12. September 2012 •
Am 28. August veranstaltete das Schiller-Institut in Fredriksberg bei
Kopenhagen eine Diskussionsveranstaltung zum Thema „Glass-Steagall oder
Chaos!“ Redner waren der Vorsitzende des dänischen Schiller-Instituts Tom
Gillesberg, der Wirtschaftsprofessor der Süddänischen Universität und frühere
Vorsitzende des Dänischen Wirtschaftsrats („Wirtschaftsweise“) Christen
Sørensen, der Direktor der Denkfabrik CEVEA (Mitte-Links-Akademie) Kristian
Weise und vom deutschen Schiller-Institut die stellv. BüSo-Bundesvorsitzende
Elke Fimmen. Die isländische Parlamentsabgeordnete Álfheiður Ingadóttir sandte
eine Grußbotschaft, worin sie die Kampagne des dänischen Schiller-Instituts
für die Bankentrennung unterstützte. (Ein ausführliches Interview von Michelle
Rasmussen von EIR in Dänemark mit Álfheiður finden Sie in der letzten
Ausgabe.)
Alle Redner sprachen sich für das Glass-Steagall-Trennbankensystem aus, sie
beantworteten Fragen aus dem Publikum und es entstand eine zeitweise hitzige
Diskussion insbesondere zur Frage des Kreditsystems. Andere wichtige Themen
waren die Ursachen der Finanzkrise, der Euro-Absturz, Regulierung der
Finanzmärkte, das Programm für ein Wirtschaftswunder in Südeuropa sowie die
weltweite Kriegsgefahr. Mehrere der anwesenden 35 alten und neuen Kontakte des
Schiller-Instituts sagten als erste Reaktion, es sei für sie eine Ehre, daß
sie bei dieser Veranstaltung dabei sein durften.
Als das dänische Schiller-Institut im Jahr 2008 die Kampagne für
Glass-Steagall begann, konnte mit der Idee niemand etwas anfangen und nur
wenige interessierten sich dafür. Unwissenheit und Realitätsverweigerung waren
wie eine Epidemie, die Menschen klammerten sich an den Glauben, sie lebten in
einer gut funktionierenden demokratischen Gesellschaft. Selbst noch im
Wahlkampf der „Freunde des Schiller-Instituts“ im Herbst 2011, als jedermann
von der Krise wußte - wenn auch nicht von ihrem wahren Ausmaß -, lachte man
noch über das Wahlplakat mit dem Slogan „Glass-Steagall oder Chaos“. Es galt
als weltfremd und esoterisch. Doch inzwischen haben verschiedene
Persönlichkeiten, Institutionen und sogar Zeitungen den hartnäckigen Ruf des
Schiller-Instituts nach diesem ersten Schritt aus der Krise aufgegriffen.
Angesichts der wachsenden Debatte und Zustimmung zur Bankentrennung
beschloß das Schiller-Institut, eine solche Veranstaltung durchzuführen, um
die Debatte auf eine neue Ebene zu heben. Eingeladen wurde die
„Mitte-Links-Akademie“ CEVEA, die vor einigen Jahren als Konkurrenz zu CEPOS
(Zentrum für politische Studien), einer streng liberal-marktwirtschaftlich
ausgerichteten Denkfabrik, gegründet worden war und die herrschende
Sparpolitik scharf kritisiert. Dort freute man sich über die Einladung, und
ihr Direktor Kristian Weise nahm gern an der Podiumsdiskussion teil. Zu den
weiteren geladenen Rednern gehörte auch Christen Sørensen, der schon auf der
internationalen Konferenz des Schiller-Instituts in Rüsselsheim im Juli 2011
gesprochen hatte.
In diesem Kontext eröffnete Tom Gillesberg die Veranstaltung mit einer
Erklärung des Glass-Steagall-Konzepts. Er erläuterte den Unterschied zwischen
Geschäftsbanken und Investmentbanken und beschrieb, wie US-Präsident Franklin
Roosevelt vorging, als er es damals - in kleinerem Maßstab als heute - mit dem
gleichen Problem zu tun hatte. Gillesberg bezog sich dann auf den dramatischen
Stimmungswandel seit Bekanntwerden des LIBOR-Skandals, um schließlich darauf
zu kommen, was nach der Wiedereinführung der Bankentrennung zu tun sein wird -
als positives Beispiel dafür nannte er die Marsmission Curiosity.
Christen Sørensen sagte gleich zu Beginn, er glaube nicht an
„Patentlösungen“ - weder an radikal „liberale“ oder „humanistische“, noch an
die Bankentrennung als Einzelmaßnahme, obwohl diese ein notwendiger Schritt
sei. Anhand einiger Beispiele aus der Geschichte belegte er, daß „reiner
Kapitalismus“ nie funktioniert. Eine zu strenge Regulierung werde aber immer
zur Folge haben, daß die regulierten Institute sich ein Schattensystem
schaffen, das schneller als der regulierte Teil des Finanzsystems wächst, bis
es mächtig genug ist, die Regulierungen umzustoßen, so daß die Aktivitäten aus
dem Schattensystem legalisiert werden. Daher müßten die Vorschriften für alle
Beteiligten akzeptabel sein.
Sørensen ging dann auf die Frage ein, ob man die gegenwärtige Krise durch
eine Austeritätspolitik überwinden könne. Die derzeitige Politik drakonischer
Sparmaßnahmen in Südeuropa sei tragisch, und diese Tragödie hänge eng zusammen
mit der „viel zu früh“ erfolgten Einführung des Euro. Die Menschen seien noch
nicht bereit dafür gewesen. Die derzeitige EU-Politik werde unter deutscher
Führung verfolgt, aber er verstehe nicht, wie eine Nation, die die
Konsequenzen des Versailler Vertrages am eigenen Leib erfahren habe, nun
anderen Nationen die gleiche Politik aufzwingen könne.
Zum Schluß wies er auf zwei wichtige Aspekte hin: auf die Unehrlichkeit der
Einführung des Maastricht-Systems, bei der man den Menschen sagte, sie könnten
ihre nationalen Währungen aufgeben, ohne dadurch ihre Souveränität zu
verlieren, und darauf, wie blind und taub die Medien seien, die nicht sehen
könnten, wie katastrophal das Eurosystem sei. Allerdings betonte Sørensen in
seinem Vortrag immer wieder, daß man auf allen Ebenen - regional, national und
international - Kompromisse machen müsse, denen alle Interessengruppen
zustimmen können, was zeigte, daß er dem Denken des Systems noch sehr
verhaftet ist.
Kristian Weise, der Direktor der Denkfabrik CEVEA, stellte zu Beginn seines
Vortrags die Frage: Was ist überhaupt der Zweck des Bankensystems? Seine
Antwort war eine dreifache: 1) die Ersparnisse der Menschen schützen, 2) das
Kapital des Systems in die produktivsten Projekte leiten, und 3) die dem
System innewohnenden Risiken so verteilen, daß sie erträglich seien. Die
Banken hätten vor der Krise von 2007-2008 in allen drei Punkten versagt.
Dann widerlegte er das Argument, daß das wachsende Volumen der monetären
Werte zu einer Vermehrung der Gelder führe, die in die produktive Wirtschaft
investiert werden, und verwies auf das Problem der Machtverlagerung von der
Politik zur Finanzwelt, was sich bei der Präsidentschaftswahl 2008 gezeigt
habe, wo mindestens die Hälfte der Wahlspenden für Obama von der Wall Street
gekommen sei. Er sprach das Scheitern der Demokratien im Umgang mit der Krise
an, das sich in der Tatsache zeige, daß die Entscheidungen nicht auf der
Grundlage der Zustimmung der Menschen zu politischen Ideen gefällt, sondern
politisch schrittweise als „notwendig“ in einer „Notlage“ durchgesetzt werden.
Weise schloß, daß inzwischen das Finanzsystem, das eigentlich wie das Öl in
einem Automotor wirken sollte, am Steuer sitze und wieder auf seine
angemessene Rolle zurückverwiesen werden müsse.
Auch wenn diese beiden Ökonomen einiges Verständnis für die Probleme des
Systems zeigten, war ihre Sichtweise begrenzt durch die Konventionen dieses
Systems und die gemeinsame Überzeugung, daß das System, das für das Wachstum
in der Nachkriegszeit gesorgt habe, ein keynesianisches System gewesen
sei.
Elke Fimmen, die stellv. Vorsitzende der Bürgerrechtsbewegung Solidarität
aus Deutschland, gab dann einen mehr strategisch ausgerichteten Überblick über
die Lage. Sie ging ausführlich auf die Kriegsgefahr und die Finanzkrise ein,
insbesondere die Krise des Euro und die hierdurch ausgelösten Sparmaßnahmen,
und forderte ihre Hörer dazu auf, sich selbst als Staatsbürger, aber auch als
Weltbürger zu verstehen. Sie kontrastierte den derzeit trüben Zustand der Welt
mit dem, was er sein könnte, wenn man die Richtung weiterverfolgte, die
Curiosity auf den Mars gebracht habe.
Sie beschrieb dann die Lage in Deutschland, wobei sie insbesondere auf die
Debatte über den ESM, den Fiskalpakt und inzwischen auch über das
Trennbankensystem einging, das nicht zuletzt durch die intensive Arbeit der
BüSo inzwischen in aller Munde sei.
Schließlich beschrieb sie das Aufbauprogramm für Südeuropa und den
Mittelmeerraum, das die LaRouche-Bewegung als Alternative zu der derzeitigen,
verrückten Politik ausgearbeitet und in vielen Sprachen und Ländern Europas
veröffentlicht hat. Wenn man dieses Programm mit einer klassischen Renaissance
verbinde, könne Europa eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung dieser
Länder spielen und dazu beitragen, daß die gemeinsamen Ziele der Menschheit
erreicht werden, schloß sie.
In der anschließenden Diskussion kam es zu einer intensiven Diskussion
zwischen Fimmen und Sørensen, bei der es darum ging, daß man Investitionen in
die Infrastruktur nicht in monetären Begriffen messen kann, sondern ein
Kreditsystem braucht, damit nicht die Profite das Ziel der Investition sind,
sondern die Schaffung der Voraussetzungen für das künftige Wohl der
Menschen.
Damit endete die Veranstaltung. Dieser dramatische Abschluß konfrontierte
die Gäste der Veranstaltung mit der Tatsache, daß selbst die besten Ökonomen
dem Denken des gegenwärtigen Systems so sehr verhaftet sind, daß sie
Schwierigkeiten haben, sich davon zu befreien, und immer noch an dem
festhalten, was sie als „gesichert“ betrachten - wie der Bruder des alten
Mannes in Edgar Allan Poes Novelle „Der Abstieg in den Mahlstrom“, der sich
weigert, das Boot zu verlassen, mit dem er in den Mahlstrom und in den
Untergang gezogen wird. Den 35 Gästen der Veranstaltung wurde hingegen
gezeigt, daß man auch im Mahlstrom nicht in Panik verfallen darf, und wie man
das Faß ergreifen muß, mit dem man dem Mahlstrom entkommen und sich retten
kann, um eine Welt für die Menschen zu schaffen, in der ein jedes Kind sein
volles Potential verwirklichen und auf diese Weise dazu beitragen kann, jede
Herausforderung zu meistern, die sich der Menschheit stellen wird.