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Friedrich Schiller



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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Der Weckruf des Manhattan-Projekts

Von Dennis Speed

    „Ich muß erstaunt feststellen, daß ich mit Lyndon LaRouche einer Meinung bin. Händels Messias muß nicht in einer Stimmung von c’ = 246 Hz aufgeführt werden, und das a’ sollte nicht über 432 Hz liegen, statt 440 oder höher. Aber ich höre mir gerade den Messias an, der in New York in der Unitarian Church in New York aufgeführt wurde, dirigiert von John Sigerson und veranstaltet vom Schiller-Institut, ermutigt von Helga Zepp-LaRouche und Lyndon LaRouche... eine außerordentlich gute Aufführung, dem natürlichen Stimmumfang der Solisten und des Chores angemessen, mit sehr guter Unterstützung des Orchesters.“

Ein typisches Zitat eines Zuhörers. Wie schon bei der Aufführung des Schiller-Instituts von Mozarts Requiem 2014 in Boston (zum 50. Jahrestag der von Jacqueline Kennedy erbetenen Aufführung des Requiems nach der Ermordung ihres Ehemanns, Präsident John F. Kennedy) wurden Zweifler an der Idee einer „richtigen Stimmung“ und an der Bedeutung von LaRouches Ideen allgemein am 19. und 20. Dezember 2015 in New York wieder einmal widerstrebend eines besseren belehrt. Am Samstag, dem 19. in Brooklyn und am Sonntag, dem 20. in Manhattan wurde Händels großartiges Oratorium von einem kleinen Orchester und einem Chor mit 75 Sängern in der „Verdi-Stimmung“ (c’=256 Hz, das a’ liegt dann bei 427-432 Hz) aufgeführt. Dies ist fast einen Viertelton tiefer als heute an den meisten großen Opernhäusern üblich. Die überhöhte Stimmung verfälscht die Musik, wie sie ursprünglich von Mozart, Beethoven, Bach und anderen klassischen Komponisten beabsichtigt war.

Der New York Schiller Institute Community Chorus wurde ausdrücklich in der Absicht gegründet, diese willkürliche, aber vorsätzliche Verfälschung zu beenden und eine Revolte gegen die Verdummung von mehr als einer Million Schülern im größten Schulbezirk der USA und in der amerikanischen Kultur und Zivilisation insgesamt anzustoßen - angefangen mit dem zentralen Gegenstand der Musik.

Brunelleschi

Die knapp tausend Menschen, die zu den beiden Aufführungen kamen, erlebten nicht bloß eine musikalische Aufführung, sondern allgemein einen neuen Maßstab für die Bürgerschaft. Musik, musikalische Bildung und Praxis, einschließlich öffentlicher Aufführungen von Bürgern, sind genauso ein Recht und eine Verantwortung einer freien Regierung wie Waffen zur Verteidigung des Landes.

Die richtige Stimmung erlaubt eine natürlichere Plazierung der menschlichen Singstimme, dem „ersten aller Musikinstrumente“ und zentralen Ausgangspunkt auch für alle Instrumentalkompositionen. Dies wiederum bringt uns dem Bau des musikalischen Werks und damit der Absicht des klassischen Komponisten näher - vorausgesetzt, die Aufführenden und der Dirigent folgen dieser Macht „hinter“ und „zwischen“ dem Notentext der Komposition. Dann wird große Musik verständlich und reproduzierbar für alle, die den Wunsch haben, sie kennenzulernen und daran teilzuhaben.

Ein italienischer Sänger und Gesangslehrer, der die Organisierungsarbeit der vom Manhattan-Projekt angeführten „Bewegung für die richtige Stimmung“ genau verfolgt, bezeichnet es als ein Risorgimento - der Name des italienischen Unabhängigkeitskampfes, mit dem der Komponist Giuseppe Verdi als Musiker wie als Parlamentsabgeordneter eng verbunden war. Nach Ansicht dieses Sängers haben wir heute nicht nur in Amerika ein „finsteres Zeitalter“ der klassischen Musik. Sänger und Aufführende, die im italienischen Bildungswesen tätig waren, berichten, daß auch dort seit etwa 1975 weitgehend mit der früheren Tradition des Belcanto-Gesangs gebrochen wurde.

Deshalb wird jetzt über eine transatlantische Zusammenarbeit diskutiert, und daran sind auch andere Organisationen beteiligt, wie z.B. die Foundation for the Revival of Classical Culture („Stiftung für die Wiederbelebung der klassischen Kultur“), die das Konzert am Sonntag in der All Souls Unitarian Church unterstützt hatte. Das unmittelbare Ziel des Manhattan-Projekts ist es, einen Chor von bis zu 1500 Sängern aufzubauen, dessen Mitglieder den Kern einer Bewegung in der ganzen Stadt New York bilden, und daraus soll der Kern einer internationalen Bewegung entstehen, die klassische Musik in ähnlicher Weise einsetzt wie Martin Luther Kings Bürgerrechtsbewegung in den 1960er Jahren die afro-amerikanischen Spirituals.

Dazu bestanden die Leiter des Chores, Diane Sare und John Sigerson, darauf, daß die Sänger sich mit dem Dirigenten Wilhelm Furtwängler vertraut machen, allem voran mit seiner Aufführung der 9. Sinfonie Franz Schuberts.1 Sare ließ die Chorsänger die Instrumentalstimmen der Eröffnung der Sinfonie zur Übung a capella singen - nicht nur, um die gesangliche Qualität der Komposition hervorzuheben, sondern auch, um die vokal-kontrapunktische Kompositionsmethode aufzuzeigen, mit der Schubert bei diesem Werk arbeitet.

Ähnliche Vokalisationsübungen gab es mit dem Komponisten Johann Sebastian Bach, konkret der ersten seiner „zweistimmigen Inventionen“, in der einstündigen Solfège-Stunde, die regelmäßig jeden Sonnabend vor Lyndon LaRouches Dialog mit dem Manhattan-Projekt stattfindet.

LaRouche selbst hatte in den 80er Jahren die Kampagne für die Rückkehr zur Verdi-Stimmung konzipiert und in Gang gesetzt, deren wichtigste Frucht das Handbuch der Grundlagen von Stimmung und Register war, das 1992 vom Schiller-Institut herausgegeben wurde. Der Dirigent der New Yorker Aufführung des Messias, John Sigerson, gehört zu den Autoren dieses Handbuchs.

Nun hat LaRouche angeregt, daß seine Mitstreiter im Manhattan-Projekt das Werk des florentinischen Wissenschaftlers Filippo Brunelleschi (1377-1446) studieren, um den eigentlichen Zweck der Musik erfassen. Heute wissen zwar viele, daß die europäischen Kathedralenbauer zuvor schon seit Jahrhunderten auf die musikalischen Proportionen der Architektur geachtet haben - wie etwa bei der Vollendung des Chores der Basilika von St. Denis in Frankreich (1135-1144) durch den Abt Suger -, doch Brunelleschis musikalische Entdeckungen in der dynamischen Anwendung der Kunst der Proportionen gingen weit über alles bis dahin Erreichte hinaus. Brunelleschis bekanntestes Werk ist die Kuppel des Domes von Florenz, aber LaRouche bezog sich in seiner Diskussion mit dem Manhattan-Projekt auf Brunelleschis weit weniger bekannte Pazzi-Kapelle:

    „Helga und ich gingen in diese Kapelle, und sie war wie ein lebendiges Geschöpf. Und man ist mittendrin. Man wird von dieser kleinen Kapelle ergriffen, sie ergreift dich. Du kannst nicht von ihr lassen! Man muß wieder herausgehen, um zu sehen, was sonst noch dort ist, aber das ganze war wie ein lebender Prozeß. Und das war die Qualität seiner [Brunelleschis] Arbeit: Alles, was er tat, war absolut einzigartig, höchst vielfältig, etc. Und danach müssen wir auch selbst streben, um zu verstehen, was wir tun müssen, um diese Krise, die uns jetzt unmittelbar bevorsteht, zu lösen.“

Verwurzelt in wahrer Wissenschaft

Das Manhattan-Chorprojekt wagt sich in Amerika an Neues, wie von Lyndon LaRouche vorgeschlagen. Es gibt dafür in New York einen Präzedenzfall: das Projekt eines Nationalen Konservatoriums für die Vereinigten Staaten, das in den 1890er Jahren vom tschechischen Komponisten Antonin Dvorak („Sinfonie aus der Neuen Welt“), seiner amerikanischen Unterstützerin Jeanette Thurber und indirekt von Johannes Brahms betrieben wurde, was 1992 anläßlich des 100. Jahrestages von Dvoraks Ankunft in den USA vom Schiller-Institut aufgegriffen wurde.

Dvorak äußerte sich sehr präzise über den Zweck des Konservatoriums. Der amerikanische Kongreß verweigerte jedoch dem Vorhaben die Unterstützung, und es wurde sabotiert von Leuten, denen die Vorstellung, Amerikas klassische Musik besonders aus den Spirituals der Afroamerikaner zu entwickeln, zuwider war. Für Afroamerikaner sollte überhaupt nur nichtklassische Musik - wie später der von New Orleans ausgehende Jazz - erlaubt sein, und nachdem das Projekt des Nationalen Konservatoriums Mitte der 1890er Jahre aufgegeben werden mußte, wurden sie pauschal von allen Musikschulen und Konzerthallen ausgeschlossen. Dvorak selbst mußte nach Europa zurückkehren.

Heute ist die Lage noch weit schlimmer als zu Dvoraks Zeiten, weil insbesondere seit den 1960er Jahren die Klassik kaputtgemacht und aus dem Musikleben verdrängt wurde. Auch die Regierungen sind viel schlimmer, genauso wie der Kongreß und leider auch die Bevölkerung. Aber wie schon Dr. Martin Luther King in seiner Rede am 3. April 1968 sagte: „Ich weiß aber irgendwie: Nur wenn es finster genug ist, kannst du die Sterne sehen.“ Die Macht der Poesie kann die schlimmsten Situationen überwinden, wie der Dichter Percy Shelley sagt.

Die vom Manhattan-Projekt verwendete Methode ist tiefer in der Wissenschaft verwurzelt als frühere kulturelle Vorstöße.

So folgte beispielsweise in Europa auf das Werk von Brunelleschi, Nikolaus von Kues und Johannes Kepler die Begründung des wohltemperierten Systems der Komposition durch Johann Sebastian Bach, und es ist für jeden Musikstudenten wesentlich, dieses zu kennen und zu meistern, aber das wird im allgemeinen in den Konservatorien nicht vermittelt. Wenn man sich nun ausgehend vom fortgeschrittenen Standpunkt der Komposition der klassischen Periode von Bach bis Brahms, Verdi und Dvorak auf das Prinzip der Belcantostimme und auf Furtwänglers Prinzipien des Dirigierens konzentriert, dann kann man Zehntausenden New Yorker Bürgern schon kurzfristig ein neues, dem Menschen wirklich angemessenes Verständnis von Sprache vermitteln, so wie das früher einmal charakteristisch war für die Redner und die öffentliche Sprache in Amerika.

Man betrachte beispielsweise den folgenden Satz, der ziemlich zufällig einer öffentlichen Rede entnommen ist, die der ehemalige Sklave Frederick Douglass 1851 in Rochester/New York gehalten hat; Douglass nutzte damals jede Möglichkeit, die Grundlagen für die Freiheit aller Menschen, die in der Verfassung der Vereinigten Staaten verkündet wird, klar darzulegen:

    „Wenn ich von solchen Menschen rede, dann finde ich keine angemessenere Sprache als die Worte des Heilands an die Schriftgelehrten und Pharisäer - und wenn hier jemand die Wortwahl, die ich verwendet habe, als harsch oder beleidigend empfindet, so empfehle ich ihm die brennenden Worte unseres Erlösers, die er schon vor 1800 Jahren für die gleiche Klasse von Menschen verwendete, die sich jetzt der Erlösung der Sklaven widersetzen: ,Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr verzehntet die Minze, Dill und Kümmel, und laßt dahinten das Schwerste im Gesetz, nämlich das Gericht, die Barmherzigkeit und den Glauben!’“

Douglass’ Reden waren fast niemals schriftlich aufgesetzt. Er hielt sie drinnen oder draußen, in Hallen aller Art, Schulen und Kirchen, ohne Mikrofon und Verstärker. Kann sich heute irgend jemand vorstellen, daß einer der Präsidentschaftskandidaten oder einer dieser viel zu häufigen halbgebildeten Straßenredner, Fernsehstars, Kommentatoren, Nachrichtensprecher, Talkshowmoderatoren oder Halbkoryphäen der Talkradiosender in dieser Weise redet?

Was war die Musik der Sprache, die Douglass hörte, und was ist die Musik, die sie hören? Welche Musik hört Donald Trump? Welche Musik hört Barack Obama? Welche Musik spielt der Kongreß, um die Stimme der Verfassung zu übertönen, die Obamas jede Woche mit seinen Drohnenmord-Konferenzen wieder mit Füßen tritt?

Nur indem man in entscheidenden Teilen des Landes eine andere Teilhabe an Musik in der breiten Bevölkerung einführt, nicht zuletzt durch Aufführungen, kann dieser sonst todgeweihte Zustand unserer Zivilisation überwunden werden. Denn das ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, daß unsere Gesellschaft in den Bürgern die moralische Überlebensfähigkeit weckt. Anderenfalls verurteilen sich die Bürger immer mehr selbst zum Untergang, durch Drogen- und Alkoholmißbrauch, Selbstmord sowie verschiedene Formen der Geisttötung - selbst herbeigeführte wie auch institutionell geförderte.

Ungebildete und halbgebildete Menschen können nicht erfolgreich eine Republik schützen, so gut ihre erklärten Absichten auch sein mögen. In den heutigen Vereinigten Staaten, wo die Regierungen der beiden letzten Präsidenten ausdrücklich die Absicht verfolgten, die eigene Bevölkerung durch verschiedene Formen der Kriegführung von innen wie von außen und durch wirtschaftliche Entbehrungen zu reduzieren, und wo der amtierende Präsident jeden Dienstag allgemein bekannte „Killersitzungen“ im Stile Neros abhält - ist es da ein Wunder, wenn in einem solchen Land fast täglich ein neuer Massenmord stattfindet?

Aldous Huxley irrte sich

In einer Rede, die er 1962 an der Universität von Kalifornien in Berkeley hielt, nachdem er an einer Konferenz am Zentrum für das Studium der Demokratischen Institutionen in Santa Barbara teilgenommen hatte, äußerte Aldous Huxley die berüchtigte Bemerkung:

    „Es wird ungefähr in der nächsten Generation eine pharmakologische Methode geben, die Menschen dazu zu bringen, ihre Knechtschaft zu lieben, und sozusagen eine Diktatur ohne Tränen zu schaffen; eine Art von schmerzlosen Konzentrationslagern für ganze Gesellschaften, so daß den Menschen faktisch ihre Freiheit genommen wird, sie es aber genießen werden, weil Propaganda oder Gehirnwäsche oder durch pharmakologische Methoden gesteigerte Gehirnwäsche sie von jedem Gedanken an Rebellion ablenken wird. Und das scheint mir die endgültige Revolution zu sein.“

1974 überwanden politische Mitstreiter LaRouches, die Opfer einer durch Drogen und teilweise auch physische Angriffe induzierten Gehirnwäsche waren, die Wirkung dieser Gehirnwäsche, indem sie sich intensiv Beethovens späte Streichquartette anhörten. Diese Kompositionen dienten als ein hochwirksamer emotionaler Ankerplatz, ihr Ausdruck und Triumph der menschlichen Kreativität war mächtiger als die entgegengesetzten, damals groben Unterdrückungsmethoden, wie sie vor 40 Jahren bei Polizeibehörden beliebt waren. Solche pädagogischen Übungen können unter kundiger Anleitung Wirkungen der Art, die Huxley als „endgültig“ bezeichnet, aufheben.

Es stimmt, es wurde großer Schaden angerichtet, aber wenn die Menschen den Mut fassen, die Wall Street und deren falsche menschlichen Wertvorstellungen abzuschaffen, dann wird schon dieser Akt an sich die Vernunft der Gesellschaft als ganzer wiederherstellen. Aber woher nimmt man den Mut dazu?

Hier kommt die wahrhaft revolutionäre Rolle der Komposition und Aufführung klassischer Musik ins Spiel. Letztlich ist der Mensch kein Tier - wenn er es nicht sein will. Heute wird schon die Wiedereinführung klassischer Prinzipien in der Musik eine wohltätige Wirkung haben, aber das reicht noch nicht aus. Um die Zivilisation zu retten, ist es unabdingbar, ein klares Beispiel für eine solche Zukunft zu setzen, die zu retten es wert ist. Diese Zukunft ist nicht „programmatisch“; sie ist nicht „pragmatisch“. Sie ist kein wohlklingender leerer Wahlkampfslogan wie Obamas „Hoffnung und Wandel“. Sie muß nicht nur emotional wahr klingen, sie muß auch wahr sein.

Mit dem neuen Jahr und einer neuen Phase der kulturellen Krise haben sich die mit LaRouches Manhattan-Projekt verbundenen Kräfte als Neujahrsvorsatz vorgenommen, der amerikanischen Bevölkerung Lust darauf zu machen - ganas, wie die Spanier sagen -, sich zu „waffnen gegen eine See von Plagen, durch Widerstand sie endigen“ (Shakespeares Hamlet).

Mit diesen Waffen sind keine halbautomatischen Schußwaffen gemeint und auch keine apokryphen Star-Wars-Lichtsäbel. Es sind die gleichen Waffen, die schon der große italienische Patriot und Künstler Giuseppe Verdi in seinem Kampf für eine souveräne und geeinte Nation Italien schmiedete und führte, ein „Risorgimento“, das einen Kampf erfolgreich abschließen würde, für den einst der Poet und Staatsmann Dante Alighieri, mehr als 500 Jahre vor Giuseppe Verdis Werken wirkte und starb. LaRouche hat den Ansatz der italienischen Belcanto-Gesangsausbildung ausdrücklich als die dringend notwendige Grundlage bezeichnet, um die Amerikaner das zu lehren, was LaRouche als die Plazierung der Stimme bezeichnet. Das ist weder esoterisch noch unverständlich, sondern im Gegenteil ein Angriff auf die Unverständlichkeit.

Das Gegrunze, das heute als öffentliche Reden durchgeht - besonders abstoßend im Wahlkampfgeschrei von Donald Trump oder dem noch übleren Chris Christie vorgeführt -, sollte dem Hörer klar signalisieren, daß da ein menschlicher Geist redet, der kriminell und/oder verrückt ist. Aber anscheinend wird das nicht mehr wahrgenommen. Viele Menschen können offenbar nicht mehr hören, wie offensichtlich verrückt diese Leute und auch ihr Präsident sind.

Ist es der Krach, den man heute Unterhaltungsmusik nennt, was Amerika moralisch taub gemacht hat? Welchen Zusammenhang gibt es zwischen dem, was sich die Amerikaner anhören, und den politischen Kandidaten, deren Ergüsse sie über sich ergehen lassen? 16 Jahre pausenlose Verdummung - erst durch das „Country & Western“-Geschrei des nicht bloß ungebildeten, sondern bildungsfeindlichen George Bush, gefolgt vom „Smooth Jazz“-Gedudel der stets inhaltsfreien Erklärungen Barack Obamas - wurden dankenswerterweise jüngst vom russischen Präsidenten Wladimir Putin durch seine Rede zum 70. Jahrestag der Gründung der Vereinten Nationen barsch unterbrochen. Amerikaner und die übrige Welt erlebten dankbar zwei im Vergleich völlig entgegengesetzte Reden mit zwei völlig verschiedenen Vorstellungen von Führung der Welt. Das eine war menschliche Rede - das andere war es nicht.

Kein Schweigen mehr

Der Zweck des Manhattan-Chorprojektes ist es, jeden Bürger, der dazu beitragen will, das Ende unserer Zivilisation und der Menschheit abzuwenden - das unvermeidlich am Ende der Abwärtsspirale auf uns wartet, auf der Präsident Obama die Welt führt - mit den notwendigen moralischen Waffen für diese Mission auszurüsten. Diese Fähigkeit muß aber als eine emotionale Bereitschaft zum Handeln erweckt werden, nicht bloß als kontemplative Betrachtung der Frage: „Was wäre vielleicht das richtige, das man tun sollte?“ Dafür haben wir keine Zeit mehr.

In ihrer Begrüßung des Publikums bei der Aufführung des Messias in der All Souls Church schloß die Gründerin der Foundation for the Revival of Classical Culture, Lynn Yen, ihre Bemerkungen so:

    „Man kann einen Mann, eine Frau oder eine Nation nicht überzeugen, indem man ihn oder sie umbringt. Man hat einen Menschen nicht überzeugt, bloß weil man ihn zum Schweigen gebracht hat. Händels Messias, Beethovens 9. Sinfonie, Mozarts Requiem und andere Werke sind die mächtigsten ,Massenbildungswaffen’, die in der westlichen Zivilisation je geschmiedet wurden. Wann werden wir lernen, daß dies - und nicht Schußwaffen oder Bomben - der wahre Weg ist, die Menschheit bessern zu helfen? Die Antwort lautet: Wir werden es nur dann lernen, wenn so viele junge Menschen auf diesem Planeten, angefangen an Orten wie den Vereinigten Staaten, die wahre Würde der Menschheit verstehen, weil sie sie in dieser Musik gehört und aufgeführt haben. Dann wird man sie nicht mehr zum Schweigen bringen können, weil sie zum ersten Mal den Klang ihrer eigenen, unverwechselbaren Stimme gehört haben und davon bewegt waren.“


Anmerkung

1. Vgl. Renée Sigerson, „Zu Schuberts Neunter Symphonie“, Neue Solidarität 46/2015.