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  20. November 2006   Newsletter  

Immobilien-Kernschmelze als Systemrisiko
Rubin zur Gefährdung des US-Dollars
Amerika riskiert eine Krise wie 1919
Italien: Forderung nach einem "neuen Bretton Woods"
LaRouche zur italienischen Bretton-Woods-Initiative
Helmut Schmidt: die Lehren aus Weimar ziehen

LaRouche zu Wirtschaft, Impeachment und Südwestasien

In einem Internetforum, das am 16.11. von Washington aus übertragen wurde, sprach Lyndon LaRouche über den Wirtschaftskollaps, die Perspektive für die neue demokratische Mehrheit im Kongreß und den Umgang mit der katastrophalen Lage im Irak. Es folgen Auszüge:

"Unser Hauptthema ist die Frage der Wirtschaft, die viel Aufmerksamkeit erfordert. Ich erstelle gerade eine Studie..., die u.a. in EIR veröffentlicht wird, und den Titel trägt: Die US-Wirtschaft retten... Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf drei Kernpunkte lenken; dann werde ich auf die Wirtschaft zurückkommen. Erstens warnte unser ehem. Finanzminister Bob Rubin kürzlich..., daß wir vor einer großen Krise stehen; direkt vor einem Kollaps des jetzigen Währungs- und Finanzsystems... Er hat keine Lösung präsentiert, aber auf die Notwendigkeit hingewiesen, auf diese Gefahr zu reagieren, die er noch stark untertrieben hat. Dagegen habe ich nichts einzuwenden, denn Bob Rubin... ist ein Fachmann im Banksektor -- deshalb wurde er Finanzminister. Er ist ein sehr kluger Mann; er ist sehr intelligent und mutig. Aber er ist ein Bankier, kein Politiker. Er ist kein Kommandeur einer Armee im Feld. Ich selbst neige mehr zu dem letzteren Beruf, wie Sie wissen.

Aber ich stimme mit ihm in diesem Punkt überein... und ich habe nichts dagegen, daß er das Problem stark untertreibt und keine Lösung vorschlägt -- auch nicht insoweit, wie er selbst eine Lösung hat. Sein Job ist es, die Dinge voranzubringen, die Leute so zu mobilisieren, daß sie erkennen, daß wir keine 'glückliche' Wirtschaft haben, sondern eine schreckliche, unter der die ärmeren 80%, ja sogar 90% der Familien in den USA stark leiden. Eine Ökonomie, in der sich alle Nationalstaaten West- und Mitteleuropas in einem Desintegrationsprozeß befinden, und in dem es z.B. in Südamerika nur in einigen Teilen eine gewisse Erholung gibt, ansonsten aber massives Elend herrscht. Die Lage in Afrika ist unbeschreiblich. Und wenn die USA kollabieren, wie ich gleich näher erläutern werde, wird auch China abstürzen; auch Indien und die ganze übrige Welt: und zwar kettenreaktionsartig -- nicht nur in eine Depression, sondern in eine allgemeine Zusammenbruchskrise, wie die, die in der Mitte des 14. Jhdts. Europa heimsuchte. In dem damaligen 'neuen finsteren Zeitalter' verschwand in nur einer Generation die Hälfte aller Siedlungen Europas von der Landkarte; ein Drittel der Bevölkerung wurde ausgelöscht. Heute droht uns dies evtl. weltweit. Kritisieren Sie also Bob nicht, denn er muß versuchen, einige Holzköpfe zum Leben zu erwecken, damit sie merken..., daß wir in einer tödlichen Krise stecken, die starke und außergewöhnliche Abhilfen erfordert. Zum Glück gibt es diese Abhilfen, wenn wir den Willen haben, sie zu akzeptieren.

Eine ähnliche Lage haben wir in punkto Rückzug aus dem Irak. Wir sind wohl alle zu einem Rückzug aus dem Irak entschlossen. Weil es dabei aber praktische Probleme gibt, müssen wir dafür sorgen, daß der ernsthafte Wille besteht, aus dem Irak herauszukommen. Das ist keine halbherzige Entschlossenheit, sondern eine absolute! Doch wir können den Irak nicht einfach verlassen! Deshalb müssen wir, wie einige führende Generäle erklärten, die gegen diesen Krieg sind und das auch öffentlich gesagt haben, einen Prozeß in Gang setzen, mit dessen Hilfe wir uns erfolgreich zurückziehen können, der aber das dortige Chaos, das die Regierung Bush angerichtet hat, nicht noch vergrößert. Deshalb stimme ich mit beiden Seiten überein; mit der, die 'sofortiger Rückzug' sagt, und mit der, die erklärt: 'Wir brauchen einen Rückzugsplan, der den Erfordernissen gerecht wird'.

Es gibt noch eine dritte Frage dieser Kategorie: Einige Demokraten trauen sich nicht, im Kongreß das Wort 'impeachment' zu sagen. Warum? Sie sind für ein Absetzungsverfahren, wir sind für ein Absetzungsverfahren... abgesehen von einigen Betonköpfen, wie z.B. der demokratische Betonkopf Joe Lieberman, der von den Republikanern gewählt wurde... Aber insgesamt haben (die Abgeordneten) recht. Weil sie, und dies wird Ihnen z.B. John Conyers sagen, der demnächst den zuständigen Ausschuß leitet, im Kongreß nicht als Richter und Jury gegen den Präsidenten auftreten können, wenn sie vorher dessen Ankläger waren. Man muß die verfassungsmäßige Prozedur befolgen, denn man darf das Recht und den fairen Prozeß nicht beugen bzw. stören; auch dann nicht, wenn man das Notwendige tut.

Aber wir, die wir nicht im Kongreß sitzen, nicht im Senat und nicht im Repräsentantenhaus, haben die Verantwortung, die Absetzungsverfahren zu fordern, die -- wie wir wissen -- notwendig sind: Cheney muß als erster gehen! Deshalb machen wir Druck, und sie führen den Prozeß. Und so lange ihr Prozeß unserem Druck entspricht, wird das richtige dabei herauskommen. So funktioniert Führung, bzw. der entsprechende Prozeß des Regierens. Man muß einen strategischen Überblick haben über das, was geschehen muß, und ein Verständnis für das zu korrigierende Problem. Aber man muß auch Respekt für den verfassungsmäßigen Ablauf haben, damit man auf dem Weg zum Ziel nicht das Ziel selbst zerstört...

Es gibt noch einen weiteren Punkt, unseren wichtigsten Punkt heute: daß Bob Rubin keine Lösung hat. Keine der wohlmeinenden Finanz- und Wirtschaftsautoritäten in den USA, Westeuropa, oder in der ganzen Welt haben eine Vorstellung davon, wie diese akute internationale Finanz-, Währungs- und Wirtschaftskrise zu lösen ist. Keiner! Außer mir! Daher muß ich erstens offen sagen, was die Lösung ist, und zweitens die Natur des Problems benennen, damit wir die Medizin anwenden, die den kranken Patienten heilen kann. Wenn wir das nicht tun, was meinem Wissen nach getan werden muß, wenn wir nicht einige notwendige Schritte unternehmen, werden wir bei dem Versuch, die Krise zu lösen, das Chaos noch verschlimmern. Und wenn wir es vergrößern, jetzt, in einer Krise, die schlimmer ist als 1929-1933, droht uns ein finsteres Zeitalter...

Ich muß sagen, was getan werden muß, denn die anderen wissen nicht, was zu tun ist. Bob Rubin weiß nicht, was zu tun ist, und er gehört auf diesem Gebiet zu den Klügsten in den USA. Auch Bill Clinton weiß es nicht. Keiner der Ausschußvorsitzenden im Kongreß -- egal, ob Senat oder Repräsentantenhaus -- weiß, was zu tun ist. Die besten von ihnen wollen wirklich etwas tun. Sie wollen wissen, was sie tun müssen. Meine Aufgabe ist es, ihnen zu sagen, was die Lösung ist, und was zu tun ist. Hoffen wir, daß sie mir zustimmen -- zum Wohl von uns allen, und den künftigen Generationen der Menschheit."

Moderatorin: "Die erste Frage betrifft eine strategische Sorge und kommt von hohen ehem. Militärs, mit denen wir vor allem letzte Woche diskutiert haben. Sie sagen: ,Mr. LaRouche, bald liegt der Bericht der Baker-Hamilton-Kommission vor. Einige von uns haben ihre Sorge geäußert, daß innenpolitische Überlegungen sich gegen den besten strategischen Ansatz zur Lösung der Irakkrise durchsetzen könnten, die immer mehr zu einem religiösen Bürgerkrieg eskaliert. Was sagen Sie dazu, und wie würden Sie Ihre eigene Südwestasien-Doktrin von 2004 aktualisieren oder modifizieren?'"

LaRouche: "In negativer Form über die Politik bzgl. Südwestasien zu reden, ist Unsinn! Es ist nicht bloß eine militärische Frage, es ist eine strategische Frage auf höchstem Niveau. Wir sind [historisch] an einem Punkt, wo es unmöglich ist, einen allgemeinen Krieg zu führen. Wir sind im Zeitalter der Kernwaffen, und die traditionellen Ideen über Kriegführung funktionieren nicht mehr, außer zur Verteidigung in ganz bestimmten Situationen. Aber die Idee eines allgemeinen Krieges, einer Kriegserklärung -- man führt keine Kriege; man muß sich evtl. verteidigen, aber man setzt den Krieg nicht fort. Man verteidigt sich, und versucht, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Kommt da raus! Und Sie sind bereit dazu. Andererseits ist einer der Gründe, warum man den Krieg nicht führen kann, der, daß [im Irak] ein asymmetrischer Krieg tobt -- ein großer irregulärer Krieg. Keine Streitmacht kann sich als permanente Besatzungsmacht gegen asymmetrische Kriegführung halten. Die Israelis wurden im Libanon verprügelt und besiegt -- durch asymmetrische Kriegführung. Sicher, sie haben wie verrückt bombardiert, sie haben ihre Luftwaffe eingesetzt, aber was soll das? Man lebt am Boden, man kann nicht immer im Flugzeug bleiben. Was geschah in Afghanistan mit der Sowjetunion? Asymmetrische Kriegführung. Was erlebten die USA in Indochina? Asymmetrische Kriegführung. Was geschah im Irak? Verschärfte asymmetrische Kriegführung, verschlimmert durch den Idioten [Bremer], der in den Irak geschickt wurde, und, als die USA die Lage kontrollierten, das Abkommen mit dem irakischen Militär und der Baath-Partei aufhob... Bremer hat alles falsch gemacht. Normalerweise akzeptiert man die Unterwerfung, übernimmt die Truppen des Landes, die man gerade besiegt hat, überläßt ihnen die Verwaltung des Landes, im Rahmen einer Vereinbarung, die auf ein Friedensabkommen abzielt. Auf keinen Fall sollte man einen Regimewechsel versuchen. Der Regimewechsel hat den asymmetrischen Krieg unvermeidlich gemacht. Wir sind jetzt am Ende des asymmetrischen Krieges. Wir verlieren die Kontrolle in Palästina und Israel. Die Lage wird zunehmend unmöglich. Wir stehen vor einem sunnitisch-schiitischen Krieg in der Region: Maximale Destabilisierung.

Deshalb müssen wir eine höhere Ebene erreichen, als diese rein militärische. Ja, wir brauchen eine Abzugsstrategie... Das heißt, daß wir ganz Südwestasien in einen umfassenden Ansatz einbeziehen, der uns den Abzug ermöglicht. Solange aber dieser US-Präsident an der Macht ist, geht das nicht. Man kann es nicht tun. Die Generäle haben in gewisser Hinsicht recht, aber der Abzug geht nicht, solange dieser Präsident im Amt ist. Aus zwei Gründen: Nicht nur wegen ihm und Cheney und dessen Apparat, der schon viel zu tief in die Institutionen der US-Regierung eingedrungen ist; es wird einige Mühe kosten, diese Ratten loszuwerden, die als Teil der Regierung Bush in die Administration geholt wurden. Sie sind jetzt seit sechs Jahren dort. Sie haben ihr Gift versprüht, die Institutionen zersetzt, Ideen zerstört und überall ihre Agenten plaziert. Der Punkt ist: Die USA werden nicht respektiert, solange Bush Präsident ist und Cheney Einfluß hat. Wenn die USA etwas in Südwestasien bewegen wollen, dann müssen sie diesen Kerl aus dem Weißen Haus herausschaffen; sie brauchen einen Sprecher für die USA, dem die Menschen glauben werden.

Ich bin jetzt -- ganz persönlich -- daran beteiligt, auszuloten, welche diplomatischen Optionen Teil eines solchen Arrangements sein könnten... Was ist jetzt zu tun? Wir müssen direkt mit dem Iran verhandeln, ohne Bedingungen. Wir müssen generell diplomatische Beziehungen mit dem Iran aushandeln. Punkt. [Applaus] Damit ändert sich die Dynamik. Wir müssen die Türkei einbeziehen, denn in gewissem Sinne schaffen wir mit der jetzigen Politik das Kurdistan-Problem... Wir müssen die Israelis stoppen. Sie werden das Abkommen mit den Palästinensern jetzt schließen! [Applaus] Man muß dabei diplomatisch genauso hart sein, wie in einem Krieg. Wenn man in der richtigen Weise hart ist, kann man den Krieg gewinnen, ohne ihn führen zu müssen.

Das Problem ist, daß man für den vorgeschlagenen Abzug -- den Prozeß des Rückzugs -- die richtigen Faktoren braucht, damit die Sache funktioniert. Alles, was ich derzeit dazu lese, ist, daß die Lage sich so stark verschlechtert hat, daß ein einfacher Rückzug scheitern wird... Die Alternative zu einem bloßen Rückzug besteht in meinem Vorschlag. Wenn Sie wollen, daß er gelingt, dann handeln Sie. Wir müssen das tun -- denn wir haben es mit einer dynamischen Lage zu tun, nicht mit einer cartesischen, mechanistischen Situation. Diese Dynamik in der Region muß gesteuert werden, und ich denke, daß wir das können. Ich glaube, daß wir zusammen mit Rußland, Deutschland -- mit Frankreich ist es schwieriger -- sowie der Türkei eine allgemeine diplomatische Einigung mit Teheran aushandeln können. Ohne Vorbedingungen -- nur daß wir reguläre diplomatische Beziehungen haben. Punkt. Holen wir Indien ins Boot sowie den pakistanischen Faktor -- was durchaus realistisch ist. Macht kein Durcheinander in Darfur, wie es einige Leute wollen... Laßt nicht zu, daß Ägypten destabilisiert wird; und setzt das auch durch -- mit einer netten kleinen Verschwörung einiger Mächte. Diese Lösung müssen wir der jetzigen israelischen Regierung aufzwingen. Es wird einen palästinensisch-arabisch-israelischen Frieden geben. Wir werden ihn haben! Wir können es schaffen. Die Gefahr ist, daß diese Verrückten [in Israel] anfangen, sich selbst zu bombardieren, als wären sie auf einem Selbstmordtrip gegen den Iran. Das könnte das höllische Chaos vergrößern. Das ist die Lage.

Sie haben also recht in Ihrer Lageeinschätzung: Sie haben recht bzgl. der Konsequenzen eines bloßen Rückzugs. Aber wenn man anfängt, die Alternative zu definieren, stellt man fest, daß wir wirklich in einem Schlamassel stecken. Man wird sagen: Mit diesem Präsidenten, mit diesem Vizepräsidenten, mit der jetzigen Politik können wir es nicht schaffen. Nehmen wir also den Baker-Hamilton-Vorschlag; er berührt wichtige Faktoren, und in diesem Sinne ist er positiv. Aber sind Sie bereit, weit genug zu gehen, um den Krieg tatsächlich zu gewinnen, anstatt nur so zu tun, als wollten Sie dahingehend eine Geste machen? Man muß den Mut haben, das ganz durchzudenken... Wenn ich Präsident der USA wäre, könnte ich es tun, und ich würde es tun. Aber ich bin nicht der Präsident der USA. Das ist Ihr Problem."

Immobilien-Kernschmelze als Systemrisiko

Die jüngsten Zahlen zum US-Immobiliensektor lassen darauf schließen, daß der Crash bereits eingesetzt hat. Im Oktober schrumpfte der Wohnungsbau in den USA auf das niedrigste Niveau seit sechs Jahren. Neubauten von Einfamilien- und Apartmenthäusern lagen 14,6% unter dem Vormonat und sogar 27,4% unter dem Vorjahresmonat. Das ist der größte Rückgang seit 15 Jahren. Die Zahl der Baugenehmigungen steht auf den tiefsten Stand seit neun Jahren und ist seit neun Monaten in Folge gefallen -- das es hat bisher noch nie gegeben. Der Bestand an unverkauften Neu- und Altbauten erreicht fast einen Allzeitrekord.

Am 9.11. warnte der neue Direktor der Wohnungsbau-Aufsichtsbehörde OFHEO (Office of Federal Housing Enterprise Oversight), James Lockhart, vor den Folgen einer Immobilien-Kernschmelze für die amerikanischen Banken. Vor der New Yorker Bankenvereinigung forderte er, seiner Behörde vergleichbare Befugnisse wie der Bankenaufsicht zu geben, um zu verhindern, daß potentiell "schwerwiegende finanzielle Schwierigkeiten" der hochverschuldeten Hypothekenpapierhändler Fannie Mae und Freddie Mac "beträchtliche" Folgen für Finanzmärkte und Geldinstitute haben. Die beiden halböffentlichen Institute (kurz als "GSE" bezeichnet) beherrschen den US-Hypothekenmarkt. Ende 2005 besaßen oder garantierten sie zusammen 40% der Wohnungshypotheken in den USA, das entspricht etwa 4 Bio.$, hypothekengesicherte Wertpapiere eingerechnet. Wegen dieser raschen Zunahme hätten Fannie und Freddie nun ein "größeres Potential, Systemstörungen auszulösen". Das sei ein Risiko für die Banken, so Lockhart. "Insbesondere Banken mit hohen Summen als GSE-Schulden könnten Verluste und Liquiditätsprobleme erfahren", was zu geringerer Kreditvergabe oder sogar Bankrotten führen könne. Ende 2005 entsprach der Besitz an GSE-Schulden und hypothekengedeckten Wertpapieren bei mehr als 60% der Banken mehr als der Hälfte des Kernkapitals. Im Ernstfall hätten viele Hypothekenfinanzierer auch "Schwierigkeiten, ihr Geschäftsmodell aufrechtzuerhalten".

Am 15.11. berichtete der Leiter der britischen Finanzaufsicht FSA für den Einzelhandelsbereich, Clive Briault, vor der britischen Bankenvereinigung, eine Überprüfung der Notfallmodelle der britischen Banken für einen Absturz der Häuserpreise habe ergeben, daß diese Tests nicht ernst genug seien. Um dies zu korrigieren, gab die FSA den Banken Anweisung, einen Test durchzuführen, bei dem angenommen wird, daß die Häuserpreise um 40% abstürzen und 35% der jetzt nicht bedienten Hypotheken mit Zwangsversteigerung enden. Letzten Monat erklärte die FSA in einem Brief an Vorstände britischer Banken, einige Bankenchefs befaßten sich nicht mit Szenarien bzw. wollten sich nicht mit Szenarien befassen, die für sie Verluste, Dividendenkürzungen und Kapitalmangel bedeuten. 1989-92 fielen die britischen Wohnungspreise um 15%, in Teilen von East Anglia sogar um 40%, und es kam zu Zwangsübernahmen, Hypothekenausfällen und Bankverlusten -- das sei nur ein Vorgeschmack auf das, was heute geschehen werde.

Rubin zur Gefährdung des US-Dollars

Robert Rubin, der frühere US-Finanzminister unter Präsident Bill Clinton, warnt vor einer "sehr ernsten Gefahr für unsere Volkswirtschaft und die Weltwirtschaft". Vor dem Washingtoner Wirtschaftsclub sagte er am 9.11., man müsse etwas gegen Haushaltsdefizit, steigende Lohnnebenkosten und Abhängigkeit von ausländischem Kredit unternehmen. U.a. brauche man dringend eine geeignete Kombination aus Mehreinnahmen und Ausgabendisziplin. Gegen das Argument, neue Steuern lösten einen Niedergang der Wirtschaft aus, sagte er: "Wenn man jetzt die Steueren erhöhte, wäre der negative Effekt auf die Wirtschaft wahrscheinlich gleich null."

Am 14.11. erklärte Rubin, das nicht eingedämmte, weiter steigende US-Haushaltsdefizit könne Zentralbanken, Hedgefonds und andere Käufer von US-Schatzanleihen noch "in Bedrängnis bringen". "Es scheint praktisch unvorstellbar, daß das unbegrenzt weitergeht", sagte Rubin in einer Videobotschaft an ein Bankett der Concord Coalition. Bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen desselben Treffens pflichtete der frühere US-Zentralbankcef Paul Volcker bei und sagte, mit dem hohen Kreditbedarf der USA riskiere man eine Krise. "Es ist unglaublich, daß die Leute schon so lange Dollars halten. Irgendwann werden sie genug davon haben."

Vor der Jahresversammlung der New Yorker Bakenvereinigung erklärte der Leiter der US-Bankenaufsicht John Dugan am 10.11., die Risiken beim falschen Umgang mit Derivaten könnten "zu Marktstörungen führen, die das Vertrauen der Öffentlichkeit in Finanzinstitute allgemein erschüttern". Fast jede sechste Bank im Land betreibe Derivatgeschäfte, und die Kreditverschuldung liege nun bei 199 Mrd.$. Kredite im Zusammenhang mit Derivaten "stellen weiterhin ein reales und ganz beträchtliches Risiko dar". Dugan merkte an, 97% der nominell ausstehenden Derivatverpflichtungen, die er mit 119 Bio.$ bezifferte, entfielen auf ganze fünf nationale Großbanken.

"Amerika riskiert eine Krise wie 1919"

Diese Warnung brachte der frühere italienische Wirtschaftsminister Giulio Tremonti am 12.11. in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera zum Ausdruck. Tremonti ist ein führender Kopf der Mitte-Rechts-Opposition im italienischen Parlament.

Tremonti äußert Zweifel am "Aufschwung" der US-Wirtschaft 2001-06, der nur die Folge extrem niedriger Zinsen und einer Preisinflation bei Immobilien sei. "Die Immobilienkrise ist jetzt sehr schwer: Im 3. Quartal nahmen Zwangsvollstreckungen um 43% zu. Man stürzte vom Boom in die Pleite, auch wenn das teilweise durch den sinkenden Erdölpreis aufgefangen wurde."

Bei Tremontis kritischer Haltung zur offiziellen Darstellung der amerikanischen Wirtschaftslage kommt der Einfluß der Analyse von Lyndon LaRouche in Italien zum Ausdruck: "Die eine [Hypothese] besagt, der Wachstumseinbruch in den USA bedeute kein Ende des Booms, weil das Finanzsystem gut ausbalanciert ist, die Krise verkraftet und jetzt wieder wachsen kann. Die zweite legen viele Wirtschafts-Internetseiten vor, wobei auch eine Strukturkrise wie die von 1929 vorhergesagt wird. Ich hoffe, die erste Hypothese trifft zu, aber ich fürchte, es ist eher die zweite."

Auf eine Anschlußfrage von Corriere della Sera entgegnet Tremonti, man dürfe sich nicht vom "konventionellen Denken" einengen lassen. "Wenn man Denkkonventionen folgt, ist das keine Führung, sondern Gefolgschaft." Auch wenn er ihm einigen anderen Themen die Richtung fehlt (etwa bei seinem Eintreten für "zentristische Politik" in den USA und Furcht vor einem steigenden Einfluß Rußlands und Chinas), bringen Tremontis Bemerkungen etwas Realität in die zunehmend hysterische politische und wirtschaftliche Diskussion in Italien.

Italien: Forderung nach einem "neuen Bretton Woods"

Der große italienische Verbraucherverband Adusbef veröffentlichte einen gemeinsamen Bericht des Adusbef-Vorsitzenden Elio Lannutti und des Vorsitzenden des Movimento Solidarietà (MoviSol), Paolo Raimondi, worin die internationalen Ratingagenturen als Werkzeuge der Finanzspekulation entlarvt und ein Neues Bretton Woods (NBW) gefordert werden. Der Bericht enthält einen Abschnitt über die Resolution für ein NBW, die das italienische Parlament 2005 verabschiedete, und die Version auf der Internetseite des Adusbef enthält zusätzlich eine Box von Raimondi, in der Lyndon LaRouche als Initiator des NBW genannt wird.

Wall Street Italia berichtete über den Adusbef-Bericht unter der Überschrift "Ratingagenturen: zu 90% irren sie". Dies bezieht sich auf einen Abschnitt über die jüngste Herabstufung der italienischen Staatsschulden durch führende Agenturen. Eine statistische Untersuchung von Adusbef ergab, daß sich von 1000 "Rating-Berichten" von Moody's, Standard & Poor's und Fitch 910 als falsch und nur 90 als richtig erwiesen haben. Gerüchten zufolge fürchten die Rating-Agenturen nun eine Welle von Klagen von Kleinanlegern. Der Bericht dokumentiert, daß hinter den drei großen Agenturen ("Die drei Schwestern") Privatunternehmen stehen, und hinter diesen wiederum Banken, die umfangreiche Derivatspekulation betreiben. "Die drei Schwestern... sind ein integraler Bestandteil des Problems, das die wirtschaftliche Welt in einen Krach und eine Systemkrise treibt, mit verheerenden Folgen für das gesamte wirtschaftliche, soziale und politische Leben auf unserem Planeten", heißt es in dem Bericht.

In der erwähnten Box schreibt Raimondi: "Heute gibt es eine große internationale Kampagne für ein ,Neues Bretton Woods', d.h. eine Konferenz von Staats- und Regierungschefs, die neue Regeln für Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung der Nationen und der Völker festlegen. Die Kampagne wurde 1994 von einigen Ökonomen und Politikern ins Leben gerufen, darunter der US-Demokrat Lyndon LaRouche, und wurde bereits von mehr als 1000 Parlamentariern, Regierungsvertretern und Ökonomen unterstützt, darunter der frühere US-Präsident Clinton, der frühere mexikanische Präsident Lopez Portillo, der frühere malaysische Ministerpräsident Mahathir und zahlreiche Mitglieder beider Häuser des italienischen Parlaments. Das italienische Parlament hat bereits einige Initiativen in Form von Anträgen ergriffen, um das Vorhaben zu unterstützen. Es betrifft die Reorganisation des Finanz- und Währungssystems und umfaßt u.a. die Ausschaltung der Spekulation und der Derivatblase sowie den Aufbau neuer Kreditstrukturen zur Förderung hoher produktiver Investitionen in Infrastruktur und Technologie."

LaRouche zur italienischen Bretton-Woods-Initiative

In seinem Washingtoner Internetforum vom 16.11. befaßte sich Lyndon LaRouche auch mit Italien als potentiellem Faktor in der derzeitigen strategischen Lage. Er bezog sich auf die o.e. Initiative von Adusbef sowie die Wiederaufnahme des Verfahrens im Fall Moby Prince, die der frühere Staatsanwalt Carlo Palermo durchgesetzt hatte (siehe auch SAS 46/2006 sowie den Washington Insider dieser Woche).

Auf eine Frage von Palermo selbst antwortete LaRouche: "Ich weiß nicht, wie wir einzelne isolierte Fälle gewinnen können. In Bezug auf den italienischen Fall und Richter Palermo erleben wir einige sehr interessante Entwicklungen, die auf die Arbeit zurückgeht, die ich mit der Idee der Entwicklung eines neuen Bretton Woods begonnen hatte. Die Politik des Neuen Bretton Woods kommt zu einem Zeitpunkt zur Sprache, an dem die derzeitige Regierung zu stürzen droht. Daher haben einige Kräfte der früheren Regierung den PLan des Neuen Bretton Woods, den ich entwickelt und sie in Italien übernommen haben, wieder aufgegriffen. Vielleicht wird Italien ein Faktor. Unter diesen Bedingungen könnte das, was Richter Palermo anspricht, hinsichtlich des Rechtswesens und der Regierung Italiens eine reale Möglichkeit werden. Aber man muß das so betrachten: Erreichen wir einen Kampf für den Nationalstaat, eine gemeinsame Verteidigung des Nationalstaates gegen die Globalisierung -- gegen die anglo-holländischen Liberalen in Amerika und in Europa? Wenn wir das schaffen, können wir die Probleme lösen. Ohne das bezweifle ich, daß wir die Sache in Ordnung bringen können."

Helmut Schmidt: die Lehren aus Weimar ziehen

Bei einer Rede an der Evangelischen Akademie Tutzing warnte der 87jährige Altbundeskanzler Helmut Schmidt am 11.11., die Massenarbeitslosigkeit sei die größte Herausforderung für die Große Koalition in Deutschland.

Wenn die Regierung dieses Problem nicht in den Griff bekomme, werde das Land denselben Weg gehen wie zu Zeiten der Weimarer Koalition. "Damals sind die demokratischen Parteien unfähig gewesen, mit den Folgen einer Weltwirtschaftskrise umzugehen, unfähig gegenüber der Massenarbeitslosigkeit ab 1929. Die damalige große Koalition der demokratischen Parteien (d.h. ohne Nazis, Deutschnationale und KPD), die unter dem Sozialdemokraten Hermann Müller-Franken in Berlin regiert hat, scheiterte im Frühjahr 1930 an einer höchst zweitrangigen sozialpolitischen Frage. Es kam zur selbstgewollten Abdankung des Reichstages von der Macht. Dann folgten noch drei kurzlebige Minderheitsregierungen, die mit dem Notstandsartikel 48 regierten [Brüning, von Papen]. Drei Jahre später kam Hitler."

Schmidt warnte die heutige Koalition dringend, die Lehren aus der gescheiterten Weimarer Koalition ziehen: "Ich halte gerade auch aus heutiger Sicht den Fehlschlag der Weimarer Koalition für ein sehr bedeutsames Lehrbeispiel! Denn die heutige große Koalition sollte in ihrem Bewußtsein halten: Wenn sie die heutige Massenarbeitslosigkeit nicht bewältigt, dann könnten die psychologischen und politischen Folgen der Arbeitslosigkeit auch diesmal -- wenn ein anderes, ein auslösendes politisches Moment hinzutreten sollte --, dann könnte abermals ein schwerwiegender innenpolitischer Strukturumbruch die Folge sein!"

Sozialen Sprengstoff sieht Schmidt in der "besorgniserregenden" Lage im Osten Deutschlands: "Die Arbeitslosigkeit ist dort immer noch doppelt so hoch wie im Westen! Das dort erwirtschaftete Sozialprodukt pro Kopf ist nur halb so hoch wie im Westen, wenn man die Auswirkung der rund 85 Mrd. Euro öffentlicher Transfers von West nach Ost abzieht, die jedes Jahr überwiesen werden... Unser wirtschaftliches Wachstum leidet unter dem alljährlichen Aderlaß von 85 Mrd. Euro. Das sind rund 4% des westdeutschen Sozialprodukts. Hier liegt seit mindestens zwölf Jahren die entscheidende Ursache für unser im europäischen Vergleich niedriges Wirtschaftswachstum..." Schmidt warnte zugleich: "Wenn alles so bleibt wie bisher, dann wird im Osten des Vaterlandes dauerhaft ein ökonomischer Mezzogiorno entstehen!"



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