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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Die Einheit von Kalligraphie, Poesie, Malerei und Musik in der chinesischen Kunst

Von Prof. Ben Wang

Prof. Ben Wang ist Autor, Übersetzer und leitender Dozent des China-Instituts für Sprachen und Geisteswissenschaften.

Wir reden hier über Dinge, die alt und vergangen sind, aber wie meine Lieblingsautorin aus England, Muriel Spark, sagt: „Der Ruhm der Vergangenheit ist die Inspiration für die Zukunft.“ Auch wenn wir über etwas Altes reden, weiß ich also, daß etwas Neues geboren werden wird. Und wie Tennessee Williams sagt: „Veilchen im Gebirge haben den Fels gesprengt.“ Das steht auf seinem Grabstein. Es gibt immer Hoffnung, aber heute sprechen wir über den Ruhm der Vergangenheit.

Das, worüber ich spreche, wird Literarische Malerei genannt - etwas, was ganz auf die chinesische Kultur begrenzt ist.

Ich muß vorlesen, weil meine Zeit begrenzt ist - normalerweise rede ich zwei oder drei Stunden. Aber bevor ich es vergesse, muß ich noch Frau Lynn Yen von der Stiftung für die Wiederbelebung der klassischen Kultur und natürlich Dennis (Dennis Speed vom Schiller-Institut) danken, daß sie mich eingeladen haben, wofür ich sehr dankbar bin. Ich habe sie um mehr Zeit gebeten, und nach zähen Verhandlungen und viel Argumentieren meinerseits gab man mir zehn Minuten mehr. (Lachen) Sie wollten mir sogar 20 Minuten geben, aber ich sagte: „Das wird kaum reichen, denn ich bin ein Meister der Abschweifungen. Wenn ich das tue, müßt ihr mich stoppen. Aber wenn ihr seht, wie alt ich bin, weiß ich, daß ihr das nicht tun werdet.“ Trotzdem bitte ich darum - sagt einfach „stopp!“ und „weiter!“

Schließlich gibt es hier viele andere wundervolle Dinge, so ein reichhaltiger Abend! Ohne mich bei Frau Yen oder Dennis einschmeicheln zu wollen: Ich kann mich nicht erinnern, an einer vergleichbaren Veranstaltung teilgenommen zu haben. In meiner naiven Vorstellung über Vorträge und Veranstaltungen war ich meistens der einzige Redner, und das Thema war gewöhnlich Dichtung, Literarische Malerei, Drama, Musik, Theater. Aber Sie haben ein so reichhaltiges Programm. Die beiden Vorträge eben haben mir den Atem verschlagen. Und nach dem Tenor fragte ich mich: „Wie soll man nach so etwas noch sprechen?“ Und meine Stimme... ich bin etwas erkältet, aber sonst habe ich eine sehr gute Stimme. Fast so gut wie er. (Lachen) Nun, nicht ganz... aber vielleicht vor 60 Jahren.

Was also ist Literarische Malerei? Sie ist - es klingt, muß ich leider sagen, für westliche Ohren ziemlich ungewohnt - dreierlei in einem: Dichtung, Kalligraphie und Malerei. Sie zusammen machen das Genre der Literarischen Malerei in China aus, die während der Sung-Dynastie entstand, Ende des 10. bis ins 13. Jahrhundert (960-1280), vor der Yuan-Dynastie. Die Literarische Malerei erreichte ihren Höhepunkt unter der Patronage eines der herausragendsten Mandschu-Kaiser, Qianlong (1736-1796) von der Quing-Dynastie (1644-1911).

An dieser Stelle muß ich etwas klarstellen: Schon lange vor dem Aufkommen der Literarischen Malerei hatte China 2000 Jahre Kultur und Zivilisation. Warum also dauerte so lange, bis die Literarische Malerei entstand? Weil jedes literarische oder künstlerische Genre wie ein Baby ist. Die Literarische Malerei ist ein liebenswertes Baby. Woher kommt ein liebenswertes Baby? Von einem liebenswerten Mann und einer liebenswerten Frau; und die müssen erwachsen sein, um einander zu finden, zu heiraten und ein Kind zu bekommen. Denn die Literarische Malerei besteht aus drei Bestandteilen: der Poesie, der Kalligraphie und der Malerei. Deshalb dauerte es fast 2000 Jahre, bis diese drei Formen herangereift waren: die Poesie mußte reifen, die Kalligraphie und die Malerei mußten reifen, und dann schufen diese drei gemeinsam diese großartige Menage a trois. Sie schufen dieses liebenswerte Baby, das man die Literarische Malerei nennt. Und deshalb dauerte es so lange!

Alles ist darin enthalten

In der Zeit zwischen 1100 und 500 v.Chr. entstand die erste Sammlung von 300 Gedichten, die frühesten Dichtungen des Menschen in der Weltgeschichte, das sogenannte Buch der Lieder, es wurde von Arthur Waley ins Englische übersetzt. Es ist immer noch eine sehr gute Lektüre. Wunderbare Literatur stirbt nicht, wie der sprichwörtliche alte Soldat, der nie stirbt. Wenn Sie also auf eine Ausgabe des Buchs der Lieder stoßen, dann sollten Sie sie auf jeden Fall lesen.

Die Malerei begann erst um etwa 300 v.Chr. Die Kalligraphie reifte. Das begann mit der gesprochenen Sprache, wurde dann eine Art Siegel, bis hin zur heutigen Schrift. Und wo wir davon sprechen: Wir müssen hier auf die besondere, einzigartige Qualität der chinesischen Sprache zurückkommen. Jede Sprache auf der Welt ist einzigartig. Aber die chinesische Sprache ist unvergleichlich, denn das gesprochene Chinesisch ist Musik, und das geschriebene Chinesisch ist Malerei. Und deshalb umfaßt die Literarische Malerei all dies: Es gibt Töne, also Musik, es gibt Poesie, es gibt Kalligraphie und es gibt Malerei. Tatsächlich bildet die Malerei den ergänzenden Aspekt dieses Genres.

Fahren wir fort.

Indem sie die Tiefgründigkeit der Poesie mit der Pracht der Kalligraphie und der Töne und mit der Rührung der Malerei miteinander verschmelzt, ist die Literarische Malerei ein bezaubernder Garten der Literatur, der Musik und der bildenden Kunst - ein Garten, der von den Chinesen und der Welt seit tausend Jahren hochgeschätzt ist.

Im Mittelpunkt meines Vortrags stehen zwei zeitlose Werke von Qi Baishi.

Es gibt Hunderte, ja Tausende Werke, aber ich habe nur zwei davon ausgewählt. Wenn Sie wissen wollen, warum, dann sprechen Sie mit Lynn Yen und der Stiftung - ich hatte 200 vorbereitet, aber ich darf nur über zwei sprechen. (Lachen) Ich scherze nur. Jemand hat einmal gesagt: „Immer jemand anderem die Schuld zuschieben.“

Qi Baishi, bitte behalten Sie diesen Namen im Gedächtnis: Er war der letzte Titan der Literarischen Malerei. Ich sage oft, mit seinem Abgang, mit seinem Tod, kam auch der Tod der Literarischen Malerei; denn heute kann niemand auch nur Gedichte - klassische chinesische Poesie - schreiben. Er ist der überragende Meister der Literarischen Malerei des 20. Jahrhunderts. Ein gründliches Studium der Nuancen und der tieferen Symbolik, der ausgezeichneten Musikalität seiner Gedichte und der Feinheit und Schönheit seiner Kalligraphie und Gemälde wird uns helfen, bei der Würdigung der chinesischen Kultur den Genuß zu erhöhen.

Qi Baishi

Qi Baishis künstlerische Welt erhebt den Alltag zu romantischer Poesie. Von ländlicher Herkunft, als Bauer geboren, schuf Qi Baishi Werke, die von einem Gefühl der Nähe zum Land erfüllt sind. Das ist sehr schön eingefangen in seinen treffenden Darstellungen von Krabben, Fischen, wilden Blumen und Vögeln, neben anderen scheinbar bedeutungslosen Naturobjekten. In diese Gemälde eingefügt sind seine Gedichte und Kalligraphie, die beide von höchster Meisterschaft und reichem Geist geprägt sind.

Qi Baishis hochentwickelter Sinn für die Farbenpracht der Natur, den er nutzt, um über die Liebe, das Leben, Erinnerungen und die Vergänglichkeit von Schönheit und Kunst zu reflektieren, ist sein bester Reisepaß in die Unsterblichkeit.

Betrachten wir nun seine beiden Werke, die ich als den Hauptgang dieses Festmahls bezeichnen würde.

Dies ist eine Zeichnung von Zaunwinden, und dieser Grashüpfer ist braun - hellbraun, was bedeutet, daß er sehr alt ist, denn junge Grashüpfer sind ganz grün. Erst wenn sie sehr alt werden - wie ich -, verblaßt die Farbe, bis sie schließlich weißlich wird. Dieser Grashüpfer ist also nicht dunkel - Grashüpfer sind niemals dunkel, wenn sie noch sehr jung sind, sind sie grün -, er ist hellbraun. Und die Zaunwinden sind tief violett, zwischen violett und burgunderrot. Das ist die Zaunwinde. Das ist also das Gemälde.

Was ist die Bedeutung?

Die großen chinesischen Künstler wandeln auf dem schmalen Grat zwischen Ähnlichkeit und Unähnlichkeit. Sähen ihre Gemälde exakt wie die reale Sache aus, wäre es zuviel, zu nahe am Realismus. Sie müssen den Realismus überwinden und einen magischen Illusionismus erreichen. So ist auch dies zwischen Ähnlichkeit und Unähnlichkeit, zwischen Realismus und magischem Illusionismus. Der Grashüpfer kommt aus dem Busch der Zaunwinde. Bekanntlich öffnet sich die Zaunwinde nur am Morgen, und wenn die Sonne den Zenit erreicht, am Mittag, verwelkt sie.

Achten Sie darauf, wohin der Grashüpfer sich wendet: Er senkt seinen Kopf nach Westen. Die chinesische Kunst ist stark beeinflußt von der indischen Kunst. Deshalb hat es mich bewegt, als ich vorhin das Gedicht von Tagore hörte, obwohl ich kein Sanskrit verstehe. Dichtung und Schönheit können das, sogar wenn man die Sprache nicht versteht. Wenn man beispielsweise eine Oper anhört, versteht man nicht immer, was gesungen wird, aber man kann die Musik genießen.

Für die Chinesen ist der Westen das Nirwana. Wir nennen es die „Welt der äußersten Glückseligkeit“. Das bedeutet also, daß der Grashüpfer alt ist, er hat all sein Glück und seine gesunden, goldenen Tage erlebt, und nun geht er nach Westen, ins Nirwana - einfach gesagt, in den Tod.

Und es stehen zwei Gedichtzeilen da, siebensilbige Zeilen.

Die beliebtesten Poesieformen im Chinesischen sind entweder fünfsilbig oder siebensilbig, das heißt also, entweder fünf Zeichen je Zeile oder sieben Zeichen je Zeile. Die chinesische Sprache ist eine einsilbige Sprache: Jedes Zeichen, jedes Wortzeichen hat nur eine Silbe; wenn ich also sage, siebensilbig, dann bedeutet das sieben Zeichen pro Zeile.

Wenn man das Gemälde betrachtet, ist man überwältigt von der Mischung aus Zartheit, Auserlesenheit und meisterhafter Pinselführung. Trotzdem liegt das eigentlich Wichtige nicht in dem Bild, nicht in dem Grashüpfer oder der Zaunwinde, sondern diese dienen alle als Ergänzung zu dem Gedicht.

Das Gedicht besteht also aus den beiden Zeilen. Und was bedeutet es? Es lautet: „Deinen Rinderzieher nehmen, Elsterbrücke überschreiten.“ Und die zweite Zeile: „Damals zwei Tempel, aber frostfrei.“ Was soll das heißen? Vielleicht sagen die Nichtchinesen, die Leute im Westen, deshalb manchmal: „Red kein Chinesisch mit mir!“, wenn sie sagen wollen: Was soll das heißen? (Lachen.) Es entzieht sich dem Verständnis, wenn man kein Chinesisch versteht - das hier ist aber klassisches Chinesisch.

Der Künstler spricht direkt. Er ist der Grashüpfer! Der Grashüpfer übernimmt die Rolle des Dichters. Er ist also gerade hier herausgekrochen, und er spricht zu der Zaunwinde. Er sagt: Ich habe dich benutzt, du hast mir geholfen, du bist die Rinderzieher-Blume. Die Zaunwinde heißt im Chinesischen „Rinderzieher-Blume“. Und warum nennen die Chinesen die Zaunwinde „Rinderzieher-Blume“? Weil die Zaunwinde nur dann blüht und sich nur dann öffnet, wenn die Sonne aufgeht, sie beginnt in der frühen Dämmerung, sich zu öffnen. Das ist die Zeit, wenn die chinesischen Bauern das Zugtier herausholen, den Wasserbüffel, um ihre Felder zu bearbeiten.

Die Chinesen sagten also: Diese Blume sollte Rinderzieher-Blume genannt werden, weil sie die Rinder ruft, aufzuwachen und uns zu helfen, sie zieht sie zur Arbeit auf dem Feld. „Rinder-Zieher“ - in Großbuchstaben geschrieben - ist also der Name der Zaunwinde im Chinesischen.

Also: Ich habe dich gebraucht, meine liebe Rinderzieher-Blume, und du hast mir geholfen, über die Elsterbrücke zu kommen.

Hier gibt es noch mehr folkloristische und auch literarische Anspielungen. Die Elster ist verbunden mit einer sehr traurigen chinesischen Geschichte, die der von Romeo und Julia ähnelt. Sie handelt von einem unglücklichen Paar, das unter einem schlechten Stern stand. Sie können sich nur einmal im Jahr treffen. Die Frau ist ein himmlisches Wesen, sie ist eine Weberin im Himmelspalast. Sie kommt auf die Erde und trifft diesen Hirtenjungen, der auf seine Kühe aufpaßt; er ist also ein Rinderhirte - so etwas wie ein Cowboy. Und sie verlieben sich, aber weil sie ein Himmelswesen ist, wird sie zurückgerufen zum König des Himmelspalastes, und sie können sich nie wieder treffen. Aber ein alter Büffel hat Mitleid mit ihnen, und als er stirbt, sagt er dem Hirtenjungen: Du warst so gut zu mir, und ich mag dieses Mädchen, dieses Himmelswesen, das du geheiratet hast und das in den Himmelspalast zurückkehren mußte. Wenn ich sterbe, sollst du mir das Fell abziehen. Und wenn du dich in jedem Jahr am siebten Tag des siebten Monats in dieses Fell hüllst, dann kannst du fliegen. Und so will ich dir helfen, in den Himmel zu fliegen, daß du deine Geliebte treffen kannst.“

Und auch die Elstern haben Mitleid mit den beiden unglücklichen Liebenden. Am Himmel ist die Milchstraße, dieser Fluß, den man den Silbernen Fluß nennt. Und die Elstern kommen in Schwärmen und legen sich in den Fluß, der nicht so tief ist, und so kann der Hirtenjunge über ihre Körper laufen wie über eine Brücke und so zu seiner Geliebten gelangen.

So lautet diese Geschichte.

Er sagt also: Meine liebe Zaunwinde, ich habe dich einst gebraucht, um über die Elster-Brücke zu gelangen.

Aber was war damals mit den beiden Tempeln meines Kopfes? Mit den „beiden Tempeln“ sind nämlich keine buddhistischen Tempel gemeint, sondern die beiden Schläfen. Dort wächst das weiße Haar zuerst - wie bei mir. Es verbleicht normalerweise als erstes an den Schläfen. „Aber damals war auf den beiden Tempeln noch kein Frost.“ Warum wird das Haar des Chinesen weiß? Es wird weiß, weil uns der Himmel Frost ins Haar schickt. Das bezieht sich also auf das weiße Haar.

Worum geht es nun in dem Gemälde? Es ist die Erinnerung an die verlorene Liebe, an das verlorene Glück, an goldene, gesundere Tage, an alles, was verloren ist - aber einst gab es Liebe, es gab Schönheit, und sie sind es wert, sich daran zu erinnern. Anstatt also zu weinen oder zu lamentieren, statt einer schwermütigen Trauerbotschaft über diese Erinnerung nutzt der Künstler diese sehr diskrete Weise, auszudrücken, woran er denkt.

Denken Sie daran, daß alle großen Künstler niemals vergessen, daß der eigentliche Gegenstand aller Kunst immer der Mensch ist. So spinnen sie aus poetischer Phantasie und großem Mitgefühl liebende, berührende und leuchtende Werke. Dieser großartige chinesische Meister der Malerei, der Kalligraphie und der Poesie ist da keine Ausnahme: Mit dieser scheinbar menschenlosen Komposition bezieht er sich hier auf alle Erinnerungen des menschlichen Geistes.

Die Hoffnung des großen Künstlers

Kommen wir nun schnell zum Finale. Es ist eines der charakteristischsten Werke und eines der Meisterwerke Qi Baishis, würde ich sagen. 1948, nach dem Chinesisch-Japanischen Krieg, als China acht Jahre lang unter einer beispiellosen Invasion und den Grausamkeiten eines barbarischen Krieges gelitten hatte, folgte unmittelbar darauf der Bürgerkrieg zwischen den Kommunisten und den Nationalisten. Was konnte Qi Baishi tun, erfüllt von den schmerzlichen Empfindungen und Gefühlen über das, was um ihn herum geschah? Er war ja nur ein Künstler, kein Politiker und kein großer Militär. Was konnte er tun gegen die schlechten Zeiten, in denen er lebte, jahrein, jahraus, jahrzehntelang?

In seiner Verzweiflung und Trauer komponierte er dieses Gemälde. Man sieht zwei Küken, und er läßt bewußt den Schwanz des einen Kükens (links) weg, was die Komposition dieses Bildes noch etwas interessanter macht. Es ist sozusagen weniger pedantisch.

Sehen Sie, wie beide einander anstarren? Das ist meisterliche Pinselarbeit. Und hier sieht man den Regenwurm, um den die beiden kämpfen.

Hat er wirklich nur zwei Küken gemalt, um uns zu unterhalten? Nein, denn hier ist der Kern der Sache: Die vier Schriftzeichen sind des Pudels Kern. Die beiden anderen Zeichen sind seine Signatur, sein literarischer Künstlername war „Weißer Stein“. Das erste Zeichen bedeutet „weiß“, das andere „Stein“. Für den Chinesen bedeutet weiß Reinheit und der Stein oder Fels bedeutet Ausdauer und Tapferkeit.

Die vier Zeichen lauten ta ri hu xiang. Das Zeichen ta bedeutet im modernen Chinesisch „er“; aber im klassischen Chinesisch bedeutet es „der andere“ oder „ein anderer“. „Eines anderen Tages“ - ri bedeutet Tag, das Bild dafür ist die aufgehende Sonne, es kommt von der Sonne - alle chinesischen Schriftzeichen sind von einem Bild abgeleitet. Also „eines anderen Tages“. xiang zeigte ursprünglich das auf einen Baum gerichtete Auge eines chinesischen Bauern, er ist fasziniert von dem Baum, er will wissen, wie alt der Baum ist, was für ein Baum es ist, und ob er sich dazu eignet, ihn zu verfeuern oder Möbel daraus herzustellen. Von da ausgehend erhielt xiang die Bedeutung „zueinander“ oder „miteinander“, eine gegenseitige Beziehung. Meine Übersetzung dafür lautet „zueinander“. hu bedeutet rufen, es beruht auf dem Mund. Er ruft also: „Halloooo!“ Wie drückt er dieses „Hallooooo!“ aus, den langen Nachklang? Indem er einen Strich ganz herumführt. Wenn man dieses Zeichen schreibt, zieht man diesen Strich normalerweise nur bis hierher, etwas in die Höhe. Aber er führt ihn ganz herum.

Das bedeutet: 1948, als der Bürgerkrieg tobte, war er untröstlich. Im Grunde sagt er nun: Kommunistischer Nationalist oder nationalistischer Kommunist, ihr kämpft jetzt um China. Aber erinnert euch daran, daß wir alle Chinesen sind. Eines Tages, so hoffe ich, eines Tages, wenn der Sturm kommt oder der Schneesturm oder Regen, dann wirst du zu einem großen Hahn herangewachsen sein, ebenso wie ich. Wir sind Brüder, wir sind Geschwister, wir sind zusammen aufgewachsen. Jetzt sind wir sehr unwissend, wie sind kleine Kinder, wir streiten uns um einen Regenwurm. Aber eines Tages, wenn wir erwachsen sind, egal an welchem Tage, und du aus dem Nachbardorf in drei Kilometern Entfernung rufst, werde ich es hören, und ich werde rufen. Ich werde sagen: „Hallo, mein Bruder, bis du auch noch da?“ Und der andere Hahn wird antworten: „Ja, ich bin auch noch da, und ich wünsche dir alles Gute. Wir sind also immer noch Geschwister. Wir bleiben Geschwister.

Das ist die Hoffnung des großen Künstlers, sein Mitgefühl, seine Leidenschaft, sein Wunsch, daß die beiden Parteien, die sich im Krieg befanden, zu einem Frieden gelangen. Vielleicht nicht mehr zu seinen Lebzeiten, aber eines Tages, wenn sie beide erwachsen geworden sind. Und tatsächlich hat sich der Präsident von Taiwan mit dem Präsidenten der Volksrepublik China getroffen, und ich denke, Qi Baishis Traum hat sich erfüllt.

Er nutzt also sein Gemälde, um über Politik zu sprechen, über den Krieg, über die menschlichen Kämpfe und Konflikte - den schrecklichen, blutigen Krieg. Aber er nutzt dazu Schönheit und Kunst und Poesie.

Ich weiß, ich habe schon überzogen, ich muß also schnell zum Ende kommen. Ich möchte noch etwas anderes sagen, was mein Favorit Tennessee Williams, meiner Meinung nach der größte Dichter und Dramatiker Amerikas, gesagt hat: „Welche Werkzeuge haben wir, welche Worte, Bilder, Farben, Musik, Ritzereien auf unseren einsamen Höhlen?“ Ich denke, wenn Qi Baishi diese Worte gehört hätte, hätte er Williams vollkommen zugestimmt.

Vielen Dank.