Neues vom
  18. April 2006   Newsletter  

Machtkampf in Washington: Jetzt revoltieren die Generäle

Über die Osterfeiertage kam es in Washington zum (vorläufigen) Höhepunkt in dem schon seit einiger Zeit tobenden Machtkampf, als nicht nur pensionierte Generäle öffentlich ihrem Ärger über die katastrophale Irak-Politik der Regierung Bush/Cheney Luft machten, sondern auch bekannt wurde, daß eine Reihe aktiver Generäle und Admiräle in einem Brief an Generalstabschef Peter Pace ihren Rücktritt für den Fall ankündigten, daß ihnen der Befehl für einen Militärschlag gegen den Iran gegeben werden sollte. Damit ist klar, daß es bei der jetzigen Revolte gegen US-Verteidigungsminister Rumsfeld, die auch hier in Europa für dicke Schlagzeilen sorgte, nicht nur um vergangene Fehler des Pentagon-Chefs im Irakkrieg geht, sondern - wie der amerikanische Oppositionspolitiker Lyndon LaRouche u.a. mit dem Hinweis auf den aktuellen Stand der Systemkrise wiederholt gewarnt hat - um die akuten Pläne von Cheney & Co., schon kurzfristig, d.h. vielleicht sogar schon Ende April/Anfang Mai, einen Militärschlag gegen den Iran zu führen - evtl. sogar unter Einsatz von Atomwaffen! Ein Blick auf die Ereignisse der letzten Tage in Washington, die in der Presse diesseits des Atlantiks allerdings nur unzureichend wiedergegeben wurden, belegt die Brisanz und den aktuellen Stand dieses Machtkampfs:

Allein in den letzten Tagen haben sechs pensionierte Generäle öffentlich die Entlassung von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gefordert. Die drei letzten waren General a.D. Batiste, 2004-2005 Kommandeur der 1. Infanteriedivision im Irak, Generalmajor a.D. Swannack, 2004 Kommandeur der 82. Luftlandedivision und Generalmajor a.D. Riggs, der bei seiner Pensionierung degradiert wurde, angeblich weil er Rumsfeld wegen der im Irak benötigten Truppen widersprach. Schon vor ihnen hatten die Generäle a.D. Zinni (Marines), Eaton (Armee) und Newbold (Marines) Rumsfelds Entlassung gefordert. Der Direktor für Nichtweiterverbreitung am Carnegie Institute, Cirincione, erklärte am 13. April, diese Generäle erhöben ihre Stimme, um den nächsten Krieg - im Iran - verhindern.

Aus Kreisen, die den Vereinigten Stabschefs (JCS) nahestehen, verlautete, daß der JCS-Vorsitzende Peter Pace einen von einer Reihe aktiver Generäle und Admiräle unterzeichneten Brief erhalten hat, in dem sie ihre Demission ankündigen für den Fall, daß man ihnen Militärschläge gegen den Iran befiehlt. Der Hauptgrund für diesen spektakulären Schritt soll die Weigerung des Weißen Hauses sein, bei einem evtl. Militärschlag gegen den Iran den Einsatz von Nuklearwaffen explizit auszuschließen. Ein ehem. US-Botschafter erklärte gegenüber EIR auf Anfrage, dieses Vorgehen aktiver Militärs sei "beispiellos" in der Geschichte der Vereinigten Staaten.

Gen. Batiste sagte am 13. April in einem Interview mit der Washington Post: "Ich glaube, daß wir einen Neubeginn an der Spitze des Pentagon brauchen. Wir brauchen dort eine Führung, die das Militär ebenso respektiert, wie sie erwartet, daß das Militär sie respektiert, und diese Führung muß verstehen, daß sie Teamwork braucht." Zuvor hatte er bereits gegenüber CNN erklärt, viele seiner Kameraden seien der gleichen Meinung. "Es spricht Bände, daß Leute wie ich aus dem Ruhestand über das Führungsklima im Verteidigungsministerium sprechen." Batiste begann seine Offensive offenbar am 5. April mit einer Rede vor einem Rotarier-Club in Rochester (New York). Dort sagte er, daß die USA in den Irak einmarschiert seien, ohne viel über die Komplexität der irakischen Gesellschaft zu wissen. "Ich glaube nicht, daß die Planer auf der strategischen Ebene verstanden, woraus sie sich einließen." Er bezeichnete Rumsfeld als arrogant, weil er den Widerspruch seiner militärischen Berater ignorierte oder neutralisierte, und sagte, es sei naiv zu erwarten, daß die Iraker sich für eine Demokratie amerikanischen Stils erwärmen würden. Batiste erklärte, Rumsfeld sei verantwortlich für die Folter an Gefangenen in Abu Ghraib, und dies sei einer der Gründe, warum er gehen müsse. Seit Batistes Name am 13. April auf der Titelseite der Washington Post erschien, hatte er mindestens 6 öffentliche Auftritte und Interviews, in denen er ausführte, warum Rumsfeld abgelöst werden müsse - und zwar sofort. Batiste hatte 31 Jahre lang im US-Militär gedient und war im November 2005 in den Ruhestand getreten, nachdem er die "legendäre" 1. Infanteriedivision im Irak kommandiert und eine Beförderung zum stellv. Kommandeur im Irak abgelehnt hatte.

Am 14. April trat Batiste in den morgendlichen Talkshows der drei großen US-Fernsehstationen ABC, NBC und CBS auf, und erklärte, die Veröffentlichung des Buches Cobra II durch Gen. Trainor und Gordon sei das "Ereignis" gewesen, das die einzelnen Generäle dazu bewegt habe, mit ihrer Kritik an die Öffentlichkeit zu gehen. Das sei "Zufall", aber gesetzmäßig. Cobra II deckte die Tatsache auf, daß George Shultz, Vizepräsident Cheney und Rumsfeld im Mai 2003 - als es noch eine Chance gab, die Lage im Irak zu stabilisieren - Paul Bremer nach Bagdad schickten, um die Entbaathifizierung und Auflösung der regulären irakischen Armee durchzuführen. EIR setzte die Enthüllungen von Trainor und Gordon in einer zweiteiligen Serie - Lyndon LaRouches "Private Armeen, machtlose Staaten" und Jeffrey Steinbergs "Halliburtons Krieg" - fort, in der dargestellt wird, wie der Krieg im Irak vorsätzlich verlängert wurde, damit Halliburton und andere Konzerne profitieren und Cheneys permanenter Krieg fortgesetzt werden konnten.

In der ABC-Sendung "Good morning, America" sagte Batiste, Pentagon-Chef Rumsfeld habe "zehn Jahre gut überlegter Kriegsplanung des US-Zentralkommandos" ignoriert. Auf die Frage, ob er den "Oberkommandierenden" Bush in seine "Anklage" aufnehmen würde, sagte Batiste lediglich: "Ich spreche jetzt vom Verteidigungsminister." Auf die Frage, warum er geschwiegen habe und in den Krieg im Irak gezogen sei, sagte er: "Im Militär gibt es eine Kommandokette... und wenn die Entscheidung fällt, dann salutiert man und führt den Befehl aus, oder man geht." Er habe sich entschieden, im Militär zu bleiben. Mit den anderen fünf Generälen, die jetzt auch Rumsfelds Entlassung fordern, habe er sich nicht abgesprochen, sagte General Batiste.

"Rumsfelds Vorgehen war beleidigend und arrogant"

In Bezug auf Rumsfeld nahm General Batiste vor der Presse kein Blatt vor den Mund. Rumsfeld sei "beleidigend" und "arrogant". Von ABC auf Rumsfelds Äußerung angesprochen, die Kommandeure vor Ort hätten soviele Truppen erhalten, wie sie wollten, wenn sie welche angefordert hätten, antwortete Batiste, es sei "unredlich" von Rumsfeld, dies zu behaupten. Gen. Shinseki habe Recht gehabt, als er vor dem Irakkrieg 300 000 Soldaten forderte; und als Shinseki - vorzeitig - in den Ruhestand trat, habe Rumsfeld "nicht an der Verabschiedung teilgenommen". In der NBC-Sendung Today sagte Batiste, er habe "überhaupt keine politischen Ziele. Ich war 31 Jahre lang ein loyaler Untergebener und tolerierte keinen Dissens in der Truppe." Aber "ich denke, es ist eine Frage der Verantwortlichkeit: Verantwortlichkeit für den Kriegsplan, der dafür geschaffen war, im Irak einzumarschieren, aber keinen Frieden schuf, Verantwortlichkeit für das, was in Abu Ghraib geschah, Verantwortlichkeit für einen Führungsstil, der einschüchternd und beleidigend war."

Thomas White, der erste Armeestaatssekretär der Regierung Bush, der selbst Krach mit Rumsfeld hatte, bevor er entlassen wurde, sagte gegenüber der Los Angeles Times, Batiste gehöre der jüngeren Generation amerikanischer Militärs an, die den Krieg im Irak aus erster Hand miterlebt habe. Wenn so jemand das Wort ergreife, dann gebe dies dem Ganzen ein viel größeres Gewicht. Die New York Times zitierte White am 14. April: "Rumsfeld hat die Ansichten der hohen Offiziere verachtet, seit er Verteidigungsminister wurde. Es war längst fällig, daß die es satt haben." Ein namentlich nicht genannter aktiver General sagte gegenüber der Los Angeles Times, durch Batistes Äußerungen sei jetzt eine Debatte in die Öffentlichkeit gedrungen, die seit Monaten im Militär darüber woge, ob die Offiziere des Militärs ihren Widerspruch energischer zu Gehör bringen sollten. "Die Newbolds und Eatons und die öffentliche Diskussion sind eine Fortsetzung der internen Diskussion", die im Militär immer mehr zugenommen habe.

Gen. Swannack erklärte: "Wir müssen den globalen Kampf gegen den Terror fortsetzen und ihn von unseren Küsten fernhalten. Aber ich glaube nicht, daß Minister Rumsfeld der richtige Mann ist, diesen Kampf zu führen, wegen seines absoluten Versagens bei der Leitung des Kriegs gegen Saddam [Hussein] im Irak... Ich glaube, daß Rumsfeld die Dynamik der Aufstandsbekämpfung nicht wirklich versteht." In CNN sagte Swannack am 13. April, Rumsfeld trage Schuld "in Verbindung mit dem Gefändnisskandal von Abu Ghraib, und anstatt diese Fehler zuzugeben, verteidigt er sie immer noch gegenüber der Presse... und das macht es ihm unmöglich, unsere Strategie voranzubringen." Rumsfeld habe seine Generäle, die die US-Truppen im Irak kommandierten, "feingesteuert". Die Probleme des Pentagon beruhten z.T. auf Rumsfelds Beförderungssystem: Rumsfeld habe in seiner Zeit im Pentagon "persönlich die Drei-Sterne-Generäle ausgesucht, deren Ernennung dem Präsidenten zur Bestätigung vorgelegt wurden".

Auch General a.D. Zinni verurteilte Rumsfeld bei einem Auftritt in CNN am 13. April. Er warf ihm vor, 10 Jahre lang ausgearbeitete Kriegspläne verworfen zu haben, die auch berücksichtigten, "was bei einer Besetzung des Irak auf uns zu kam". Der frühere NATO-Kommandeur Gen. Joulwan ging zwar nicht so weit, Rumsfelds Rücktritt zu fordern, sagte jedoch in der CNN-Sendung "Der Lageraum", die hohen Offiziere müßten sich gegen Rumsfelds Feinsteuerung der Streitkräfte wehren: "Wenn ein Offizier es zum Vier-Sterne-General bringt, und dann nicht das Rückgrat hat, aufzustehen und in wichtigen Fragen zuverlässig Widerstand zu leisten, dann sollte er meiner Meinung nach keine vier Sterne tragen."

* * *

Rumsfeld war an brutalen Foltermaßnahmen "persönlich beteiligt"

Auch an einer weiteren Front kam Pentagon-Chef Rumsfeld - und implizit damit auch US-Vizepräsident Cheney - Ende letzter Woche unter Attacke: Ermittler der amerikanischen Streitkräfte bescheinigten ihrem Chef in aller Form, an einem der berüchtigten Foltermaßnahmen "persönlich beteiligt" gewesen zu sein. In einem offiziellen Untersuchungsbericht der US-Armee, der dem Online-Magazin Salon nach dem Freedom Of Information Act (FOIA) jetzt zur Verfügung gestellt wurde, heißt es, Verteidigungsminister Rumsfeld sei an den brutalen Verhören des sog. "20. Entführers" al-Kahtani im Jahre 2002 "persönlich beteiligt" gewesen. Al-Kahtani sei von den Soldaten in Guantánamo einer "entwürdigenden und beleidigenden" Behandlung unterzogen worden, die einem Plan folgte, den Rumsfeld persönlich angeordnet hatte.

Al-Kahtani mußte nackt vor einem weiblichen Verhöroffizier aussagen, man warf ihm vor, er sei homosexuell, und zwang ihn, Frauenunterwäsche zu tragen und an einer Leine "Hundetricks" vorzuführen. An 48 von 54 Tagen wurde er jeweils 18-20 Stunden lang verhört. Bei einer Zeugenaussage vor dem Generalinspekteur der US-Armee erklärte Generalleutnant Schmidt unter Eid, Rumsfeld sei an diesem Verhör "persönlich beteiligt" gewesen. Rumsfeld habe wöchentlich mit Gen. Miller, dem damaligen Kommandeur von Guantánamo, gesprochen. Schmidt sagte aus, er habe Bedenken wegen der Länge und Wiederholung der harten Verhörmethoden gehabt; Schmidt wörtlich: "Es gab keine Grenzen". Schmidt identifizierte auch die engen Parallelen zwischen den Methoden, die in Guantánamo angewendet wurden, und denen, die auf den berüchtigten Fotografien aus Abu Ghraib abgebildet seien.



Archiv älterer Newsletter