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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
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Internationale Vernetzung im Bereich der Wirtschaft: praktische Erfahrungen

Von Egbert Drews

Egbert Drews ist Vorstandsmitglied der Marwiko AG, Berlin. Er hielt am 25. Juni bei der Berliner Konferenz des Schiller-Instituts den folgenden Vortrag. (Die Zwischenüberschriften wurden von der Redaktion hinzugefügt.)

Sehr verehrte Damen und Herren,

Ich bedanke mich sehr bei Frau Zepp-LaRouche und den Veranstaltern und Organisatoren dieser Konferenz für die Möglichkeit, hier vor Ihnen aufzutreten. Es mag Sie verwundern, aber als Wirtschaftsunternehmen des Mittelstandes haben wir durchaus einen Bezug zur Thematik dieser Konferenz und sind sehr an dieser Debatte und an einer Entwicklung dieser Idee interessiert. Mit meinem Beitrag versuche ich, Ihnen den Bezug des deutschen Mittelstandes zu diesem Thema an Hand unserer Erfahrungen darzustellen.

Vor dem Hintergrund der Globalisierung und Liberalisierung der Wirtschaft hat die Bedeutung von Kooperationen im Bereich des Mittelstandes in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen: diese Unternehmen erkennen hierin einen spezifischen Ansatz zur Realisierung von notwendigen Wachstumspotentialen, die sie aufgrund fehlender oder nicht ausreichender Finanzausstattung, Marktanteilen oder Kompetenzen alleine nicht realisieren können.

Kooperation liefert häufig den weitaus flexibleren und kurzfristig wirkungsvolleren Ansatz für gemeinsames Wachstum als Unternehmenszusammenschlüsse bzw. -käufe. Im Kern geht es im Mittelstand um die Organisation der Zusammenarbeit unterschiedlicher Unternehmen auf verschiedenen Wertschöpfungsstufen, wie Projektsuche, Marketing, Projektrealisierung sowie der Finanzierung und anderer mit dem Ziel, durch die Bündelung spezifischer Kompetenzen und Ressourcen Marktpotentiale zu finden bzw. auszuschöpfen.

Gute Kontakte sind die Grundlage

Genau das ist der Kern unserer Unternehmenstätigkeit. Die MARWIKO AG bietet vor allem mittelständischen Unternehmen durch internationale Kooperation neue Geschäftsfelder oder Ergänzungsstrategien für ihr Portfolio, das sind heute insbesondere grenzüberschreitende Unternehmenstransaktionen.

Die MARWIKO AG als internationales Konsortium mittelständischer Unternehmen betreibt zu deren Unterstützung ein breites Netzwerk, deren Ziel es ist, den Partnern durch vielfältige Kontakte in den wichtigen Wirtschaftsregionen der Welt als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Gute Kontakte, ein funktionierendes internationales Netzwerk sind dafür die Grundlage.

Wir präsentieren ein unbürokratisches und praxisnahes Instrument für Kooperationen des Mittelstandes, eine Plattform, die physisch und elektronisch Unternehmen zusammenführt, ihre Aktivitäten abstimmen läßt und Möglichkeiten für Synergien erschließt.

Wir betreiben dabei ein aktives Kooperationsmanagement, das heißt

  • Einbeziehung eines Kooperationspartners in die eigenen Unternehmensaktivitäten,

  • aktive Suche nach Angeboten, Projekten, Partnern und Regionen mit Unterstützung dieses Partners, konkrete Unterstützung auf der Basis der Strukturen und des Netzwerkes der MARWIKO,

  • Übergabe von ausgewählten Aktivitäten ins Portfolio der MARWIKO,

  • Bündelung der Angebote und Kompetenzen der Partner in den Regionen und bei Projekten durch die MARWIKO,

  • Präsentationen der Partner bei Auftritten der MARWIKO zu Messen und Ausstellungen, Projektreisen u.a. Aktivitäten.

Die Bedeutung der Neuen Seidenstraße für den Mittelstand

Ein Erfolg ist nur bei für alle vorteilhaften Bedingungen und der Akzeptanz der Partner möglich. Die stellt den unmittelbaren Bezug zum Modell der Kooperation zwischen Staaten dar.

In der Präambel zu diesem Panel heißt es:

    „China hat mit seiner Politik der Neuen Seidenstraße ein vollkommen anderes Modell der Kooperation zwischen den Staaten auf die Tagesordnung gebracht, das mit der ,Win-Win’-Kooperation bewußt das Interesse des anderen in den Fokus stellt. Mit der Neuen Seidenstraße, der Maritimen Seidenstraße und einer ganzen Reihe von neuen Finanzinstitutionen, die ausschließlich auf die Finanzierung der Realwirtschaft ausgerichtet sind, existiert bereits eine Alternative, die von über 60 Nationen als das attraktivere Modell angesehen wird.“

Unserer Meinung nach liegt die Zukunft der Länder und ihrer erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung im Bekenntnis zur Gemeinsamkeit, in der Abstimmung ihrer politischen Grundsätze für eine nationale Wirtschaftsentwicklung, die eingebettet ist in eine durch niemanden dominierte Position und vorteilhafte Entwicklung für alle Regionen.

Zentrale Zukunftsthemen für den deutschen Mittelstand sind eine international wettbewerbsfähige Gründungs- und Wachstumsfinanzierung, die erfolgreiche Bewältigung von Unternehmensnachfolgen, die Sicherung von Fachkräften, die Entlastung von Bürokratie und die Gestaltung der Digitalisierung – so das Bundeswirtschaftsministerium. Damit der deutsche Mittelstand angesichts der Herausforderungen vital, stark und innovativ bleibt.

Themenfelder darin sind u.a.:

  • Unternehmergeist fördern,

  • die Sicherung des künftigen Fachkräftebedarfs unterstützen,

  • die Digitalisierung nutzen und gestalten,

  • Innovationskraft stärken.

Die Unternehmer des Mittelstandes wissen selbst am besten, daß sie in diesen Feldern über großes eigenes Potential verfügen und diese Aufgaben im wesentlichen selbst realisieren.

Mittelstand und Globalisierung

Anders sieht es im Bereich „Mittelstand und Globalisierung“ aus.

    „Das Bundesministerium geht davon aus, daß sich bis zum Jahr 2030 das Welthandelsvolumen fast vervierfachen wird. Vor diesem Hintergrund sollten noch mehr Mittelständler die Globalisierung als Chance erkennen. Für den Schritt auf ausländische Märkte steht die Außenwirtschaftsförderung des BMWi bereit, die zusammen mit der Wirtschaft kontinuierlich weiterentwickelt und bei den Unternehmen noch bekannter gemacht werden soll.“

Was die Leistungsfähigkeit des Mittelstandes in Deutschland betrifft, so gibt es klare Zahlen. Über 99% aller Unternehmen zählen zu den kleinen und mittelständigen Unternehmen, über 82% aller Auszubildenden lernen dort, Mittelständler stellen knapp 60% aller Arbeitsplätze. 56% unserer Wirtschaftsleistung wird in mittelständischen Unternehmen geschaffen. Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, welchen tatsächlichen Bedingungen der Mittelstand ausgesetzt ist.

Im Bundesministerium geht man weiter davon aus, daß „auch der Abbau von Handelshemmnissen… insbesondere mittelständischen Unternehmen zugutekommt. Deshalb engagiert sich das BMWi für Handelserleichterungen und den Abschluß von bilateralen und multilateralen Freihandelsabkommen.“

Folgt man den Einschätzungen von EU-Kommission und Bundesregierung, sollte ein großer Anteil des behaupteten Wachstums auf die KMU entfallen. Wir glauben, daß die positive Wirkung von TTIP auf die KMU überschätzt wird und daß die Risiken die Chancen bei kritischer Abschätzung deutlich überwiegen.

Bis März 2015 behaupteten EU-Kommission, Bundesregierung, BDI und Handelskammern, daß TTIP erhebliche Wachstums- und Einkommensgewinne sowie Hunderttausende Arbeitsplätze in der EU bringen würde, und beriefen sich dabei auf einschlägige Studien. Per anno können Einschätzungen in den von der EU-Kommission selbst in Auftrag gegeben Studien nicht bestätigt werden.

Wenn überhaupt werden sich positive Auswirkungen auf diejenigen KMU zeigen, die als Exporteure auf dem Weltmarkt aktiv sind. Wegen der stärkeren Orientierung der KMU auf regionale Absatzmärkte tauchen allerdings nur 7% als Exporteure in der Außenhandelsstatistik auf.

Bei den Spitzenreitern der exportorientierten Wirtschaftszweige Produzierendes Gewerbe, Dienstleistungen, Handel und Verkehr, die für etwa 68% der deutschen Bruttowertschöpfung stehen, verzeichnen die KMU nur eine Exportquote zwischen 4 und 20%. Die KMU spielen auch im Handel mit den USA nur eine geringe Rolle.

Laut einer Veröffentlichung der Handelskammer Hamburg halten dort nur 950 Unternehmen Wirtschaftsbeziehungen zu den USA; das sind nicht einmal ein Prozent aller von der Handelskammer vertretenen Unternehmen.

Deutsche KMU im produzierenden Gewerbe sind in der Mehrheit spezialisierte Anbieter von Produkten hoher Qualität mit großer Innovationskraft. Das verursacht ein entsprechendes Preisniveau. Werden die bisher geforderten Qualitätsstandards durch Harmonisierung der Normen im „Binnenmarkt“ TTIP-Raum gesenkt und werden staatliche Protektionsinstrumente als Handelshemmnis betrachtet und abgeschafft, wären transnationale Konkurrenten in der Lage, begünstigt durch hohe Skalenerträge, mittelständische Innovationsträger mittels einer für sie weitgehend unschädlichen Niedrigpreisstrategie vom Markt zu verdrängen. In solchen Fällen wäre eine aktive staatliche Ordnungspolitik aus Sicht des Mittelstandes geboten. Diese würde allerdings als nicht-tarifäres Hindernis gelten und somit gegen TTIP verstoßen.

Daß Freihandelsverträge vom TTIP-Typ in der Regel transnationale Unternehmen begünstigen und KMU benachteiligen, zeigen auch die Erfahrungen mit dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA, das 1994 in Kraft trat. In den 20 Jahren seither hat sich in Kanada der Anteil der größten börsennotierten Konzerne an den Gesamtprofiten annähernd verdoppelt, während sich wichtige gesamtwirtschaftliche Indikatoren im gleichen Zeitraum halbierten. Besonders im landwirtschaftlichen Bereich entstanden KMU erhebliche Nachteile.

Bisher sind laut Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mittelständische Unternehmen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Mit Blick auf das zu erwartende Diskriminierungsverbot bei der kommunalen Auftragsvergabe ist zu erwarten, daß die Vergabepraxis sich zum Nachteil der KMU verändern wird und zukünftig nur noch international agierende Konzerne wegen ihrer logistischen und operativen Vorteile sich an solchen Ausschreibungen beteiligen.

Auf der Basis von Werten, die vom Statistischen Bundesamt 2012 veröffentlicht worden sind, hat sich der deutsche Außenhandel von 1996 bis 2011 mit den sogenannten BRICS-Staaten nahezu versiebenfacht, während der gesamte Außenhandel nur um das zweifache angewachsen ist.

Es wäre verhängnisvoll für die exportorientierten KMU, wenn diese Märkte durch die von der EU-Kommission intendierten Stoßrichtung des sogenannten Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA gestört würden. Genau dieser Effekt wird allerdings von der EU-Kommission erwartet und beschrieben, doch nur, wenn sie China, Indien und die ASEAN Staaten als Verlierer des sogenannten Freihandelsabkommens sieht. So warnen auch die im Außenhandelsverband BGA vertretenen deutschen Exporteure vor einer Art „Wirtschafts-NATO“ zu Lasten anderer Handelspartner. Das scheint allerdings von der deutschen Politik beabsichtigt zu sein, wenn von den geopolitischen und geostrategischen Vorteile eines bilateralen Abkommens zwischen EU und USA die Rede ist, das Standards setzen will, bevor diese durch China, Indien oder im Verbund der BRICS Staaten gesetzt werden.

Unserer Meinung nach sind das wirtschaftspolitische Strategien mit geopolitischem Hintergrund. Wir sind überzeugt, daß im 21. Jahrhundert andere Ansätze notwendig sind, die sich eher in einem wie von China initiieren Modell der Kooperation widerspiegeln.

Nach Abwägung der behaupteten Chancen und der zu erwartenden Folgen durch TTIP kann es nicht überraschen, daß eine deutliche Mehrheit der kleinen und mittleren Unternehmen die TTIP-Verhandlungen laut einer Umfrage des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) kritisch betrachtet. Obwohl diese Gruppe nicht bekannt ist für ideologische oder wirtschaftsfeindliche Vorurteile, ist eine kritische Grundhaltung gegenüber dem angeblichen Freihandelsabkommen unübersehbar.

Als Kleine und Mittelständische Unternehmen sind wir für einen fairen, transparenten Freihandel auf Grundlage hoher Umwelt- und Sozialstandards. Das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) widerspricht diesen Grundsätzen. Zentrale Elemente des geplanten Abkommens wie die Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren (ISDS), die Vereinheitlichung von Normen und Standards sowie die Marktöffnung im Bereich der Kultur, der Daseinsvorsorge und der öffentlichen Ausschreibungen nutzen vor allem den Interessen globaler Konzerne, die mit besserer Kapital- und Personalausstattung kleine und mittelständische Unternehmen vom Markt verdrängen werden.

Gleichzeitig sehen wir mit großer Sorge, daß der Versuch von EU und USA, im Alleingang die internationalen Handelsregeln zu definieren, zu einer Zerrüttung der weltwirtschaftlichen Ordnung führen kann und damit wesentliche Märkte für uns in den aufstrebenden Schwellenländern (BRICS und andere) gefährdet werden. Wie uns bekannt ist, haben sich über 2000 deutsche Mittelständler an einer Unterschriftenaktion gegen das Abkommen beteiligt.

Wir stehen als kleine Unternehmen in gesellschaftlicher Verantwortung und legen Wert auf hohe soziale und ökologische Standards in Europa ebenso wie auf eine lebendige Demokratie und einen funktionierenden Rechtsstaat.

Der europäische Binnenmarkt hat auch für Mittelständler stark an Bedeutung zugenommen: Über 93 Prozent der mittelständischen Exporteure bedienen den europäischen Markt. Die Interessen von Mittelständlern an einem mittelstandsfreundlichen Binnenmarkt und dem Abbau ungerechtfertigter Hemmnisse müssen deshalb mit starker Stimme in Brüssel vertreten werden. Dabei brauchen wir eine angemessene Balance zwischen der zunehmenden Integration von Märkten und dem Erhalt von bewährten, erfolgreichen Strukturen, wie insbesondere der Selbstverwaltung der Wirtschaft und ihren zentralen Elementen wie der dualen Berufsausbildung, der Meisterpflicht und dem Kammerwesen sowie der Sozialpartnerschaft.

Deutsch-Russischer Wirtschaftstag

Mit großem Interesse haben wir auch den Besuch von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am St. Petersburg Internationalen Wirtschaftsforum verfolgt und sehen darin einen Schritt in die richtige Richtung. Auch der Ost-Ausschuß der deutschen Wirtschaft begrüßt die Teilnahme Junkers am Forum, es sei Zeit für den Beginn eines Dialogs zwischen EU und Eurasischer Wirtschaftsunion über einen gemeinsamen Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok. Am Anfang können die Vereinheitlichung von Standards und der Abbau von Handelshemmnissen stehen, so der Vorsitzende des Ost-Ausschusses Wolfgang Büchele.

Als Konsortium des Mittelstandes sehen wir die Hoffnung und Perspektiven in einer auf neue Weise organisierten Kooperation der Volkswirtschaften der Länder. Es ist schon schwer genug, aber eben auch interessant, in unterschiedlichen Kulturen Wirtschaftskooperation zu betreiben. Wir sind mit Kompetenz und Erfahrung in diesem Metier tätig und wissen was wir brauchen – Respekt, Toleranz und gegenseitigen Vorteil.

Dies hat sich einmal mehr auf dem von meinem Unternehmen organisierten 10. Wirtschaftstag im Rahmen der Deutsch-Russischen Festtage in Berlin bewiesen. Mehr als 100 Unternehmen aus Deutschland und Rußland sind unserer Einladung gefolgt. Dieses Format des gegenseitigen Austauschs, der Kontakte und Gespräche über eine fruchtbringende Zusammenarbeit der Unternehmen wird vom Mittelstand sehr geschätzt und als Plattform für Kooperation gern genutzt.

Wir machen Ihrer Konferenz keine Konkurrenz, bei uns geht es um klare wirtschaftliche Interessen unserer Partner und ihre Entwicklung zum gegenseitigen Vorteil. Es ist unser Beitrag, Handels- und Wirtschaftsbeziehungen im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten auszubauen.

Einen ähnlichen Wirtschaftstag werden wir im Oktober nach unserer nächsten Chinareise organisieren. Schon jetzt sehen wir nicht nur Synergien und Kooperationsansätze zwischen unseren Partner, sondern auch im Dreieck der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland, Rußland und China. Wir glauben, das ist ein richtiger Ansatz auch im Sinne Ihrer Konferenz.

Ich bedanke mich noch einmal für die Initiative des Schiller-Institutes und wünsche uns beste Erfolge im Prozeß des Umdenkens zu neuer Kooperation in Politik und Wirtschaft.