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  21. August 2006   Newsletter  

LaRouche im russischen Fernsehen

Die wichtigste Nachrichtensendung Rußlands Wremja im Ersten Russischen Fernsehen 1TV brachte um 21 Uhr am 16.8. ein Kurzinterview mit Lyndon LaRouche, u.a. neben dem früheren russischen Premierminister Jewgenij Primakow.

Drei Minuten nach Beginn der Sendung präsentierte der Korrespondent Grigori Jemeljanow einen Bericht zum Thema "Experten kommentieren den Ausgang des Kriegs im Libanon". Wremja zeigte einen Artikel von Jeff Steinberg aus dem EIR-Magazin vom 11.8. mit der Überschrift: "Wird eine Oktober-Überraschung von Bush den dritten Weltkrieg auslösen?" Der Kommentar dazu lautete: "Die amerikanische Wochenzeitschrift Executive Intelligence Review schreibt über die Pläne des Weißen Hauses, Syrien in den Konflikt hineinzuziehen, und damit auch den Iran, der ein gegenseitiges Beistandsabkommen mit Damaskus hat. Die Journalisten nennen diesen Plan 'Bushs Oktoberüberraschung', ihren Informationen zufolge hat die US-Administration vor, im Oktober Krieg zwischen Syrien und Israel zu entfesseln." Dann wird LaRouche als Herausgeber von EIR vorgestellt und zitiert: "Wenn sich die Ereignisse nach diesem Szenario entwickeln, würde der Iran sich wahrscheinlich nicht aus dem Konflikt heraushalten. Und dann wäre es schon unmöglich, einen großen Krieg im Nahen Osten zu verhindern. Statt einen Kompromiß am Verhandlungstisch zu suchen, tut die amerikanische Regierung alles, um einen umfassenden Krieg zu provozieren." Anschließend zeigte Wremja einen Ausschnitt aus einem am selben Tag in Washington aufgezeichneten Interview mit LaRouche, wo er sagt: "Keiner kann gewinnen, und alle können verlieren. Diese Lage ist anders. Und ihre Mentalität ist so, daß sie nicht im geringsten verstehen, was sie tun. Meiner Meinung nach - ich kenne einige dieser Leute - sind sie völlig verrückt." Außer LaRouche und Primakow kamen in der Wremja-Sendung Seymour Hersh von der Zeitschrift The New Yorker, der israelische Knesset-Abgeordnete Roman Bronfman und Muhamed Feid vom libanesischen Energieministerium zu Wort.

Internetforum LaRouches in Berlin am 6.9.

In einem internationalen Internetforum wird Lyndon LaRouche am 6.9. eine positive strategische Perspektive für die Überwindung der kombinierten Krise aus dem drohenden wirtschaftlich-finanziellen Zusammenbruch und weltweitem asymmetrischem Krieg vorstellen und darüber diskutieren. LaRouche spricht von der "größten strategischen Krise seit 1989". Am 12. Oktober 1988 hatte er auf einer Pressekonferenz im Berliner Hotel Kempinski den bevorstehenden Zusammenbruch des Comecon und die nachfolgende Wirtschaftskrise des Sowjetsystems richtig vorhergesagt.

Im Mittelpunkt der Veranstaltung am 6.9. steht das Potential einer Mitwirkung der USA in der Tradition Franklin Roosevelts an einem auf 50 Jahre angelegten wirtschaftlichen Entwicklungsprogramm für Eurasien, bei dem West- und Mitteleuropa, Rußland, China und Indien zusammenarbeiten.

LaRouche wird vor einer Versammlung in Berlin reden, eine weitere wird in Washington zugeschaltet sein. Die Veranstaltung findet in Berlin von 16-19 Uhr MEZ statt, in Washington von 10-13 Uhr Ortszeit. Sie kann live mitverfolgt werden: www.larouchepac.com und www.larouchepub.com

Hohe US-Militärs und -Diplomaten fordern Änderung der Iranpolitik

Auf einer Pressekonferenz in Washington am 17. August, auf der sie einen von 21 weiteren ehemaligen Offizieren und Diplomaten unterzeichneten Offenen Brief an US-Präsident Bush veröffentlichten, warfen General a.D. Hoar, General a.D. Gard und der frühere Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrates Morton Halperin dem amerikanischen Präsidenten vor, er unterminiere die nationale Sicherheit der USA durch seine "harte Linie" gegenüber dem Irak und dem Iran, und forderten die US-Regierung auf, ihre Politik zu ändern. In einer Telefonkonferenz sagte General Gard am selben Tag: "Wir, die wir diesem Land gedient haben, können nicht schweigen, wenn der Präsident und seine Sprecher Kritiker ihrer völlig falschen Politik als 'weich gegen den Terrorismus' verurteilen. Die Regierung hat es wiederholt versäumt, diplomatische Lösungen für Probleme zu suchen, die nur durch den Einsatz militärischer Gewalt entflammt sind. Sie muß sofort beginnen, mit den Iranern zu verhandeln... Wir glauben, daß die Vergeudung der Ressourcen unserer Nation durch die amerikanische Besatzung des Irak uns weiterhin davon abhält, uns der schwersten Bedrohung unserer nationalen Sicherheit zuzuwenden: Al Kaida. Wir glauben auch, daß das Versäumnis des Präsidenten, sofort und ohne Vorbedingungen direkte Gespräche mit der iranischen Regierung aufzunehmen, und die fortgesetzte Erwägung militärischer Maßnahmen gegen den Iran verheerende Folgen für die Sicherheit der Region und für die US-Streitkräfte im Irak nach sich ziehen könnte."

In der Presseerklärung, in der der Offene Brief bekanntgegeben wurde, heißt es: "Die von früheren Offizieren des Militärs, der Sicherheitsdienste und des auswärtigen Dienstes unterzeichnete Erklärung fordert sofortige direkte Kontakte mit der Regierung des Iran, ohne Vorbedingungen, und warnt vor dem Einsatz militärischer Maßnahmen, um die jetzige Krise im Nahen Osten oder Differenzen über das iranische Nuklearprogramm beizulegen." Es folgt der vollständige Text der Erklärung:

    "Als ehemalige führende Militärs und Beamte des auswärtigen Dienstes fordern wir die Regierung Bush auf, sofort direkte Gespräche mit der Regierung des Iran ohne Vorbedingungen aufzunehmen, um dazu beizutragen, daß die jetzige Krise im Nahen Osten gelöst und Differenzen über das iranische Nuklearprogramm beigelegt werden. Wir warnen vor allen Überlegungen, militärische Gewalt gegen den Iran anzuwenden. Die jetzigen Krisen müssen durch Diplomatie gelöst werden, nicht nur Militäraktionen. Ein Angriff auf den Iran hätte katastrophale Folgen für die Sicherheit der Region und der amerikanischen Streitkräfte im Irak, und würde Haß und Gewalt im Nahen Osten und unter den Muslimen in aller Welt entflammen. Ein strategisches diplomatisches Engagement mit dem Iran würde den Interessen der USA und ihrer Verbündeten dienen und die regionale und internationale Sicherheit stärken."

Unterzeichnet haben den Brief die ehem. US-Botschafter Barnes (Chile, Indien, Rumänien), Borg (Island, Mali, Senior Fellow am Center for International Policy), Burleigh (Sri Lanka, Malediven, stellv. städiger Vertreter der USA bei den Vereinten Nationen), Earle (Chefunterhändler des SALT II-Abkommens, Direktor der US-Behörde für Rüstungskontrolle und Abrüstung), Freeman (Saudi-Arabien, Unterstaatssekretär im Verteidigungsministerium für internationale Sicherheitsfragen), Peck (Irak, Mauretanien); die Generale (a.D.) Becton (Armee), Foote (Armee, stellv.Generalinspekteurin), Gard (Armee, ehem. militär. Assistent des Verteidigungsministers) Hoar (Marinekorps, ehem. Oberkommandeur des Zentralkommandos), Johns (Armee, ehem. Unterstaatssekretär im Pentagon), Lawson (Armee-Reserve, ehem. Divisionskommandeur), Kennedy (Armee, ehem. stellv. Stabschefin für Nachrichten), Otstott (Armee, ehem. stellv. Vors. NATO-Militärausschuß), Roush (Armee), Thompson (Armee, ehem. Chef der US-Militärmission in der Türkei); die Admirale Shanahan (Marine, ehem. Direktor des Center for Defense Information und derzeit Vors. des militärischen Beirats der Unternehmer für Vernünftige Prioritäten) und Weymouth (Marine, ehem. Kommandeur des Flaggschiffs der US-Streitkräfte im Nahen Osten), sowie die ehem. Sicherheitsbeamten Halperin (Senior Fellow am Center for American Progress, Prof. von Hippel (ehem. stellv. Direktor für nationale Sicherheit im Büro für Wissenschafts- und Technologiepolitik des Weißen Hauses) und die ehem. Unterstaatssekretärin im Pentagon für Friedenserhaltung und humanitäre Hilfe Sewall.

Ein Bericht der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti ("Pensionierte Militärs und Diplomaten fordern Bush auf, den Iran nicht anzugreifen") verschaffte dem Brief am 18. August eine große Publizität in Rußland. Die Meldung zitierte die Passage über die "katastrophalen" Folgen eines Angriffs auf den Iran, und berichtete über die Forderung der US-Militärs und Diplomaten nach direkten Verhandlungen.

Entscheidet sich Israel für eine Madrid-II-Konferenz?

Letzte Woche berichteten wir über LaRouches Unterstützung für Jossi Beilin s Aufruf für eine Nahostfriedenskonferenz "Madrid II" vom 13.8. Am 15.8. forderte der israelische Verteidigungsminister Amir Peretz bei einem öffentlichen Auftritt Friedensgespräche mit Syrien, den Palästinensern und dem Libanon. Wenige Stunden nach Inkrafttreten des Waffenstillstands sagte Peretz: "Jeder Krieg schafft Chancen für einen ausgedehnten diplomatischen Prozeß... Wir müssen Verhandlungen mit dem Libanon führen und den Boden für Verhandlungen mit Syrien bereiten... Wir müssen Verhandlungen mit den Palästinensern wieder aufnehmen."

Peretz, der auch Vorsitzender der Arbeitspartei ist, forderte als einziges Regierungsmitglied die Wiederaufnahme der Friedensgespräche, besonders mit Syrien. Dafür wurde er von Ministerpräsident Ehud Olmert und den Feinden in seiner eigenen Partei kritisiert. Dem Ha'aretz-Korrespondenten Akiva Elder zufolge war Peretz' Aufruf zu Verhandlungen mit Syrien mit dem spanischen Außenminister Miguel Moratinos abgesprochen; dieser übermittelte den Vorschlag dem syrischen Präsidenten Baschar Assad noch vor dem Waffenstillstand persönlich. Moratinos ist ehemaliger Nahostgesandter der EU und ein vehementer Unterstützer eines Nahostfriedens.

Am 19.8. forderte auch der frühere Generaldirektor des israelischen Außenministeriums David Kimche eine Madrid-II-Konferenz. Er schrieb in der Jerusalem Post: "Wie ein führender Sunni-Politiker bemerkte: 'Der einzige Weg, einen Alptraum zu vermeiden, ist der, einen umfassenden Friedensprozeß anzupacken.' Ein scharfsinniger libanesischer Politiker, mit dem ich in den letzten Tagen gesprochen habe, ist überzeugt, daß sowohl die Libanesen als auch die Syrer auf die Idee einer von den USA, Europa und Rußland veranstalteten 'Madrid-Zwei'-Friedenskonferenz zustimmend reagieren würde. Die Syrer sind sehr darauf erpicht, aus ihrer internationalen Isolierung herauszukommen und ihre stagnierende Wirtschaft zu reparieren. Eine solche Friedenskonferenz ist machbar. Man brauchte dazu amerikanische Initiative und internationale Unterstützung. Für 'Madrid Eins' stieß James Baker die Köpfe der Regierungschefs unserer Region dermaßen aneinander, daß sowohl Hafis Assad als auch Jitzhak Schamir, von denen keiner die Konferenz wollte, nach Madrid gelaufen kamen. Könnten die Amerikaner das wieder schaffen? Meine Vermutung ist, daß es diesmal viel leichter wäre. Es könnte ein gelungener Streich für die amerikanische Politik im Nahen Osten sein. Es könnte dem Libanon das Leben retten. Und für uns, und das interessiert uns am meisten, könnte es eine ganz neue Ära in unserer bunten Geschichte mit unseren Nachbarn einläuten. Wir sollten mitmachen und unser äußerstes tun, die Amerikaner und andere davon zu überzeugen, daß 'Madrid Zwei' der ideale Nachfolger dieses häßlichen Krieges im Norden sein kann." Die israelische Außenministerin Tzipi Livni ernannte mit Jaakov Dajan einen hochrangigen Vertreter des Ministeriums zum "Projektmanager" für mögliche Verhandlungen mit Syrien. Dajan traf sich mit Iramar Rabinovich, der die israelischen Verhandlungen mit Syrien unter Ministerpräsident Jizak Rabin geleitet hatte sowie mit Gen. a.D. Uri Sagi, der in der gleichen Funktion unter Ministerpräsident Ehud Barak tätig gewesen war. Sagi hatte den Libanonkrieg öffentlich kritisiert und sich für eine Wiederaufnahme der Gespräche mit Syrien ausgesprochen.

Uri Savir, einer der Architekten der Osloer Verträge und jetzt Leiter des "Peres Friedenszentrums" forderte am 18.8. in Ha'aretz ebenfalls neue Friedensverhandlungen mit den Palästinensern und Syrien: "Wir müssen die Schlußfolgerung ziehen, daß eine wirkliche Abschreckung nicht durch angemessene Vorbereitungen auf den nächsten Krieg, sondern durch eine Ausdehnung des Friedens erreicht werden kann."

Ein hochrangiger israelischer Politiker erklärte gegenüber EIR wie gewöhnlich sei die Regierung Bush das "große Fragezeichen", da sie Syrien immer noch als "Achse des Bösen" sehe. Er verwies auf Aktivitäten von James Baker III. und Brent Scowcroft, die Regierung Bush davon zu überzeugen, ihre Haltung gegenüber Syrien zu ändern.

Hintergrund zu "Madrid II"

Die erste "Madrid-Konferenz", die am 30.10.1991 begann, kam nach einer langwierigen Pendeldiplomatie des damaligen amerikanischen Außenministers James Baker III. zustande, nachdem Anfang 1991 der Krieg gegen den Irak - "Operation Wüstensturm" - begonnen hatte. Die Konferenz wurde gemeinsam von der Sowjetunion und den USA gefördert. Beide waren der Überzeugung, die Konferenz biete eine historische Gelegenheit für einen wirklichen Frieden in der Region, und beide Supermächte boten daher ihre Unterstützung an, um zu direkten Verhandlungen in zwei Richtungen zu kommen; Verhandlungen zwischen Israel und den arabischen Staaten einerseits und Verhandlungen Israels mit den Palästinensern auf der Grundlage der UN-Resolutionen 242 und 338 andererseits.

An der Konferenz nahmen Israel, Syrien, der Libanon, die Palästinenser und die Großmächte teil. Die Palästinenser waren Teil der jordanischen Delegation. Bei den Verhandlungen wollte man zunächst einen Frieden zwischen Israel und den arabischen Staaten erreichen. Dann sollte in einem Zwei-Stufen-Plan eine palästinensische Übergangsregierung gebildet werden, mit der dann über eine endgültige Lösung des Israel-Palästina-Konfliktes verhandelt werden sollte. Am 9.9.1993 unterzeichneten Israel und die Palästinenser die Osloer Verträge, die einen zeitlichen Rahmen für die Autonomieregierung und die Errichtung eines palästinensischen Staates setzten. Und am 26.10.1994 kam es nach zweijährigen Verhandlungen zum Friedensschluß zwischen Israel und Jordanien. Wenn "Madrid II" eine Erfolgschance haben soll, muß er über die Herangehensweise "Land für Frieden" von 1991 hinausgehen und den Geist des Westfälischen Friedens von 1648 aufgreifen. Dieser Friedensvertrag, der praktisch 150 Jahre religiöser Kriege in Europa beendete, forderte, trotz aller Untaten aller Beteiligten müsse jede Seite jetzt einen Schlußstrich unter die Vergangenheit zu ziehen und ein "immerwährendes Vergeben und Amnestie" beginnen und "Nutzen, Ehre und Vorteil des anderen fördern". Um die Interessen des anderen fördern zu können, muß die Grundlage für eine blühende Wirtschaft in allen souveränen Nationen des nahen und Mittleren Ostens, einschließlich eines Palästinenserstaates, gelegt werden. Dazu muß "Madrid II" eine regionale Friedensperspektive auf der Grundlage umfangreicher Großprojekte in den Bereichen Wasser, Energie und Verkehr einschließen. Vorschläge für eine solche regionale Herangehensweise liegen mit Lyndon LaRouche s "Oasenplan" und seiner "Larouche-Doktrin für Südwestasien" von 2004 vor.

Berlin: Wowereit, Buchmann und die Financial Times

Am 17.9. finden in Berlin Landtagswahlen statt. Während sich die "politische Klasse" Berlins in den Sommerferien befand, verteilten der Spitzenkandidat der BüSo Daniel Buchmann, die LaRouche Jugendbewegung und BüSo-Aktivisten an die 350 000 Exemplare einer Wahlkampfbroschüre, in der es im wesentlichen um das Kernthema "Reindustrialisierung Berlins" geht.

Am 14.8., dem Beginn der "heißen Phase" des Wahlkampfes sah sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit gezwungen, auf Buchmann zu reagieren. Als Forum wählte er dazu das Sprachrohr der internationalen Finanzwelt, die Financial Times, in ihrer englischen wie deutschen Ausgabe.

Unter der Überschrift "Berlin muß sich von seiner industriellen Vergangenheit loslösen" erklärte Wowereit wörtlich: "Unsere zukunftsorientierten Geschäftsfelder konzentrieren sich auf Dienstleistungen, auf Tourismus, Mode, junge kreative Industrien und viele andere Bereiche ... Ich glaube nicht mehr länger daran, daß wir auch nur annähernd die 300 000 Industriearbeitsplätze wiederbekommen, die wir zu Beginn der 90er Jahre hatten. Ich bin da realistisch." Wowereit attackierte dann die "traditionelle Ansicht," die "produktive Arbeitsplätze bevorzugt. Ich möchte wirklich wissen, warum manche Leute den Wert eines Jobs im Tourismus geringer einschätzen als einen Industriejob."

Im Gegenzug war die Financial Times für Wowereit des Lobes voll: "Deutschlands Politiker sind in der Regel stolz auf die industriellen Wurzeln des Landes, die Ausführungen Klaus Wowereits, einem der einflußreichsten deutschen Sozialdemokraten, sind ungewöhnlich und könnten auf eine Wende des wirtschaftlichen Denkens über die Zukunft der weniger dynamischen Regionen Deutschlands hindeuten ..., da der Bürgermeister die traditionelle Sichtweise kritisiert, daß Preise Arbeitsplätze schaffen." Weiter heißt es, Wowereits Äußerungen erfolgten im Vorfeld von Wahlen im Stadtstaat Berlin am 17.9. Zudem habe Berlins "Wende in Richtung einer modernen Dienstleistungswirtschaft an Schwung gewonnen, seit Wowereit an die Macht gekommen ist".

Die deutsche Ausgabe der Financial Times erläutert einen der wichtigen Gründe für ihre Freude über die industriefeindliche Politik Wowereits: Nachindustrielle "Dienstleistungsökonomien" sind durch einen niedrigeren Lebensstandard im Vergleich mit fortschrittlichen industriellen Ökonomien gekennzeichnet, in denen die Einkommen steigen, während die Produktionsstückkosten sinken. Berlins eigentlicher "Standortvorteil" sei das Billiglohnniveau. In Berlin kosten Wissenschaftler "30 Prozent weniger als in München, " so die FTD . Das gelte auch "bei Mode, Medien und Musik," wo Berlin "Boomtown" sei.

Buchmann meinte dazu, daß Wowereit sich als industriefeindlich "geoutet" habe, sollte es den Berlinern, von denen die meisten eine Reindustrialisierung der Stadt befürworteten, erleichtern, diese "postindustrielle Zukunft geringen Lebensstandards" zurückzuweisen.

Firmenübernahmen durch Beteiligungsgesellschaften nehmen stark zu

Nach dem Zusammenbruch des "New-Economy-Booms" und dem bereits laufenden Einbruch des US-Immobilienmarkts ist offenbar "Private Equity", Firmenbeteiligungen, der letzte Tanz an Bord der Titanic . Rentenfonds, Versicherungen und andere Anleger stecken derzeit beispiellose Summen in die "Heuschreckenfonds", die Unternehmen über "Leveraged Buyouts" (LBOs) übernehmen. Die LBOs werden mit Bankkrediten finanziert - und die Schulden werden dem Opfer, dem übernommenen Betrieb aufgebürdet. Nach einer Umstrukturierung wird das Unternehmen möglichst rasch an einen anderen Fonds verkauft oder zum Börsengang gezwungen.

Neue Private-Equity-Operationen von KKR, Blackstone und anderen Beteiligungsgesellschaften haben mit Dimensionen von 15 Mrd. $ und mehr beispiellose Ausmaße erreicht. Durch Absprachen und einer Hebelwirkung (Leverage) von 3:1 (3 $ Kredit zusätzlich für jeden Dollar Fondskapital) sind diese Riesenfonds jetzt in der Lage, praktisch jedes Unternehmen der Welt zu übernehmen - selbst die größten. Vor wenigen Wochen tat sich KKR, der LBO-Pionier der 80er Jahre, mit anderen Fonds zusammen und übernahm für 33 Mrd. $ die amerikanische Krankenhauskette HCA. Das war das bisher größte LBO-Geschäft überhaupt, noch über der berühmten Übernahme von Nabisco durch KKR für 31 Mrd. $ im Jahr 1989.

Inzwischen wird fast jeden Tag ein neues Megageschäft verkündet. Am 17.8. wurde gemeldet, KKR, Carlyle und CVC Asia Pacific bereiteten sich darauf vor, für 12 Mrd. $ gemeinsam die zweitgrößte Einzelhandelskette Australiens Coles Myer zu übernehmen. Einen Tag vorher gab es Meldungen über eine geplante Übernahme des britischen Kabelfernsehbetreibers NTL durch KKR, Blackstone und Cinven für 14,8 Mrd. Euro - das wäre das bisher größte "Beteiligungsgeschäft" in Europa.

Selbst die Londoner Financial Times hat wegen der untragbaren Summen neuer Schulden im Zuge diese LBO-Geschäfte Alarm geschlagen. Der Kommentar von Gillian Tett vom 18.8. trägt die Überschrift "Mode für Rekapitalisierung mit Leverage ein Widerhall der Dotcom-Manie". Es heißt dort: "Damals in der Manie der Internetblase Ende der 90er Jahre ... klagte eine Gruppe von Kassandras regelmäßig ..., die Märkte seien verrückt geworden ... Echos hiervon sind offenbar in der Private-Equity-Welt im Anzug."

Tett greift besonders die "Leverage-Rekapitalisierung" an; bei dieser Praxis unternimmt der Fonds eine kreditfinanzierte Übernahme und zahlt sich selbst dann aus dem übernommenen Unternehmen satte Dividenden aus. So macht der Beteiligungsfonds einen gewaltigen Profit, während das Unternehmen mehr Schulden hat. Ein typisches Beispiel ist die Fastfoodkette Burger King, die Ende 2002 von drei Firmen übernommen wurde - Texas Pacific Group, der Beteiligungstochter von Goldman Sachs und Bain Capital . Nach dreijähriger "Umstrukturierung " gaben die drei Firmen im Februar 2006 bekannt, daß sie Anteile von Burger King verkaufen wollen. Drei Monate vorher ließen sie sich von Burger King 367 Mio. $ Dividende auszahlen.

Lett schreibt: "Bis vor kurzem war diese Praxis eher eine Seltenheit ... Aber in diesem Jahr breiten sich die 'Recaps' aus wie ein Buschfeuer. Einem gruseligen Bericht der Ratingagentur Standard & Poor's vom Montag zufolge gab es in diesem Jahr in den USA und Europa 63 solcher Leveraged Recaps, finanziert durch atemberaubende 25 Mrd. $ Schulden, hauptsächlich Bankkredite. Man muß keine Ratingagentur sein, um zu erkennen, daß das zu einer Welle zukünftiger Bankrotte führen kann."



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