30. Mai 2012 •
Die gegenwärtige Politik der westlichen Welt beruht auf der
Blair-Doktrin, wonach die Ära des Westfälischen Friedens überwunden sei und
die nationale Souveränität nicht mehr respektiert werden dürfe. Diese Politik
führt uns in den wirtschaftlichen Ruin und in einen thermonuklearen Konflikt
mit Rußland und China. Die Alternative ist ein Bündnis souveräner Staaten zur
gemeinsamen wirtschaftlichen Entwicklung.
Wir alle, jede Nation in Europa und ihre Bürger, befinden uns in einer
doppelten existentiellen Gefahr: Das Eurosystem und das gesamte
transatlantische Finanzsystem befindet sich im Prozeß seiner vollständigen
Desintegration, die lediglich durch das hyperinflationäre Pumpen von
Liquidität um wenige Wochen hinausgezögert werden könnte. Dies ist das
Resultat des gescheiterten Systems des Britischen Empires, das uns außerdem
auf der Grundlage der sogenannten Blair-Doktrin in eine thermonukleare
Konfrontation mit Rußland und China hineinzuziehen droht.
Es gibt eine Lösung, aber sie ist absolut unmöglich innerhalb des jetzigen
Systems: Das unwiderruflich bankrotte System der Globalisierung und der
Kasinowirtschaft muß durch ein Kreditsystem ersetzt werden, das ausschließlich
an zukünftigen Investitionen in die Realwirtschaft mit hohen
Energieflußdichten orientiert sein muß. Die Wiedererlangung der nationalen
Souveränität ist für beides, die wirtschaftliche Erholung und die Erhaltung
des Friedens, die absolute Voraussetzung. Wir brauchen die sofortige
Etablierung eines Trennbankensystems in der Tradition von Franklin D.
Roosevelt, eines Kreditsystems in der Tradition von Alexander Hamilton und der
Reconstruction Finance Corporation, die Rückkehr zu den nationalen Währungen,
feste Wechselkurse und ein Wirtschaftsaufbauprogramm für Südeuropa, den
Mittelmeerraum und den afrikanischen Kontinent.
In einer Abwandlung des Titels der berühmten Radierung Francisco de Goyas
könnte man über das Resultat der EU-Politik sagen: „Der Schlaf der
wirtschaftlichen Vernunft hat Monster hervorgebracht“. Denn wer wollte noch
bezweifeln, daß der Euro ein gescheitertes Experiment ist? Die Situation in
Griechenland, Spanien, Portugal, Italien, aber auch den Balkanstaaten, ist in
der Tat monströs und kostet schon jetzt viele Menschenleben. Sie ist nicht die
Schuld der jeweiligen Bevölkerung, sondern das Ergebnis der fehlerhaften
Politik der Europäischen Währungsunion sowie der monetaristischen Politik der
EU und der europäischen Regierungen, die vor allem seit dem Ausbruch der
globalen Finanzkrise im Juli 2007 nur noch eine Politik zu Gunsten der
Spekulanten und Banken gegen das Interesse des Gemeinwohls umgesetzt
haben.
Die Eurozone war von Anfang an keine „optimale Währungszone“; es hätte
jedem mit wirtschaftlichem Verstand eigentlich von vornherein klar sein
müssen, daß sich Staaten mit so unterschiedlichen wirtschaftlichen Strukturen,
verschiedenen Sprachen und Kulturen wie Deutschland, Finnland, Griechenland
oder Portugal nicht harmonisch in einer Währungsunion würden entwickeln
können. Bekanntermaßen wurde der Euro nicht aus soliden wirtschaftlichen
Überlegungen geboren, sondern aus der geopolitischen Absicht, Deutschland nach
der Wiedervereinigung in das Korsett der EU einzubinden und zur Aufgabe der
D-Mark zu zwingen. Der ehemalige Berater von Francois Mitterrand, Jaques
Attali, hat inzwischen zugegeben, daß es allen Beteiligten damals klar war,
daß eine Währungsunion ohne politische Union nicht funktionieren konnte, daß
aber dieser Geburtsfehler des Euro beabsichtigt war, um die politische Union
Europas später zu erzwingen!
Genau dies erleben wir derzeit, wo die Europabefürworter unter extremen
Krisenbedingungen versuchen, durch die Einführung von Eurobonds den letzten
Schritt zu einer EU als Bundesstaat zu gehen. Die Machtfülle, mit der der ESM
ausgestattet werden soll, dessen Gouverneursrat und Direktorat lebenslange
Immunität genießen und keine Rechenschaftspflicht haben sollen, würde diesen
Bundesstaat vollends zu einer Diktatur im Interesse der Banken und der City
London machen. Er wäre der Garant für den Absturz Europas in wirtschaftliches,
politisches und soziales Chaos.
20 Jahre, nachdem mit der Unterzeichnung des Maastrichter Vertrages ein
Monstrum geschaffen wurde, und elf Jahre nach Einführung des Euro sind mehrere
Staaten der Eurozone in Gefahr, in afrikanische Zustände abzustürzen, d.h. daß
die Sozialsysteme zusammenbrechen, daß sich die Sterberate erhöht, die
Infrastruktur nicht mehr in Stand gehalten wird, wirtschaftliche Tätigkeit
weitgehend zum Erliegen kommt, jeder zweite oder dritte Jugendliche arbeitslos
ist und ausgebildete Arbeitskräfte aus ihrer Heimat fliehen, weil sie dort
derzeit keinerlei Perspektive für die Zukunft sehen.
Der vermeintliche Boom in den so genannten Aufholländern der Eurozone war
eine Blase, die geplatzt ist. Wenn die Touristenströme geringer werden und
sich die Menschen Ferienzweithäuser nicht mehr leisten können, wird deutlich,
daß sich der gesellschaftliche Reichtum in den angeblichen Boomphasen in
diesen Ländern nicht erhöht hat - es gibt immer noch keine ausreichende
Infrastruktur oder industrielle Kapazitäten. Griechenland zum Beispiel hat
keine einzige Bahnverbindung zum Rest Europas oder nach Asien!
Aber auch die Bevölkerung des sogenannten Profiteurs des Euro, Deutschland,
hat das Nachsehen. In den elf Jahren des Euro ist der Binnenmarkt geschrumpft,
das Realeinkommen gesunken, die Kaufkraft reduziert, hat sich das
Gesundheitssystem erheblich verschlechtert, das Spektrum der
Beschäftigungsstruktur in Richtung Billiglöhne verschoben. Die vermeintliche
Sonderstellung des „Exportweltmeisters“, die vorwiegend den DAX-500- Firmen
und weniger den mittelständischen Betrieben zugutekam, bricht
selbstverständlich in dem Moment zusammen, in denen die Exportmärkte
abstürzen.
In Europa ist mit der EU-Politik nicht der Frieden gestärkt worden, wie die
Propagandisten der europäischen Integration weismachen wollten, sondern die
Feindseligkeit zwischen den Völkern ist auf einem Höhepunkt seit dem Zweiten
Weltkrieg angelangt. Anstatt das Gemeinwohl und den Gemeinschaftssinn zu
fördern, breitet sich das Gesetz des Dschungels aus: Jeder versucht sein
eigenes Überleben zu sichern. Eine Fortsetzung dieser Politik, sei es durch
brutale Sparmaßnahmen in der Tradition von Brüning, sei es in der Form einer
hyperinflationären Kollektivierung der Schulden, bedeutet einen Hochverrat
gegen die Idee eines Europa in der christlich-humanistischen Tradition.
Die Unterwerfung der europäischen Nationen unter das Diktat des britischen
Empire bedeutet aber nicht nur den Unfrieden nach innen, sie zieht Europa auch
unweigerlich in eine strategische Konfrontation mit Rußland, China und
weiteren asiatischen Staaten. Sowohl der russische Präsident Putin, als auch
der russische Ministerpräsident Medwedjew haben sehr deutlich gemacht, daß
Rußland die Unterminierung des internationalen Völkerrechts, wie es in der
UN-Charta festgelegt ist, nicht akzeptieren wird und daß eine Politik der
Verletzung der nationalen Souveränität unter dem Vorwand „humanitärer
Interventionen“ zum Einsatz von Atomwaffen führen wird.
Die Obama-Administration hat sich die sogenannte Blair- Doktrin, nach der
die Ära des Westfälischen Friedens vorbei ist und „humanitäre Interventionen“
auf der ganzen Welt die Interessen des Empires verfolgen sollen, zu eigen
gemacht. Der sogenannte „Rat zur Verhinderung von Greueltaten“ der
Obama-Administration hat eine lange Liste von Staaten erstellt, darunter
natürlich Syrien, der Sudan und viele andere, die als Zielscheibe
militärischer Interventionen gelten.
Tony Blair, der Autor der Lügen, die zum Irak-Krieg geführt haben, hat sich
Obama als Wahlkampfhelfer für die nächsten sechs Monate angedient und erklärte
in den USA öffentlich, daß er sich nach der von ihm angestrebten Wiederwahl
Obamas mit dessen Hilfe wieder um das Amt des Premierministers in
Großbritannien bemühen werde. Der Plan besteht offensichtlich darin, die Welt
auf der Basis der angloamerikanischen Sonderbeziehung als Empire zu regieren.
Damit stehen sich die Blair-Doktrin - die Welt als Empire, in der es keine
souveränen Nationalstaaten mehr geben soll - und die Putin-Doktrin, die auf
der Verteidigung des internationalen Völkerrechts und der Verteidigung der
Souveränität der Nationalstaaten gegründet ist, unversöhnlich gegenüber.
Die Überlappung der Blair-Doktrin - nach der Interventionen gegen
„Schurkenstaaten“ durch die NATO überall auf der Welt möglich sein sollen,
auch wenn die Mitgliedsländer „nicht direkt betroffen“ wären - mit der Politik
der NATO und selbst der EU - vor allem seit dem Vertrag von Lissabon -
bedeutet, daß alle Länder Europas in die potentielle Konfrontation mit
Rußland, China und anderen asiatischen Staaten hineingezogen werden, ohne daß
sie befragt würden oder ein Vetorecht hätten.
Der sukzessive vorangetriebene und aus dem Bewußtsein der Öffentlichkeit
weitgehend ferngehaltene Prozeß der Abgabe der nationalen Souveränität an die
supranationale Brüsseler Diktatur hat uns an einen gefährlichen Punkt
gebracht. Das pro-europäische politische Establishment hat sich, um dazu zu
gehören, soweit an die Abgabe der Souveränität gewöhnt, sodaß ein Widerstand
gegen die imperiale Interventionspolitik, wie er noch in Schröders Nein zum
Irakkrieg, und der Absage Westerwelles zur Teilnahme am Libyenkrieg bestand,
immer weiter erodiert.
In einem etwas anderen Zusammenhang wird dies an der Verdrängungshaltung
europäischer Politiker in der Frage des US-Raketenabwehrsystems in Europa
deutlich, das die russische Regierung ebenfalls als potentiellen Casus belli
bezeichnet hat, was keineswegs nur „Propaganda“ ist, wie einige Politiker auf
unverantwortliche Weise behaupten.
Das neue strategische Konzept der NATO, das unter anderem vom Chef der
britischen Streitkräfte, General Sir David Richards, im Kontext des jüngsten
NATO-Gipfels in Chicago vorgestellt wurde, die so genannte „Smart Defense“,
bei der die 28 Mitgliedsstaaten der NATO ihre Souveränitätsrechte bezüglich
von Auslandseinsätzen der Truppen und Requirierung von Kriegsgerät aufgeben
sollen, zeigt denselben Trend. Richards kündigte an, daß eine weitere
Konferenz der NATO im September diese Frage vollen Zugriffs ohne die
Vetomöglichkeit gewählter nationaler Regierungen und Parlamente endgültig
regeln soll.
Richards ist übrigens ebenso ein „Commander of the Order of the British
Empire“ wie sein Kollege, der Chef des Wissenschaftlichen Beirats Globale
Umweltveränderungen (WBGU) der Bundesregierung, Hans Joachim Schellnhuber, der
ebenfalls von der britischen Königin persönlich wegen seiner Verdienste für
das Empire ausgezeichnet wurde.
Die westliche und ein großer Teil der übrigen Welt wird dominiert von den
Institutionen des Britischen Empire, wenn man darunter nicht Großbritannien,
sondern das System der Globalisierung mit Hauptquartier in London versteht,
also den Verbund von Zentralbanken, Investmentbanken, Hedgefonds,
Beteiligungsgesellschaften, Versicherungen und Rückversicherungen, deren
primäres Interesse in der Profitmaximierung einer parasitären Klasse und einer
gigantischen Umverteilung von unten nach oben besteht.
Die EU von Maastricht bis Lissabon ist in der Praxis nichts weiter als der
regionale Ausdruck dieses Systems. Die Voraussetzung für die Koexistenz der
Nationen in Europa mit dieser EU ist aus besagten Gründen des wirtschaftlichen
und sicherheitspolitischen Selbstinteresses nicht länger gegeben. Deshalb hat
jede Nation vom völkerrechtlichen Standpunkt das Recht, aus diesem Bündnis
auszutreten.
Die Unterwerfung unter das Regime des Britischen Empire der Globalisierung,
dessen regionaler Ausdruck die EU ist, wie sie sich von den Verträgen von
Maastricht bis Lissabon entwickelt hat, würde genau das Gegenteil ihres
erklärten Zieles eines angeblichen Friedens in Europa erreichen. Sie würde zu
wirtschaftlichem Chaos und Krieg führen, und stellt Hochverrat gegen die
Völker Europas dar.