Notmaßnahmen des US-Kongresses erforderlich
Am 14.5. veröffentlichte Lyndon LaRouche die folgende Stellungnahme:
"Eine Reihe entscheidender Entwicklungen um die sich abzeichnende
Anklageerhebung gegen den früheren Vizestabschef des Weißen Hauses
Karl Rove hat eine Lage geschaffen, in der Vizepräsident Cheney jetzt
für ein beschleunigtes Absetzungsverfahren mehr als reif ist und der
Präsident selbst den Ausbruch einer drohenden persönlichen
Systemkrise erlebt. Allein die Tatsache, daß eine solche Lage
existiert, bringt die Gefahr einer Diskontinuität der Arbeit der
Bundesregierung mit sich - eine Diskontinuität, die wir unter den
gegenwärtigen bedrohlichen weltweiten Finanz-, Währungs- und
verwandten Krisen nicht zulassen dürfen.
Unter solchen Verhältnissen sind verständige Führungsleute im
Kongreß verpflichtet, umgehend angemessene Initiativen zu ergreifen,
um bei den entsprechenden Institutionen im Land, unter ausländischen
Regierungen und allgemein bei unseren Bürgern das Vertrauen in unsere
Bundesregierung wiederherzustellen.
Die zentrale wirtschaftliche und soziale Krise in den
Vereinigten Staaten besteht derzeit in den Folgen der sich
abzeichnenden Zerstörung von bis zu zwei Dritteln der
US-Automobilindustrie. Wenn nicht unmittelbar eingegriffen wird, um
zu verhindern, daß sich diese Katastrophe entfaltet, hätte das
unabsehbare Folgen für das Vertrauen der Öffentlichkeit in die
amerikanische Gesellschaft bei uns zuhause und im Ausland.
In diesem kritischen Augenblick haben meine Mitarbeiter und ich
ein Programm von Notmaßnahmen ausgearbeitet, die notwendig sind, um
zu verhindern, daß die USA als moderne Volkswirtschaft
zusammenbrechen; die brachliegenden Kapazitäten unserer
Automobilindustrie sollten für dringend notwendige Maßnahmen zum
Wiederaufbau verlorener und zerfallender grundlegender
wirtschaftlicher Infrastruktur unseres Landes verwendet werden. Ein
Eingreifen zur beschleunigten Annahme und Umsetzung dieses Programms
für gesetzgeberische Maßnahmen des Bundes, die derzeit in
Vorbereitung sind, würde in einer Zeit, in der die Präsidentschaft
selbst den niedrigsten, immer noch weiter sinkenden Stand des
Vertrauens der Öffentlichkeit in der jüngeren Geschichte hat, das
Vertrauen in unsere Bundesregierung wiederherstellen.
Die Gauner aus dem Weißen Haus und dem Amtsbüro des
Vizepräsidenten zu vertreiben, ist leider dringend notwendig, aber es
ist nicht gerade erhebend. Ein Eingreifen des Kongresses, das unserem
Volk Grund für Vertrauen in unser Bundessystem gibt, ist die positive
Note, die in diesem gefahrvollen Moment des sich abzeichnenden,
überfälligen Sturzes des Vizepräsidenten dringend notwendig ist."
* * *
Rohstoff-Hyperinflation und platzende Aktienblase
Eine Weimar-artige Hyperinflation treibt die Preise von Edel- und
Industriemetallen (trotz gelegentlicher kurzfristiger Unterbrechungen
durch Gewinnmitnahmen) auf immer neue Rekordhöhen. Parallel zur
"Flucht in harte Werte" sinkt das Vertrauen in Papierwerte, besonders
Aktien, sowie Währungen, allen voran dem US-Dollar, international
rasch weiter.
Seit einigen Tagen ist die internationale Finanzpresse voller
Artikel und Kommentare, die extreme Nervosität und Furcht wegen der
immer stärkeren Brüche auf den Finanzmärkten ausdrücken. Am 13.5.
veröffentlichte die große deutsche Tageszeitung Süddeutsche Zeitung
einen längeren Beitrag über die "Flucht ins Gold", worin auf die
Angst der Anleger vor Hyperinflation und vor einem
Systemzusammenbruch hingewiesen wird. Ein Edelmetallhändler wird
zitiert, Angestellte großer Banken gehörten zu seinen besten Kunden.
Der Preis für Gold stand Ende 2001 bei 276$ je Unze. 2002 stieg
er um 66$ auf 342$, dann 2003 um 75$ auf 417$, im Jahr 2004 um 21$
auf 438$ sowie 2005 um weitere 75$ auf 513$. Im Jahr 2006 jedoch ist
der Goldpreis schon nach viereinhalb Monaten um 213$ nach oben
geschossen, am 12.5. lag er in London bei 726$. Der größte Teil des
Anstiegs entfiel auf die letzten beiden Monate (181$). Damit liegt
Gold jetzt 42% höher als zu Jahresbeginn. Der Preis von Silber auf
dem Londoner Bullion Market stieg in diesem Jahr um 69% von 8,83$ auf
14,94$ je Unze. Palladium und Platin stehen auf Rekordhöhen.
Bei den Industriemetallen ist der Anstieg für Kupfer am
dramatischsten. An der Londoner Metallbörse begann Kupfer das Jahr
2006 bei 4537$ die Tonne. Anfang Februar wurde erstmals die
5000-$-Grenze überschritten. Mitte April, vor einem Monat, kostete
Kupfer erstmals mehr als 6000$. Doch noch vor dem Monatsende wurden
7000$ erreicht. Anfang Mai stieg der Preis über 8000$, und am 12.5.
lag er bei 8619$, das ist ein Anstieg um 90% seit Jahresbeginn.
Preise für Zink und Nickel liegen auf Allzeithöhen, für Aluminium auf
dem höchsten Stand seit 17 Jahren.
Die Preisexplosion bei den Industriemetallen und den
Energiepreisen verteuert dramatisch die Produktionskosten in der
Industrie, vom Automobilsektor bis zum Maschinenbau.
Gleichzeitig macht die Erwartung steigender Inflation und damit
steigender Zinsen Anleger der verschiedenen Wertpapierblasen nervös
- von Aktienbörsen bis hin zu Schulden "aufstrebender Märkte". So
gab es in der zweiten Maiwoche auf den US-Aktienmärkten die größte
Verkaufswelle seit einem Jahr und den größten Wochenabsturz
europäischer Börsen seit August 2004. Als die Renditen zehnjähriger
US-Schatzanleihen am 12.5. zum ersten Mal seit vier Jahren wieder
über 5,2% stiegen, gab es Panikverkäufe von Anleihen, Aktien und
Währungen aufstrebender Märkte in aller Welt. Lateinamerikanische
Währungen, u.a. der brasilianische Real und der mexikanische Peso,
erlitten den größten Rückgang seit Jahren.
Clinton, Ex-Premier Rocard für Neues Bretton Woods
Vertreter des Schiller-Instituts empfingen den früheren
US-Präsidenten Bill Clinton bei seinem Blitzbesuch in Kopenhagen am
11.5. Ihr Banner trug die Aufschrift "Willkommen Clinton,
unterstützen Sie LaRouches Neues Bretton Woods". Sie sangen "The
Battle Cry of Freedom"; Clinton drehte sich sofort um, lachte
freundlich und kam zu ihnen. Michelle Rasmussen fragte ihn: "Grüße
von LaRouche. Würden Sie unterschreiben, um LaRouches Programm für
ein neues Bretton-Woods-Finanzsystem zu unterstützen?" Clinton nahm
gleich einen Stift und unterschrieb auf dem Banner.
Am 13.5. hielt Michel Rocard, der 1988-91 französischer
Ministerpräsident war und heute im Europaparlament sitzt, an der
Hochschule für Politikwissenschaft in Nancy einen Vortrag über "Die
Zukunft Europas". Rocard beschrieb, wie die Austeritätspolitik der EU
"den europäischen Traum zerstört hat". In den letzten 30 Jahren seien
Bedingungen geschaffen worden, die heute reif für eine "Systemkrise"
oder einen "finanziellen Tsunami" seien.
Nach der Rede wurde Rocard aus dem Publikum gefragt: "Gestern
gab es ein Treffen mit dem Vizepräsidenten der EU-Kommission für
Verkehr, Jacques Barrot. Zwei Mitglieder der Partei Solidarité et
Progrès, der Partei von Jacques Cheminade, schilderten - genau wie
Sie - die Schwere der Krise, schlugen aber ein Neues Bretton Woods
vor und forderten einen Ersatz für die Europäische Zentralbank. Was
sagen Sie dazu?"
Rocard erklärte, worum es sich beim ursprünglichen
Bretton-Woods-Abkommen handelte, und fuhr fort: "Dieses System wurde
1971 von Nixon zerstört, zu einer Zeit, als ein Mann, Dick Cheney,
seine Karriere begann. Ja, wir brauchen heute ein neues Bretton
Woods. Ich kenne Jacques Cheminade sehr gut und er hat recht. Ich
habe das auch in der Sozialistischen Partei vorgeschlagen." Der
Widerstand gegen ein Neues Bretton Woods komme von denjenigen, die
das "spekulative System" verteidigen. Rocard griff dann den
Monetarismus an: "Milton Friedman sollte man wegen Verbrechen gegen
die Menschlichkeit vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen,
weil er ein Beispiel dafür ist, wie Ideen töten können." Rocard
schloß: "Das sind Cheminades Ideen, sehr interessant. Er wird
politisch an den Rand gedrängt, aber man muß sich auf den Kern
dessen, was er sagt, konzentrieren."
Putin legt "Rußlands New Deal" vor
In seiner Rede zur Lage der Föderation am 10.5. zeigte sich der
russische Präsident Wladimir Putin entschlossen, Rußlands Status als
Großmacht zu bekräftigen. Dabei bezog er sich besonders auf die
demographische Krise, die Verteidigungspolitik und Maßnahmen zur
spürbaren Verbesserung der Wirtschaftslage als die drei wesentlichen
Herausforderungen für Rußland.
Bemerkenswert war auch, daß Putin zu Beginn seiner Rede Franklin
D. Roosevelt zitierte, als er von der Notwendigkeit sprach,
selbstsüchtigen Finanzinteressen im Namen des Gemeinwohls "auf die
Zehen" zu treten. Das Zitat und ein zweiter Bezug auf Roosevelt in
der Rede deuten darauf hin, daß Putin einen "russischen New Deal"
plant. In der russischen Elite ist das Essay "Ein New Deal für
Rußland" von Prof. Taras Muraniwskij, einem verstorbenen Mitarbeiter
von Lyndon LaRouche, gut bekannt. Es folgen Auszüge aus Putins Rede:
"Die Veränderungen der frühen 90er Jahre riefen bei Millionen
Menschen große Hoffnungen hervor, aber weder die Behörden noch die
Wirtschaft haben sie erfüllt. Mehr noch, einige dieser Gruppen haben
sich auf Kosten der Mehrheit unserer Bürger und in Mißachtung der
Normen von Recht und Moral auf beispiellose Weise persönlich
bereichert, wie es noch nie zuvor in der Geschichte unseres Landes
geschehen war. "Im Einsatz für dieses große nationale Programm mit
dem Ziel, die grundlegenden Bedürfnisse der breiten Masse zu
befriedigen, sind wir auf einige Hühneraugen getreten, und das werden
wir auch weiterhin tun. Aber es sind die Hühneraugen derer, die
versuchen, auf Abkürzungen zu Positionen oder Reichtum oder beidem zu
gelangen - auf Kosten des Gemeinwohls." Das sind sehr schöne Worte,
aber leider war nicht ich es, der sie prägte. Es war Franklin Delano
Roosevelt, der Präsident der Vereinigten Staaten, 1934. Diese Worte
wurden gesprochen, als das Land sich von der Großen Depression
erholte...
Leider liegt ein Großteil der technischen Ausstattung, die von
der russischen Industrie heute eingesetzt wird, hinter der
fortschrittlichsten Technologie, über die die Welt heute verfügt,
nicht nur Jahre, sondern Jahrzehnte zurück... Wir müssen ernsthafte
Maßnahmen ergreifen, um Investitionen in die Produktionsinfrastruktur
und die innovative Entwicklung zu ermutigen und gleichzeitig die
erreichte Finanzstabilität bewahren. Rußland muß sein ganzes
Potential in Hochtechnologiebereichen wie modernen
Energietechnologien, Verkehr und Kommunikation, Raumfahrt und
Flugzeugbau ausschöpfen. Zugleich müssen wir die Kernenergie
weiterentwickeln, einen Kernenergiesektor, der sich auf sichere
Reaktoren neuer Generationen gründet. Wir müssen Rußlands Position
auf den Weltmärkten für Kerntechnik und -ausrüstung festigen und
unser Wissen, unsere Erfahrung, unser fortgeschrittenen Technologie
und natürlich die internationale Zusammenarbeit voll ausschöpfen...
Zugleich müssen wir uns auch auf vielversprechende neue Richtungen im
Energiebereich - Wasserstoff und Kernfusion - konzentrieren.
In meiner Rede [zur Lage der Föderation] 2003 setzte ich das
Ziel, den Rubel konvertierbar zu machen... Aber den Rubel ernsthaft
konvertierbar zu machen, hängt zum großen Teil von seiner
Attraktivität als Instrument für Verträge und Ersparnisse ab. In
dieser Hinsicht haben wir noch viel zu tun. Der Rubel muß
insbesondere zu einem universelleren Mittel für den Abschluß
internationaler Vereinbarungen werden und sollte seinen
Einflußbereich schrittweise ausdehnen. Dazu müssen wir Märkte für den
Handel mit Erdöl, Erdgas und anderen Gütern auf russischem
Territorium einrichten; diese Märkte könnten ihre Transaktionen in
Rubel ausweisen. Unsere Güter werden auf den Weltmärkten gehandelt,
warum sollten sie nicht auch hier in Rußland gehandelt werden? Die
Regierung sollte ihre Bemühungen, diese Fragen zu regeln,
beschleunigen...
Und nun zu der wichtigsten Angelegenheit. Was ist das wichtigste
für unser Land. Das Verteidigungsministerium weiß, was das wichtigste
ist. Und ich möchte in der Tat über Liebe, Frauen und Kinder
sprechen. Ich will über die Familie und über das dringendste Problem
sprechen, dem sich unser Land heute gegenübersieht - das
demographische Problem... Sie wissen, die Bevölkerung unseres Landes
nimmt durchschnittlich jährlich um 700<\!q>000 Menschen ab. Wir haben
dieses Problem schon oft angesprochen, aber meistens nur wenig zu
einer Lösung getan. Eine Lösung dieses Problems erfordert die
folgenden Schritte: Erstens müssen wir die Sterberate senken,
zweitens benötigen wir eine wirksame Einwanderungspolitik und
drittens müssen wir die Geburtenrate erhöhen... Ich schlage vor, daß
wir politischen Ehrgeiz beiseite lassen und keine Mittel verschwenden
und uns auf die wichtigsten Probleme unseres Landes konzentrieren;
eines von diesen ist das demographische Problem oder, wie
Solschenizyn es formulierte, das Problem, die Menschen im weitesten
Sinne zu 'bewahren'... Ich schlage ein Programm vor, das die Geburt
von Kindern fördert, ich schlage Maßnahmen zur Unterstützung junger
Familien vor und die Unterstützung von Frauen, die sich entscheiden,
Kinder zu bekommen und großzuziehen. Wir sollten zumindest Familien
ermutigen, ein zweiten Kind zu bekommen. Was hält junge Familien,
junge Frauen davon ab, heute eine solche Entscheidung zu treffen, vor
allem wenn wir über ein zweites oder drittes Kind sprechen? Die
Antworten sind bekannt. Sie haben mit niedrigen Einkommen zu tun, mit
schlechten Wohnbedingungen, Zweifeln daran, ob man dem Kind ein
angemessenes Niveau beim Gesundheitswesen und Erziehung und Bildung
garantieren kann und, seien wir ehrlich, manchmal mit Zweifeln, ob
man in der Lage sein wird, den Kindern genug zu Essen geben zu
können."
Der Ökonom und Duma-Abgeordnete Sergej Glasjew, früher
Vorstandsmitglied der Partei Rodina und Autor des Buches "Genocide"
(Völkermord), das EIR auf englisch veröffentlichte und die
Verschlechterung der sozialen und wirtschaftlichen Lage in Rußland
zum Thema hatte, gilt als scharfer Kritiker der Kreml-Politik. Aber
am 10.5. erklärte er:
"Die heutige Rede des Präsidenten bedeutet die
bisher grundlegendste Überprüfung der Sozial- und Wirtschaftspolitik.
Der Staatschef hat in der Tat die programmatischen Forderungen
erkannt, die wiederholt von den national-patriotischen Kräften
erhoben wurden. Wir haben oft Unterstützung für Kinder und Familien,
die Förderung wissenschaftlich-technischen Fortschritts, eine Wende
der Wirtschaft in Richtung einer innovativen Entwicklung, den
notwendigen stärkeren Einssatz des Rubels bei internationalen
Transaktionen und die Modernisierung der Streitkräfte gefordert.
Praktisch alle diese Forderungen der Opposition wurden nun zu neuen
Orientierung der Wirtschaftspolitik erklärt. Ich bin sehr froh
darüber."
"Irankrise": Teheran bietet Washington direkten Dialog an
"Das ist eine 'Briefbombe'", kommentierte Lyndon LaRouche den
ungewöhnlichen Brief des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad an
US-Präsident Bush vom 8. Mai. Das Schreiben wurde durch die Schweizer
Botschaft in Teheran übermittelt, die nach dem Abbruch der
offiziellen diplomatischen Beziehungen 1979 als Liaison zu den USA
dient. Allerdings schlug Bush - durchaus erwartungsgemäß - das
Dialogangebot aus, ohne es überhaupt gelesen zu haben, womit er sich
in den Augen der Weltöffentlichkeit noch weiter diskreditierte.
Gleiches gilt für die US-Außenministerin Condoleezza Rice, die am 10.
Mai erklärte: "Wir haben das Schreiben erhalten. Wir hatten noch
keine Möglichkeit, eine eigene Übersetzung anzufertigen, was wir
sicherlich tun werden, aber nach einem kurzen Überfliegen des Briefes
schien es offensichtlich, daß dort nicht die großen Probleme zwischen
den USA und dem Rest der Welt einerseits und dem Iran andererseits
angesprochen werden. Es ging nicht um konkrete Probleme im
Zusammenhang mit der Nuklearfrage oder anderen Problemen, denen wir
gegenüberstehen. Meiner Auffassung nach ist er sehr philosophisch
gehalten."
Bush erhielt angeblich einen mündlichen Bericht über den Inhalt
des Schreibens. Eine Karikatur in der International Herald Tribune vom
10. Mai zeigt Bush im Gespräch mit einem Boten, der den Brief in der
Hand hält. Bush haut mit der Faust auf den Tisch und sagt: "Machen
Sie dem Iran meine Position deutlich: Ich habe niemals und ich werde
niemals einen 18seitigen Brief lesen!" Während der Brief von
neokonservativen Kreisen wie dem Wall Street Journal als "Trick"
bezeichnet wurde, legen wohlmeindende Leute der US-Regierung nahe,
mit einem Angebot direkter Gespräche auf die iranische Initiative zu
reagieren. So argumentierte Simon Jenkins im Guardian, England und
die USA seien vor allem bezüglich des Irak auf eine Zusammenarbeit
mit dem Iran angewiesen. Wenn der iranische Präsident einen Brief
schreibe und zu Gesprächen einlade, sei es sinnvoll zu antworten.
"Dann wird sich schon erweisen, ob es ein Bluff war." In den USA
forderten die Senatoren Lugar und McCain direkte Gespräche mit dem
Iran. Lugar schlug vor, den Iran an einem "Energiedialog" zusammen
mit den USA, China, Indien und anderen Ländern zu beteiligen. Selbst
Judith Kipper, die Direktorin des Forums Mittlerer Osten des Council
on Foreign Relations erklärte: "Der Iran hat vielfach, privat wie
öffentlich, und auf seltsame Art, unsere Aufmerksamkeit zu erregen
versucht, und dieser Brief war offensichtlich ein wichtiger Versuch."
Ahmadinedschad verweist in seinem Brief auf die gemeinsame
Verpflichtung gegenüber den Werten der drei monotheistischen
Religionen sowie auf die Widersprüche zwischen dem behaupteten
Respekt vor diesen Werten und dem konkreten politischen Handeln.
Könne jemand, so fragt er, "sich verpflichtet fühlen, die
Menschenrechte zu achten... und auf die Errichtung einer vereinten
internationalen Gemeinschaft hinzuarbeiten", während er gleichzeitig
über andere Länder herfällt? Und wie vertrügen sich christliche Werte
mit den Folterungen in Guantánamo Bay und geheimen Gefängnissen?
Ahmadinedschad beklagt die anglo-amerikanische Beteiligung am
Sturz der Regierung Mossadegh 1953 und die Unterstützung für Saddam
Hussein während des Irak-Iran-Krieges. Und die Fragen, die er zum 11.
September 2001 vorbringt, hört man wohl erstmals aus dem Munde eines
Staatschefs. Am Ende seines Briefes kommt Ahmadinedschad auf die
wichtige Frage zu sprechen, wie die Handlungen und Unterlassungen von
Präsidenten und politischen Führungspersönlichkeiten wohl einst von
Gott beurteilt werden, und lädt Bush dazu ein, "zu den Lehren der
Propheten, zu Monotheismus und Gerechtigkeit" zurückzukehren, um "die
Würde und den Gehorsam der Menschen gegenüber dem Allmächtigen und
Seinen Propheten" zu bewahren.
Nur wenige Tage nach Ahmadinedschads Brief an Bush schickte
Hassan Rohani, der ehem. Chef des Obersten Nationalen Sicherheitsrats
des Iran und derzeitige Vertreter von Ayatollah Khamenei in diesem
Gremium einen "persönlichen Vorschlag" zur Beilegung des Konflikts um
das iranische Atomprogramm an das amerikanische Nachrichtenmagazin
Time. Das Verhandlungsangebot enthält folgende Punkte:
"Unter der Voraussetzung, daß andere Länder mit vergleichbaren
sensitiven Brennstoffzyklen das gleiche tun, würde der Iran einen
aktiven Beitrag dazu leisten, die Schlupflöcher im
Nichtweiterverbreitungssystem zu stopfen und technisch glaubwürdige
internationale Kontrollprozeduren zu entwickeln. Der Iran erwägt die
Ratifizierung des Zusatzprotokolls, das unangemeldete Inspektionen
vor Ort vorsieht. Der Iran würde sich mit dem Problem befassen, wie
Verstöße gegen den Atomwaffensperrvertrages verhindert werden können.
Der Iran stimmt Verhandlungen mit der IAEA sowie Staaten zu, die über
Umfang und Zeitplan der industriellen Urananreicherung besorgt sind.
Der Iran würde eine durch die IAEA überprüfbare Begrenzung der
Anreicherung reaktorfähigen Urans hinnehmen. Für die Dauer der
Verhandlungen über Umfang und Zeitplan der Anreicherung im
industriellen Maßstab würde der Iran eine durch die IAEA überprüfbare
Begrenzung der Herstellung von Uranhexafluorid, das bei der
Anreicherung benutzt wird, akzeptieren. Der Iran und die IAEA könnten
sich auf eine ständige Anwesenheit von Inspektoren im Iran
verständigen, damit glaubwürdig überprüft werden kann, daß der Iran
nicht von den Vereinbarungen abweicht. Die Bereitschaft des Iran,
andere Länder als Partner in einem Konsortium zu begrüßen, liefert
zusätzliche Sicherheit bezüglich des friedlichen Wesens des
iranischen Nuklearprogramms... Der Iran ist bereit, mit der IAEA und
allen besorgten Staaten zusammenzuarbeiten, um das Vertrauen in das
Brennstoffzyklusprogramm zu stärken. Aber man sollte nicht damit
rechnen, daß sich der Iran den Einschüchterungen durch die USA, die
bei der Nichtweiterverbreitung mit zweierlei Maß messen, beugen
wird."
Was US-Außenministerin Rice in Ahmadinedschads Brief vermißte,
hat Rohani nun klar und deutlich formuliert. Jetzt ist die
amerikanische Regierung am Zug.