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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Eine musikalische Mission in Manhattan

Ein Interview mit Diane Sare

Diane Sare ist Mitglied des Politischen Ausschusses des LaRouche-Aktionskomitees und organisatorische Leiterin des Chores des Schiller-Instituts in New York City. EIR sprach am 24. Juli mit ihr über die Chorarbeit des Schiller-Instituts in New York im Vorfeld einer Reihe von Konzerten zum 15. Jahrestag der Anschläge des 11. September in diesem Jahr.

    EIR: Ich möchte mit der folgenden Frage beginnen: Das Schiller-Institut wird an einer Konzertreihe teilnehmen, die von der Foundation for the Revival of Classical Culture (Stiftung für die Wiederbelebung der klassischen Kultur) veranstaltet wird. Dies werden Aufführungen von Mozarts Requiem sein, die an vier Orten im Großraum New York stattfinden werden, um an den 15. Jahrestag der Anschläge des 11. September zu erinnern. Diane, du hast das als ein „lebendes Denkmal für die Opfer des 11. September“ bezeichnet. Was möchtest du zur Einführung darüber sagen, wie die Idee hinter dieser Initiative zustande kam?

Diane Sare: Es wurde natürlich darüber gesprochen, weil wir uns dem 15. Jahrestag der Anschläge nähern. Die Idee kam, als vor einigen Monaten einer unserer Aktivisten aus Connecticut Lyndon LaRouche darauf ansprach, daß allen diesen Menschen, die am 11. September 2001 ums Leben kamen, keine Gerechtigkeit widerfahren ist, weil die Wahrheit über das, was an diesem Tag geschehen ist, noch nicht vollständig aufgedeckt wurde (obwohl ich sagen muß, daß wir ihr näherkommen). Herr LaRouche antwortete, dazu sei mehr nötig als nur ein Denkmal, nämlich ein lebendiges Mahnmal, daß die Amerikaner sich der Schande stellen müssen, daß sie nichts getan haben, um für Gerechtigkeit zu sorgen, nachdem an jenem Tag, dem 11. September 2001, 3000 Menschen ermordet wurden. Ich möchte hinzufügen, daß die jüngste Veröffentlichung des Chilcot-Berichtes sich dem zum Teil annähert, aber ich muß sagen, weil nicht die Wahrheit verlautete, gehen die Ungerechtigkeit und die Morde heute noch weiter.

Wir haben uns nicht Saudi-Arabien vorgeknöpft und sind stattdessen in den Irak einmarschiert - womit ich nicht sagen will, daß Krieg in irgendeiner Form eine Lösung sein kann. Wir haben Gaddafi in Libyen gestürzt. Wir haben eine Lage geschaffen, wo es 60 Millionen Flüchtlinge gibt, mehr als 4000 amerikanische Soldaten sind im Irak, in Afghanistan und all den Kriegen umgekommen, ganz zu schweigen von der erschreckenden Zahl von Selbstmorden unter den Soldaten.

Daher gehört zu der Idee dieses lebendigen Mahnmals - jedenfalls aus meiner Sicht - nicht nur die Aufführung schöner Musik, damit die Leute das mit dem Tod von jemandem verbinden und sich traurig fühlen können, sondern daß wir bis dahin fest entschlossen sein sollten, für Gerechtigkeit zu sorgen. Und das bedeutet nicht bloß die Veröffentlichung der 28 Seiten, die wir ja erlebt haben, sondern daß wir den politischen Kurs der amerikanischen Regierung dramatisch verändern müssen - weg von den britischen und saudischen Imperien, und einen Riesenschritt hin zur Schaffung einer Welt, in der solche Dinge, wie sie am 11. September 2001 geschahen, sich nicht wiederholen.

Wie alles anfing

    EIR: Ich weiß, daß es ein langer Prozeß war, bis dieser Punkt erreicht war, und daß das Schiller-Institut in New York City drei aktive Chöre hat - einen in Manhattan, einen in Brooklyn und einen in Queens [drei der fünf New Yorker Stadtteile, neben Bronx und Staten Island]. Kannst du uns etwas über die Geschichte sagen, wie die Chöre entstanden sind und wie sie sich in den letzten Monaten entwickelt haben?

Sare: Natürlich. Der Chor in Manhattan ist der Senior-Chor - so will ich es einmal ausdrücken. Er entstand im wesentlichen im Dezember 2014, kurz nachdem Herr LaRouche das Manhattan-Projekt gestartet hatte, und das begann eigentlich als Reaktion auf eine Lage, die leider bis heute noch andauert. Manche erinnern sich vielleicht an den Fall Eric Garner, einen Afro-Amerikaner, der von einem Polizisten im Würgegriff getötet, erstickt wurde. Die Anklagejury von Staten Island kam zu dem Schluß, daß es kein Fehlverhalten gab, das strafrechtlich zu verfolgen wäre, und das hat, unmittelbar nach den Ereignissen in Ferguson/Missouri, sehr viel Ärger und Wut ausgelöst.

Offensichtlich gibt es gewisse Kreise, die gerne sehen würden, daß insbesondere Manhattan in sich zerrissen wird, indem verschiedene feindselige Gruppen sich bedroht fühlen und sich gegenseitig bedrohen. Dennis Speed und ich sprachen damals in der Weihnachtszeit darüber. Ich wollte schon immer einmal Händels Messias aufführen, und wir sagten, warum führen wir nicht den Messias in Manhattan auf und widmen ihn dem Prinzip der Heiligkeit des menschlichen Lebens? Wenn wir etwas tun, was gut für die Menschen sein soll, dann muß das von einem erhabenen Standpunkt aus geschehen.

Wir haben dann sehr kurzfristig dieses Konzert zum Mitsingen veranstaltet. Etwa hundert Menschen kamen, um mitzusingen, und daraus bildeten wir dann den für jedermann offenen Chor, der in den letzten anderthalb Jahren immer weiter gewachsen ist, mit einem sehr soliden Kern. Auch wenn Leute kommen und gehen, haben wir ungefähr 60 Sänger, wenn wir sie zu einer Aufführung zusammenholen. Wir haben den Messias in der Weihnachtszeit des folgenden Jahres nochmals aufgeführt. Eine der Aufführungen war in Brooklyn, und da schien es nur natürlich, auch in Brooklyn einen Chor zu gründen, es gab dort viele Leute, die dabei mitmachen wollten. So kam auch dieser Chor zustande.

Wir haben einige Mitstreiter - Amerikaner chinesischer Herkunft - in Flushing, einem Stadtteil von Queens, die mit uns in der Frage der klassischen Musik zusammenarbeiten wollen. Bemerkenswerterweise interessieren sie sich sehr dafür, afro-amerikanische Spirituals und westliche klassische Musik zu lernen, und so haben wir nun auch in Queens einen Chor. Wie der Chor in Manhattan entwickelten sich diese Chöre anfangs recht langsam. Ich denke, der wichtigste Faktor ist, daß der Chorleiter absolut konsequent sein muß - ob nur drei Leute zur Probe kommen oder 30, ob sie Noten lesen können oder sie die Stimme nicht halten können. Und an einem bestimmten Punkt muß die Gruppe sich selbst als Gruppe verstehen und zu einer wirklichen Institution werden. Wir sind jetzt nahe dran in Brooklyn, und ich glaube, auch der Chor in Queens wird bald in Gang kommen. Ich wäre nicht überrascht, wenn sich nach der Serie der Requiem-Aufführungen auch in der Bronx ein Chor gründet.

    EIR: Dann fehlt nur noch Staten Island! Ich weiß, daß die Chorarbeit in New York City Hand in Hand mit dem geht und ein wesentlicher Teil von dem ist, was Lyndon LaRouche als das Manhattan-Projekt gestartet hat. Wenn man nun unsere Arbeit in ihrer Gesamtheit betrachtet - die Arbeit des Schiller-Instituts und der LaRouche-Bewegung in Manhattan und im Großraum New York - nennen einige das ein Neues Paradigma des Organisierens, eines, in dem klassische Musik, Politik und Wirtschaft zusammenkommen und nichts Getrenntes mehr sind, sondern ein einheitlicher Ansatz, in dem die Musik eine ganz entscheidende Rolle im eigentlichen Organisieren spielt. Denkst du, daß das so ist, was das Neue Paradigma angeht? Und wenn ja, wie denkst du darüber, und welche Konsequenzen hat das für den Prozeß des Organisierens?

Sare: Ich glaube, das ist richtig, und ich will hier zunächst einmal beim Aspekt der Chöre bleiben, weil dieser sehr facettenreich ist. Für das Paradigma bedeutet es alles. In Bezug auf die Chorarbeit als solche hat das Schiller-Institut eine lange Geschichte der Musikarbeit, die hier zusammenkommt, vom Handbuch der Grundlagen von Stimmung und Register, an dem John Sigerson beteiligt war, der jetzt den Chor leitet - das war ein wissenschaftlicher Beweis für die Notwendigkeit der Verdi-Stimmung -, und der Frage des Belcanto bis hin zu den Mitstreitern, die wir im Lauf der Jahre hatten, wie Carlo Bergonzi insbesondere in der Frage der Stimmung und der italienischen Belcanto-Methode, William Warfield, Sylvia Olden Lee und Maestro José Briano, der schon sehr früh dabei war und gerade verstorben ist. Wir hatten einige wirklich begeisterte Mitstreiter, mit der Folge, daß unser Chor, obwohl er im Vergleich zu anderen noch sehr jung oder neu ist, durch die Kombination aus Johns Hingabe an das Belcanto und die richtige Stimmplazierung und aus dem politischen Organisationsprozeß, an dem ich beteiligt bin, sich sehr schnell einen Namen gemacht hat, wegen der Klangqualität, des warmen Chorklangs und der Musikalität.

Die Chormitglieder sind sich bewußt, daß sie eine besondere Mission haben, für die moralische Erhebung der Menschen, die Anhebung der Kultur Manhattans und der Vereinigten Staaten, und das wird durch das Singen vermittelt. Als wir zu Ostern den Messias aufführten - ich glaube jedenfalls, es war bei dieser Osteraufführung -, hat eine unserer Sängerinnen, die Übungsräume vermietet und einen eigenen Nachrichtenbrief hat, einen Link zu dem Video eines unserer Chorstücke an alle Sänger verschickt, die in ihren Übungsräumen proben, und sie erhielt einige erstaunliche Rückmeldungen, die sie an mich weitergeleitet hat. „Dieser Chor hat einen ganz außergewöhnlichen Klang.“ - „Ich kann gar nicht glauben, daß man jedes Wort verstehen kann.“ - Kommentare dieser Art, was für einen Amateurchor wirklich außergewöhnlich ist. Unser Chor ist ein Amateurchor, kein Chor bezahlter Berufsmusiker - die Leute zahlen sogar einen Beitrag für den Proberaum, sie zahlen also dafür, mitsingen zu können -, und ich denke, das wird letztendlich einen neuen Maßstab setzen für das, was in dieser Stadt in Bezug auf die Chormusik geschieht.

Eine fast sakrale Qualität

    EIR: In einem Gespräch, das wir kürzlich führten, hast du die Chorarbeit u.a. so charakterisiert, daß die Chorproben für viele Teilnehmer - und vielleicht formuliere ich das nicht in deinen Worten, also korrigiere mich, wenn ich mich irre - fast den Charakter eines geistigen Zufluchtsortes haben, an dem die Menschen auf einer profunderen Ebene in Beziehung zueinander treten können. Du hast auch gesagt, daß viele der Leute, die zu unserem Chor gestoßen sind, große Dankbarkeit für die Gelegenheit äußerten, daran teilzunehmen. Möchtest du dazu etwas sagen?

Sare: Ja, und ich denke, das bringt uns zu der Frage, was die Probleme und die Schwierigkeiten dabei sind, einen Chor zusammenzuhalten, denn schließlich befinden wir uns in einer Gesellschaft, die sich in Auflösung befindet, und das Leben der sogenannten Durchschnittsamerikaner - was immer man darunter versteht - ist geprägt von wirtschaftlicher Not und Chaos.

Ich kann ein Beispiel von vielen anführen: Wir hatten eine wunderbare Altistin, die in ihrem Geburtsland schon an einer Oper gesungen hat, bevor sie in die Vereinigten Staaten kam. Sie arbeitete in den USA in einer Familie als au pair - sie kümmerte sich um die Kinder, kochte, putzte usw. Das ist eine aufreibende, harte Arbeit. Und sie kam jeden Abend zu den Proben, wir arbeiteten damals an Bachs Jesu meine Freude, und sie kam oft zu spät und gehetzt von ihrer anstrengenden Arbeit zu uns. Weil die Familie oft spät nach Hause kam, kam sie auch oft spät zu den Proben. Und sie setzte sich dann zu uns und sagte: „Ich bin so froh, hier zu sein. Ich bin so froh, nach diesem harten Tag Bach zu singen.“

Ich habe wirklich den Eindruck, daß die Fähigkeit, schöne Musik zu singen, für viele im Chor fast schon eine sakrale Qualität hat, wo man alle Konflikten und Härten des täglichen Lebens hinter sich läßt, zusammenkommt und an etwas teilnimmt, was wirklich schön und erhebend ist und die Seele nährt.

Und ich würde sagen, das ist auch die Schwierigkeit, denn wie du vielleicht aus einer meiner früheren Bemerkungen bereits erraten hast: Wenn ich alle, die einmal bei einer Probe dabei waren, mitzählen würde, dann wären wir jetzt weit über 100, vielleicht schon bei 200 Sängern. Man muß viel tun, um die Leute dafür zu gewinnen, dabeizubleiben. Sogar bei denjenigen, die monatelang dabeibleiben, kommt alles mögliche in die Quere - sie wechseln den Job, es gibt Konflikte am Arbeitsplatz oder sie können sich die U-Bahn-Fahrt zu den Chorproben nicht leisten.

Es gibt so viele Störungen im Leben der Menschen, daß das Schwierigste darin besteht, eine Kerngruppe zusammenzuhalten, so daß jede Woche dieselben Leute kommen. Das ist offensichtlich etwas, was für den Fortschritt des Chores entscheidend ist. Das ist jetzt in den kleineren, neueren Chören in Brooklyn und Flushing ein bedeutender Faktor, denn man hat vielleicht jede Woche die gleiche Anzahl von Sängern, aber wenn es andere sind, dann macht man nicht die Fortschritte, die man erreichen möchte. Immerhin ist Manhattan jetzt etwas stabilisiert, trotzdem haben wir immer noch diese Herausforderung der „wandernden“ Chorsänger, wie ich es nenne. Ich glaube nicht, daß es am fehlenden Interesse liegt. Es erfordert eine Menge Arbeit und Konzentration, und die Menschen führen wirklich ein schwieriges und hektisches Leben, deshalb fällt ihnen die Beständigkeit schwer.

    EIR: Damit haben wir, glaube ich, das meiste gesagt. Gibt es noch etwas, was du zum Abschluß sagen möchtest, insbesondere über die bevorstehenden Requiem-Aufführungen und die Arbeit, die ihr da hineinsteckt, oder noch andere Bemerkungen, die du machen möchtest?

Sare: Ja, es gibt ein paar Dinge, die ich noch hinzufügen möchte. Eine der Aufführungen wird in einer Kirche stattfinden, die in einem Bezirk ist, wo am 11. September eine ganze Feuerwehreinheit den Tod fand. Von Brooklyn ist es nur ein kurzer Weg nach Lower Manhattan, sie eilten dorthin und waren in den Türmen, als diese einstürzten. Und diese Kirche feiert jedes Jahr am 11. September eine besondere Messe für sie. Weil es in diesem Jahr der 15. Jahrestag ist, der auch noch auf einen Sonntag fällt, äußerte der Monsignore sein Interesse, Mozarts Requiem als Teil dieser besonderen Messe aufzuführen, und ich denke, das wird eine äußerst bewegende und eindrucksvolle Aufführung sein.

Die anderen Aufführungen finden statt in der Bronx, in einer großen Kirche mitten in Manhattan, und in Morristown in New Jersey, wo wir mit Angehörigen von Opfern des 11. September zusammenarbeiten. Alle diese Aufführungen werden also eine besondere Dimension haben, die damit zusammenhängt, was geschehen ist und wohin dieses Land gehen muß.

Abschließend möchte ich noch sagen, daß ich eine gewisse Parallele sehe - vielleicht wird sie aber noch bedeutender, wenn wir mit unseren Zielen den Sieg erreichen können - zu dem, was Putin in Palmyra getan hat. Die Stadt lag in Trümmern, ISIS hatte sie erobert - eine 2000 Jahre alte Stadt, mit einem wunderschönen Amphitheater, das ISIS entweihte, indem sie auf der Bühne Menschen hinrichteten. Nachdem Rußland dann diese Stadt zusammen mit den Streitkräften der syrischen Regierung vom Islamischen Staat befreit hatte, veranstalteten sie dort ein Konzert, angefangen mit Bachs unglaublicher Chaconne, auf eben dieser Bühne dieses Amphitheaters, aufgeführt vom Orchester des Mariinskij-Theaters unter der Leitung von Putins Freund Waleri Gergijew.

Ich denke, der Grund, warum das so beeindruckend war, ist der, daß es ein Beispiel dafür ist, was wirklich „der Sieg“ ist. Es geht nicht bloß darum, den Islamischen Staat zu zerschlagen, weil er böse ist, sondern das entscheidende ist, daß man die Menschen daran beteiligt, gemeinsam Gutes zu tun und zu zeigen, daß das Prinzip der menschlichen Zivilisation ein Prinzip der Schönheit der Menschheit ist, als einer wunderbar schöpferischen Gattung.

Das ist die eigentliche Idee dieser Konzerte zum 11. September, und ich halte es für dringend notwendig, die Amerikaner daran zu erinnern. Wenn die Amerikaner daran erinnert werden, werden sie mehr von dem Mut haben, der notwendig ist, um das zu besiegen, was unser Land in diesen Schlamassel hineingeführt hat.

    EIR: Sehr gut. Vielen Dank.