Neues vom

  16. Mai 2006   Newsletter  

Notmaßnahmen des US-Kongresses erforderlich

Am 14.5. veröffentlichte Lyndon LaRouche die folgende Stellungnahme:

"Eine Reihe entscheidender Entwicklungen um die sich abzeichnende Anklageerhebung gegen den früheren Vizestabschef des Weißen Hauses Karl Rove hat eine Lage geschaffen, in der Vizepräsident Cheney jetzt für ein beschleunigtes Absetzungsverfahren mehr als reif ist und der Präsident selbst den Ausbruch einer drohenden persönlichen Systemkrise erlebt. Allein die Tatsache, daß eine solche Lage existiert, bringt die Gefahr einer Diskontinuität der Arbeit der Bundesregierung mit sich - eine Diskontinuität, die wir unter den gegenwärtigen bedrohlichen weltweiten Finanz-, Währungs- und verwandten Krisen nicht zulassen dürfen.

Unter solchen Verhältnissen sind verständige Führungsleute im Kongreß verpflichtet, umgehend angemessene Initiativen zu ergreifen, um bei den entsprechenden Institutionen im Land, unter ausländischen Regierungen und allgemein bei unseren Bürgern das Vertrauen in unsere Bundesregierung wiederherzustellen.

Die zentrale wirtschaftliche und soziale Krise in den Vereinigten Staaten besteht derzeit in den Folgen der sich abzeichnenden Zerstörung von bis zu zwei Dritteln der US-Automobilindustrie. Wenn nicht unmittelbar eingegriffen wird, um zu verhindern, daß sich diese Katastrophe entfaltet, hätte das unabsehbare Folgen für das Vertrauen der Öffentlichkeit in die amerikanische Gesellschaft bei uns zuhause und im Ausland.

In diesem kritischen Augenblick haben meine Mitarbeiter und ich ein Programm von Notmaßnahmen ausgearbeitet, die notwendig sind, um zu verhindern, daß die USA als moderne Volkswirtschaft zusammenbrechen; die brachliegenden Kapazitäten unserer Automobilindustrie sollten für dringend notwendige Maßnahmen zum Wiederaufbau verlorener und zerfallender grundlegender wirtschaftlicher Infrastruktur unseres Landes verwendet werden. Ein Eingreifen zur beschleunigten Annahme und Umsetzung dieses Programms für gesetzgeberische Maßnahmen des Bundes, die derzeit in Vorbereitung sind, würde in einer Zeit, in der die Präsidentschaft selbst den niedrigsten, immer noch weiter sinkenden Stand des Vertrauens der Öffentlichkeit in der jüngeren Geschichte hat, das Vertrauen in unsere Bundesregierung wiederherstellen.

Die Gauner aus dem Weißen Haus und dem Amtsbüro des Vizepräsidenten zu vertreiben, ist leider dringend notwendig, aber es ist nicht gerade erhebend. Ein Eingreifen des Kongresses, das unserem Volk Grund für Vertrauen in unser Bundessystem gibt, ist die positive Note, die in diesem gefahrvollen Moment des sich abzeichnenden, überfälligen Sturzes des Vizepräsidenten dringend notwendig ist."

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Rohstoff-Hyperinflation und platzende Aktienblase

Eine Weimar-artige Hyperinflation treibt die Preise von Edel- und Industriemetallen (trotz gelegentlicher kurzfristiger Unterbrechungen durch Gewinnmitnahmen) auf immer neue Rekordhöhen. Parallel zur "Flucht in harte Werte" sinkt das Vertrauen in Papierwerte, besonders Aktien, sowie Währungen, allen voran dem US-Dollar, international rasch weiter.

Seit einigen Tagen ist die internationale Finanzpresse voller Artikel und Kommentare, die extreme Nervosität und Furcht wegen der immer stärkeren Brüche auf den Finanzmärkten ausdrücken. Am 13.5. veröffentlichte die große deutsche Tageszeitung Süddeutsche Zeitung einen längeren Beitrag über die "Flucht ins Gold", worin auf die Angst der Anleger vor Hyperinflation und vor einem Systemzusammenbruch hingewiesen wird. Ein Edelmetallhändler wird zitiert, Angestellte großer Banken gehörten zu seinen besten Kunden.

Der Preis für Gold stand Ende 2001 bei 276$ je Unze. 2002 stieg er um 66$ auf 342$, dann 2003 um 75$ auf 417$, im Jahr 2004 um 21$ auf 438$ sowie 2005 um weitere 75$ auf 513$. Im Jahr 2006 jedoch ist der Goldpreis schon nach viereinhalb Monaten um 213$ nach oben geschossen, am 12.5. lag er in London bei 726$. Der größte Teil des Anstiegs entfiel auf die letzten beiden Monate (181$). Damit liegt Gold jetzt 42% höher als zu Jahresbeginn. Der Preis von Silber auf dem Londoner Bullion Market stieg in diesem Jahr um 69% von 8,83$ auf 14,94$ je Unze. Palladium und Platin stehen auf Rekordhöhen.

Bei den Industriemetallen ist der Anstieg für Kupfer am dramatischsten. An der Londoner Metallbörse begann Kupfer das Jahr 2006 bei 4537$ die Tonne. Anfang Februar wurde erstmals die 5000-$-Grenze überschritten. Mitte April, vor einem Monat, kostete Kupfer erstmals mehr als 6000$. Doch noch vor dem Monatsende wurden 7000$ erreicht. Anfang Mai stieg der Preis über 8000$, und am 12.5. lag er bei 8619$, das ist ein Anstieg um 90% seit Jahresbeginn. Preise für Zink und Nickel liegen auf Allzeithöhen, für Aluminium auf dem höchsten Stand seit 17 Jahren.

Die Preisexplosion bei den Industriemetallen und den Energiepreisen verteuert dramatisch die Produktionskosten in der Industrie, vom Automobilsektor bis zum Maschinenbau.

Gleichzeitig macht die Erwartung steigender Inflation und damit steigender Zinsen Anleger der verschiedenen Wertpapierblasen nervös - von Aktienbörsen bis hin zu Schulden "aufstrebender Märkte". So gab es in der zweiten Maiwoche auf den US-Aktienmärkten die größte Verkaufswelle seit einem Jahr und den größten Wochenabsturz europäischer Börsen seit August 2004. Als die Renditen zehnjähriger US-Schatzanleihen am 12.5. zum ersten Mal seit vier Jahren wieder über 5,2% stiegen, gab es Panikverkäufe von Anleihen, Aktien und Währungen aufstrebender Märkte in aller Welt. Lateinamerikanische Währungen, u.a. der brasilianische Real und der mexikanische Peso, erlitten den größten Rückgang seit Jahren.

Clinton, Ex-Premier Rocard für Neues Bretton Woods

Vertreter des Schiller-Instituts empfingen den früheren US-Präsidenten Bill Clinton bei seinem Blitzbesuch in Kopenhagen am 11.5. Ihr Banner trug die Aufschrift "Willkommen Clinton, unterstützen Sie LaRouches Neues Bretton Woods". Sie sangen "The Battle Cry of Freedom"; Clinton drehte sich sofort um, lachte freundlich und kam zu ihnen. Michelle Rasmussen fragte ihn: "Grüße von LaRouche. Würden Sie unterschreiben, um LaRouches Programm für ein neues Bretton-Woods-Finanzsystem zu unterstützen?" Clinton nahm gleich einen Stift und unterschrieb auf dem Banner.

Am 13.5. hielt Michel Rocard, der 1988-91 französischer Ministerpräsident war und heute im Europaparlament sitzt, an der Hochschule für Politikwissenschaft in Nancy einen Vortrag über "Die Zukunft Europas". Rocard beschrieb, wie die Austeritätspolitik der EU "den europäischen Traum zerstört hat". In den letzten 30 Jahren seien Bedingungen geschaffen worden, die heute reif für eine "Systemkrise" oder einen "finanziellen Tsunami" seien.

Nach der Rede wurde Rocard aus dem Publikum gefragt: "Gestern gab es ein Treffen mit dem Vizepräsidenten der EU-Kommission für Verkehr, Jacques Barrot. Zwei Mitglieder der Partei Solidarité et Progrès, der Partei von Jacques Cheminade, schilderten - genau wie Sie - die Schwere der Krise, schlugen aber ein Neues Bretton Woods vor und forderten einen Ersatz für die Europäische Zentralbank. Was sagen Sie dazu?"

Rocard erklärte, worum es sich beim ursprünglichen Bretton-Woods-Abkommen handelte, und fuhr fort: "Dieses System wurde 1971 von Nixon zerstört, zu einer Zeit, als ein Mann, Dick Cheney, seine Karriere begann. Ja, wir brauchen heute ein neues Bretton Woods. Ich kenne Jacques Cheminade sehr gut und er hat recht. Ich habe das auch in der Sozialistischen Partei vorgeschlagen." Der Widerstand gegen ein Neues Bretton Woods komme von denjenigen, die das "spekulative System" verteidigen. Rocard griff dann den Monetarismus an: "Milton Friedman sollte man wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen, weil er ein Beispiel dafür ist, wie Ideen töten können." Rocard schloß: "Das sind Cheminades Ideen, sehr interessant. Er wird politisch an den Rand gedrängt, aber man muß sich auf den Kern dessen, was er sagt, konzentrieren."

Putin legt "Rußlands New Deal" vor

In seiner Rede zur Lage der Föderation am 10.5. zeigte sich der russische Präsident Wladimir Putin entschlossen, Rußlands Status als Großmacht zu bekräftigen. Dabei bezog er sich besonders auf die demographische Krise, die Verteidigungspolitik und Maßnahmen zur spürbaren Verbesserung der Wirtschaftslage als die drei wesentlichen Herausforderungen für Rußland.

Bemerkenswert war auch, daß Putin zu Beginn seiner Rede Franklin D. Roosevelt zitierte, als er von der Notwendigkeit sprach, selbstsüchtigen Finanzinteressen im Namen des Gemeinwohls "auf die Zehen" zu treten. Das Zitat und ein zweiter Bezug auf Roosevelt in der Rede deuten darauf hin, daß Putin einen "russischen New Deal" plant. In der russischen Elite ist das Essay "Ein New Deal für Rußland" von Prof. Taras Muraniwskij, einem verstorbenen Mitarbeiter von Lyndon LaRouche, gut bekannt. Es folgen Auszüge aus Putins Rede:

    "Die Veränderungen der frühen 90er Jahre riefen bei Millionen Menschen große Hoffnungen hervor, aber weder die Behörden noch die Wirtschaft haben sie erfüllt. Mehr noch, einige dieser Gruppen haben sich auf Kosten der Mehrheit unserer Bürger und in Mißachtung der Normen von Recht und Moral auf beispiellose Weise persönlich bereichert, wie es noch nie zuvor in der Geschichte unseres Landes geschehen war. "Im Einsatz für dieses große nationale Programm mit dem Ziel, die grundlegenden Bedürfnisse der breiten Masse zu befriedigen, sind wir auf einige Hühneraugen getreten, und das werden wir auch weiterhin tun. Aber es sind die Hühneraugen derer, die versuchen, auf Abkürzungen zu Positionen oder Reichtum oder beidem zu gelangen - auf Kosten des Gemeinwohls." Das sind sehr schöne Worte, aber leider war nicht ich es, der sie prägte. Es war Franklin Delano Roosevelt, der Präsident der Vereinigten Staaten, 1934. Diese Worte wurden gesprochen, als das Land sich von der Großen Depression erholte...

    Leider liegt ein Großteil der technischen Ausstattung, die von der russischen Industrie heute eingesetzt wird, hinter der fortschrittlichsten Technologie, über die die Welt heute verfügt, nicht nur Jahre, sondern Jahrzehnte zurück... Wir müssen ernsthafte Maßnahmen ergreifen, um Investitionen in die Produktionsinfrastruktur und die innovative Entwicklung zu ermutigen und gleichzeitig die erreichte Finanzstabilität bewahren. Rußland muß sein ganzes Potential in Hochtechnologiebereichen wie modernen Energietechnologien, Verkehr und Kommunikation, Raumfahrt und Flugzeugbau ausschöpfen. Zugleich müssen wir die Kernenergie weiterentwickeln, einen Kernenergiesektor, der sich auf sichere Reaktoren neuer Generationen gründet. Wir müssen Rußlands Position auf den Weltmärkten für Kerntechnik und -ausrüstung festigen und unser Wissen, unsere Erfahrung, unser fortgeschrittenen Technologie und natürlich die internationale Zusammenarbeit voll ausschöpfen... Zugleich müssen wir uns auch auf vielversprechende neue Richtungen im Energiebereich - Wasserstoff und Kernfusion - konzentrieren.

    In meiner Rede [zur Lage der Föderation] 2003 setzte ich das Ziel, den Rubel konvertierbar zu machen... Aber den Rubel ernsthaft konvertierbar zu machen, hängt zum großen Teil von seiner Attraktivität als Instrument für Verträge und Ersparnisse ab. In dieser Hinsicht haben wir noch viel zu tun. Der Rubel muß insbesondere zu einem universelleren Mittel für den Abschluß internationaler Vereinbarungen werden und sollte seinen Einflußbereich schrittweise ausdehnen. Dazu müssen wir Märkte für den Handel mit Erdöl, Erdgas und anderen Gütern auf russischem Territorium einrichten; diese Märkte könnten ihre Transaktionen in Rubel ausweisen. Unsere Güter werden auf den Weltmärkten gehandelt, warum sollten sie nicht auch hier in Rußland gehandelt werden? Die Regierung sollte ihre Bemühungen, diese Fragen zu regeln, beschleunigen...

    Und nun zu der wichtigsten Angelegenheit. Was ist das wichtigste für unser Land. Das Verteidigungsministerium weiß, was das wichtigste ist. Und ich möchte in der Tat über Liebe, Frauen und Kinder sprechen. Ich will über die Familie und über das dringendste Problem sprechen, dem sich unser Land heute gegenübersieht - das demographische Problem... Sie wissen, die Bevölkerung unseres Landes nimmt durchschnittlich jährlich um 700<\!q>000 Menschen ab. Wir haben dieses Problem schon oft angesprochen, aber meistens nur wenig zu einer Lösung getan. Eine Lösung dieses Problems erfordert die folgenden Schritte: Erstens müssen wir die Sterberate senken, zweitens benötigen wir eine wirksame Einwanderungspolitik und drittens müssen wir die Geburtenrate erhöhen... Ich schlage vor, daß wir politischen Ehrgeiz beiseite lassen und keine Mittel verschwenden und uns auf die wichtigsten Probleme unseres Landes konzentrieren; eines von diesen ist das demographische Problem oder, wie Solschenizyn es formulierte, das Problem, die Menschen im weitesten Sinne zu 'bewahren'... Ich schlage ein Programm vor, das die Geburt von Kindern fördert, ich schlage Maßnahmen zur Unterstützung junger Familien vor und die Unterstützung von Frauen, die sich entscheiden, Kinder zu bekommen und großzuziehen. Wir sollten zumindest Familien ermutigen, ein zweiten Kind zu bekommen. Was hält junge Familien, junge Frauen davon ab, heute eine solche Entscheidung zu treffen, vor allem wenn wir über ein zweites oder drittes Kind sprechen? Die Antworten sind bekannt. Sie haben mit niedrigen Einkommen zu tun, mit schlechten Wohnbedingungen, Zweifeln daran, ob man dem Kind ein angemessenes Niveau beim Gesundheitswesen und Erziehung und Bildung garantieren kann und, seien wir ehrlich, manchmal mit Zweifeln, ob man in der Lage sein wird, den Kindern genug zu Essen geben zu können."

Der Ökonom und Duma-Abgeordnete Sergej Glasjew, früher Vorstandsmitglied der Partei Rodina und Autor des Buches "Genocide" (Völkermord), das EIR auf englisch veröffentlichte und die Verschlechterung der sozialen und wirtschaftlichen Lage in Rußland zum Thema hatte, gilt als scharfer Kritiker der Kreml-Politik. Aber am 10.5. erklärte er:

    "Die heutige Rede des Präsidenten bedeutet die bisher grundlegendste Überprüfung der Sozial- und Wirtschaftspolitik. Der Staatschef hat in der Tat die programmatischen Forderungen erkannt, die wiederholt von den national-patriotischen Kräften erhoben wurden. Wir haben oft Unterstützung für Kinder und Familien, die Förderung wissenschaftlich-technischen Fortschritts, eine Wende der Wirtschaft in Richtung einer innovativen Entwicklung, den notwendigen stärkeren Einssatz des Rubels bei internationalen Transaktionen und die Modernisierung der Streitkräfte gefordert. Praktisch alle diese Forderungen der Opposition wurden nun zu neuen Orientierung der Wirtschaftspolitik erklärt. Ich bin sehr froh darüber."

"Irankrise": Teheran bietet Washington direkten Dialog an

"Das ist eine 'Briefbombe'", kommentierte Lyndon LaRouche den ungewöhnlichen Brief des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad an US-Präsident Bush vom 8. Mai. Das Schreiben wurde durch die Schweizer Botschaft in Teheran übermittelt, die nach dem Abbruch der offiziellen diplomatischen Beziehungen 1979 als Liaison zu den USA dient. Allerdings schlug Bush - durchaus erwartungsgemäß - das Dialogangebot aus, ohne es überhaupt gelesen zu haben, womit er sich in den Augen der Weltöffentlichkeit noch weiter diskreditierte. Gleiches gilt für die US-Außenministerin Condoleezza Rice, die am 10. Mai erklärte: "Wir haben das Schreiben erhalten. Wir hatten noch keine Möglichkeit, eine eigene Übersetzung anzufertigen, was wir sicherlich tun werden, aber nach einem kurzen Überfliegen des Briefes schien es offensichtlich, daß dort nicht die großen Probleme zwischen den USA und dem Rest der Welt einerseits und dem Iran andererseits angesprochen werden. Es ging nicht um konkrete Probleme im Zusammenhang mit der Nuklearfrage oder anderen Problemen, denen wir gegenüberstehen. Meiner Auffassung nach ist er sehr philosophisch gehalten."

Bush erhielt angeblich einen mündlichen Bericht über den Inhalt des Schreibens. Eine Karikatur in der International Herald Tribune vom 10. Mai zeigt Bush im Gespräch mit einem Boten, der den Brief in der Hand hält. Bush haut mit der Faust auf den Tisch und sagt: "Machen Sie dem Iran meine Position deutlich: Ich habe niemals und ich werde niemals einen 18seitigen Brief lesen!" Während der Brief von neokonservativen Kreisen wie dem Wall Street Journal als "Trick" bezeichnet wurde, legen wohlmeindende Leute der US-Regierung nahe, mit einem Angebot direkter Gespräche auf die iranische Initiative zu reagieren. So argumentierte Simon Jenkins im Guardian, England und die USA seien vor allem bezüglich des Irak auf eine Zusammenarbeit mit dem Iran angewiesen. Wenn der iranische Präsident einen Brief schreibe und zu Gesprächen einlade, sei es sinnvoll zu antworten. "Dann wird sich schon erweisen, ob es ein Bluff war." In den USA forderten die Senatoren Lugar und McCain direkte Gespräche mit dem Iran. Lugar schlug vor, den Iran an einem "Energiedialog" zusammen mit den USA, China, Indien und anderen Ländern zu beteiligen. Selbst Judith Kipper, die Direktorin des Forums Mittlerer Osten des Council on Foreign Relations erklärte: "Der Iran hat vielfach, privat wie öffentlich, und auf seltsame Art, unsere Aufmerksamkeit zu erregen versucht, und dieser Brief war offensichtlich ein wichtiger Versuch."

Ahmadinedschad verweist in seinem Brief auf die gemeinsame Verpflichtung gegenüber den Werten der drei monotheistischen Religionen sowie auf die Widersprüche zwischen dem behaupteten Respekt vor diesen Werten und dem konkreten politischen Handeln. Könne jemand, so fragt er, "sich verpflichtet fühlen, die Menschenrechte zu achten... und auf die Errichtung einer vereinten internationalen Gemeinschaft hinzuarbeiten", während er gleichzeitig über andere Länder herfällt? Und wie vertrügen sich christliche Werte mit den Folterungen in Guantánamo Bay und geheimen Gefängnissen?

Ahmadinedschad beklagt die anglo-amerikanische Beteiligung am Sturz der Regierung Mossadegh 1953 und die Unterstützung für Saddam Hussein während des Irak-Iran-Krieges. Und die Fragen, die er zum 11. September 2001 vorbringt, hört man wohl erstmals aus dem Munde eines Staatschefs. Am Ende seines Briefes kommt Ahmadinedschad auf die wichtige Frage zu sprechen, wie die Handlungen und Unterlassungen von Präsidenten und politischen Führungspersönlichkeiten wohl einst von Gott beurteilt werden, und lädt Bush dazu ein, "zu den Lehren der Propheten, zu Monotheismus und Gerechtigkeit" zurückzukehren, um "die Würde und den Gehorsam der Menschen gegenüber dem Allmächtigen und Seinen Propheten" zu bewahren.

Nur wenige Tage nach Ahmadinedschads Brief an Bush schickte Hassan Rohani, der ehem. Chef des Obersten Nationalen Sicherheitsrats des Iran und derzeitige Vertreter von Ayatollah Khamenei in diesem Gremium einen "persönlichen Vorschlag" zur Beilegung des Konflikts um das iranische Atomprogramm an das amerikanische Nachrichtenmagazin Time. Das Verhandlungsangebot enthält folgende Punkte:

    "Unter der Voraussetzung, daß andere Länder mit vergleichbaren sensitiven Brennstoffzyklen das gleiche tun, würde der Iran einen aktiven Beitrag dazu leisten, die Schlupflöcher im Nichtweiterverbreitungssystem zu stopfen und technisch glaubwürdige internationale Kontrollprozeduren zu entwickeln. Der Iran erwägt die Ratifizierung des Zusatzprotokolls, das unangemeldete Inspektionen vor Ort vorsieht. Der Iran würde sich mit dem Problem befassen, wie Verstöße gegen den Atomwaffensperrvertrages verhindert werden können. Der Iran stimmt Verhandlungen mit der IAEA sowie Staaten zu, die über Umfang und Zeitplan der industriellen Urananreicherung besorgt sind. Der Iran würde eine durch die IAEA überprüfbare Begrenzung der Anreicherung reaktorfähigen Urans hinnehmen. Für die Dauer der Verhandlungen über Umfang und Zeitplan der Anreicherung im industriellen Maßstab würde der Iran eine durch die IAEA überprüfbare Begrenzung der Herstellung von Uranhexafluorid, das bei der Anreicherung benutzt wird, akzeptieren. Der Iran und die IAEA könnten sich auf eine ständige Anwesenheit von Inspektoren im Iran verständigen, damit glaubwürdig überprüft werden kann, daß der Iran nicht von den Vereinbarungen abweicht. Die Bereitschaft des Iran, andere Länder als Partner in einem Konsortium zu begrüßen, liefert zusätzliche Sicherheit bezüglich des friedlichen Wesens des iranischen Nuklearprogramms... Der Iran ist bereit, mit der IAEA und allen besorgten Staaten zusammenzuarbeiten, um das Vertrauen in das Brennstoffzyklusprogramm zu stärken. Aber man sollte nicht damit rechnen, daß sich der Iran den Einschüchterungen durch die USA, die bei der Nichtweiterverbreitung mit zweierlei Maß messen, beugen wird."

Was US-Außenministerin Rice in Ahmadinedschads Brief vermißte, hat Rohani nun klar und deutlich formuliert. Jetzt ist die amerikanische Regierung am Zug.



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