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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
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Die Schönheit der Islamischen Renaissance – die Elefantenuhr

Von Hussein Askary

Hussein Askary, Südwestasien-Redakteur des Executive Intelligence Review, hielt am 26. Juni bei der Berliner Konferenz des Schiller-Instituts den folgenden Vortrag.

Wenn man heutzutage das Wort „islamisch“ verwendet, dann löst dies Assoziationen mit Terrorismus, Extremismus und Fundamentalismus aus. Viele dieser Assoziationen haben eine gewisse Grundlage in der Realität, aber diese Realität ist ein fast vollkommen künstliches Konstrukt der politischen, strategischen und geheimdienstlichen Institutionen, die die Welt geteilt und gleichgeschaltet halten wollen. Der militante Islam ist ein relativ modernes Phänomen und wurde erst bekannt, als die USA, Großbritannien und Saudi-Arabien anfingen, die sogenannten Mudschaheddin in Afghanistan für den Kampf gegen die Sowjetarmee zu finanzieren, bewaffnen und auszubilden.

Aber auch die muslimischen Nationen und Gesellschaften selbst sind zum Teil dafür verantwortlich, weil sie großartige Aspekte des wissenschaftlichen, philosophischen und künstlerischen Erbes der islamischen Kultur vernachlässigen. Man hört oft nostalgische Erklärungen und Reden voller leerem Stolz über die „großen Leistungen des Islam“, aber nur selten sieht man Studien und lebendige Diskussionen über Details, die zeigen, von wem und wann diese großartigen Leistungen vollbracht wurden. Wo immer man in der arabischen Welt hinkommt, findet man Ibn-Sina-Krankenhäuser oder Ibn-Sina-Schulen, Al-Kindi-Krankenhäuser oder Al-Kindi-Schulen, Arrazi-Krankenhäuser oder Arrazi-Schulen. Aber wie viele Araber oder Muslime wissen heute wirklich, was diese wissenschaftlichen und philosophischen Giganten geleistet haben oder wie sie gedacht haben? Und in welcher Atmosphäre sie gearbeitet oder gedacht haben?

Es ist natürlich unmöglich, diese Fragen zu beantworten, weil die dafür notwendigen „Hausaufgaben“ noch nicht gemacht wurden. Ich will hier einige Gedanken anregen, um die Menschen zu bewegen, diese Hausaufgaben zu verrichten, denn das ist jetzt dringend notwendig, angesichts all des Schrecklichen, das im Namen des Islam verübt wird, und angesichts all des Schrecklichen, das den muslimischen Gesellschaften, einschließlich der darin lebenden Minderheiten, angetan wird.

Abb. 1: Handelswege zur Zeit der Islamischen Renaissance [oben]


Abb. 2: Die „Elefantenuhr“ des Badi-Uzzaman Al-Dschazira symbolisiert die Verbindung der Kulturen Ägyptens, Chinas, Indiens, Persiens und Griechenlands in der Islamischen Renaussance [oben]

Wie ich bei verschiedenen Gelegenheiten über die Islamische Renaissance geschrieben habe, war deren Goldenes Zeitalter, das vom späten 8. Jahrhundert bis zum Ende des 13. Jahrhunderts dauerte, nicht einfach islamisch.

Es war auch nicht einfach arabisch, auch wenn Arabisch damals die Verkehrssprache von den Grenzen Chinas im Osten bis nach Nordspanien im Westen war (Abbildung 1). Ich wage zu behaupten, daß die Islamische Renaissance kein religiöses Phänomen gewesen ist, auch wenn sie auf den Lehren des Islam beruhte, der die Gläubigen dazu anhält, „von der Wiege bis zum Grab nach Wissen zu streben“. Die Islamische Renaissance war vielmehr ein kulturelles Phänomen, ein einzigartiges, denn es war eine Synthese der arabischen, persischen, griechischen, ägyptischen, indischen, chinesischen und anderer Kulturen. Im Bagdad des 9. Jahrhunderts gab es im Haus der Weisheit muslimische, christliche und jüdische Wissenschaftler und Übersetzer, die ohne Vorurteile zusammenarbeiteten, um griechische, indische, chinesische, persische Schriften zu übersetzen und zu prüfen - wissenschaftliche und philosophische Schriften aller Art. Das gleiche fand in Cordoba in Andalusien statt.

Als metaphorisches Bild dieser wunderschönen Synthese habe ich dieses Stück gewählt (Abbildung 2), ein mechanisches und künstlerisches Werk von Badi-Uzzaman Al-Dschazari, der von 1136-1206 in Al-Dschazira im Nordosten des heutigen Syrien lebte. Al-Dschazira bedeutet „Insel“, aber es bezeichnet die Region zwischen Euphrat und Tigris - daher der Name. Al-Dschazari war ein wahrer Universalgelehrter: Mathematiker, Künstler, Kunsthandwerker, Musiker, Konstrukteur etc.

Sein bekanntestes überliefertes Werk heißt Das Buch der Kenntnis der einfallsreichen mechanischen Geräte. Tatsächlich lautet der ursprüngliche arabische Titel in etwa: Verbindung der Wissenschaft mit nützlicher Arbeit in der Mechanik. In diesem Buch beschreibt er mehr als hundert mechanische Erfindungen, die er gemacht hat, und wie man sie nachbauen oder herstellen kann. Er fertigte kleine Zeichnungen mit Anweisungen an, wie man diese mechanischen Geräte bauen kann.

Was Sie und mich dabei vor allem interessiert, das ist nicht die Mechanik als solche, sondern die Denkmethode, die eine großartige Metapher für einen wahren Dialog der Kulturen ist, die Al-Dschazari verwendete und die er als die Botschaft des Islam betrachtete.

Betrachten wir nun eine seiner bekanntesten Erfindungen, die mechanische „Elefantenuhr“.1

Al-Dschazari stellte an die Spitze bewußt den Vogel Phönix, der für die alte ägyptische mythologische Gottheit Bennu steht und auch Teil der griechischen Kultur ist. Wie Sie vielleicht wissen, waren die ägyptische und die griechische Kultur in bestimmten wichtigen Perioden fast ein- und dieselbe Kultur, wie wir aus Platons Dialogen und der späteren Zusammenarbeit zwischen Archimedes und Eratosthenes, den Leiter der Bibliothek von Alexandria, wissen. Die Schlangen oder Drachen stehen für China; der Elefant und die Gottheit mit der Zimbel stehen für Indien; die Architektur und Möblierung ist persisch und arabisch; und die Wassertechnik ist ein Hinweis auf Griechenland.

Diese Arbeit reflektiert und verkörpert in sehr schöner und wirksamer Weise die Idee der Schönheit der islamischen Kultur und den Geist der Vielfalt in der Einheit, der zu jener Zeit vorherrschte. Im heiligen Koran heißt es:

    „O ihr Menschen, Wir haben euch aus Mann und Frau erschaffen und euch zu Völkern und Stämmen gemacht, auf daß ihr einander erkennen möget. Wahrlich, vor Allah ist von euch der Angesehenste, welcher der Gottesfürchtigste ist.“

Können wir heute diesen Geist wiederbeleben? Das ist die große Frage.


Anmerkung

1. Eine Erklärung der Arbeitsweise dieser Wasseruhr finden Sie im Internet unter https://www.youtube.com/watch?v=doYPp-gaJ0o.