Die Lösung für Griechenland
Von Theodore Katsanevas
Austritt aus dem Euro, Kürzung der internationalen Schulden und
staatliche Investitionen sowie wirtschaftliches Wachstum sind die Lösung für
Griechenland. Theodore Katsanevas ist Professor für Ökonomie an der
Universität von Piräus, Griechenland, und ehemaliger Abgeordneter des
griechischen Parlaments.
Immer mehr belastende Maßnahmen werden Griechenland auferlegt, trotz des
Scheiterns der ursprünglichen Austeritätspolitik, die man nach der Weltkrise
von 2008-09 einführte. Das Land steht vor einer endlosen Depression, die nur
noch mehr Depression erzeugt, zu einer gewaltigen Arbeitslosigkeit und
verbreiteter Armut führt und die Hoffnung auf Entwicklung erstickt. Es stellt
sich eine einfache Frage: Warum sind wir in die Eurozone eingetreten, wenn
nicht, damit um die griechische Wirtschaft zu verbessern? Aber das Gegenteil
ist geschehen. Niemals in der Nachkriegszeit, als wir mit unserer eigenen
Währung, der Drachme, lebten, haben wir eine solche Katastrophe gesehen, wie
wir sie jetzt erleben.
Der Euro erstickt die regionale Wirtschaft
Unser Eintritt in die Eurozone 2002 hat - zusammen mit dem Mißmanagement
unserer Regierung in den letzten 15 Jahren, das müssen wir zugeben - unsere
Volkswirtschaft in Schutt und Asche gelegt. Und heute verlieren wir jede
Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Die Wirtschaft ist in einen Strudel der
Rezession gestürzt, der zu einem weiteren Rückgang des einheimischen
Verbrauchs führt, die Steuerbasis reduziert und die Entwicklungsmöglichkeiten
beseitigt. Importierte Waren aus konkurrierenden Volkswirtschaften, die
international mit schwächeren Währungen handeln, bleiben weiterhin billiger,
teils sogar viel billiger als unsere eigenen.
Der Schwerpunkt der regionalen Wirtschaft Griechenlands auf Tourismus und
Landwirtschaft erforderte arbeitsintensive Produktionsprozesse. Die
Arbeitskosten lassen sich nicht unter ein gewisses Maß drücken, so daß die
Produktionskosten insgesamt genauso niedrig oder geringer würden als die
unserer Konkurrenten. Ein Zimmer in einem griechischen Hotel kostet doppelt
soviel wie bei unseren Konkurrenten in der Türkei, in Ägypten, Bulgarien,
Rumänien oder Ungarn. Und nicht nur das: Unsere Oliven, Orangen, Zitronen,
Pfirsiche, Kirschen, die jetzt von den Bäumen fallen und verrotten, werden
durch billigere Importe aus dem weit entfernten Argentinien, Marokko, Ägypten
etc. verdrängt.
Ist die Wirtschaft dumm? Natürlich nicht. Die „cleveren“ Holländer, und
nicht nur sie, importieren ebenfalls billige Agrarprodukte von außerhalb der
Eurozone, erklären sie zu „europäischen“ Produkten und reexportieren sie an
die „dummen Griechen“. Die Kosten von Düngemitteln, die von einem Oligopol von
Firmen in Nordeuropa hergestellt werden, haben sich für die Griechen mehr als
verdoppelt, was beträchtliche Konsequenzen für die Produktionskosten hat.
Griechenland hat in den letzten zehn Jahren Waffen für fast 90 Mrd. Euro aus
dem Westen importiert, was fast unserem ursprünglichen Defizit entspricht. Die
Türkei, ein Kandidat für den Beitritt zur Europäischen Union, bedroht weiter
unmittelbar die territoriale Integrität Griechenlands und Zyperns und zwingt
uns so, den weltweit nach den USA größten Teil unseres BIP für Waffen
auszugeben. Das gleiche Land bombardiert uns jährlich mit 200.000 illegalen
Einwanderern, während unsere eigenen Kinder ins Ausland fliehen, mit
tragischen Konsequenzen für unsere Wirtschaft und unsere nationale
Existenz.
Euro ist auf Deutschland zugeschnitten
Der Maßanzug des Euro ist so zugeschnitten, daß er zu den Maßnahmen der
nordeuropäischen Länder paßt, die das Oligopol für kapitalintensive Produkte,
Hochtechnologie und Innovationen haben. Die Kosten dieser Produkte können
stark gesenkt werden und die Profitmargen sind sehr groß. Auf diese Weise
erlaubt es der harte Euro Deutschland und unseren nordeuropäischen
Verbündeten, große Devisenüberschüsse zu erwirtschaften und auch mit den
ebenso großen Zinsdifferenzen zu spekulieren.
Bei der Untersuchung der Wirkung der Eurozone auf mehrere Länder stellten
wir etwas Erstaunliches fest: Der Verlauf der Entwicklung in Griechenland,
Italien, Portugal, Spanien und Irland machte vor dem Beitritt zum Euro
1999-2002 gute Fortschritte, fiel dann aber bereits kurze Zeit später ab. Das
gleiche gilt mehr oder weniger auch für andere Länder der Eurozone,
insbesondere für Zypern, Slowenien, die Slowakei, Estland und Belgien, während
Länder außerhalb der Eurozone, wie Großbritannien, Dänemark, Schweden, die
Tschechische Republik sowie Bulgarien, Ungarn, Polen und Rumänien ein stetiges
Wachstum verzeichneten, mit einem teilweisen Rückgang nach dem Beginn der
Krise 2009.
Länder außerhalb der EU wie Norwegen, Serbien und die Türkei widerstanden
der Krise ebenso wie Rußland und andere. Argentinien entwickelt sich seit der
Abkopplung seiner Währung vom Dollar exponentiell, ganz zu schweigen vom
beeindruckenden wirtschaftlichen Aufschwung Chinas, vor allem aufgrund des
weichen Yuan.
Seien wir realistisch. Unsere Partner bestehen darauf, daß Griechenland in
der Eurozone bleibt, weil sie Angst haben, daß der „Grexit“ eine gefährliche
Dominowirkung hätte. Aber wenn unsere Volkswirtschaft weiter in einer
wirtschaftlichen Paralyse bleibt, gibt es keine Hoffnung. Unsere schwache
Wettbewerbsfähigkeit und das derzeitige Schrumpfen unserer einheimischen
Produktion und unseres Verbrauchs führen uns in einen Teufelskreis der
Zahlungsunfähigkeit und der Notwendigkeit immer neuer Kredite. Und im Lauf der
Zeit wird das zu einer Belastung für alle - auch für unsere Gläubiger. Es ist
wahr, der Ausstieg aus dem Euro wird für ein Land wie Griechenland zunächst
schmerzhaft sein, doch wir erleben schon jetzt schmerzhafte Stunden, aber ohne
jede Hoffnung für morgen.
Was ist zu tun?
So wie die Dinge liegen, ist die Lösung eindeutig ein kontrollierter
Bankrott, durch den die Schulden insgesamt um etwa 50% reduziert werden, mit
einer Gnadenfrist von zwei Jahren vor dem Beginn der Rückzahlung der
verbleibenden 50% und einer Verlängerung des Rückzahlungszeitraums. Und vor
allem der Austritt aus dem Euro, ohne aus der Europäischen Union auszutreten.
Die Neue Drachme könnte zunächst um 50% abgewertet werden und dann einem
rationalen Wechselkurs folgen, der an einen Währungskorb gebunden ist, in dem
der Euro, der Dollar und andere schwache Währungen unserer Konkurrenten
enthalten sind. Eine andere Lösung wäre die Schaffung eines zweiten Euro für
die Peripherieländer.
Jedenfalls sind die tragische Zunahme der Arbeitslosigkeit und der
Selbstmorde, die verbreiteten Unternehmensschließungen, die extremen Kürzungen
von Löhnen und Renten, die Entlassung der Staatsbediensteten im Alter zwischen
50 und 55 Jahren, wenn sie keine Arbeit mehr im privaten Sektor finden können,
der Absturz vieler Menschen in völlige Armut und anderes nicht nur
unmenschlich, sondern auch offensichtlich unwirtschaftlich und politisch
gefährlich. Sie führen zu einem starken Rückgang der Binnennachfrage und zu
weitverbreiteten sozialen Unruhen mit tragischen wirtschaftlichen und sozialen
Konsequenzen.
Es ist zweifellos dringend notwendig, die Staatsausgaben zu kürzen, die
öffentlichen Verwaltungen, die Rentenversicherung und die
Gesundheitsversorgung zu modernisieren, die Korruption, Straflosigkeit und
Bürokratie zu bekämpfen und die Steuerhinterziehung zu reduzieren. Für eine
aktive Entwicklungspolitik ist es auch notwendig, gesunde industrielle und
produktive Einheiten zu unterstützen und strategische Sektoren der Wirtschaft
zu fördern - alternative Energien, die Förderung von Öl, Gas und
Mineralstoffen, den Qualitäts- und Seetourismus, wettbewerbsfähige und/oder
alternative Agrarprodukte, Aquakultur, Lebensmittelindustrie und Düngemittel,
neue Technologien, Forschung und Innovation. Aber für all das sollte das Land
von den besten menschlichen Kräften mit einem Gefühl für Fairneß effizient,
kompetent und ehrlich geführt werden, statt von den schlechtesten. Und das ist
ein Punkt, wo uns unsere europäischen Partner ihren nützlichen Rat und Hilfe
geben können.
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