LaRouche im russischen Fernsehen
Die wichtigste Nachrichtensendung Rußlands Wremja im Ersten
Russischen Fernsehen 1TV brachte um 21 Uhr am 16.8. ein Kurzinterview mit
Lyndon LaRouche, u.a. neben dem früheren russischen Premierminister
Jewgenij Primakow.
Drei Minuten nach Beginn der Sendung präsentierte der
Korrespondent Grigori Jemeljanow einen Bericht zum Thema "Experten
kommentieren den Ausgang des Kriegs im Libanon". Wremja zeigte einen
Artikel von Jeff Steinberg aus dem EIR-Magazin vom 11.8. mit der
Überschrift: "Wird eine Oktober-Überraschung von Bush den dritten
Weltkrieg auslösen?" Der Kommentar dazu lautete: "Die amerikanische
Wochenzeitschrift Executive Intelligence Review schreibt über die
Pläne des Weißen Hauses, Syrien in den Konflikt hineinzuziehen, und
damit auch den Iran, der ein gegenseitiges Beistandsabkommen mit
Damaskus hat. Die Journalisten nennen diesen Plan 'Bushs
Oktoberüberraschung', ihren Informationen zufolge hat die
US-Administration vor, im Oktober Krieg zwischen Syrien und Israel zu
entfesseln." Dann wird LaRouche als Herausgeber von EIR vorgestellt
und zitiert: "Wenn sich die Ereignisse nach diesem Szenario
entwickeln, würde der Iran sich wahrscheinlich nicht aus dem Konflikt
heraushalten. Und dann wäre es schon unmöglich, einen großen Krieg im
Nahen Osten zu verhindern. Statt einen Kompromiß am Verhandlungstisch
zu suchen, tut die amerikanische Regierung alles, um einen
umfassenden Krieg zu provozieren." Anschließend zeigte Wremja einen
Ausschnitt aus einem am selben Tag in Washington aufgezeichneten
Interview mit LaRouche, wo er sagt: "Keiner kann gewinnen, und alle
können verlieren. Diese Lage ist anders. Und ihre Mentalität ist so,
daß sie nicht im geringsten verstehen, was sie tun. Meiner Meinung
nach - ich kenne einige dieser Leute - sind sie völlig verrückt."
Außer LaRouche und Primakow kamen in der Wremja-Sendung Seymour
Hersh von der Zeitschrift The New Yorker, der israelische
Knesset-Abgeordnete Roman Bronfman und Muhamed Feid vom libanesischen
Energieministerium zu Wort.
Internetforum LaRouches in Berlin am 6.9.
In einem internationalen Internetforum wird Lyndon LaRouche am 6.9.
eine positive strategische Perspektive für die Überwindung der
kombinierten Krise aus dem drohenden wirtschaftlich-finanziellen
Zusammenbruch und weltweitem asymmetrischem Krieg vorstellen und
darüber diskutieren. LaRouche spricht von der "größten strategischen
Krise seit 1989". Am 12. Oktober 1988 hatte er auf einer
Pressekonferenz im Berliner Hotel Kempinski den bevorstehenden
Zusammenbruch des Comecon und die nachfolgende Wirtschaftskrise des
Sowjetsystems richtig vorhergesagt.
Im Mittelpunkt der Veranstaltung am 6.9. steht das Potential
einer Mitwirkung der USA in der Tradition Franklin Roosevelts an
einem auf 50 Jahre angelegten wirtschaftlichen Entwicklungsprogramm
für Eurasien, bei dem West- und Mitteleuropa, Rußland, China und
Indien zusammenarbeiten.
LaRouche wird vor einer Versammlung in Berlin reden, eine
weitere wird in Washington zugeschaltet sein. Die Veranstaltung
findet in Berlin von 16-19 Uhr MEZ statt, in Washington von 10-13 Uhr
Ortszeit. Sie kann live mitverfolgt werden: www.larouchepac.com und www.larouchepub.com
Hohe US-Militärs und -Diplomaten fordern Änderung der Iranpolitik
Auf einer Pressekonferenz in Washington am 17. August, auf der sie
einen von 21 weiteren ehemaligen Offizieren und Diplomaten
unterzeichneten Offenen Brief an US-Präsident Bush veröffentlichten,
warfen General a.D. Hoar, General a.D. Gard und der frühere
Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrates Morton Halperin dem
amerikanischen Präsidenten vor, er unterminiere die nationale
Sicherheit der USA durch seine "harte Linie" gegenüber dem Irak und
dem Iran, und forderten die US-Regierung auf, ihre Politik zu ändern.
In einer Telefonkonferenz sagte General Gard am selben Tag: "Wir, die
wir diesem Land gedient haben, können nicht schweigen, wenn der
Präsident und seine Sprecher Kritiker ihrer völlig falschen Politik
als 'weich gegen den Terrorismus' verurteilen. Die Regierung hat es
wiederholt versäumt, diplomatische Lösungen für Probleme zu suchen,
die nur durch den Einsatz militärischer Gewalt entflammt sind. Sie
muß sofort beginnen, mit den Iranern zu verhandeln... Wir glauben,
daß die Vergeudung der Ressourcen unserer Nation durch die
amerikanische Besatzung des Irak uns weiterhin davon abhält, uns der
schwersten Bedrohung unserer nationalen Sicherheit zuzuwenden: Al
Kaida. Wir glauben auch, daß das Versäumnis des Präsidenten, sofort
und ohne Vorbedingungen direkte Gespräche mit der iranischen
Regierung aufzunehmen, und die fortgesetzte Erwägung militärischer
Maßnahmen gegen den Iran verheerende Folgen für die Sicherheit der
Region und für die US-Streitkräfte im Irak nach sich ziehen könnte."
In der Presseerklärung, in der der Offene Brief bekanntgegeben
wurde, heißt es: "Die von früheren Offizieren des Militärs, der
Sicherheitsdienste und des auswärtigen Dienstes unterzeichnete
Erklärung fordert sofortige direkte Kontakte mit der Regierung des
Iran, ohne Vorbedingungen, und warnt vor dem Einsatz militärischer
Maßnahmen, um die jetzige Krise im Nahen Osten oder Differenzen über
das iranische Nuklearprogramm beizulegen." Es folgt der vollständige
Text der Erklärung:
"Als ehemalige führende Militärs und Beamte des auswärtigen Dienstes
fordern wir die Regierung Bush auf, sofort direkte Gespräche mit der
Regierung des Iran ohne Vorbedingungen aufzunehmen, um dazu
beizutragen, daß die jetzige Krise im Nahen Osten gelöst und
Differenzen über das iranische Nuklearprogramm beigelegt werden. Wir
warnen vor allen Überlegungen, militärische Gewalt gegen den Iran
anzuwenden. Die jetzigen Krisen müssen durch Diplomatie gelöst
werden, nicht nur Militäraktionen. Ein Angriff auf den Iran hätte
katastrophale Folgen für die Sicherheit der Region und der
amerikanischen Streitkräfte im Irak, und würde Haß und Gewalt im
Nahen Osten und unter den Muslimen in aller Welt entflammen. Ein
strategisches diplomatisches Engagement mit dem Iran würde den
Interessen der USA und ihrer Verbündeten dienen und die regionale und
internationale Sicherheit stärken."
Unterzeichnet haben den Brief die ehem. US-Botschafter Barnes
(Chile, Indien, Rumänien), Borg (Island, Mali, Senior Fellow am
Center for International Policy), Burleigh (Sri Lanka, Malediven,
stellv.
städiger Vertreter der USA bei den Vereinten Nationen), Earle
(Chefunterhändler des SALT II-Abkommens, Direktor der US-Behörde für
Rüstungskontrolle und Abrüstung), Freeman (Saudi-Arabien,
Unterstaatssekretär im Verteidigungsministerium für internationale
Sicherheitsfragen), Peck (Irak, Mauretanien); die Generale (a.D.)
Becton (Armee), Foote (Armee, stellv.Generalinspekteurin), Gard
(Armee, ehem. militär. Assistent des Verteidigungsministers) Hoar
(Marinekorps, ehem. Oberkommandeur des Zentralkommandos), Johns
(Armee, ehem. Unterstaatssekretär im Pentagon), Lawson
(Armee-Reserve, ehem. Divisionskommandeur), Kennedy (Armee, ehem.
stellv. Stabschefin für Nachrichten), Otstott (Armee, ehem. stellv.
Vors. NATO-Militärausschuß), Roush (Armee), Thompson (Armee, ehem.
Chef der US-Militärmission in der Türkei); die Admirale Shanahan
(Marine, ehem. Direktor des Center for Defense Information und
derzeit Vors. des militärischen Beirats der Unternehmer für
Vernünftige Prioritäten) und Weymouth (Marine, ehem. Kommandeur des
Flaggschiffs der US-Streitkräfte im Nahen Osten), sowie die ehem.
Sicherheitsbeamten Halperin (Senior Fellow am Center for American
Progress, Prof. von Hippel (ehem. stellv. Direktor für nationale
Sicherheit im Büro für Wissenschafts- und Technologiepolitik des
Weißen Hauses) und die ehem. Unterstaatssekretärin im Pentagon für
Friedenserhaltung und humanitäre Hilfe Sewall.
Ein Bericht der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti
("Pensionierte Militärs und Diplomaten fordern Bush auf, den Iran
nicht anzugreifen") verschaffte dem Brief am 18. August eine große
Publizität in Rußland. Die Meldung zitierte die Passage über die
"katastrophalen" Folgen eines Angriffs auf den Iran, und berichtete
über die Forderung der US-Militärs und Diplomaten nach direkten
Verhandlungen.
Entscheidet sich Israel für eine Madrid-II-Konferenz?
Letzte Woche berichteten wir über LaRouches Unterstützung für Jossi
Beilin s Aufruf für eine Nahostfriedenskonferenz "Madrid II" vom
13.8. Am 15.8. forderte der israelische Verteidigungsminister Amir
Peretz bei einem öffentlichen Auftritt Friedensgespräche mit Syrien,
den Palästinensern und dem Libanon. Wenige Stunden nach Inkrafttreten
des Waffenstillstands sagte Peretz: "Jeder Krieg schafft Chancen für
einen ausgedehnten diplomatischen Prozeß... Wir müssen Verhandlungen
mit dem Libanon führen und den Boden für Verhandlungen mit Syrien
bereiten... Wir müssen Verhandlungen mit den Palästinensern wieder
aufnehmen."
Peretz, der auch Vorsitzender der Arbeitspartei ist, forderte
als einziges Regierungsmitglied die Wiederaufnahme der
Friedensgespräche, besonders mit Syrien. Dafür wurde er von
Ministerpräsident Ehud Olmert und den Feinden in seiner eigenen
Partei kritisiert. Dem Ha'aretz-Korrespondenten Akiva Elder zufolge
war Peretz' Aufruf zu Verhandlungen mit Syrien mit dem spanischen
Außenminister Miguel Moratinos abgesprochen; dieser übermittelte den
Vorschlag dem syrischen Präsidenten Baschar Assad noch vor dem
Waffenstillstand persönlich. Moratinos ist ehemaliger Nahostgesandter
der EU und ein vehementer Unterstützer eines Nahostfriedens.
Am 19.8. forderte auch der frühere Generaldirektor des
israelischen Außenministeriums David Kimche eine Madrid-II-Konferenz.
Er schrieb in der Jerusalem Post: "Wie ein führender Sunni-Politiker
bemerkte: 'Der einzige Weg, einen Alptraum zu vermeiden, ist der,
einen umfassenden Friedensprozeß anzupacken.' Ein scharfsinniger
libanesischer Politiker, mit dem ich in den letzten Tagen gesprochen
habe, ist überzeugt, daß sowohl die Libanesen als auch die Syrer auf
die Idee einer von den USA, Europa und Rußland veranstalteten
'Madrid-Zwei'-Friedenskonferenz zustimmend reagieren würde. Die Syrer
sind sehr darauf erpicht, aus ihrer internationalen Isolierung
herauszukommen und ihre stagnierende Wirtschaft zu reparieren. Eine
solche Friedenskonferenz ist machbar. Man brauchte dazu amerikanische
Initiative und internationale Unterstützung. Für 'Madrid Eins' stieß
James Baker die Köpfe der Regierungschefs unserer Region dermaßen
aneinander, daß sowohl Hafis Assad als auch Jitzhak Schamir, von
denen keiner die Konferenz wollte, nach Madrid gelaufen kamen.
Könnten die Amerikaner das wieder schaffen? Meine Vermutung ist, daß
es diesmal viel leichter wäre. Es könnte ein gelungener Streich für
die amerikanische Politik im Nahen Osten sein. Es könnte dem Libanon
das Leben retten. Und für uns, und das interessiert uns am meisten,
könnte es eine ganz neue Ära in unserer bunten Geschichte mit unseren
Nachbarn einläuten. Wir sollten mitmachen und unser äußerstes tun,
die Amerikaner und andere davon zu überzeugen, daß 'Madrid Zwei' der
ideale Nachfolger dieses häßlichen Krieges im Norden sein kann."
Die israelische Außenministerin Tzipi Livni ernannte mit Jaakov
Dajan einen hochrangigen Vertreter des Ministeriums zum
"Projektmanager" für mögliche Verhandlungen mit Syrien. Dajan traf
sich mit Iramar Rabinovich, der die israelischen Verhandlungen mit
Syrien unter Ministerpräsident Jizak Rabin geleitet hatte sowie mit
Gen. a.D. Uri Sagi, der in der gleichen Funktion unter
Ministerpräsident Ehud Barak tätig gewesen war. Sagi hatte den
Libanonkrieg öffentlich kritisiert und sich für eine Wiederaufnahme
der Gespräche mit Syrien ausgesprochen.
Uri Savir, einer der Architekten der Osloer Verträge und jetzt
Leiter des "Peres Friedenszentrums" forderte am 18.8. in Ha'aretz
ebenfalls neue Friedensverhandlungen mit den Palästinensern und
Syrien: "Wir müssen die Schlußfolgerung ziehen, daß eine wirkliche
Abschreckung nicht durch angemessene Vorbereitungen auf den nächsten
Krieg, sondern durch eine Ausdehnung des Friedens erreicht werden
kann."
Ein hochrangiger israelischer Politiker erklärte gegenüber EIR
wie gewöhnlich sei die Regierung Bush das "große Fragezeichen", da
sie Syrien immer noch als "Achse des Bösen" sehe. Er verwies auf
Aktivitäten von James Baker III. und Brent Scowcroft, die Regierung
Bush davon zu überzeugen, ihre Haltung gegenüber Syrien zu ändern.
Hintergrund zu "Madrid II"
Die erste "Madrid-Konferenz", die am 30.10.1991 begann, kam nach
einer langwierigen Pendeldiplomatie des damaligen amerikanischen
Außenministers James Baker III. zustande, nachdem Anfang 1991 der
Krieg gegen den Irak - "Operation Wüstensturm" - begonnen hatte. Die
Konferenz wurde gemeinsam von der Sowjetunion und den USA gefördert.
Beide waren der Überzeugung, die Konferenz biete eine historische
Gelegenheit für einen wirklichen Frieden in der Region, und beide
Supermächte boten daher ihre Unterstützung an, um zu direkten
Verhandlungen in zwei Richtungen zu kommen; Verhandlungen zwischen
Israel und den arabischen Staaten einerseits und Verhandlungen
Israels mit den Palästinensern auf der Grundlage der UN-Resolutionen
242 und 338 andererseits.
An der Konferenz nahmen Israel, Syrien, der Libanon, die
Palästinenser und die Großmächte teil. Die Palästinenser waren Teil
der jordanischen Delegation. Bei den Verhandlungen wollte man
zunächst einen Frieden zwischen Israel und den arabischen Staaten
erreichen. Dann sollte in einem Zwei-Stufen-Plan eine
palästinensische Übergangsregierung gebildet werden, mit der dann
über eine endgültige Lösung des Israel-Palästina-Konfliktes
verhandelt werden sollte. Am 9.9.1993 unterzeichneten Israel und die
Palästinenser die Osloer Verträge, die einen zeitlichen Rahmen für
die Autonomieregierung und die Errichtung eines palästinensischen
Staates setzten. Und am 26.10.1994 kam es nach zweijährigen
Verhandlungen zum Friedensschluß zwischen Israel und Jordanien.
Wenn "Madrid II" eine Erfolgschance haben soll, muß er über die
Herangehensweise "Land für Frieden" von 1991 hinausgehen und den
Geist des Westfälischen Friedens von 1648 aufgreifen. Dieser
Friedensvertrag, der praktisch 150 Jahre religiöser Kriege in Europa
beendete, forderte, trotz aller Untaten aller Beteiligten müsse jede
Seite jetzt einen Schlußstrich unter die Vergangenheit zu ziehen und
ein "immerwährendes Vergeben und Amnestie" beginnen und "Nutzen, Ehre
und Vorteil des anderen fördern". Um die Interessen des anderen
fördern zu können, muß die Grundlage für eine blühende Wirtschaft in
allen souveränen Nationen des nahen und Mittleren Ostens,
einschließlich eines Palästinenserstaates, gelegt werden. Dazu muß
"Madrid II" eine regionale Friedensperspektive auf der Grundlage
umfangreicher Großprojekte in den Bereichen Wasser, Energie und
Verkehr einschließen. Vorschläge für eine solche regionale
Herangehensweise liegen mit Lyndon LaRouche s "Oasenplan" und seiner
"Larouche-Doktrin für Südwestasien" von 2004 vor.
Berlin: Wowereit, Buchmann und die Financial Times
Am 17.9. finden in Berlin Landtagswahlen statt. Während sich die
"politische Klasse" Berlins in den Sommerferien befand, verteilten
der Spitzenkandidat der BüSo Daniel Buchmann, die LaRouche
Jugendbewegung und BüSo-Aktivisten an die 350 000 Exemplare einer
Wahlkampfbroschüre, in der es im wesentlichen um das Kernthema
"Reindustrialisierung Berlins" geht.
Am 14.8., dem Beginn der "heißen Phase" des Wahlkampfes sah sich
der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit gezwungen, auf Buchmann
zu reagieren. Als Forum wählte er dazu das Sprachrohr der
internationalen Finanzwelt, die Financial Times, in ihrer englischen
wie deutschen Ausgabe.
Unter der Überschrift "Berlin muß sich von seiner industriellen
Vergangenheit loslösen" erklärte Wowereit wörtlich: "Unsere
zukunftsorientierten Geschäftsfelder konzentrieren sich auf
Dienstleistungen, auf Tourismus, Mode, junge kreative Industrien und
viele andere Bereiche ... Ich glaube nicht mehr länger daran, daß wir
auch nur annähernd die 300 000 Industriearbeitsplätze wiederbekommen,
die wir zu Beginn der 90er Jahre hatten. Ich bin da realistisch."
Wowereit attackierte dann die "traditionelle Ansicht," die
"produktive Arbeitsplätze bevorzugt. Ich möchte wirklich wissen,
warum manche Leute den Wert eines Jobs im Tourismus geringer
einschätzen als einen Industriejob."
Im Gegenzug war die Financial Times für Wowereit des Lobes
voll: "Deutschlands Politiker sind in der Regel stolz auf die
industriellen Wurzeln des Landes, die Ausführungen Klaus Wowereits,
einem der einflußreichsten deutschen Sozialdemokraten, sind
ungewöhnlich und könnten auf eine Wende des wirtschaftlichen Denkens
über die Zukunft der weniger dynamischen Regionen Deutschlands
hindeuten ..., da der Bürgermeister die traditionelle Sichtweise
kritisiert, daß Preise Arbeitsplätze schaffen." Weiter heißt es,
Wowereits Äußerungen erfolgten im Vorfeld von Wahlen im Stadtstaat
Berlin am 17.9. Zudem habe Berlins "Wende in Richtung einer modernen
Dienstleistungswirtschaft an Schwung gewonnen, seit Wowereit an die
Macht gekommen ist".
Die deutsche Ausgabe der Financial Times erläutert einen der
wichtigen Gründe für ihre Freude über die industriefeindliche Politik
Wowereits: Nachindustrielle "Dienstleistungsökonomien" sind durch
einen niedrigeren Lebensstandard im Vergleich mit fortschrittlichen
industriellen Ökonomien gekennzeichnet, in denen die Einkommen
steigen, während die Produktionsstückkosten sinken. Berlins
eigentlicher "Standortvorteil" sei das Billiglohnniveau. In Berlin
kosten Wissenschaftler "30 Prozent weniger als in München, " so die
FTD . Das gelte auch "bei Mode, Medien und Musik," wo Berlin
"Boomtown" sei.
Buchmann meinte dazu, daß Wowereit sich als industriefeindlich
"geoutet" habe, sollte es den Berlinern, von denen die meisten eine
Reindustrialisierung der Stadt befürworteten, erleichtern, diese
"postindustrielle Zukunft geringen Lebensstandards" zurückzuweisen.
Firmenübernahmen durch Beteiligungsgesellschaften nehmen stark zu
Nach dem Zusammenbruch des "New-Economy-Booms" und dem bereits
laufenden Einbruch des US-Immobilienmarkts ist offenbar "Private
Equity", Firmenbeteiligungen, der letzte Tanz an Bord der Titanic .
Rentenfonds, Versicherungen und andere Anleger stecken derzeit
beispiellose Summen in die "Heuschreckenfonds", die Unternehmen über
"Leveraged Buyouts" (LBOs) übernehmen. Die LBOs werden mit
Bankkrediten finanziert - und die Schulden werden dem Opfer, dem
übernommenen Betrieb aufgebürdet. Nach einer Umstrukturierung wird
das Unternehmen möglichst rasch an einen anderen Fonds verkauft oder
zum Börsengang gezwungen.
Neue Private-Equity-Operationen von KKR, Blackstone und anderen
Beteiligungsgesellschaften haben mit Dimensionen von 15 Mrd. $ und
mehr beispiellose Ausmaße erreicht. Durch Absprachen und einer
Hebelwirkung (Leverage) von 3:1 (3 $ Kredit zusätzlich für jeden
Dollar Fondskapital) sind diese Riesenfonds jetzt in der Lage,
praktisch jedes Unternehmen der Welt zu übernehmen - selbst die
größten. Vor wenigen Wochen tat sich KKR, der LBO-Pionier der 80er
Jahre, mit anderen Fonds zusammen und übernahm für 33 Mrd. $ die
amerikanische Krankenhauskette HCA. Das war das bisher größte
LBO-Geschäft überhaupt, noch über der berühmten Übernahme von Nabisco
durch KKR für 31 Mrd. $ im Jahr 1989.
Inzwischen wird fast jeden Tag ein neues Megageschäft verkündet.
Am 17.8. wurde gemeldet, KKR, Carlyle und CVC Asia Pacific bereiteten
sich darauf vor, für 12 Mrd. $ gemeinsam die zweitgrößte
Einzelhandelskette Australiens Coles Myer zu übernehmen. Einen Tag
vorher gab es Meldungen über eine geplante Übernahme des britischen
Kabelfernsehbetreibers NTL durch KKR, Blackstone und Cinven für 14,8
Mrd. Euro - das wäre das bisher größte "Beteiligungsgeschäft" in
Europa.
Selbst die Londoner Financial Times hat wegen der untragbaren
Summen neuer Schulden im Zuge diese LBO-Geschäfte Alarm geschlagen.
Der Kommentar von Gillian Tett vom 18.8. trägt die Überschrift "Mode
für Rekapitalisierung mit Leverage ein Widerhall der Dotcom-Manie".
Es heißt dort: "Damals in der Manie der Internetblase Ende der 90er
Jahre ... klagte eine Gruppe von Kassandras regelmäßig ..., die
Märkte seien verrückt geworden ... Echos hiervon sind offenbar in der
Private-Equity-Welt im Anzug."
Tett greift besonders die "Leverage-Rekapitalisierung" an; bei
dieser Praxis unternimmt der Fonds eine kreditfinanzierte Übernahme
und zahlt sich selbst dann aus dem übernommenen Unternehmen satte
Dividenden aus. So macht der Beteiligungsfonds einen gewaltigen
Profit, während das Unternehmen mehr Schulden hat. Ein typisches
Beispiel ist die Fastfoodkette Burger King, die Ende 2002 von drei
Firmen übernommen wurde - Texas Pacific Group, der
Beteiligungstochter von Goldman Sachs und Bain Capital . Nach
dreijähriger "Umstrukturierung " gaben die drei Firmen im Februar
2006 bekannt, daß sie Anteile von Burger King verkaufen wollen. Drei
Monate vorher ließen sie sich von Burger King 367 Mio. $ Dividende
auszahlen.
Lett schreibt: "Bis vor kurzem war diese Praxis eher eine
Seltenheit ... Aber in diesem Jahr breiten sich die 'Recaps' aus wie
ein Buschfeuer. Einem gruseligen Bericht der Ratingagentur Standard &
Poor's vom Montag zufolge gab es in diesem Jahr in den USA und Europa
63 solcher Leveraged Recaps, finanziert durch atemberaubende 25 Mrd.
$ Schulden, hauptsächlich Bankkredite. Man muß keine Ratingagentur
sein, um zu erkennen, daß das zu einer Welle zukünftiger Bankrotte
führen kann."