for Justice Against Terrorism), und Dr. Bernard Lafayette, der Nachfolger Dr. Kings als Leiter der Southern Christian Leadership Conference. Er ist der Vorstandsvorsitzende, und er ist auch der Leiter des Nationalen Zentrums für kreative Gewaltlosigkeit.

Dr. Lafayette und Frau Strada sprachen beide über die Bedeutung von Liebe statt Haß und darüber, wie wichtig die Musik ist. Dr. Lafayette erklärte z.B., daß gerade die Musik für die Bürgerrechtsbewegung ganz entscheidend war. In seinen kurzen Bemerkungen machte er wirklich ganz klar, welche Rolle die Musik spielt, und daß sie die Bürgerrechtsbewegung in die Lage versetzte, zu arbeiten und erfolgreich zu sein. Er hob auch hervor, daß auch heute Milliarden von Menschen in aller Welt diese Musik der Freiheit brauchen, die niemals mit einer Einstellung der Gewalt gesungen werden kann.

Frau Strada sagte, wir müßten den Haß überwinden und eine schönere Kultur schaffen. Das ist heute etwas ganz Entscheidendes! Heute ist es ganz besonders wichtig, daß wir weiter zusammen auf diesen Geist der Menschen hinarbeiten, und daran arbeiten, diesen Geist des Menschen in uns selbst und unter allen Menschen wachzurufen - und das ganz besonders unter den jungen Menschen.


Anmerkung

1. Leszek M. Wojcik, der Leiter des Aufnahmestudios der Carnegie Hall, arbeitet dort schon seit mehr als 30 Jahren. Er hat die meisten der großen Pianisten der Welt aufgenommen - Brendel, Horowitz, Schiff und viele andere. Er versteht mehr davon, Aufnahmen in der Carnegie Hall zu machen, als irgend jemand sonst.