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  4. Juli 2006   Newsletter  

LaRouche und Prof. Hankel in Berlin:
"Für ein neues Weltfinanzsystem" (EIR)

Zweimal im Jahr treffen sich Diplomaten, Intellektuelle, Politiker, Bankiers und Wirtschaftsfachleute in Berlin mit dem amerikanischen Oppositionspolitiker und Wirtschaftswissenschaftler Lyndon LaRouche, um über die strategischen Optionen in einer Welt rapiden Umbruchs und außergewöhnlicher Gefahren zu debattieren. Am 27. Juni veranstaltete die Nachrichtenagentur EIR das fünfte Seminar dieser Art. Das Thema lautete "Für ein neues Bretton Woods System" - und die Hauptredner waren Lyndon LaRouche sowie Prof. Wilhelm Hankel. Anwesend waren diesmal neben ehemaligen Diplomaten und Regierungsvertretern aus Deutschland einige Banker und Wirtschaftswissenschaftler; aus dem Ausland kamen Gäste und Redner aus Rußland, Polen, Tschechien, der Slowakei, Dänemark und Frankreich.

Inzwischen ist es in offiziellen Kreisen ein offenes Geheimnis, daß sich das Weltfinanzsystem am Abgrund befindet und der Zeitpunkt einer ernsthaften Zusammenbruchskrise näherrückt. LaRouche gehört zu denjenigen, die vor dieser Krise am lautesten und eindringlichsten gewarnt haben; und so begann er sein Eingangsreferat auf dem Berliner Seminar wie üblich mit einem "Paukenschlag": "Wir befinden uns in einer Weltkrise ohnegleichen. Es gibt keinen anderen Vergleich der heutigen Lage innerhalb der europäischen Geschichte als mit dem finsteren Zeitalter des 14. Jahrhunderts... um die heutige Krise und die Lösung, die uns aus dieser Krise herausführen kann, zu verstehen, müssen wir zunächst verstehen, warum ein finsteres Zeitalter über Europa im 14.Jahrundert hereingebrochen ist... Es gibt Lösungen, aber wir müssen die 'Spielregeln' verstehen, nach denen diese Lösungen ausgearbeitet werden können." In diesen historischen Zusammenhang stellte LaRouche die Diskussion über das dringend notwendige neue Währungs- und Finanzsystem, ein neues Bretton-Woods-System (also einem System fester Wechselkurse zur Unterbindung der Spekulation).

Was bedeutet überhaupt das alte Bretton-Woods-System, das 1944 noch unter Franklin D. Roosevelt gegründet worden war? Hinter dieser Frage verbirgt sich in subtiler Weise der Kern eines richtigen Verständnisses der heutigen Lage als Fortsetzung der langen geschichtlichen Wellen. LaRouche machte deutlich, daß zwischen der ursprünglichen Intention Franklin D. Roosevelts bei der Gründung des Bretton Woods Systems 1944 und der Umsetzung unter Präsident Truman ein fundamentaler Unterschied bestanden habe. Das ist quasi die erste Lektion, die man lernen sollte, wenn man heute ernsthafte Politik machen will: Roosevelt tat alles, um ein Übergreifen des europäischen Faschismus auf Amerika zu verhindern. Sein Nachfolger Truman "gehorchte" im Gegensatz dazu den Finanzkreisen, die für den Faschismus verantwortlich waren. Truman befahl in einem Akt äußerster Barbarei den Abwurf der beiden einzigen existierenden Atombomben auf Japan, das bereits in Kapitulationsverhandlungen war, während Roosevelt eine Nachkriegsordnung ohne Kolonien und Imperien anstrebte, in dem vor allem ärmere Länder ihr Recht auf Entwicklung einlösen sollten. Truman stand für die Fortsetzung der imperialen Kolonialpolitik des 19. Jahrhunderts.

LaRouche hat damit in wenigen Grundzügen auf einen Aspekt der Kontinuität europäischer Geschichte hingewiesen: der Faschismus der 20er und 30er Jahre trug das gleiche Charakteristikum wie das finstere Zeitalter des 14.Jahrunderts - und nach 1945 konnten trotz des Sieges über Nazi-Deutschland die führenden Bankenkreise, die Hitler und Mussolini unterstützt hatten, nicht nur weiter existieren, sondern auch Pläne für die Zukunft schmieden. Sie "warteten" seit diesem Zeitpunkt auf ihre nächste "Chance", der Welt neofeudale, proto-faschistische Regime aufzuzwingen. Dieses Verständnis historischer Prozesse ist diametral dem leider vorherrschenden mechanistischen Geschichtsbild entgegengesetzt. Umso wichtiger ist die Reflektion darüber.

Hierzu gleich eine Anmerkung: In Deutschland gibt es immer noch eine tiefe Abneigung, sich mit der "schmutzigen Seite" der Geschichte zu beschäftigen. Zum einen ist es die Abwehrreaktion gegen die "Übersättigung" mit dem Thema Drittes Reich, Faschismus etc. Zum anderen fühlen sich die meisten Menschen umso ohnmächtiger, je mehr Einzelheiten sie darüber erfahren, wer wann warum und mit wem damals am Aufbau faschistischer Strukturen beteiligt war - und wer es heute erneut ist. Diese Einstellung reflektiert jedoch ein ganz grundsätzliches Problem: die meisten Menschen (inklusive derjenigen in Machtpositionen) sehen sich selbst nicht als historisches Subjekt, und insofern verschwimmt Geschichte als etwas weit Entferntes, Vergangenes, das eigentlich keine Bedeutung für das Leben hier und heute hat.

Genau aus diesem Grund ist die Konfrontation mit den "langen Wellen" geschichtlicher Kontinuität entscheidend. Das Studium dieser langen Wellen kann helfen, sich als historisches Subjekt zu verstehen. Wir sehen dann auch, daß wir eben tatsächlich noch gar nicht aus dem Tal der Welle herausgekommen sind - wir können die Schatten der Vergangenheit nicht einfach abschütteln. Die Reaktion der führenden Finanzkrise auf die Krise 1929-1932 war der Aufbau faschistischer Regierungen. Die gleichen Finanzkreise haben das gleiche Reaktionsmuster heute - und die kommende Krise hat größere Sprengkraft als die von 1929. Deswegen LaRouches "Paukenschlag" zur Eröffnung des Seminars in Berlin - nicht um Resignation zu verbreiten, sondern die Menschen zu befähigen, aus dem tiefen Tal der geschichtlichen Welle aufzusteigen und oben zu schwimmen!

LaRouche machte deutlich, wer die Bankenkreise sind, die er als "Synarchisten" bezeichnet (Synarchismus kommt als Bewegung aus Frankreich und verfolgte das Ziel, zur Errichtung der ungebrochenen Macht von Banken und Kartellen die Gewerkschaften und Parlamente zu eliminieren). Er wies dabei vor allem auf die Bankhäuser Lazard Frères und Banque Worms hin, die jetzt "ihre Zeit" gekommen sehen. LaRouche führte aus, daß es die Intention der synarchistischen Finanzkreise seit der Truman-Adminstration war, die Institution des souveränen Nationalstaates zu zerstören - und dies werde heute unter dem Namen der "Globalisierung" in die Tat umgesetzt. Europa sei im Augenblick noch nicht bereit, diesen Dingen ins Auge zu sehen und sich selbst zu verteidigen. "Europa ist mehr als die USA durch eine Oligarchie kontrolliert - aber der Ursprung dieser Oligarchie liegt nicht in den USA, sondern in Europa". Deswegen komme es auf eine grundlegende politische Veränderung in den USA an. Abschließend betonte LaRouche die Notwendigkeit einer Wirtschaftspolitik, die auf dem Verständnis des Menschen als kreativ-schöpferischem Individuum aufbaut. Die Wirtschaftspolitik muß dem Menschen dienen, sie darf nicht dem Irrglauben erliegen, man könne Geld "verdienen", indem man der Gesellschaft etwas entnimmt. Um etwas real zu verdienen, muß man investieren, und zwar in die Kreativität der Menschen.

Prof. Wilhelm Hankel, der ehemalige Chefvolkswirt der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und vielen hierzulande durch seine Warnungen vor der Einführung des Euro bekannt, ging ausführlich auf die konkreten Anzeichen der Krise des globalen Systems ein. Er bezeichnete die heutige globalisierte Wirtschaft als einen "Flickenteppich unterschiedlicher Regulierungszonen", eine "chaotisch-anarchische Welt, in der die Kapitaleigner eine permanente Flicht in die Gesetzlosigkeit antreten" - denn sie betrachten die Märkte als attraktiv, die am wenigsten reguliert sind. Hankel machte zwei fundamentale Ungleichgewichte der heutigen Weltwirtschaft aus: zum einen das gigantische Defizit der USA und zum anderen das Ungleichgewicht innerhalb der Euro-Zone zwischen Defizit- und Überschuß-Ländern. Die USA bekämen zinslosen Dauerkredit von Japan, China und Deutschland, die aus jeweils unterschiedlichen Motiven und Ausgangspositionen jedoch alle vom starken Export leben und deswegen bisher bereit gewesen sind, das US-Defizit zu finanzieren. Im Falle Deutschlands komme noch hinzu, daß seit der Einführung des Euro unser Handelsbilanzüberschuß durch das Defizit der anderen kompensiert bzw. aufgezehrt werde. Hankel warnte: "Solche Ungleichgewichte lassen sich auf Dauer nicht aufrechterhalten. Obwohl man keinen genauen Zeitpunkt angeben kann, ist der Kollaps des Systems vorprogrammiert."

Der Tag werde kommen, an dem die Welt nicht länger bereit sei, die USA zu finanzieren, und dann käme es über den Kollaps in den USA zu einer Krise in der ganzen Welt. Hankel verurteilte scharf die sog. "Globalisierung": "Die Globalisierung ist eben nicht eine Wohlstandsmaschine, sondern eher schon eine Verarmungsmaschine..." und er antwortete mit dem großen deutschen Ökonomen Friedrich List, der die enge Verbindung Zwischen Raum und Menschen hervorgehoben habe sowie die enge räumliche Verflechtung zwischen Landwirtschaft und Industrie als Voraussetzung für Wohlstand und Produktivität. "Wir müssen wieder in der Lage sein, souverän zu entscheiden", so Hankel, "dann können wir auch wieder den Weg eines staatlichen Bankensystems gehen." Entscheidend sei, daß für die Weltwirtschaft völkerrechtliche Grundsätze aufgestellt würden, wie es ja auch innerhalb der Nationen keinen rechtsfreien Raum gäbe.

In der anschließenden Diskussion ging es genau um diese Fragen: wie verhindern wir in Zukunft, daß Währungen Objekt der Spekulation werden? Wie soll das neue Bretton Woods System aussehen, welche Schwankungsbreiten für die Währungen sollen existieren? Gibt es eine Reservewährung oder nur eine Verrechnungseinheit ? Dies sind offenkundig genau die Fragen, die jetzt angesichts des drohenden Systemkollapses diskutiert werden müssen, und zwar auf der Ebene Regierungen. Die Seminare der LaRouche-Bewegung sind in diesem Sinne eine Art Ersatz-Regierungskonferenz - solange wie sich die Regierungen selbst weigern, kompetente Vorbereitungen auf die Krise zu treffen. Auf den entscheidenden konzeptionellen Punkt wies LaRouche hin: letztlich ginge es darum, nicht ein monetäres Handels-System aufzubauen, sondern ein "Investitions-System". Das zukünftige Finanzsystem werde seinen Testfall in Afrika erleben, wenn es um die Finanzierung langfristiger Investitionen über 50 und mehr Jahre gehe! Einen weiteren Beitrag in diese Richtung leistete Thorsten Schulte, ein Bankier aus Frankfurt. Er hatte eine ganze Serie von Folien mitgebracht, um die Warnungen LaRouches und Hankels mit anschaulichen Grafiken zu unterlegen. Die Kernaussage Schultes lautete: ein Systemkollaps wird für die unmittelbare Zukunft immer wahrscheinlicher. Dies werde allein daran deutlich, daß die Immobilienpreise in den USA seit Ende 2005 drastisch im Fallen sind und sich damit ein Platzen der Immobilienblase ankündige.

Der zweite Teil des Seminars vertiefte zunächst die Untersuchung der synarchistischen Finanzkreise - und zwar vor allem in Bezug auf die amerikanische Seite. Dr. Cliff Kiracofe vom Virginia Military College und EIR-Redakteur Jeff Steinberg aus Washington sprachen über den US-Faschismus damals und heute. Die Reden werden demnächst in ganzer Länge zur Verfügung stehen, deswegen seien hier nur zwei Punkte herausgegriffen: 1. In den 30er Jahren gab es den Versuch, nach dem Muster der europäischen Faschisten in den USA eine faschistische Massenbewegung aufzubauen und Franklin D. Roosevelt durch einen Staatsstreich von der Macht zu entfernen. Dahinter standen die American Liberty League, organisiert durch GM, US Steel, dem Bankhaus Kuhn Loeb und ihre französischen Verbindungen. 2. Diese Verbindungen zu französischen Finanzinteressen sind wesentlich - denn bei den Studien über die 30er und 40er Jahren stößt man immer wieder auf zwei Bankhäuser, die das Zentrum eines Spinnennetzes faschistischer Bewegungen und Staaten darstellten: das französisch-amerikanische Investmenthaus Lazard Frères und die Banque Worms in Frankreich.

Und damit sind wir bei der aktuellen Gegenwart. Jeff Steinberg beantwortete die für Europäer so wichtige Frage, warum die Demokratische Partei der USA offensichtlich den Kampf gegen die Neokonservativen um Cheney, Rumsfeld etc. aufgegeben hat. Die Antwort heißt Lazard Frères! Deren ehemaliger Vorsitzender in den USA ist Felix Rohatyn. Er ist einer der einflußreichsten Figuren in der Demokratischen Partei, nicht zuletzt durch seine Geldzuweisungen. Hier sind wieder die langen Wellen der Geschichte: Lazard Frères hat Hitler mit aufgebaut, und Felix Rohatyn war persönlich in den Putsch Pinochets in Chile 1973 verwickelt. Solange solche Leute maßgeblichen Einfluß auf den US Kongreß und die Demokratische Partei ausüben, wird es keine neue Finanzarchitektur oder ein neues Bretton Woods System geben - denn ohne die USA geht es nicht. Diese Finanzinteressen sind vielmehr gerade dabei, die Axt an die industrielle Substanz der USA zu legen. Wie bereits an anderer Stelle dokumentiert, war es Felix Rohatyn, der den Bankrott des US-Autosektors seit Jahren systematisch betreibt. Die Folge: in den letzten 4 Jahren sind 280 000 Arbeiter entlassen worden, und in den nächsten zwei Jahren werden weitere 300 000 folgen. Und schon in den 70er Jahren hatte Felix Rohatyn als Vorsitzender einer Kommission zur Schuldenrestrukturierung New Yorks diese seinerzeit größte amerikanische Stadt entindustrialisiert. In nur wenigen Jahren wurden von den einst 1,3 Mio. Industriearbeitern in New York rund die Hälfte gefeuert! Erst wird das Land ruiniert und dann unter Kuratel der Banken gestellt: die moderne Variante des Faschismus.

Diese Hintergründe wurden dargelegt, um das in Europa immer noch sehr enge Geschichtsbild zu weiten. Wenn die Menschen hinter der Globalisierung, der Vernichtung von Arbeitsplätzen, der Zerschlagung sozialer Systeme ein Gesicht erkennen können, dann sollte es eigentlich nichts mehr geben außer der berühmten Zivilicourage, was uns hindert, den politischen Kampf um die Zukunft unserer Nationen und der unveräußerlichen Rechte aller Menschen aufzunehmen. Diese Aufgabe umriß die Vorsitzende der Büso, Helga Zepp-LaRouche in ihrer kurzen Rede. Frau Zepp-LaRouche verwies auf die destruktive Rolle des Bankhauses Lazard bei der Entindustrialisierung Deutschlands und Berlins. Zum Beispiel müsse man sich die unsägliche Rolle einer Birgit Breuel als Treuhand-Chefin ansehen, die diesen Posten nach der Ermordung Detlev Carsten Rohwedders übernahm. Unter Breuels Ägide wurde die ostdeutsche Industrielandschaft "entsorgt". Frau Breuel entstammte dem Bankhaus Münchmeyer, dessen Aktivitäten und Beziehungen vielfältig mit Lazard Frères überlappt sind. Frau Zepp-LaRouche stellte die Frage, warum keine der im Bundestag vertretenen Parteien dem industriellen Kahlschlag entgegengetreten sind. "Es sieht alles nach einer ungeheuren Korruption aus - genauso wie bei der Demokratischen Partei der USA," so Zepp-LaRouche. Es ginge allerdings diesen Kräften nicht nur einfach um die Vermehrung ihres Profits, sondern um eine ideologische Kampagne zur Zerstörung des Sozialstaates und der Souveränität der Staaten überhaupt. Deswegen beteilige sich die Büso mit ihrem Spitzenkandidaten Daniel Buchmann auch an den Abgeordnetenhauswahlen in Berlin im September dieses Jahres. Jacques Cheminade, Präsidentschaftskandidat für 2007 und LaRouches Mann in Frankreich, stellte die Frage, ob Frankreich nach 14 Jahren Mitterand und 12 Jahren Chirac bereits sterbe oder in die lang anhaltende Agonie eines Todeskampf verfalle. Er nahm die jüngste Firmenfusion zwischen Arcelor und Mittal zum Anlaß, vor den anglo-holländischen Finanzkreisen hinter Mittal zu warnen, die ihren Coup mit Unterstützung des französischen Staates durchgeführt hätten. Cheminade berichtete von seinen Empfindungen, wonach sich in Paris heute der Geruch des Berlins von 1932 verbreite.

Interessant waren vor diesem Hintergrund die verschiedenen Beiträge aus Osteuropa (Rußland, Polen, Slowakei und Tschechien), die im allgemeinen optimistischer klangen. Mit den Prof. Menschikow und Kobjakow sowie Konstantin Tscheremnych aus St. Petersburg (alle drei ehemalige oder tatsächliche Regierungsberater sowie Wissenschaftler und Intellektuelle) waren drei hochkarätige russische Teilnehmer zum Seminar nach Berlin gekommen, die alle gemeinsam eines unterstrichen: Rußland wacht langsam auf! Am deutlichsten sei dieses in der Rede Putins am 10. Mai geworden, in der er eine "Supermodernisierung" Rußlands angekündigt habe. Dabei gehe es sowohl um die Erneuerung der Technologie-Basis der russischen Wirtschaft (vor allem in den Bereichen Kernenergie und Raumfahrt) als auch um die Realisierung der Eurasischen Landbrücke. Prof. Kwiczak aus Polen forderte einen starken Staat als Alternative zum zerstörerischen System der Globalisierung - während paradoxerweise Prof. Carnogursky, der ehemalige stellvertretende Ministerpräsident der Tschechoslowakei, Polen eine strategisch entscheidende Rolle innerhalb Europas zuwies, sich nämlich endlich aus den emotionalen Zwängen der Vergangenheit zu befreien. Das würde bedeuten, nicht weiter den nachbarlichen Beziehungen zu entfliehen und Verbündete weit weg zu suchen, nur weil man mit den unmittelbaren Nachbarn Deutschland und Rußland so schlechte Erfahrungen gemacht habe. Polen müsse als Beitrag zum erfolgreichen Bau der Eurasischen Landbrücke endlich gute produktive Beziehungen zu seinen Nachbarn im Westen wie im Osten aufbauen.

LaRouche persönlich faßte diesen Teil der Diskussion zusammen. Eurasien sei sein "Spezialgebiet", er sei zuversichtlich, daß die Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland sowie Deutschland und China die Grundlage für die drängenden Fragen der nächsten 25-50 Jahre werden könnten, nämlich die akuten Probleme der Wasserversorgung und der relativen Rohstoffverknappung in der Welt zu lösen. Dafür seien langfristige Investitionen in Städtebau, Infrastruktur und Industrie in Sibirien, Zentralasien und ganz Eurasien notwendig.

Hier geht es also um die "langen Wellen" der zukünftigen Geschichte. Auf dem Höhepunkt des zweiten Teils des Berliner Seminars legte LaRouche noch einmal schnörkellos dar, warum ein richtiges Verständnis der wissenschaftlichen Prinzipien der Geschichte notwendig für die Lösung der heutigen Krise ist, und man eben auch nicht vor den "schmutzigen Seiten" die Augen verschließen darf. Er verglich dabei den Verlauf der europäischen Geschichte mit dem Umlauf der Planetenbahnen - was die zugrundeliegenden Prinzipien betrifft. Und so erkennen wir neben den aktiven Prinzipien, die auf Unterdrückung des kreativen Potentials der Menschen abzielten (in Form des Römischen Reichs, der venezianischen Oligarchie, den Kreuzzügen etc.) auch die positiven langen Wellen der Geschichte: "Der Mensch ist grundsätzlich gut", betonte LaRouche, "aber von Zeit zu Zeit verbreitet sich Korruption. Dies beginnt damit, wenn Menschen lügen, um von ihren Freunden anerkannt zu werden..." Aber das Prinzip des Guten hat sich als Kontinuität der menschlichen Geschichte beeindruckend gezeigt. Die Übernahme ägyptischer Wissenschaft durch die Griechen, das erneute Aufkeimen des Christentums nach Konstantin durch die augustinische Bewegung, die sich an solch "exotischen Orten wie Irland, Spanien oder Sachsen verbreitete", wie es LaRouche polemisch ausdrückte. Wer also weiß genau, an welchen exotischen Orte heute die Idee von Souveränität und Gemeinwohl noch aufblüht?

Machtkampf in Washington:
"Vizepräsident Cheney hat Irak-Informationen manipuliert"

Die Manipulation von Geheimdienstinformationen, um den Irakkrieg durchzusetzen, könne man in drei Worten zusammenfassen: "der Vize-Präsident". Das sagte Oberst a.D. Wilkerson, der ehem. Stabschef des früheren US-Außenministers Powell am 26. Juni bei einer Anhörung des Politischen Komitees der Demokraten im Senat (SDPC). Der SDPC-Vorsitzende Senator Dorgan erklärte, beide Parteien seien eingeladen worden, die Aussagen der Zeugen anzuhören, zu denen vier hochrangige Geheimdienstbeamte gehörten, die unter der Regierung Bush/Cheney dienten. Die Anhörung wirkte wie eine institutionelle Anklage gegen Cheney und die Regierung Bush. Die anderen hochrangigen Zeugen waren der ehem. Nationale Geheimdienstbeamte für den Nahen Osten und Südasien Pillar, der ehem. Unterstaatssekretär für Geheimdienste und Forschung im Außenministerium Ford und der ehem. stellv. Direktor des Büros Nah-Ost/Südasien White. Bei einer zweiten Anhörung kamen weitere Kenner der Lage im Irak zu Wort: der ehem. Chefberater der Irak-Überwachungsgruppe Barton, der über die Suche nach den nichtsexistenten Massenvernichtungswaffen (MVW) im Irak berichtete; der Militärkorrespondent der Londoner Sunday Times Smith, der das "Downing Street Memo" vorstellte, demzufolge Bush und Blair schon im April 2002 über den Krieg im Irak als beschlossene Sache diskutierten; sowie der Vizepräsident des Zentrums für Amerikanischen Fortschritt Cirincione. Wilkersons Aussage war eine sehr nützliche und gründliche Ausführung seiner früheren Äußerungen, die er in Interviews über ein von Cheneys Büro manipuliertes UN-Dossier gemacht hatte. Aber diesmal sprach er in den Räumen des US-Senats, und seine Aussage findet man auf der Internetseite des SDPC.

Oberst a.D. Wilkerson sagte bei dieser Anhörung u.a.: "Ende 2002, als wir uns unaufhaltsam auf einen zweiten Krieg gegen den Irak zubewegten, ... wurde uns im Außenministerium klar, daß wir in diesem Krieg evtl. alleine oder praktisch alleine stehen würden... In dieser Zeit begann ich mich sehr für das Lagebild zu interessieren, das wir vom CIA-Chef Tenet erhielten, und für die Dokumente, die seine Gruppe produzierte... sowie für die Nutzung dieser Informationen durch die Mitarbeiter der Regierung. Mir wurden deren Konsequenzen umso klarer, als Vizepräsident Cheney - noch während Außenminister Powell versuchte, diplomatische Fortschritte zu machen - Powell durch Reden (wie z.B. die vor dem 103. Nationalkonvent der Kriegsveteranen) unterminierte und dadurch die Chance einer diplomatischen Lösung praktisch ausschloß. Dabei verwendete der Vizepräsident Teile von Dokumenten der Geheimdienste in einer Weise, die von diesen Dokumenten selbst nicht gestützt wurde - zumindest nicht stark. Andere Regierungsmitglieder beteiligten sich an diesen Verdrehungen. Das scheußlichste Beispiel war die Rede des Präsidenten zur Lage der Nation am 28. Januar 2003, mit der inzwischen berüchtigten Erklärung über Uran und Niger. Der Außenminister, ich, und viele andere in der Regierung wußten, daß der angebliche Versuch des Irak, Uran aus dem Niger zu beschaffen, entgegen der Berichterstattung, sehr unwahrscheinlich war. Als außerdem Äußerungen wie "Wir wollen nicht, daß das durch einen Atompilz bewiesen wird", z.B. von... Dr. Rice fielen, wurden wir im Außenministerium besorgt, weil unsere eigenen Geheimdienstleute bezweifelten, daß der Irak überhaupt ein aktives Nuklearprogramm hatte.

Ich lud daraufhin einige Wissenschaftler in mein Büro im Außenministerium ein: ehem. Mitarbeiter der UNSCOM-Inspektionsteams und andere, die detaillierte Kenntnisse über das irakische Waffenprogramm hatten. Sie sagten mir, daß Saddam Hussein erpicht darauf war, daß die internationale Aufmerksamkeit auf sein Regime nachließ, daß die Sanktionen aufgehoben und wichtige Länder wieder normale Bezienhungen zum Irak aufnehmen würden. Damals beabsichtigte Saddam, die Beschaffung/Entwicklung von MVW inkl. der nuklearen Kapazitäten, wieder aufzunehmen, aber zum damaligen Zeitpunkt hatte er praktisch keine MVW, abgesehen von evtl. ausgelagerten Forschungsprogrammen im Sudan und Syrien... Die Wissenschaftler brachten sehr überzeugende Argumente vor. Ich begann, schwere Zweifel darüber zu haben, was wir finden würden, wenn wir in den Irak einmarschierten und dort nach MVW suchten.

Am 29. Januar 2003 übergab mir der Außenminister... eine 48seitige Schrift über das MVW-Programm des Irak. Er hatte diese Schrift am selben Tag vom Büro des Vizepräsidenten erhalten... [und] wies mich an, eine Arbeitsgruppe zu gründen... Er wollte, daß ich ihn darauf vorbereitete, die Anklage gegen den Irak nur sieben Tage später vor dem UN-Sicherheitsrat (UNSC) vorzutragen. Er informierte mich, daß ich am nächsten Tag noch zwei weitere, ähnliche Papiere erhalten würde - eines über die Beteiligung des Irak an terroristischen Aktivitäten, und eines über die Menschenrechtsverletzungen des Irak... Die Arbeitsgruppe ging sofort an die Arbeit. Als erstes nahmen wir uns die 48seitige MVW-Schrift vor und versuchten, das, was wir lasen, zu verifizieren, indem wir die Quellen überprüften, die uns John Hannah angab, während wir die Papiere studierten. Nach einigen Stunden wachsender Frustration wurde uns klar, daß das 48seitige Dokument aus dem Büro des Vizepräsidenten wertlos war. Es hatte keine Quellenangaben wie ein normales Dokument der Geheimdienste, und daher mußte jeder Satz mit den Quellen verglichen werden, die Hannah uns angab... Es war in der kurzen Zeit, die wir für diese Überprüfung hatten, einfach unmöglich, jede Quelle genau zu überprüfen. Ich wandte mich mit einiger Frustration an CIA-Chef Tenet und sagte ihm, daß das, was wir versuchten, einfach nicht funktionieren konnte. Ohne jedes Zögern stimmte Tenet zu und sagte, wir sollten stattdessen die Nationale Geheimdiensteinschätzung (NIE) über die irakischen MVW vom Oktober 2002 als Grundlage verwenden. Daraufhin nahmen wir die Arbeit wieder auf, nachdem wir mehr als einen halben kostbaren Tag verloren hatten. Diesmal verwendeten wir die NIE...

Während der nächsten Tage... schrieben wir die UNSC-Rede auf und Minister Powell übte sie ein. Diese Übungen fanden zunächst im Konferenzraum Tenets in [dem CIA-Hauptquartier] Langlay statt. Dabei waren immer der Minister [Powell], Tenet, sein Stellvertreter, hohe Geheimdienstanalysten, ich und Mitglieder meiner Arbeitsgruppe sowie auch öfter der stellv. Nationale Sicherheitsberater Steve Hadley, die Nationale Sicherheitsberaterin Dr. Rice, der Stabschef des Büros des Vizepräsidenten (OVP) Lewis Libby und andere aus dem Weißen Haus sowie der stellv. Außenminister Richard Armitage anwesend... Bei den Übungs- und Diskussionssitzungen in Langley ging es meistens zwischen dem Außenminister, der versuchte, unbestätigte und/oder nutzloses Material zu streichen, und den Mitgliedern des Weißen Hauses hin und her, die versuchten, das Material doch zu verwenden oder weiteres hinzuzufügen... Wiederholt versuchten Mitarbeiter des OVP und des NSC, das angebliche Prager Treffen zwischen dem Al-Kaida-Agenten und 9/11-Entführer Atta und irakischen Geheimdienstlern in den Vortrag 'reinzuschmuggeln. Minister Powell strich dies wiederholt heraus, da Tenet sich weigerte, das Treffen zu bestätigen. Schließlich wurde Minister Powell bei einer der letzten Übungen mitten in seinem Vortrag von Hadley... unterbrochen und gefragt, was mit dem Satz geschehen sei, der das Treffen in Prag beschrieb. Minister Powell fixierte Hadley mit festem Blick und sagte pikiert: 'Wir haben das gestrichen, Steve - und es bleibt draußen.'

Doch der dramatischste Moment für mich bei dieser intensiven Vorbereitung... kam während der Probe in New York. Der Minister hatte gerade im Schnelldurchgang die über eine Stunde lange Rede gehalten, wandte sich dann an Tenet und fragte ihn, ob er zu allem stehe, was der Minister gerade gesagt hatte. Tenet nickte und fügte hinzu, wenn irgendetwas darin nicht zutreffen sollte, so werde er es vor dem Überwachungsausschuß des Kongresses vertreten müssen, und das sei eine schreckliche Aufgabe. Der Minister sagte, Herr Tenet müsse tatsächlich zu seinem Wort stehen, denn er werde bei dem Treffen des UN-Sicherheitsrats 'in camera' sein. Ich selbst hatte, nachdem ich den gesamten, formellen Vortrag bei der UNSC-Sitzung gesehen hatte, das Gefühl, daß die Rede nicht sehr überzeugend war. Nur der Mann, der die Rede hielt - Colin Powell - verlieh ihr Glaubwürdigkeit. Vieles von dem, was vorgetragen wurde, konnte auf unterschiedlichste Weise interpretiert werden. Kurz, es war eine Sammlung von Indizien, und nicht einmal eine sehr überzeugende." Am Ende seines Vortrags berichtete Wilkerson über zwei "beunruhigende Entdeckungen", die er nach seinem Ausscheiden aus dem Außenministerium machte. Erstens "daß die DIA bzgl. des Ergebnisses des Verhörs von Ibn al-Sheikh al-Libi anderer Meinung war", aber weder er noch Minister Powell darüber informiert worden waren. Zweitens, daß die Geschichte über die "angeblichen mobilen biologischen Waffenlabors des Irak" von einer Quelle stammte, die als unzuverlässig galt.



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