„Regimewechsel in Syrien wurde schon 2001 geplant“
Landessenator Richard Black aus Virginia sandte der Konferenz
des Schiller-Instituts in New York den folgenden Videobeitrag.
Ich bin Senator Richard Black, Landessenator in Virginia. Ich habe viel
Erfahrung im Militär, ich habe mit dem Ersten Regiment der Landetruppen in
Vietnam gekämpft und bin auch auf verschiedenen Missionen Hubschrauber
geflogen, ich bin also sehr für die Streitkräfte - aber gleichzeitig habe ich
auch sehr große Bedenken, was wir in Syrien anstellen.
Darüber möchte ich zu Ihnen sprechen. Herzlich willkommen zur
Schiller-Konferenz. Ich möchte Ihnen einen kurzen Überblick geben, wo wir
heute stehen und wie wir dahin gekommen sind. Syrien ist das entscheidende
Land im Nahen Osten, denn um Syrien dreht sich alles. Und dies hier ist ein
kurzer Countdown zum Syrienkrieg; denn natürlich gab es dazu eine
Vorgeschichte. Ich möchte im Jahr 2001 anfangen.
2001
2001 begann das Pentagon mit Kriegsplanungen zum Sturz der syrischen
Regierung. Wesley Clark hat erzählt, daß er nach den Angriffen des 11.
September im Pentagon war und den Verteidigungsminister besuchte, und
anschließend sprach er mit einem seiner Freunde, einem General, und der
General sagte: „Boß, Sie müssen sich das ansehen.“ Er [Clark] fragte: „Was ist
das?“ Er antwortete: „Wir werden den Irak angreifen!“ Und General Clark
fragte: „Warum? Haben wir etwas über Massenvernichtungswaffen herausgefunden?“
Der General antwortete: „Nein. Es sieht so aus, als hätten wir gerade bemerkt,
daß wir großartige Streitkräfte haben und daß wir ein Problem haben, und daß
wir etwas mit ihnen anstellen werden.“
Etwa einen Monat später kam General Clark wieder und suchte denselben
General auf. Er fragte ihn: „Läuft die Sache noch? Steht immer noch fest, daß
wir den Irak angreifen werden?“ Und der General antwortete: „Mann, es ist noch
schlimmer.“ Und er zog ein Blatt Papier aus der Tasche und sagte: „Wir haben
jetzt Pläne, im Nahen Osten sieben Regierungen zu stürzen.“ Eine davon war die
syrische Regierung, und eine andere war Libyen, was mit Syrien zusammenhängt,
deshalb möchte ich über beides sprechen. Jedenfalls hat die Kriegsplanung
eindeutig schon 2001 begonnen.
Was ist so wichtig an dem Jahr 2001? Der Syrienkrieg fing erst zehn Jahre
später an. Es gab keine Aufstände in Syrien. Es ging den Syrern gut, es war
eines der wohlhabendsten Länder im Nahen Osten und eines der modernsten.
Syrien hatte die umfassendsten Frauenrechte und die größte Religionsfreiheit
von allen arabischen Nationen. Denken Sie einmal darüber nach: Wir haben
Syrien verteufelt, obwohl es gerade das Land war, das im Vergleich zu den
anderen arabischen Ländern wirkliche Freiheit hatte.
Von Libyen nach Syrien
Die Kriegsplanungen fingen also 2001 an. Meiner Ansicht nach hat Wikileaks
uns einen enormen Dienst erwiesen, als es einige der diplomatischen Depeschen
aus der Botschaft in Syrien veröffentlichte. Eine Depesche aus der
US-Botschaft von 2006 enthält einen ausführlichen Plan zur Destabilisierung
und Unterminierung der syrischen Regierung.
Das Jahr 2011 wurde ein schreckliches Jahr für die Geschichte des Nahen
Ostens. Da fing der sogenannte „Arabische Frühling“ in Tunesien an, und dann
kam es plötzlich zu „spontanen“ Unruhen in sehr vielen Ländern - so wie das
häufig geschieht, wenn Geheimagenten loslegen. Die Vereinigten Staaten,
Großbritannien und Frankreich übernahmen die Führung, sie arbeiteten mit der
Türkei und Katar zusammen, und wir unterstützten den libyschen Aufstand.
Warum haben wir das getan? Oberst Gaddafi war zum Hauptverbündeten der
Vereinigten Staaten in Nordafrika im Krieg gegen den Terror geworden. Sicher,
wir hatten unsere Probleme mit ihm gehabt, aber die waren beigelegt, wir
hatten das Verhältnis normalisiert.
Wir intervenierten dort, und mit der tollen Hilfe von Senator John McCain
verkündeten wir, daß es dort eine „Flugverbotszone“ geben soll. Eine
„Flugverbotszone“, das ist eine seltsame Bezeichung für eine
„Feuer-frei-Zone“, aber genau das ist es: Es ist eine „Feuer-frei“-Zone, wo
man alles buchstäblich in Fetzen zerbombt. Das haben wir getan.
Als wir dann in Libyen fertig waren, gab es dort praktisch keine Regierung
mehr, es gab keine Zivilisation mehr, es gab nichts. Alles war kaputt - mit
Ausnahme der libyschen Waffenausrüstung. Oberst Gaddafi hatte ein gewaltiges
Arsenal an modernen Waffen.
Der Zweck bei dem Umsturz in Libyen war, daß man diese modernen Waffen aus
Libyen verwenden könnte und sie über die Türkei nach Syrien für einen Umsturz
in Syrien transportieren könnte. Das war der Umweg, über den man es vermeiden
konnte, den Kongreß um die Genehmigung [für Krieg/Waffenlieferungen] bitten zu
müssen. Denn was wäre gewesen, wenn man gesagt hätte: „Schau mal her, lieber
Kongreß: Wir wollen dort einmarschieren und ein verbündetes Land, ein
neutrales, nicht kämpfendes Land angreifen und den Staatschef ermorden - was
haltet ihr davon?“ Ich glaube nicht, daß die damit sehr weit gekommen wären.
Da ist es viel leichter, eine Geheimoperation zu inszenieren, und genau das
ist dort passiert.
Das ist in groben Umrissen, wie wir dorthin gekommen sind. Der Syrienkrieg
wird oft als interner Aufstand hingestellt, als Rebellion eines Volkes, das
sich nach Freiheit und Demokratie sehnte. Eine Studie der Defense Intelligence
Agency [des Militärgeheimdienstes], die der Generalstab in Auftrag gegeben
hatte, kam zu dem Schluß, daß diese Vorstellung der „moderaten Rebellen“ im
wesentlichen ein Märchen ist. Es war schon immer ein Märchen. Die syrischen
Rebellen waren von Anfang an massiv unterwandert und beherrscht von den
Terroristen.
Die „großartigen Verbündeten“
Ich möchte aber nun noch weitergehen. Wenn Sie sich an Anfang 2015
erinnern: damals haben sich die Türken und die Saudis zusammengetan und etwas
gebildet, was sich „Eroberungsarmee“ nannte. Die Basis und das Zentrum der
Eroberungsarmee war Al-Nusra. Al-Nusra ist Al-Kaida in Syrien, und Al-Kaida
war, wie Sie sich erinnern werden, die Gruppe, die am 11. September 2001 beim
Angriff auf das World Trade Center und das Pentagon 3000 Amerikaner getötet
hat. Die Türkei und Saudi-Arabien organisierten also diese Eroberungsarmee um
ebendie Leute herum, die den größten Angriff aller Zeiten auf dem Boden der
Vereinigten Staaten durchgeführt hatten.
Die Türkei liegt an der nördlichen Grenze sowohl von Syrien als auch vom
Irak. Die Landkarte zeigt in grün die Gebiete, die jetzt von den Kurden
beherrscht werden. Erinnern Sie sich an den heldenhaften Kampf um Kobane? Ich
habe mit Kurden geredet, die sich damals auf der türkischen Seite der Grenze
aufhielten. Die türkische Armee riegelte diese Grenze mit 50 Panzern ab.
Während der Schlacht um Kobane brachten die Türken Krankenwagen des Roten
Halbmonds - das Gegenstück zum Roten Kreuz im Nahen Osten - und luden sie voll
mit Dschihadisten von ISIS, und sie benutzten diese Krankenwagen, auf die die
Kurden natürlich nicht schossen, um in der Schlacht Munition und frische
Truppen für ISIS zu liefern. So lief das.
Nun war es aber so, daß die Kurden gegen ISIS schließlich die Oberhand
gewannen. Sie besiegten ISIS, und anstatt nur Kobane zu sichern, fingen sie an
anzugreifen, und sie drangen bis zur Grenze vor, fingen an, sie abzuriegeln
und die Verbindung zur Türkei abzuschneiden.
Damit drohte eine totale Blockade des Nachschubs für ISIS. Der Verbündete
Nummer Eins von ISIS ist die Türkei. Die Türkei liefert ihnen alle Waffen,
alle Munition, stellt Krankenhäuser zur Versorgung ihrer Verwundeten. Es gibt
Standardrouten für die Dschihadisten aus der ganzen Welt, die angeworben
werden. Sie bezahlen allerlei Rebellen, bei Al-Kaida ebenso wie bei ISIS.
Heute versorgt die Türkei die Eroberungsarmee, die um Al-Kaida gruppiert ist,
über die Lücke [an der Grenze], die sie geöffnet haben. Und über diese Lücke
von Kobane wird ISIS versorgt.
Das graue Gebiet ist das von ISIS gehaltene Gebiet. ISIS hat bzw. hatte
1200 Tanklastwagen, die über die Lücke von Kobane Öl transportierten. Täglich
wurden darüber 44.000 Faß Öl geliefert, und anders als bei den typischen
Grenzkontrollen, die die Türkei sonst bei allem durchführt, was dort
transportiert wird, winken sie das Öl durch. Sie wußten, was es ist, und sie
wußten, wohin es ging. Es kam auf den Markt, und sie zahlten ISIS dafür gutes
Geld. Das war wahrscheinlich die wichtigste Geldquelle für ISIS. Es war aber
nicht die einzige.
Die ISIS-Terroristen eroberten die wunderschöne Stadt Palmyra, die zu den
Architekturschätzen der Welt gehörte. Sie fingen an, sie zu plündern, und das
geplünderte Material wurde durch die Lücke von Kobane geschafft und in der
Türkei verkauft.
Zusätzlich hatten die ISIS-Truppen Mossul im Irak erobert - eine
Millionenstadt -, und dort beschlagnahmten sie die Krankenhäuser, und sie
zwangen die Ärzte, lebenden Patienten Organe zu entnehmen, und die wurden dann
auf Eis gekühlt ebenfalls durch die Lücke von Kobane transportiert und über
die Türkei und auch über Saudi-Arabien auf dem Markt verkauft. Es wurden
ungeheure Summen für die Organe gezahlt, weil man sich buchstäblich die Größe
aussuchen konnte: Wer es für ein Kind brauchte, der bekam das Organ eines
Kindes. Es gab verschiedenen Berichte über irakische Ärzte, die geköpft
wurden, einfach nur, weil sie sich weigerten, lebenden Kindern die Organe zu
entnehmen.
So sieht der typische Handel unseres lieben Verbündeten, der Türkei aus.
Die Türkei ist im Grunde genommen ein großes kriminelles Unternehmen. So
funktioniert der Staat, so finanziert er sich. Der türkische Präsident Erdogan
hat inzwischen die völlige Kontrolle über das Parlament gewonnen, und die
Verfassung soll völlig umgeschrieben geändert werden. Er hat erklärt, daß er
ähnliche Vollmachten haben möchte wie Adolf Hitler. Wir kämpfen heute in einem
Bündnis mit einem Mann, der sagt, er will ähnliche Macht wie Hitler haben.
Und wenn wir nun über Frieden für Syrien verhandeln, sitzt auf der einen
Seite eine Spinne und auf der anderen ein Skorpion - nämlich die Türkei und
Saudi-Arabien, zwei der übelsten Diktaturen der Welt. Die Türken haben eine
lange Geschichte von Christenmorden, beim armenischen Völkermord. Heute morden
sie Kurden in der Türkei. Die Kurden machen etwa 20% der türkischen
Bevölkerung aus.
Und dann ist da Saudi-Arabien, wo es keinerlei Freiheit irgendwelcher Art
gibt. Frauen gelten als Eigentum und es gibt dort noch Sklaverei. Offiziell
wurde die Sklaverei 1962 abgeschafft, aber in gewissem Ausmaß existiert sie
heute noch.
Das also sind unsere großartigen Verbündeten, auf die wir uns verlassen
wollen, um Syrien zu verbessern. Die Russen haben in einer Weise, die man nur
als eine Heldentat von Präsident Putin beschreiben kann, mit einer ziemlich
bescheidenen Streitmacht interveniert. Sie griffen die Ölversorgung an, sie
fingen an, die Eroberungsarmee zurückzudrängen und sie in dem Gebiet zu
dezimieren. Sie begannen mit Bombardierungen in der Gegend um Aleppo, dem
größten Industriezentrum Syriens. Überall, an allen Fronten im Land, müssen
die Rebellen, ISIS und Al-Kaida zurückweichen.
Wie kann man den Krieg beenden?
Zusammenfassend möchte ich nur sagen: Was kann diesen Krieg beenden? Wenn
wir wollen, daß dieser Krieg endet - und es ist wesentlich für Amerikas vitale
Interessen im Nahen Osten, daß Syrien überlebt und die Terroristen besiegt
werden -, dann müssen wir die Versorgung mit den Panzerabwehrwaffen [TOWs]
beenden, die wir immer noch dorthin schicken und Saudis und Türken dorthin
schicken lassen. Wir müssen den Frieden im Nahen Osten wiederherstellen. Dazu
ist Syrien der Schlüssel. Wenn dieser Krieg endet, dann wird diese ungeheure
Welle dschihadistischer Aktivitäten in aller Welt abebben.
Und es wird wesentlich sein, daß wir gleichzeitig anfangen, Druck auf
Saudi-Arabien zu machen, das diese giftige wahhabitische Spielart des
islamischen Radikalismus exportiert, die jeden Monat buchstäblich tausende
Angriffe in aller Welt veruracht. Jeden Monat! Das ist eine bemerkenswerte
Zahl! Deshalb müssen wir den Terrorismus stoppen, und Syrien ist der Ort, wo
man damit anfangen muß.
Ich danke Ihnen fürs Zuhören, und wir hoffen, daß Sie an der
Schiller-Konferenz Freude haben.
|