Auf dem Weg zu einer neuen Ära der internationalen Kooperation in den
Weltraumanwendungen
Von Rainer Sandau
Rainer Sandau ist Technischer Direktor für Satelliten- und
Weltraumanwendungen der Internationalen Akademie der Astronautik (IAA), er
hielt den folgenden Vortrag am 26. Juni bei der Berliner Konferenz des
Schiller-Instituts.
Zunächst möchte ich Frau Helga Zepp-LaRouche danken, die mich eingeladen
hat, hier über ein Thema zu sprechen, das mir sehr am Herzen liegt, über das
Sie aber wahrscheinlich nicht sehr viel wissen. Und Sie werden am Ende meines
Vortrags sehen, daß es einige gute Verbindungen zu dem Gesamtthema der
Konferenz gibt. Mein Vortrag wurde zusammen mit Jean-Michel Contant
erarbeitet, den Sie in einigen Bildern sehen werden.
Zuerst möchte ich etwas über uns sagen und was wir tun, und dann geht es um
Veränderungen, um noch besser zu werden. Die Internationale Akademie der
Astronautik (IAA) wurde 1960 von Theodore von Karman gegründet. Er ist Ihnen
wahrscheinlich als einer der Weltraumpioniere bekannt, die das GALCIT-Projekt,
das heutige JPL,1 aufgebaut haben. Wir sind ein von der UNO 1996
anerkannter internationaler Zusammenschluß von 1200 aktiven, führenden
Experten (insgesamt 1700 aus 89 Nationen). Die Mitgliedschaft unterliegt einem
harten Wettbewerb, so daß ein Beitritt nicht so einfach ist.
Die Ziele der IAA sind:
- Förderung der Entwicklung der Astronautik für friedliche Zwecke.
- Anerkennung einzelner Persönlichkeiten, die sich um die
Weltraumforschung oder -technologie verdient gemacht haben.
- Bereitstellung eines Programms, durch das Mitglieder Beiträge zu
internationalen Unternehmungen leisten können.
- Förderung der internationalen Zusammenarbeit zur Förderung der Luft-
und Raumfahrt.
Ich möchte den Umstand hervorheben, daß wir eine Vereinigung von Individuen
sind. Man kann bei uns seine Träume leben und an Themen arbeiten, die
vielleicht nicht im Interesse der Einrichtungen in der Industrie o.ä. sind,
aus denen man kommt; bei uns hat jeder die Freiheit, als Individuum zu
arbeiten.
Die Führung der IAA besteht aus einem hochrangigen Kuratorium; zum Beispiel
sind elf Leiter oder frühere Leiter von Raumfahrtagenturen an dem Kuratorium
beteiligt. Es gibt sechs Kommissionen, die sämtliche Aspekte der
Raumfahrtaktivitäten abdecken, wie die Grundlagenforschung,
Ingenieurswissenschaften, Lebenswissenschaften, Sozialwissenschaften. Und wir
bieten die fehlenden Foren, in denen die besten Experten aus allen Bereichen
zusammenkommen, sich kennenlernen und ihre Ansichten austauschen können. Und
das trifft tatsächlich zu, das kann ich Ihnen versichern.
Wir haben regionale Sekretariate, eines auch in Syrien. Der regionale
Sekretär in Syrien ist Dr. Hussein Ibrahim, der ehemalige Generaldirektor der
General Organisation of Remote Sensing. Es ist nicht sehr bekannt, aber Syrien
hatte einen Kosmonauten im Weltraum und betrieb auch ein gutes
Weltraumprogramm, aber heute gibt es dabei natürlich Probleme. Er ist übrigens
ein guter Freund von mir, aber er konnte wegen Visaproblemen in den letzten
Jahren nicht nach Deutschland kommen. Er gehört offensichtlich nicht zu dem
Kreis von Leuten, die Frau Merkel nach Deutschland eingeladen hat, denn ihm
wurde stets ein Visum verweigert.
Frau Shaaban hat die interessanten historischen Stätten in Syrien erwähnt,
und dabei kam mir wieder in den Sinn, daß ich bei meinem ersten Syrienbesuch
zu diesen Stätten gebracht wurde, und ich war von der Geschichte und
Architektur begeistert. Damals, vor 15 Jahren, machte ich den Vorschlag, mit
Hilfe von Techniken der Fernerkundung und der Informationstechnologie diese
Stätte auch außerhalb Syriens auf angepaßte und interaktive Weise bekannt zu
machen. Wie Sie sehen, habe ich gute Beziehungen auch nach Syrien.
Mitglieder und Aktivitäten der IAA
Ich möchte Ihnen einen Einblick über unsere Mitglieder geben, und ich habe
einige Bilder ausgewählt. Hier sind die ersten:
Der erste Mensch im Weltraum, Juri Gagarin, ist Mitglied unserer
Akademie.
Die erste Frau im Weltraum, Valentina Tereschkowa.
Alexej Leonow, der den ersten Weltraumspaziergang machte.
Dann die IAA-Mitglieder William Pickering, James van Allen und Wernher von
Braun mit dem ersten US-Satelliten Explorer I.
Der erste Mensch auf dem Mond war Neil Armstrong, hier zusammen mit Buzz
Aldrin. Das war vor fast 50 Jahren! Man stelle sich das vor! Vor 50 Jahren
sind wir zum Mond geflogen, und der ist nach wie vor Gegenstand unserer
Träume.
Den längsten Aufenthalt im All von eineinhalb Jahren stellte Waleri
Poljakow auf.
Und im Zusammenhang mit der Seidenstraße natürlich Yang Liwei, der erste
chinesische Astronaut bzw. Taikonaut, wie man sie dort nennt.
Wir beschäftigen uns mit Studien und Konferenzen: Jedes Jahr finden etwa
18-20 eigenständige Konferenzen statt, so in Beijing, Moskau, Fukuoka und auch
in Berlin.
Wir geben 42 Veröffentlichungen über verschiedene raumfahrtrelevante Themen
heraus. Als Verlag sind wir seit 2012 tätig mit einer Buchreihe über kleine
Satelliten, Raumfahrtprogramme, Technologien und Anwendungen von
Fernerkundungssystemen für die Erde, sowie Berichte über IAA-Konferenzen.
Wir haben auch ein frei zugängliches Online-Wörterbuch für die Raumfahrt
entwickelt. Die letzten beiden Sprachen, die hinzugekommen sind, sind Gälisch
und Afrikaans, immer im Zusammenhang mit Englisch, Französisch und
Deutsch.
„Gipfeltreffen“ der Weltraumagenturen
Zu unserem 50jährigen Bestehen beschlossen wir, der Öffentlichkeit etwas
anderes bzw. etwas mehr als nur akademische Aktivitäten, sondern das
umfassende moralische Ergebnis unserer Aktivitäten zu präsentieren. Wir
beschlossen, ein Gipfeltreffen aller Vorsitzenden von Raumfahrtagenturen
einzuberufen, um über die Möglichkeit der Zusammenarbeit auf vier Bereichen zu
diskutieren: Bemannte Raumfahrt, Planetenerforschung mit Robotern, Klimawandel
und grüne Systeme sowie Katastrophenmanagement und Naturgefahren.
Der Hintergrund für diese Themen und Initiativen war, daß viele heutige
Kooperationen in die Jahre gekommen sind; so wurde die ISS vor 20 Jahren in
Betrieb genommen, damals mit nur acht beteiligten Ländern. Und damals gab es
nur die Hälfte der heutigen Raumfahrtagenturen. Mehr als die Hälfte existierte
noch gar nicht.
Rußland und die USA haben nicht mehr den alleinigen Zugang zum Weltraum,
und etwas Kooperation mit den neuen Raumfahrtnationen hat sich entwickelt,
aber bei weitem nicht genug. Auf dem Gipfeltreffen ging es somit um die Frage,
wie sich neue Bestrebungen und Herausforderungen mit bestehenden Programmen,
Budgets und nationalen Interessen und Bedürfnissen in Einklang bringen lassen,
denn diese sind bei großen Ländern und aufstrebenden Ländern sehr
unterschiedlich. Wie klappt die Zusammenarbeit unter vielen Partnern? Wie baut
man Vertrauen, Zuversicht und Transparenz auf? Wie teilt man die besten
Praktiken? Und wie stellt man die sichere und verantwortungsvolle Nutzung des
Weltraums sicher?

Historisches Treffen von 30 Vorsitzenden von Raumfahrtagenturen im November
2010 in Washington.

Der Vietnamese Pham Anh Tuan mit NASA-Administrator Charlie Bolden und
Rainer Sandau (v.l.n.r.).
Die Akademie versteht sich somit als eine Art Katalysator. Wir sind keine
Exekutive, wir bringen lediglich die Menschen zusammen und bemühen uns darum,
daß sie zusammenarbeiten. Dabei versuchen wir, an konkreten Projekten, Studien
und Pilotprojekten zu arbeiten, und zwar in den vier oben erwähnten Bereichen,
um so die Raumfahrtkooperation für die nächsten Generationen vorzubereiten.
Wir befinden uns in einem kulturellen Wandel. Die Situation, vor der wir
stehen, ist in uns angelegt, und wir können nicht über unseren Schatten
springen, aber wir müssen die Zukunft vorbereiten.
Im November 2010 fand dann in Washington das historische Treffen mit 30
Vorsitzenden von Raumfahrtagenturen statt, und man sieht, wie sie alle
nebeneinander sitzen und ihre Zustimmung zu der großen Idee der Zusammenarbeit
geben.
Einen Einblick in den Geist dieser Konferenz gibt dieses Bild, das zeigt,
wie der Vietnamese Pham Anh Tuan mit Charlie Bolden [dem
NASA-Administrator, Mitte] – dem „big guy“ – die Hände schüttelt. Das war
vorher nicht möglich, und ich hoffe, dies ist ein gutes Omen für die
Zukunft.
Ziel des Gipfeltreffens war, auf höchster Ebene einen breiten Konsens für
die internationale Zusammenarbeit zu erreichen und neue, konkrete Initiativen
zur Zusammenarbeit in den vier erwähnten Bereichen anzustoßen. In IAA-Studien
waren diese vier Bereiche bereits vorbereitet worden, so zum Beispiel in der
Studie Raumfahrt-Anwendung beim Klimawandel und grünen Systemen: Die
Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit. Das trifft auch auf die
anderen drei Bereiche zu, so Zukünftige Planeten-Roboterforschung,
Zukünftige bemannte Raumfahrt und Katastrophenmanagement im
Weltraum.
Das sind breite Themen. Sie müssen heruntergebrochen werden zu Aufgaben,
mit denen beide Seiten - die „big guys“ und die „smaller guys“ - etwas
anfangen können. Man muß sich wirklich aufgabenrelevante Dinge ausdenken in
einer Form, mit der man arbeiten kann. Diese Priorisierung erfolgte 2011, und
es wurden eine Steuerungsgruppe und Koordinationsgruppen für alle vier
verschiedenen Themenbereiche eingesetzt. Jetzt befinden wir uns in der Phase
konkreter Aktionen, wobei wir uns in der Diskussion mit über 40
Raumfahrtagenturen befinden.
2012 gab es bereits eine Reihe von Nachfolgekonferenzen, zum Beispiel in
Kiew, Mysore und Neapel. In Neapel kamen beispielsweise 14 Vorsitzende von
Raumfahrtagenturen zusammen, um über spezifische Einzelfragen zu sprechen.
Jüngste Meilensteine bezogen sich auf speziellere Fragen. Es gibt vier
Hauptbereiche, und diese beziehen sich auf unterschiedliche
Raumfahrtagenturen. Das heißt, die Entwicklungsländer haben derzeit nicht so
viel mit Robotermissionen und bemannter Raumfahrt zu tun. Für sie sind aber
Klimawandel und Katastrophenmanagement ein Thema. Der erste Meilenstein war
somit ein Treffen über Roboterforschung und bemannte Raumfahrt - erneut in
Washington. Auf dieser Veranstaltung hatte ich die Gelegenheit und Freude,
erstmals mit Frau Zepp-LaRouche persönlich zusammenzutreffen.
Alle diese 14 Vorsitzenden von Raumfahrtagenturen kamen hier zusammen und
sprachen – zumindest – miteinander. Die Zusammenarbeit befindet sich noch in
den Anfängen, aber es braucht einfach etwas Zeit, um das wirklich stattfinden
zu lassen, denn jeder hat sein eigenes Budget, seine eigenen Ideen und seine
eigenen Schwerpunkte. All das muß zusammengebracht und synchronisiert werden.
Das braucht Zeit, aber es ist im Gang.
Der zweite Meilenstein für die zwei übrigen Bereiche – Klimawandel und
Katastrophenmanagement – fand im September in Mexiko City statt; 40
Vorsitzende von Raumfahrtagenturen diskutierten dort miteinander und brachen
den Prozeß auf die Arbeitsebene herunter.

Treffen der Vorsitzenden von Raumfahrtagenturen zum Klimawandel und
Katastrophenmanagement am 18. September 2015 in Mexiko-City.
Abschließend sei gesagt: Die IAA ist ein besonderes Elitegremium und
versteht sich als Katalysator für eine Zusammenarbeit auf neuer Ebene:
„Gemeinsam in den Weltraum, um alle auf der Erde zu bereichern.“ Das Ziel ist,
politische Entscheidungsträger dazu zu bringen, sich die Zusammenarbeit im
Weltraum für die nächsten Generationen vorzustellen, neue Berichte zu
erstellen und herauszugeben und konkrete Vorschläge zu machen, die auf
nachfolgenden Gipfeltreffen angegangen werden können.
Ich bin davon überzeugt, daß dieses Anliegen sehr gut in die Thematik
dieser Konferenz paßt, und ich hoffe, ich konnte Ihnen Einblicke in den
Raumfahrtbereich geben, der ja für die meisten Menschen auf der Erde noch eher
fremdartig ist. Er ist aber gar nicht fremdartig, da unser tägliches Leben
bereits unmittelbar mit dem Weltraum verbunden ist, aber viele wissen gar
nicht, was geschieht und welchen Nutzen wir aus dem Weltraum ziehen. Ich
hoffe, ich konnte Ihnen wenigstens die Idee einer friedlichen Zusammenarbeit
vermitteln und einen positiven Aspekt in die Diskussion bringen, nachdem wir
jetzt nicht so gute Ergebnisse aus Syrien und anderen Ländern gehört
haben.
Vielen Dank.
Anmerkung
1. GALCIT: Das Guggenheim Aeronautical Laboratory des California Institute
of Technology; JPL: Jet Propulsion Laboratory.
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