Kreativität als Wissenschaft
Von Phil Rubinstein
Phil Rubinstein, der seit langem führend in der
LaRouche-Bewegung tätig ist, hielt die folgende Rede auf der Konferenz des
Schiller-Instituts am 29. Juni in San Francisco.
Ich möchte einige Punkte aufgreifen, die bereits von Megan Beets und
anderen angesprochen wurden
Lyndon LaRouche hat heute morgen sehr klar gesagt, daß wir Glass-Steagall
dringend brauchen, aber wir müssen Glass-Steagall weit besser und profunder
verstehen als bisher. Es war interessant, herauszufinden, daß der Abgeordnete
Steagall auch 1941 ein Gesetz für Paritätspreise in der Landwirtschaft
einbrachte, während Carter Glass eigentlich als Freund der Bankster bekannt
war. Steagall war meines Erachtens mehr ein Roosevelt-Demokrat. So sagt der
Ausdruck „Glass-Steagall“ an sich noch recht wenig.
Lyn [Lyndon LaRouche] hat deutlich gemacht, daß abgesehen von seinen
eigenen zahlreichen Bemühungen und ein paar Vorstößen einiger anderer niemand
wirklich verstanden hat, was ein „amerikanisches Kreditsystem“ wirklich ist.
Und daß Glass-Steagall im Grunde nicht funktioniert, wie wir das möchten, wenn
wir kein tieferes Verständnis seiner Bedeutung haben. Er begründete, warum
alle amerikanischen Patrioten alle monetaristischen Systeme und ganz besonders
das in unserem Land verabscheuen sollten. Und er sagte, weiter auf ein
monetaristisches System zu vertrauen, wäre eine Katastrophe.
Ich möchte einige dieser Fragen soweit zuspitzen, wie ich kann, denn
manchmal braucht es etwas Zeit, bevor eine Idee wirklich klar wird. Irgendwie
muß es leider wohl so sein, daß jemand sich erst ein bißchen ärgern muß, bevor
man sicher sein kann, daß er etwas verstanden hat.
Was ist Faschismus?
Wovon gehen wir bei Glass-Steagall, wie Lyn es versteht, eigentlich aus?
Man gibt jeden Glauben an das monetaristische System auf. Man trennt nicht
einfach bloß Geschäftsbanken und Investmentbanken; man definiert etwas völlig
neues. Man sagt im Grunde: Spekulative Geldanlagen sind Müll! Sie sind
zu nichts nutze.
Was ist eigentlich ein spekulativer Dollar? Letztlich ist er eine Lizenz,
anderen Menschen das Blut auszusaugen, indem man ihre Lebensverhältnisse
ruiniert oder sie schlicht umbringt, jedenfalls ihr Leben verschlechtert.
Sie haben im Laufe dieses Tages viele Einzelheiten dazu gehört. Ich möchte
dabei eine Ironie anführen. Helga [Zepp-LaRouche] berichtete, sie habe mit
jemandem gesprochen, der sagte, kein Mensch sollte mehr älter als 66 Jahre
werden. Ich bin 66 Jahre alt und ich fühle mich davon in gewisser Weise
persönlich beleidigt.
Was ist das Wesen des Faschismus? Die meisten haben davon eher eine
propagandistische oder eine Hollywood-artige, manchmal leicht romantische
Vorstellung, daß da diese Bösewichte waren, die in Soldatenstiefeln
herumliefen, daß dieser verrückte Österreicher alles in der Hand hatte, daß es
in Italien diesen Clown gab usw. Die Wahrheit ist, im Grunde war auch die
Sklaverei in Amerika ein faschistisches System. Wenn die Gesundheitsversorgung
in Griechenland oder in Spanien so weit abgebaut wird, daß man genau weiß, daß
viele Menschen deswegen früher sterben werden als nötig, dann ist das
Faschismus.
Im wesentlichen bedeutet Faschismus, daß eine Gesellschaft nicht genug Geld
ausgibt, um die vorhandene Bevölkerung oder eine größere Bevölkerung bei einem
steigenden Lebensstandard erhalten zu können. Denn das ist die Voraussetzung
dafür, daß die Menschheit überlebt.
Wenn man das versteht, erkennt man den Fehler der „grünen“ Weltsicht.
Die Leute fragen: Wie konnten diese Menschenmassen dazu gebracht werden,
den Faschismus zu unterstützen? Aber wie ist es mit den Amerikanern? Schaut
euch Kalifornien an. Es gibt nur einen Ort, wo es noch mehr Ökofreaks pro
Quadratkilometer gibt als in Kalifornien, das ist Seattle, wo wir auch ein
Büro haben. Tatsächlich ziehen die Leute, denen Kalifornien nicht „grün“ genug
ist, nach Seattle um. Und inzwischen sagen die Leute in Seattle, wir wollen
keine Einwanderer aus Kalifornien mehr, denn die sind nicht grün genug und
verschmutzen nur unsere Umwelt.
Genauso war es in den 1920er und 30er Jahren. Es gab Zwangsarbeitslager in
der Nähe von Stahlwerken und in der Nähe von Chemiefabriken. Das gab es
während der 30er Jahre und in einigen Fällen sogar noch früher. Nicht viele
wissen es, aber das Wort „Konzentrationslager“ ist keine Erfindung des Zweiten
Weltkriegs. Das Wort „Konzentrationslager“ kommt aus Südafrika, wo Ende des
19. Jahrhunderts die Buren in Konzentrationslagern bei Zwangsarbeit
eingesperrt wurden, als die Burenkriege stattfanden. Gegen wen? Gegen das
britische Gesindel - gegen die Britische Ostindiengesellschaft, d.h. den
Imperialismus.
Auch das, was Obama predigt, ist Faschismus. Und deswegen stehen wir vor
der Gefahr eines Atomkrieges. Wie schon in den 20er und 30er Jahren wird der
Faschismus von der Finanzoligarchie, dem Britischen Empire, betrieben. Fast
ganz Europa wurde braun. Fast ganz Frankreich kapitulierte, es kam das
Vichy-Regime, Italien wurde faschistisch, Rumänien wurde faschistisch.
Österreich nahm den Faschismus hin. Man stand vor dem totalen Kollaps, und
nirgendwo gab es wirkliche Führung, insbesondere in Europa.
Es war nicht nur, daß das so hingenommen wurde. Es gab keine Führung, keine
Alternative. Es gab keine Wirtschaftspolitik. Wissenschaftliche Entwicklung
wurde abgelehnt.
Mit diesem Erbe müssen wir uns noch heute herumschlagen - mit
Existentialismus und vergleichbaren Irrwegen in der Wissenschaft. Man meinte
damals, mit bestimmten Bereichen der Quantenmechanik und ähnlichem sei das
Ende der Wissenschaft erreicht. Aus und vorbei mit der Wissenschaft! Das
erinnert mich an Francis Fukuyama, der 1989 bzw. 1990-91, als die Berliner
Mauer fiel und die Sowjetunion zusammenbrach, sagte: Das ist das Ende der
Geschichte, denn jetzt hat die Idee des freien Marktes gewonnen und von nun ab
wird die Geschichte nur noch ein Ablauf des freien Marktes sein.
Zu viele Amerikaner sind darauf hereingefallen. „Wir sind die einzige
Supermacht und alles läuft nach der Markttheorie.“ Doch schon damals haben Lyn
und Helga erklärt, das westliche System werde einen noch größeren Kollaps
haben als die Sowjetunion oder der Warschauer Pakt. Und genau das erleben wir
heute.
Was Roosevelt wirklich erreichte
In den 1930er Jahren war, kurz gesagt, das wichtigste, daß es Roosevelt
gab.
Und das ist ein gutes Beispiel für gewisse Irrtümer. Fast jeder im Land und
wahrscheinlich auch die meisten hier in diesem Raum denken: Roosevelt war ein
cleverer Politiker, er war Optimist, seine Zigarette zeigte immer nach oben,
er hatte immer ein Lächeln auf den Lippen, er hielt Sonntag abends seine
väterlichen Kamingespräche ab, er gewann das Vertrauen der Menschen, und sonst
schlug er sich irgendwie durch. Irgendwie sind wir dann aus der Not
herausgekommen, und im Krieg wurde unsere Macht aufgebaut, usw.
Nichts davon trifft die Sache. Entscheidend ist der Punkt, den Lyn betont,
und das auf einer noch grundlegenderen Ebene als selbst Roosevelt. Tatsache
ist, daß Roosevelt von Anfang an den New Deal umsetzen wollte, was er
teilweise schon als Gouverneur des Staates New York getan hatte. Es ist sehr
interessant, sich seinen Werdegang zu betrachten, denn man wird feststellen,
daß er fast alles, was er als Präsident tat, bereits in begrenztem Rahmen im
Staat New York gemacht hatte: Rentenkassen, Bankenregulierung usw.
Das mit dem Umweltschutz ist so eine Sache, auch hier ist das interessant.
Man sollte nicht vergessen, daß Roosevelt sich selbst als Forstwirt sah. Wenn
ihn jemand nach seinem Beruf fragte, sagte er: „Ich bin Forstwirt.“ Im Rahmen
des Arbeitsbeschaffungsprogramms CCC wurden in den USA drei Milliarden Bäume
gepflanzt. Ich sage Ihnen, das hat mehr Gutes getan als jemals ein Grüner in
seinem ganzen Leben - vielfach mehr.
Als Roosevelt ins Amt kam, hatte er also vor, das gesamte System zu ändern.
Er sagte - und es wird viel darüber gespottet -: „Wir müssen die Geldwechsler
aus dem Tempel jagen.“ Denken wir daran, wer das zuerst gesagt hat - auch er
wurde deswegen angefeindet. Roosevelt wollte mit der Spekulation Schluß
machen. Er sagte das immer wieder. Er wollte den Menschen die Möglichkeit
geben, ein produktives Leben zu führen, und er wollte ihnen im Alter eine
Absicherung garantieren.
Das entscheidende, was ich damit sagen will, ist: Er verfolgte ein Ziel und
er sah die Zukunft kommen. Er wußte schon 1933-34, daß es auf einen Krieg
zulief, wenn sich die Umstände nicht änderten. Er unternahm zahlreiche
Vorstöße, diese Umstände zu ändern, die ihm oft als Torheiten angekreidet
wurden. Aber er versuchte es wenigstens, und gleichzeitig wußte er, daß wir
auf einen Krieg zusteuerten.
Deshalb bauten wir mitten in der Depression eine industrielle Basis auf,
gegen den ständigen Widerstand der Wall Street. Die Republikanische Partei war
in einer Art Haushaltsorgie, sie wollte unbedingt einen ausgeglichenen
Haushalt. Und trotz einer neuen Wirtschaftsflaute 1937-38 und gegen den
Widerstand des Obersten Gerichtshofs baute Roosevelt mit der Hilfe anderer
eine industrielle Basis auf, mit der die USA schon vor dem Krieg,
1939-40, die größte Industrie- und Wissenschaftsmacht der Welt waren oder
jedenfalls die Voraussetzungen dafür hatten.
Dann kam das Leih- und Pachtabkommen [zur materiellen Unterstützung der
Alliierten], und als wir in den Krieg hineingezogen wurden, verfügten wir über
die größten Industriekapazitäten der Welt und wurden auch zur größten
Wissenschaftsnation der Welt - ironischerweise dadurch, daß viele führende
europäische Wissenschaftler Zuflucht in den Vereinigten Staaten fanden.
Auf diese Weise bauten die USA auch die Atombombe. Den Sowjets gelang das
deswegen nicht, weil sie Industrieaufbau und Atombombe nicht gleichzeitig
bewältigen konnten. Aber die Vereinigten Staaten verfügten über die
notwendigen industriellen und technischen Voraussetzungen und mit der Zeit
auch über die fachliche Kompetenz der Arbeitskräfte, um beides gleichzeitig zu
schaffen.
Allerdings hätten wir die Bombe nicht abwerfen sollen - dafür bestand keine
Notwendigkeit. General MacArthur war sich dessen bewußt und jeder andere
vernünftige Mensch auch. Und für all diejenigen, die meinen, Lyn übertreibe,
wenn er von der Gefahr der Auslöschung der Menschheit spricht: Am Ende des
Zweiten Weltkriegs wußten die Menschen, daß wenn zukünftige Kriege so aussehen
würden wie der Abwurf der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki, daß die
Menschheit das nicht überleben würde.
Viele führende Persönlichkeiten - MacArthur, Eisenhower und einige bekannte
Wissenschaftler wie Oppenheimer und Einstein - sagten, daß wir als Gattung
untergehen werden, wenn dieser Weg weiter beschritten würde. Man dachte an die
Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs, das waren schon hundert Millionen Tote.
Millionenstädte verschwanden quasi vom Erdboden, und das auf allen Seiten
außer den USA. Nahm man dann noch die zukünftigen Kernwaffen hinzu, dann war
klar, daß wenn man wieder so etwas wie den Zweiten Weltkrieg entfesselt, daß
dann nichts mehr übrig bliebe, und das würde nicht vier Jahre dauern.
Deshalb wollte Roosevelt den Lauf der Geschichte ändern. Roosevelt wollte
auch das Bretton-Woods-Abkommen für feste Wechselkurse, er wollte, daß die
Vereinten Nationen die nationale Souveränität anerkennen, er wollte ein
Kreditsystem auf internationaler Grundlage - was von John Maynard Keynes, von
den britischen Finanzkreisen und von der Wall Street abgelehnt wurde. Darum
war Roosevelts Tod ein so tiefer Einschnitt.
Monetarismus und Wahnwitz
An dem Punkt traten Truman, Churchill und andere auf den Plan. Truman war
ein ausgesprochener Hohlkopf. Viele Amerikaner meinen, er sei ein resoluter
kleiner Kerl gewesen. Daran stimmt nur, daß er klein war. Er dachte und sagte
auch öffentlich, die Sowjets seien zu dumm, um eine Atombombe zu bauen. Wenn
das nicht rassistisch ist, was dann?
Auf diese Weise gerieten wir auf diesen verrückten Kurs. Heute sind die
Leute besorgt über die NSA, diesen geheimen Staat im Staate. Aber das fing
schon 1946-47 an. Truman ließ jeden Wissenschaftler, der mit geheimen
Projekten, insbesondere dem Manhattan-Projekt, zu tun hatte, einen politischen
Treueid unterschreiben. Das war lange vor den Treueiden der McCarthy-Ära. Es
war der Beginn des Staatsschutzes, der Vorstellung, alles geheim halten zu
müssen. Die anderen dürften nicht wissen und denken, was wir wissen und
denken, und deshalb wäre es besser, alles geheim zu halten. Die meisten
Wissenschaftler wußten, daß dies lächerlich war. Das meiste, was man [für eine
Atombombe] wissen mußte, war öffentlich zugänglich.
Viele Vorstellungen in der Nachkriegszeit waren also völlig irrwitzig.
Die USA übernahmen Freihandelsmethoden und wurden ab 1971 zunehmend zu
einer monetaristischen Kultur, wie Lyn schon damals feststellte. Was ist das
System freier Wechselkurse anderes als ein Kasino? Es funktioniert wie ein
Glücksspiel. Worauf setzt man dabei? Auf den Wert des Geldes. Wenn man Handel
treiben will, muß man darauf wetten, daß die Währung, in der man bezahlt, bei
Fälligkeit der Rechnung den erwarteten Wert hat. Das eröffnet für viele die
Möglichkeit zum Zocken. Spekulation, Derivate usw., all das ist völlig
sinnlos.
Der Monetarismus ist eine Form klinischer Schizophrenie. Der Glauben an die
Macht des Geldes ist buchstäblich ein religiöser Glauben, im Sinne einer
objektivierten Realität, die es gar nicht gibt. Geld existiert eigentlich gar
nicht. Wie Harley Schlanger bereits sagte, Derivate gibt es gar nicht. Sie
haben zwar einen Geldwert, aber nichts, was dahinter steht.
Geld spielt eine nützliche Rolle bei der Arbeitsteilung und anderem, aber
es unterliegt den Entscheidungen der Gesellschaft, was die wirklichen Werte
sind. Wie kann eine Gesellschaft so verrückt sein, an einen steigenden Wert
einer Aktie zu glauben, nur weil jemand über ein paar Stunden bestimmte Wetten
abgeschlossen hat und für diese Wette dann mehr Geld einstreichen kann? Nehmen
wir an, es ginge um die Aktie einer Werkzeugmaschinenfabrik. Was meinen Sie,
wie viele Werkzeugmaschinen in den fünf Minuten produziert wurden, in denen
das ganze Geschäft stattfand? Welche Produktionsfortschritte gab es? Welche
wissenschaftlichen Innovationen? Welche Produktivitätssteigerung? - Null!
In einem spekulativen System - eigentlich sollte man lieber von einem
monetaristischen System sprechen - ist es tatsächlich sogar so, daß immer
weniger Wert verbleibt, je mehr monetärer Wert umgesetzt wird. Es geschieht ja
nichts Reales. Der Wert entsteht dadurch, daß die Gesellschaft ungenügend
bezahlt wird, daß ganze Bereiche geplündert werden - die
Nahrungsmittelerzeugung usw. Eine wichtige Rolle dabei spielt das System des
freien Marktes. Man behauptet, es sei billiger, Waren zu importieren, die von
billigen Arbeitskräften 5000 Kilometer weit weg produziert wurden.
Zu dieser Frage hat sich Lincoln einmal sehr deutlich geäußert: Importe
sind schon wegen der Transportkosten immer teurer - außer man bezahlt den
Arbeitskräften zu wenig. Aus diesem Grund ist auch das Transportwesen so
wichtig.
Roosevelt handelte also immer ganz bewußt. In gewisser Weise, möchte ich
sagen, ist es das gleiche Denken wie bei einer Komposition, d.h. klassische
Kunst, Politik und Wissenschaft sind ein und das gleiche. Dabei geht es nicht
einmal darum, aus beiden [Kunst und Wissenschaft] eins zu machen; das Problem
ist, daß wir ein Ganzes in zwei Teile aufgeteilt haben, die es in Wirklichkeit
so nicht gibt.
Wissenschaftler sollten nicht bloß etwas aus bestehenden Gesetzen und
Gleichungen ableiten - irgendein Resultat, das eigentlich schon vorhanden ist.
Das wäre im Grunde eine Tautologie oder ein bloßes Auswälzen von
Informationen. Ein wirklicher Wissenschaftler fügt immer etwas Neues hinzu,
was die Natur der Information grundlegend verändert. Als Einstein seine
Relativitätstheorie entdeckte, veränderte das unsere gesamte Vorstellung von
Raum und Zeit. Als Kepler seine Erkenntnisse über Harmonien verbreitete,
veränderte das unsere gesamte Sicht des Sonnensystems. Lyn ist der Auffassung,
daß wir auf diesem Weg weiter gehen müssen. Wir müssen das innere Sonnensystem
genauso tiefgehend und sogar noch besser verstehen lernen als Kepler mit
seinem Ansatz für das Sonnensystem insgesamt.
Was bedeutet in diesem Zusammenhang Glass-Steagall? Roosevelt gründete die
Reconstruction Finance Corporation. Er führte ein Kreditsystem ein. Er nahm
die Federal Reserve an die kurze Leine, im Grunde hat er sie vorübergehend
kastriert. Die Gelder flossen als Kredit, der fast komplett neu geschöpft
wurde. Manche sagen, das sei ungedecktes Papiergeld gewesen, aber das war die
Deckung: Investitionen in den Wiederaufbau der amerikanischen Industrie, in
die Wiederbeschäftigung von Arbeitern, in wissenschaftlichen Fortschritt und
in die Wiedernutzbarmachung des Fachwissens bestimmter Leute.
Deswegen beschäftigte er Leute mit dem sprichwörtlichen Ausheben von
Gräben, er wollte, daß sie gewisse Fähigkeiten lernten und eine Perspektive
entwickelten, um wieder in die reale Produktion zurückkehren zu können.
Wir brauchen die Wall Street nicht!
Lyn will, daß wir verstehen, daß Glass-Steagall das Ende des Monetarismus
bedeutet, nicht bloß eine Bankentrennung. Das bedeutet, daß wir an die
Wirtschaft einen ganz anderen Wertmaßstab anlegen. Wir sagen, all das monetäre
Herumjonglieren ist zu nichts nutze. Wenn jemand Glücksspiel will, soll er
zocken. Soll er auf Pferde wetten.
Ein Derivat ist ein wenig wie die Wette auf eine Wette, die jemand
vorgegeben hat. Anders gesagt: Es haben fünf Leute auf ein Pferd gesetzt, und
man wettet darauf, daß diese fünf Leute gewinnen. Man wettet mit Herrn XY, daß
sie gewinnen werden. Vielleicht will man damit mutmaßliche Verluste aus dem
Rennen davor ausgleichen. Man will also seine Wette absichern. Im Grunde gibt
es dabei keinen Unterschied zu Derivaten.
Wir müssen uns das viel deutlicher klar machen. Wenn Geld der vorrangige
Wert ist, wenn man nur von der Verteilung des Geldes und dem Geldwert von
Finanzinstrumenten spricht, dann ist es wie bei den Aktien: Wettet man auf den
Kurs einer Aktie, so hat dies keine Beziehung zur Wirtschaft. Das hatte sich
auch einmal in unseren Gesetzen niedergeschlagen. So war es zum Beispiel
Vorschrift, daß man eine Aktie für eine bestimmte Zeit behalten mußte, bis der
geringere Steuersatz galt. Wenn man sie aber über Nacht wieder verkaufte,
mußte man eine höhere Steuer zahlen. Das wäre ein Schritt.
Besser wäre es jedoch, ganz damit Schluß zu machen.
Wenn Lyn sagt, wir brauchen die Wall Street nicht, muß man sich klar
machen, was für ein Schock das ist. Wir brauchen die Wall Street nicht!
Wir brauchen J.P. Morgan nicht. Wir brauchen die Bank of America nicht. Wenn
sie alle bankrott gehen, sind sie alle nicht too big to fail. In
Wirklichkeit sind sie praktisch nichts wert.
Beim Organisieren auf der Straße hört man immer wieder Leute sagen: Wir
können uns keine Raumfahrt leisten. Unabhängig von einigen Projekten, die Lyn
vorgeschlagen hat - auch dafür hätten wir kein Geld.
Ich möchte ein Beispiel nennen, das Plasmaphysik-Laboratorium in Princeton.
Dort wurde ein Fusionsreaktor entworfen, der funktionieren könnte, und das
besser als der Tokamak. Er würde 159 Mio.$ kosten. Die Anlage wurde
stillgelegt. Warum wurde sie stillgelegt? Wegen der automatischen
Ausgabensperre und weiteren Budgetkürzungen.
159 Millionen für die moderne Forschung haben wir nicht, aber wir haben
Billionen, 85 Milliarden im Monat, die die Zentralbank zum Aufkauf von
Staatsanleihen und hypothekenbesicherten Wertpapieren (MBS) ausgibt. Woher
stammt dieses Geld? Hat das nicht alles ruiniert? Angeblich waren ja ein paar
Leute schuld, die die Banken an der Nase herumgeführt haben. Sie kennen ja
diese Geschichte, von den armen Einwanderern, die die Banken dazu verleitet
haben, ihnen millionenschwere Hypotheken zu gewähren. Diese Sprüche mag ich
ganz besonders.
Mit all dem sollte Schluß sein. Wir brauchen diese Wallstreet-Typen
wirklich nicht.
Allerdings müssen wir dann darauf vorbereitet sein, zu erklären, was wir
statt dessen wollen.
Was ist eigentlich ein Kreditsystem bzw. ein Nationalbankwesen? Es geht
dabei darum, daß die Gesellschaft ein Ziel hat, nämlich die Produktivität der
Menschheit, des Landes und anderer Gesellschaften, mit denen man
zusammenarbeitet, zu erhöhen. Dafür vergibt man Kredite bzw. Bankbürgschaften
- die weiteren Einzelheiten können Sie in unseren Veröffentlichungen
nachlesen.
Worum geht es bei diesen Bankbürgschaften? Sie besagen, daß sich in der
Zukunft - in drei, fünf oder sieben Jahren in verschiedenen Wirtschaftszyklen
von Landwirtschaft, Infrastruktur, wissenschaftlicher Forschung usw. - die
Produktivität erhöhen wird, was die Lieferung von mehr Gütern, mehr Waren an
die Bevölkerung ermöglicht. Geld wird dann als Mittel für diese Lieferung
benutzt. Es ist der Vergabe von Krediten untergeordnet, und die
Nationalbank dient dafür als zentrale Verrechnungsstelle.
Dann brauchen wir Projekte wie die Nordamerikanische Wasser- und
Stromallianz NAWAPA - NAWAPA nicht mit 26 Gigawatt Wasserkraft, sondern mit 26
Gigawatt Kernkraft; die Wasserkraft läßt sich für andere Dinge nutzen.
Interessanterweise braucht man etwa 26 Gigawatt, um das
Trägheitsfusions-Experiment in Livermore in Gang zu setzen. Das heißt, um mit
Hilfe von Lasern eine Kernverschmelzung zu erreichen, braucht man soviel
Energie. Mit NAWAPA werden wir sie erzeugen.
Ich weiß zwar nicht, welcher Kernfusionsansatz funktionieren wird, aber
wir brauchen die Kernfusion. Wir brauchen sie als Zukunftsperspektive,
dann können wir von unserem Öl soviel verbrauchen, wie wir wollen. Wenn wir
wissen, daß die Kernfusion irgendwann kommt, gibt es kein Problem mehr mit
unseren Energieressourcen.
Was folgt daraus? Was ist Wert in einer Volkswirtschaft? Wie überlebt die
Menschheit? Ja, wir unterscheiden uns von den Tieren, und darunter verstehe
ich nicht nur, daß wir sprechen können und ein paar nette Ideen haben,
ansonsten aber Tiere bleiben - Lust empfinden und wilde Phantasien haben
(vergeßt das Vorstellungsvermögen), nach bestimmten Dingen gieren, wie gutem
Essen, unsere Körperfunktionen durchleben und irgendwann das Zeitliche segnen.
Nein, ich meine etwas vollkommen anderes.
Der Mensch ist kein Tier
Der einzelne Mensch und die menschliche Gattung als ganze sind insofern
einzigartig, als wir uns weiterentwickeln und durch Wissen und durch das
Zusammenspiel mit dem Universum immer größere Macht erlangen. Das heißt, indem
wir auf das Universum einwirken, erkennen wir es. Es gibt keinen anderen Weg
zu Erkenntnissen. Wir können nicht auf andere Weise aus unserer Haut. Der
ganze Trick des britischen Empirismus besteht darin, daß man sagt, wir seien
in unserem Körper gefangen und seien deswegen einzig auf unsere
Sinneswahrnehmung angewiesen. Der Geist spielt dabei im Grunde keine Rolle,
der ist lediglich ein elektrischer Apparat mit vielen Nervenverbindungen.
Eigentlich seien wir selbst nur ein Produkt der künstlichen Intelligenz.
Darauf läuft die künstliche Intelligenz hinaus. Es sieht so aus, als hätte
man ein Gehirn, wie einen denkenden Geist, aber nicht wirklich. Im Grunde
seien wir nur ein komplizierter Schimpanse. Allerdings sind Schimpansen
ziemlich schlimme Geschöpfe. Wer Tiere liebt, der sollte mal versuchen, einen
Tag mit einem Schimpansen zu verbringen!
Die Menschheit entwickelt sich, indem sie universelle Ideen erzeugt, die
unsere Sicht des Universums verändern und neue uns bisher unbekannte Bereiche
erschließen. Noch 1880 wußten wir nichts von Kernphysik. Wir wußten gerade
einmal, daß es Atome gibt. Wir wußten nicht, daß es andere Galaxien gibt. Wir
hatten keine Ahnung. Wir dachten, alles befände sich innerhalb der
Milchstraße. Es gab einige Vorstellungen von Sternennebeln usw., aber nicht
über Galaxien.
Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts eröffnete sich uns durch Leute
wie Planck und Einstein ein völlig neues Universum. Beide hatten eine
klassische Musikausbildung, aber ich meine, selbst sie hatten nicht ganz die
gleiche Vorstellung davon wie Lyn. Für sie war klassische Musik wichtig; sie
erweiterte ihre Vorstellungskraft und förderte ihre wissenschaftliche
Kreativität. Doch sie wußten nicht, daß im Grunde beides das gleiche
ist: die Fähigkeit, in die Zukunft vorzustoßen, an die Grenzen dessen, was wir
wissen, und gleichzeitig zu erkennen, daß das, was wir zu wissen meinen, nicht
ausreicht. Das ist ein Paradox, eine Ironie. Deswegen ist die Idee von
Metapher und Ironie so wichtig, und Lyn hat in vielen Diskussionen angeregt,
man sollte sich mit der Rolle des Chorus im klassischen Drama [in Shakespeares
Heinrich V.] beschäftigen, worin das gleiche Prinzip zum Ausdruck
kommt.
Das ist die eigentliche Realität.
Was ist in diesem Zusammenhang dann Wert? Das einzige, das Wert hat, ist
Kreativität; das einzige, das uns menschlich macht, ist Kreativität. Sie ist
die Anstrengung, nach unseren besten Fähigkeiten die Entwicklung der
Menschheit voranzubringen und dies anderen Menschen nahezubringen. Sie kennen
den alten Spruch „Wer’s selbst nicht kann, wird Lehrer.“ Wer tatsächlich
meint, nichts Kreatives zustande zu bringen, der mache sich mit der
Kreativität anderer vertraut und gebe dies an andere weiter, vielleicht regt
es seine eigene Kreativität an.
In jedem Kind steckt die Möglichkeit, daß es als Erwachsener zur Fülle des
menschlichen Wissens beiträgt - sich daran wagt, das menschliche Wissen zu
erweitern. Das ist ein Geschenk für uns.
Machen Sie sich klar, wie unglaublich das war, als wir zu Beginn des 20.
Jahrhunderts herausfanden, daß ein paar Gramm sogenannter Materie
strahlten. Man wußte nicht, was es war, aber man fand heraus, daß in
ein paar Gramm Materie eine Unmenge Energie steckte. Es überstieg die
wildesten Vorstellungen.
Aber all das entsprang auf gesetzmäßige Weise der schöpferischen
Vorstellungskraft einiger Leute.
Diese Fähigkeit haben wir heute genauso - jedoch nur, wenn wir unsere
Fixierung aufs Geld aufgeben. Im Grunde ist alles das gleiche: Geldtheorie,
Spieltheorie, Empirismus, Geopolitik, künstliche Intelligenz, Positivismus,
Informationstheorie... Es ist die Auffassung, daß der menschliche Geist nur
eine bessere Maschine oder ein besseres Tier ist. Auf diese Weise soll uns die
Gewißheit genommen werden - und auf diese Weise werden Menschen versklavt -,
daß unser wirkliches Sein in unserem schöpferischen Forschergeist und der
Entwicklung unserer Beziehung zum Universum steckt. Und die Entwicklung der
menschlichen Gattung selbst ist der Beweis dafür, daß das Universum nicht nur
lebt, sondern kreativ ist.
Ich möchte noch von etwas berichten, das ich neulich gehört habe, denn es
zeigt eine besondere Anomalie. Mir gefällt es immer, wenn etwas die
Vorstellungen der Wissenschaftler übersteigt. Es geht um die
Weltraumforschung. Ich weiß nicht mehr, ob es sich um Voyager I oder um
Voyager II handelt, die werden manchmal verwechselt, aber beide wurden etwa
1977 ins All geschossen. Vor etwa einem Jahr glaubte man, Voyager hätte den
Rand des Sonnensystems, die sogenannte Heliopause, erreicht. Doch dann stellte
man fest, daß er das Sonnensystem immer noch nicht verlassen hatte, daß dort
immer noch das Magnetfeld der Sonne und auch Sonnenwind vorhanden war. Dann
traf es auf den sogenannten Bow Shock, das ist die Stelle, wo der Sternenwind
auf die Heliosphäre trifft, wo man dachte, die Heliosphäre schütze das
Sonnensystem vor der Strahlung.
Nun stellte man jedoch fest, daß alles ganz anders war. Denn statt daß die
kosmische Strahlung abgelenkt wird oder nur ein wenig davon durchgelassen
wird, ist es offenbar so, daß sie sich in spiralförmiger oder zylindrischer
Form aufwickelt und innerhalb des Bereiches von Bow Shock und Heliopause ein
neues Magnetfeld bildet. Und man hat keine Ahnung, was genau dort passiert und
warum.
Man weiß also gar nicht genau, was kosmische Strahlen eigentlich sind. Lyn
hat immer gesagt, das Weltall ist nicht leer. Die Raumzeit ist nicht leer.
Um als Gattung zu überleben - und mehr als nur überleben -, müssen wir uns
somit vergegenwärtigen, was ontologisch gesehen in uns ist, was uns existieren
läßt, wie es Lyn in einer seiner jüngsten Schriften angesprochen hat. Was ist
unser Wesen? Was uns definiert, ist der Umstand, daß wir einen Geist haben,
der sich außerhalb jeder biologischer Existenz befindet, obgleich er eine
biologische Existenz benötigt. Aber er formt die Biologie dazu, einen Geist in
sich aufzunehmen. Dieser denkende Geist kann mit anderen kommunizieren, wenn
wir verstehen, daß es ein geistiger Austausch ist und nicht einer zwischen
Dingen oder Tieren.
Man muß sich unter Sprache etwas vorstellen, das stets auf etwas Poetisches
hinausläuft, weil jede starre Sprache versagt. Ein bißchen in diesem Sinne
müssen wir auch an Glass-Steagall herangehen. Denn was ist ein Kreditsystem?
Es ist die Zukunft der Menschheit, wie sie von einer Republik von Menschen
beschlossen wird. Es ist die Zukunft! Deshalb brauchen wir zwar
Wissenschaftsprojekte und neue Plattformen, aber auch die ständige
Weiterentwicklung der zukünftigen Generationen - wie es in der amerikanischen
Verfassung heißt: „Wir und unsere Nachkommen“.
Das macht uns einzigartig. Ich kenne keine andere Verfassung, in der die
Nation, nicht nur der Präsident, sondern jeder Bürger, aufgefordert wird, sich
für die Zukunft einzusetzen. Wir müssen sicherstellen, daß die Zukunft eine
Zukunft hat. Wir sollten mindestens so weit vorausdenken: Unsere Menschheit
wird es nicht nur im Jahre 2100 noch geben, sondern wenn 2100 erreicht ist,
sollten wir die Voraussetzungen dafür geschaffen haben, daß die Menschen des
Jahres 2100 die Möglichkeit haben, das ganze darauffolgende Jahrhundert zu
gestalten.
Jeder andere Ansatz in der Wirtschaft wäre das Ende.
Der Mensch hat einen freien Willen, wie es sich auch in der Musik
ausdrückt. Eine Komposition entsteht; man versucht, die Komposition
aufzuführen; dabei lebt man in einer anderen Zeit, denn die eigene Zeit ist
die Zukunft des Stückes, das man spielt. Es ist die Zukunft, wie sie der
Komponist sich im Geist gedacht hat. Man befindet sich somit in einer anderen
Reihenfolge der Zeit, selbst wenn man sie als lineare Zeit erlebt. Das ist
auch das Problem mit dem Leben: Man erlebt es linear, wenn man sich auf die
Sinneswahrnehmung reduziert. Wenn man sich aber über die Sinneswahrnehmung
erhebt auf die Ebene dessen, was der Geist komponieren kann, lebt man nicht
mehr ganz in der gleichen Zeit.
Dann erkennt man, daß wir eine Gattung sind, die sich immer
weiterentwickelt, so daß wir niemals aussterben müssen. Das ist für uns keine
Unabwendbarkeit. Bei Tieren kann man sagen, irgendwann ist es an der Zeit für
sie, zu verschwinden. Sie können sich nicht anpassen, sie können nicht so weit
denken. Der Mensch aber braucht nie zu scheitern. Wenn wir scheitern, dann nur
deswegen, weil wir unserem Menschsein nicht gerecht geworden sind.
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