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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

„Gebt uns nicht Fische, sondern lehrt uns das Fischen“

Zum Abschluß der Essener Konferenz des Schiller-Instituts am 21. Oktober entwickelte sich eine ausführliche Diskussion über die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit zwischen den europäischen Nationen und China, um Afrika wirtschaftlich zu entwickeln. Wir bringen Auszüge. Die Diskussionsbeiträge von Generalkonsul Mehreteab und Jacques Cheminade wurden aus dem Englischen übersetzt, die von Prof. Shi Ze aus dem Chinesischen.

Helga Zepp-LaRouche: Wir hatten vor zwei Tagen eine sehr gute Diskussion in Lyon über die Notwendigkeit, Afrika zu industrialisieren, und vor allem Herr Shi Ze hat dazu viel gesagt. Als Frau Merkel jetzt in Afrika war, hat sie Niger, Mali und Äthiopien besucht. Sie hat dort Verträge abgeschlossen, damit die afrikanischen Staaten kooperieren, damit die Flüchtlinge nicht kommen, und sie hat dann minimalste Beträge von einigen Millionen für Entwicklungspolitik in Aussicht gestellt. Im Verhältnis zu dem, was notwendig wäre und was China bereit ist zu tun, sind es weniger als die sprichwörtlichen „Peanuts“, und z.B. der Präsident von Niger hat gesagt, was Afrika braucht, ist ein Marshallplan.

Ich würde gerne die Frage stellen - weil das ja nun ein Problem ist, was überhaupt nicht weg ist, sondern was wirklich eine riesige menschliche Katastrophe ist und bleibt und größer wird -; deshalb würde ich gerne den Herrn Generalkonsul fragen, was er als Botschaft an die deutsche Bevölkerung sagt: Was soll Deutschland tun, um Afrika zu helfen, und was für Optionen wären möglich, wenn Deutschland und China und Frankreich zusammenarbeiten würden?

Das Problem wäre meiner Meinung nach ganz einfach zu lösen, wenn diese politische Willenskraft mobilisiert werden könnte. Ich würde Sie daher alle drei bitten - Herrn Generalkonsul, Professor Shi Ze und Herrn Cheminade -, daß wir diesen Punkt hier noch in die Diskussion bringen.

Generalkonsul Mehreteab Mulugeta Haile: Vielen Dank. Wie schon richtig gesagt wurde, haben wir in Afrika schon seit sehr langer Zeit versucht, unseren Kontinent, unsere Länder, zu entwickeln. Aber die Rezepte, die von außen kamen, waren meistens, Unterstützung und [Entwicklungs-]Hilfe zu geben, aber nicht die Fähigkeiten, damit die afrikanischen Länder sich selbst entwickeln und selbst produzieren können.

Was nun geschieht, ist, daß die afrikanischen Länder, einzeln und kollektiv, darum bitten, daß man ihnen nicht Fische gibt, sondern sie lehrt, Fische zu fangen.

Die Entwicklungspartnerschaften konzentrieren sich daher meistens darauf, Arbeitsplätze in Afrika zu schaffen. Wir brauchen keine Unterstützung, keine Hilfe, aber wir brauchen eine Menge Investitionen, wir brauchen viel Handel, damit wir Inputs bekommen können, Kapital bekommen können, damit wir Know-how bekommen können, unsere Jugend und unsere Bevölkerung beschäftigen können, Arbeitsplätze schaffen können, damit sie produzieren können und im Land bleiben und dem Land helfen können, sich zu entwickeln, anstatt in die übrige Welt zu schauen und aus ihrem Land zu fliehen.

Hier und da etwas Hilfe oder einige Millionen Dollars zu erhalten, ist also nicht das, was die afrikanischen Länder heute suchen.

Was beispielsweise in Äthiopien geschieht, ist das, was ich schon vorhin erwähnt habe: Wir entwickeln unsere Infrastruktur, unsere verschiedenen Einrichtungen, Produktionsstätten und andere wirtschaftliche Aktivitäten - mit Hilfe vor allem von der chinesischen Regierung, von der indischen Regierung, von der türkischen Regierung, um eigene Produktionsstätten, eigene landwirtschaftliche Einrichtungen und Farmen zu bekommen.

Wie Sie wissen, ist Äthiopien seit vielen Jahren als ein Land bekannt, das in Armut lebt und unter Dürren leidet, und immer wenn wir eine Dürre erlebten, gab es sofort Hunger und Hungersnot, und Menschen starben. Auch im letzten Jahr gab es eine schwere Dürre in Äthiopien, von der fast elf Millionen Menschen betroffen waren. Aber dank der veränderten Orientierung unserer Regierung und unserer wirtschaftlichen Entwicklung konnten wir diese Dürre durchstehen, wir konnten die Menschen ernähren, wir konnten den Menschen helfen - ohne Hilfe oder mit nur sehr wenig Hilfe der übrigen Welt. Und deshalb haben Sie, obwohl die Dürre in diesem Jahr schlimmer war als in den Jahren davor, auch nicht gehört, daß in Äthiopien Hunger oder Hungersnot war und Menschen starben.

Was wir brauchen, ist also eine Entwicklungskooperation im Bereich der Investitionen, im Bereich des Handels und im Bereich des Kapitaltransfers, des Technologietransfers, damit die afrikanischen Länder, mein eigenes Land eingeschlossen, ihre eigenen Produktionskapazitäten entwickeln und sich selbst ernähren können. Vielen Dank.

Kooperation zwischen China und Europa in Afrika

Professor Shi Ze: Eigentlich habe ich diese Frage schon in Frankreich kurz beantwortet. Ich finde, die chinesisch-französische Zusammenarbeit in Afrika ist von sehr großer Bedeutung. Ich denke, die Kooperation zwischen China, Frankreich und Deutschland in Afrika ist ganz ähnlich wie die Kooperation zwischen China und den EU-Ländern, man kann nämlich mit Hilfe des „Hantel-Effekts“ Afrika unterstützen. Die Kooperation zwischen China, Frankreich und Deutschland ermöglicht einen Ausgleich der jeweiligen Vorteile und Nachteile. Frankreich und Deutschland haben z.B. Vorteile in der Technik, im Anlagenbau und Kapital, und China hat natürlich Vorteile in ausreichenden Arbeitskräften und Investments und auch sehr viel Erfahrungen in solchen Großprojekten.

China hatte früher schon erfolgreiche Projekte im Inland in Kooperation mit Deutschland, aber für die Zusammenarbeit zwischen China und Frankreich gibt es bisher noch kein erfolgreiches Beispiel. Wenn wir jetzt von der Kooperation zwischen China, Deutschland und Frankreich in Afrika sprechen, sind solche Erfahrungen und solche Projekte noch ohne Vorbild. Noch niemand hat bisher damit Erfahrung. Deswegen ist diese Frage sehr zu diskutieren, und eigentlich entspricht das dem Kerngeist der Seidenstraßen-Initiative, denn eine solche Kooperation muß sehr offen und sehr inklusiv sein. Ich denke, niemand kann alleine alles regeln. Wir müssen daher miteinander zusammenarbeiten.

Da wir noch keine Erfahrungen mit der Kooperation zwischen China, Deutschland und Frankreich haben, müssen wir einen Kooperationsmechanismus schaffen, ein Kooperationsmodell. Ein solcher Mechanismus oder ein solches Modell muß multilateral sein, und das wäre ein Schlüssel zu der Kooperation. Vielen Dank.

Zepp-LaRouche: Ich würde vorschlagen, daß man das chinesisch-deutsch-französisch-italienisch macht, denn Premierminister Renzi hat während des G-20-Gipfels schon mit Xi Jinping diskutiert, daß China und Italien bei der Industrialisierung Afrikas zusammenarbeiten müssen, denn Italien ist jetzt ganz massiv betroffen von Flüchtlingen, die von Ägypten kommen, von Libyen kommen, und deshalb, denke ich, wäre es gut, einen solchen Mechanismus offiziell zu etablieren, und wenn vielleicht viele Länder aus Afrika das unterstützen und sagen, wir brauchen eine internationale Kooperation, um dieses Problem endlich zu lösen. Ich denke, daß das machbar ist, wenn wir so vorgehen.

Vielleicht sollten wir wirklich einen solchen Mechanismus vorschlagen und dann dafür organisieren, daß Länder aus Afrika und Länder aus Europa mit Ländern aus Asien zusammenarbeiten - denn ich weiß, daß z.B. auch Indien und Japan schon viele Investitionen machen in Afrika.

Revitalisierung des Tschadsees als Modell

Jacques Cheminade: Ja. Ein Beispiel dieser Kooperation sollte die Revitalisierung des Tschadsees sein, der immer mehr austrocknet, und die Menschen, die dort Farmer und Hirten und Fischer sind, bekämpfen sich gegenseitig, weil nicht genug für alle vorhanden ist. Das wäre also ein Beispiel für diese Zusammenarbeit zwischen Italien, Frankreich, Deutschland, China und all den Ländern - offen für alle Länder -, die sich an dieser Kooperation beteiligen wollen.

Aber es muß noch etwas hinzukommen. Afrika befindet sich seit der Unabhängigkeit seiner Staaten im neokolonialen Griff, wodurch das entstanden ist, was die Chinesen früher als eine „Komprador-Wirtschaft“ bezeichneten. Und diese Komprador-Wirtschaft hat nur einigen wenigen Menschen genützt, war aber eine Katastrophe für die Bevölkerung. Es ist eine Form des traditionellen britischen Systems, die Afrika aufgezwungen wurde.

Konkret wurden die Subventionen und Kredite, die den afrikanischen Ländern gegeben wurden, von den westlichen Banken vereinnahmt, und Afrika bleiben nur 10 bis 15 Prozent seines Produkts - das ist genau dasselbe, was gerade mit Griechenland geschieht. Es sind also keine Subventionen und Kredite für Afrika, sondern Subventionen und Kredite für die westlichen Banken, die am meisten davon profitieren, und für die Klasse der „Kompradoren“, ihren Komplizen, in Afrika.

Ansonsten gibt es noch die von der Europäischen Union betriebenen speziellen Abkommen mit den afrikanischen Ländern, denen sie Hilfe anbietet, aber gleichzeitig verlangt, daß die afrikanischen Länder ihre Zolltarife senken, was das Ende des Schutzes für die afrikanischen Industrien bedeutet.

Was wir brauchen - und da möchte ich nochmals hervorheben, was unser äthiopischer Freund gesagt hat - sind also Investitionen und Kredite, und wir sollten dies, wie schon gesagt, verbinden mit dem Schutz der Produktionsbereiche, die durch diese Kredite und Investitionen geschaffen wurden, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß der Erfolg der Projekte die Rückzahlung der Kredite ermöglicht, was heute nicht geschieht.

Tatsächlich ist das eines der Prinzipien der Hamiltonischen Politik, und das Prinzip, auf dessen Grundlage Frankreich und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg Kredite und Hilfe erhielten und wir einen Aufschwung hatten - ohne Ersparnisse. Wir hatten einen Aufschwung ohne irgend etwas anderes als produktiven Kredit für die Zukunft. Das ist es also, was wir gemeinsam organisieren müssen, und wir müssen es bald und schnell tun, denn das ist für die afrikanische Bevölkerung eine Frage von Leben und Tod.

Frage aus dem Publikum: Ich habe eine Frage an den äthiopischen Generalkonsul Haile. Bei dem Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel - das war, glaube ich, kurz nach der Eröffnung der Eisenbahnstrecke von Addis Abeba nach Dschibuti - ist ja Frau Merkel mit keinem Wort auf diese Errungenschaft gerade auch für Äthiopien eingegangen, sondern hat Äthiopien als ganzes erst einmal nur gerügt wegen Menschenrechtsverletzungen...

Mehreteab: Vielen Dank für diese Frage. Ja, Ihre Exzellenz Angela Merkel war in Äthiopien, und wie Sie erwähnt haben, standen bei den Kommentaren über den Besuch die Bemerkungen im Mittelpunkt, die Ihre Exzellenz zur Menschenrechtslage in Äthiopien machte. Und wie Sie sagten, war das zu der Zeit, als wir die Eisenbahn eröffneten, die von Addis Abeba nach Dschibuti gebaut wurde.

Ich möchte aber auch erwähnen, daß es während des Besuches ein gutes Gespräch zwischen den beiden Regierungschefs gab, über die Kooperation zwischen den beiden Ländern, zwischen Deutschland und Äthiopien. Wie Sie wissen, haben wir mehr als 115 Jahre diplomatischer Beziehungen und wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit Deutschland, durch die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) und andere Einrichtungen, wir haben eine Menge wirtschaftlicher Zusammenarbeit.

Die Eisenbahn ist natürlich nicht Teil der Kooperation, die wir mit Deutschland hatten, aber ich bin mir sicher, daß die etwa hundert deutschen Investoren, die in Äthiopien tätig sind, diese Eisenbahn definitiv loben werden, denn sie wird ihnen helfen, ihre Importe und Exporte zu verbessern. Vielleicht ist sich Frau Merkel dieser Bedeutung im Moment nicht bewußt, aber diese Unternehmen, die vor Ort tätig sind, werden den Nutzen dieser Eisenbahn mit Sicherheit sehen. Und ich bin mir sicher, daß wir in der Zukunft eine Menge darüber aus Deutschlands Führung hören werden.

Es gibt laufende Projekte, die in Äthiopien in Kooperation mit der deutschen Regierung durchgeführt werden, vor allen die Einrichtung von Schulen und Instituten für die Berufsausbildung und den Wohnungsbau für die Mittelschicht und arme Menschen. So denke ich, daß jedes Land seine eigene Art der Zusammenarbeit mit Äthiopien hat...

Frage aus dem Publikum: Ich habe auch eine Frage an den Herrn Generalkonsul. Sie haben des öfteren in Ihrem Vortrag die chinesische Hilfe erwähnt. Wie bezahlen Sie denn solche Projekte, wie z.B. die Bahnlinie Dschibouti-Addis-Abeba - in Devisen? In welcher Währung? Mit Rohstoffen?

Ich stelle diese Frage, weil ich in Diskussionen hier in Deutschland festgestellt habe, daß da die merkwürdigsten Gerüchte kursieren, wie sich China gegenüber Ländern wie Äthiopien verhält. Im Vergleich zu China sind ja kaum größere Unterschiede denkbar - wie verhalten sich da diese beiden Nationen in der Kooperation? Sind Sie zufrieden mit so einer Kooperation?

Mehreteab: Nun, was die Kooperation zwischen Äthiopien und China angeht, die beruht auf einer Win-Win-Situation. Wie Sie schon sagten, es gibt Gerüchte, die Chinesen seien in Afrika wegen der Rohstoffe oder wegen der Idee des „Wettlaufs um Afrika“, um Afrika auszubeuten, damit sie billiges Öl und Rohstoffe bekommen. Aber ich kann Ihnen versichern: Die Chinesen sind nicht wegen Rohstoffen oder irgendwelchem billigen Nutzen in Äthiopien - denn wir haben keine. Wir können die Hilfe, die nach Äthiopien gelangt, nicht gegen Öl oder andere Waren tauschen.

Unsere Kooperation mit den Chinesen in Äthiopien ist eine Kooperation zum beiderseitigen Vorteil, und sie folgt den internationalen Gepflogenheiten, wie man Geschäfte macht: Sie geben uns den Kredit, sie bringen die Technologie, und wir bezahlen dafür in internationalen Währungen auf der Grundlage der getroffenen Vereinbarungen, wenn diese Projekte fertig sind. Es sind ausschließlich Projekte, die von den Chinesen nach internationalen Standards umgesetzt werden.

Bei diesen Projekten, beispielsweise den Eisenbahnprojekten in Äthiopien, gibt es verschiedene Abschnitte. Die Chinesen bauen diesen Abschnitt Addis Abeba-Dschibuti. Die Inder bauen den Abschnitt zwischen Mekele und Dschibuti. Die Türken bauen den Abschnitt zwischen Kombolcha und Dschibuti. Alle Abschnitte haben die gleichen Voraussetzungen, wir führen da keine unterschiedlichen Verhandlungen.

Wir folgen also den internationalen Standards: Wir erhalten den Kredit, mit sehr geringen Zinssätzen, wie sie uns auch die Weltbank oder andere Banken oder Länder geben, und wir zahlen dementsprechend zurück.

Unser Vorteil bei den Chinesen ist, daß die Chinesen nach Äthiopien kommen, wenn wir sie brauchen. Sie kommen nach Äthiopien, um Infrastruktur aufzubauen, um Kapazitäten aufzubauen. Es gibt einige Länder im Westen, wenn man die um Unterstützung bittet, dann bringen sie Gepäck mit - Menschenrechte und dies und das. Sie mischen sich in die Innenpolitik ein. Aber die Chinesen sind da, um die Entwicklung jedes Landes zu unterstützen, je nach seinen Bedürfnissen. Wenn sie also in Äthiopien sind, dann bauen sie uns Straßen, dann bauen sie uns Eisenbahnen, sie bauen uns Megaprojekte. Und wie ich vorhin gesagt habe: Das ist für die Menschen in Äthiopien sehr wichtig, damit wir unser Ziel und unsere Vision, ein Land mit mittlerem Einkommen zu werden, verwirklichen können. Wir brauchen Straßen, wir brauchen Eisenbahnen, wir brauchen Kraftwerke. Das brauchen wir in Äthiopien, und die Chinesen sind bereit dazu, uns ohne Vorbedingungen zu helfen, daß wir diese Programme verwirklichen können, ohne irgendwelche Bedingungen, die daran geknüpft sind.

Wie ich sagte: Äthiopien hat kein Öl, kein Gas oder andere Rohstoffe. Wir tauschen also keine Unterstützung der Chinesen gegen Gas oder anderes. Wir verhandeln, und sie haben eine gute Bank, die Ex-Im-Bank of China, sie geben uns den Kredit, und wir arbeiten nach den internationalen Gepflogenheiten mit ihnen zusammen. Vielen Dank.