Machtkampf in Washington: Jetzt revoltieren die Generäle
Über die Osterfeiertage kam es in Washington zum (vorläufigen)
Höhepunkt in dem schon seit einiger Zeit tobenden Machtkampf, als
nicht nur pensionierte Generäle öffentlich ihrem Ärger über die
katastrophale Irak-Politik der Regierung Bush/Cheney Luft machten,
sondern auch bekannt wurde, daß eine Reihe aktiver Generäle und
Admiräle in einem Brief an Generalstabschef Peter Pace ihren
Rücktritt für den Fall ankündigten, daß ihnen der Befehl für einen
Militärschlag gegen den Iran gegeben werden sollte. Damit ist klar,
daß es bei der jetzigen Revolte gegen US-Verteidigungsminister
Rumsfeld, die auch hier in Europa für dicke Schlagzeilen sorgte,
nicht nur um vergangene Fehler des Pentagon-Chefs im Irakkrieg geht,
sondern - wie der amerikanische Oppositionspolitiker Lyndon LaRouche
u.a. mit dem Hinweis auf den aktuellen Stand der Systemkrise
wiederholt gewarnt hat - um die akuten Pläne von Cheney & Co., schon
kurzfristig, d.h. vielleicht sogar schon Ende April/Anfang Mai, einen
Militärschlag gegen den Iran zu führen - evtl. sogar unter Einsatz
von Atomwaffen! Ein Blick auf die Ereignisse der letzten Tage in
Washington, die in der Presse diesseits des Atlantiks allerdings nur
unzureichend wiedergegeben wurden, belegt die Brisanz und den
aktuellen Stand dieses Machtkampfs:
Allein in den letzten Tagen haben sechs pensionierte Generäle
öffentlich die Entlassung von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld
gefordert. Die drei letzten waren General a.D. Batiste, 2004-2005
Kommandeur der 1. Infanteriedivision im Irak, Generalmajor a.D.
Swannack, 2004 Kommandeur der 82. Luftlandedivision und Generalmajor
a.D. Riggs, der bei seiner Pensionierung degradiert wurde, angeblich
weil er Rumsfeld wegen der im Irak benötigten Truppen widersprach.
Schon vor ihnen hatten die Generäle a.D. Zinni (Marines), Eaton
(Armee) und Newbold (Marines) Rumsfelds Entlassung gefordert. Der
Direktor für Nichtweiterverbreitung am Carnegie Institute,
Cirincione, erklärte am 13. April, diese Generäle erhöben ihre
Stimme, um den nächsten Krieg - im Iran - verhindern.
Aus Kreisen, die den Vereinigten Stabschefs (JCS) nahestehen,
verlautete, daß der JCS-Vorsitzende Peter Pace einen von einer Reihe
aktiver Generäle und Admiräle unterzeichneten Brief erhalten hat, in
dem sie ihre Demission ankündigen für den Fall, daß man ihnen
Militärschläge gegen den Iran befiehlt. Der Hauptgrund für diesen
spektakulären Schritt soll die Weigerung des Weißen Hauses sein, bei
einem evtl. Militärschlag gegen den Iran den Einsatz von
Nuklearwaffen explizit auszuschließen. Ein ehem. US-Botschafter
erklärte gegenüber EIR auf Anfrage, dieses Vorgehen aktiver Militärs
sei "beispiellos" in der Geschichte der Vereinigten Staaten.
Gen. Batiste sagte am 13. April in einem Interview mit der Washington
Post: "Ich glaube, daß wir einen Neubeginn an der Spitze des Pentagon
brauchen. Wir brauchen dort eine Führung, die das Militär ebenso
respektiert, wie sie erwartet, daß das Militär sie respektiert, und
diese Führung muß verstehen, daß sie Teamwork braucht." Zuvor hatte
er bereits gegenüber CNN erklärt, viele seiner Kameraden seien der
gleichen Meinung. "Es spricht Bände, daß Leute wie ich aus dem
Ruhestand über das Führungsklima im Verteidigungsministerium
sprechen." Batiste begann seine Offensive offenbar am 5. April mit
einer Rede vor einem Rotarier-Club in Rochester (New York). Dort
sagte er, daß die USA in den Irak einmarschiert seien, ohne viel über
die Komplexität der irakischen Gesellschaft zu wissen. "Ich glaube
nicht, daß die Planer auf der strategischen Ebene verstanden, woraus
sie sich einließen." Er bezeichnete Rumsfeld als arrogant, weil er
den Widerspruch seiner militärischen Berater ignorierte oder
neutralisierte, und sagte, es sei naiv zu erwarten, daß die Iraker
sich für eine Demokratie amerikanischen Stils erwärmen würden.
Batiste erklärte, Rumsfeld sei verantwortlich für die Folter an
Gefangenen in Abu Ghraib, und dies sei einer der Gründe, warum er
gehen müsse. Seit Batistes Name am 13. April auf der Titelseite der
Washington Post erschien, hatte er mindestens 6 öffentliche Auftritte
und Interviews, in denen er ausführte, warum Rumsfeld abgelöst werden
müsse - und zwar sofort. Batiste hatte 31 Jahre lang im US-Militär
gedient und war im November 2005 in den Ruhestand getreten, nachdem
er die "legendäre" 1. Infanteriedivision im Irak kommandiert und eine
Beförderung zum stellv. Kommandeur im Irak abgelehnt hatte.
Am 14. April trat Batiste in den morgendlichen Talkshows der drei
großen US-Fernsehstationen ABC, NBC und CBS auf, und erklärte, die
Veröffentlichung des Buches Cobra II durch Gen. Trainor und Gordon
sei das "Ereignis" gewesen, das die einzelnen Generäle dazu bewegt
habe, mit ihrer Kritik an die Öffentlichkeit zu gehen. Das sei
"Zufall", aber gesetzmäßig. Cobra II deckte die Tatsache auf, daß
George Shultz, Vizepräsident Cheney und Rumsfeld im Mai 2003 - als es
noch eine Chance gab, die Lage im Irak zu stabilisieren - Paul Bremer
nach Bagdad schickten, um die Entbaathifizierung und Auflösung der
regulären irakischen Armee durchzuführen. EIR setzte die Enthüllungen
von Trainor und Gordon in einer zweiteiligen Serie - Lyndon LaRouches
"Private Armeen, machtlose Staaten" und Jeffrey Steinbergs
"Halliburtons Krieg" - fort, in der dargestellt wird, wie der Krieg
im Irak vorsätzlich verlängert wurde, damit Halliburton und andere
Konzerne profitieren und Cheneys permanenter Krieg fortgesetzt werden
konnten.
In der ABC-Sendung "Good morning, America" sagte Batiste,
Pentagon-Chef Rumsfeld habe "zehn Jahre gut überlegter Kriegsplanung
des US-Zentralkommandos" ignoriert. Auf die Frage, ob er den
"Oberkommandierenden" Bush in seine "Anklage" aufnehmen würde, sagte
Batiste lediglich: "Ich spreche jetzt vom Verteidigungsminister." Auf
die Frage, warum er geschwiegen habe und in den Krieg im Irak gezogen
sei, sagte er: "Im Militär gibt es eine Kommandokette... und wenn die
Entscheidung fällt, dann salutiert man und führt den Befehl aus, oder
man geht." Er habe sich entschieden, im Militär zu bleiben. Mit den
anderen fünf Generälen, die jetzt auch Rumsfelds Entlassung fordern,
habe er sich nicht abgesprochen, sagte General Batiste.
"Rumsfelds Vorgehen war beleidigend und arrogant"
In Bezug auf Rumsfeld nahm General Batiste vor der Presse kein Blatt
vor den Mund. Rumsfeld sei "beleidigend" und "arrogant". Von ABC auf
Rumsfelds Äußerung angesprochen, die Kommandeure vor Ort hätten
soviele Truppen erhalten, wie sie wollten, wenn sie welche
angefordert hätten, antwortete Batiste, es sei "unredlich" von
Rumsfeld, dies zu behaupten. Gen. Shinseki habe Recht gehabt, als er
vor dem Irakkrieg 300 000 Soldaten forderte; und als Shinseki -
vorzeitig - in den Ruhestand trat, habe Rumsfeld "nicht an der
Verabschiedung teilgenommen". In der NBC-Sendung Today sagte Batiste,
er habe "überhaupt keine politischen Ziele. Ich war 31 Jahre lang ein
loyaler Untergebener und tolerierte keinen Dissens in der Truppe."
Aber "ich denke, es ist eine Frage der Verantwortlichkeit:
Verantwortlichkeit für den Kriegsplan, der dafür geschaffen war, im
Irak einzumarschieren, aber keinen Frieden schuf, Verantwortlichkeit
für das, was in Abu Ghraib geschah, Verantwortlichkeit für einen
Führungsstil, der einschüchternd und beleidigend war."
Thomas White, der erste Armeestaatssekretär der Regierung Bush, der
selbst Krach mit Rumsfeld hatte, bevor er entlassen wurde, sagte
gegenüber der Los Angeles Times, Batiste gehöre der jüngeren
Generation amerikanischer Militärs an, die den Krieg im Irak aus
erster Hand miterlebt habe. Wenn so jemand das Wort ergreife, dann
gebe dies dem Ganzen ein viel größeres Gewicht. Die New York Times
zitierte White am 14. April: "Rumsfeld hat die Ansichten der hohen
Offiziere verachtet, seit er Verteidigungsminister wurde. Es war
längst fällig, daß die es satt haben." Ein namentlich nicht genannter
aktiver General sagte gegenüber der Los Angeles Times, durch Batistes
Äußerungen sei jetzt eine Debatte in die Öffentlichkeit gedrungen,
die seit Monaten im Militär darüber woge, ob die Offiziere des
Militärs ihren Widerspruch energischer zu Gehör bringen sollten. "Die
Newbolds und Eatons und die öffentliche Diskussion sind eine
Fortsetzung der internen Diskussion", die im Militär immer mehr
zugenommen habe.
Gen. Swannack erklärte: "Wir müssen den globalen Kampf gegen den
Terror fortsetzen und ihn von unseren Küsten fernhalten. Aber ich
glaube nicht, daß Minister Rumsfeld der richtige Mann ist, diesen
Kampf zu führen, wegen seines absoluten Versagens bei der Leitung des
Kriegs gegen Saddam [Hussein] im Irak... Ich glaube, daß Rumsfeld die
Dynamik der Aufstandsbekämpfung nicht wirklich versteht." In CNN
sagte Swannack am 13. April, Rumsfeld trage Schuld "in Verbindung mit
dem Gefändnisskandal von Abu Ghraib, und anstatt diese Fehler
zuzugeben, verteidigt er sie immer noch gegenüber der Presse... und
das macht es ihm unmöglich, unsere Strategie voranzubringen."
Rumsfeld habe seine Generäle, die die US-Truppen im Irak
kommandierten, "feingesteuert". Die Probleme des Pentagon beruhten
z.T. auf Rumsfelds Beförderungssystem: Rumsfeld habe in seiner Zeit
im Pentagon "persönlich die Drei-Sterne-Generäle ausgesucht, deren
Ernennung dem Präsidenten zur Bestätigung vorgelegt wurden".
Auch General a.D. Zinni verurteilte Rumsfeld bei einem Auftritt in
CNN am 13. April. Er warf ihm vor, 10 Jahre lang ausgearbeitete
Kriegspläne verworfen zu haben, die auch berücksichtigten, "was bei
einer Besetzung des Irak auf uns zu kam". Der frühere NATO-Kommandeur
Gen. Joulwan ging zwar nicht so weit, Rumsfelds Rücktritt zu fordern,
sagte jedoch in der CNN-Sendung "Der Lageraum", die hohen Offiziere
müßten sich gegen Rumsfelds Feinsteuerung der Streitkräfte wehren:
"Wenn ein Offizier es zum Vier-Sterne-General bringt, und dann nicht
das Rückgrat hat, aufzustehen und in wichtigen Fragen zuverlässig
Widerstand zu leisten, dann sollte er meiner Meinung nach keine vier
Sterne tragen."
* * *
Rumsfeld war an brutalen Foltermaßnahmen "persönlich beteiligt"
Auch an einer weiteren Front kam Pentagon-Chef Rumsfeld - und
implizit damit auch US-Vizepräsident Cheney - Ende letzter Woche
unter Attacke: Ermittler der amerikanischen Streitkräfte
bescheinigten ihrem Chef in aller Form, an einem der berüchtigten
Foltermaßnahmen "persönlich beteiligt" gewesen zu sein. In einem
offiziellen Untersuchungsbericht der US-Armee, der dem Online-Magazin
Salon nach dem Freedom Of Information Act (FOIA) jetzt zur Verfügung
gestellt wurde, heißt es, Verteidigungsminister Rumsfeld sei an den
brutalen Verhören des sog. "20. Entführers" al-Kahtani im Jahre 2002
"persönlich beteiligt" gewesen. Al-Kahtani sei von den Soldaten in
Guantánamo einer "entwürdigenden und beleidigenden" Behandlung
unterzogen worden, die einem Plan folgte, den Rumsfeld persönlich
angeordnet hatte.
Al-Kahtani mußte nackt vor einem weiblichen Verhöroffizier aussagen,
man warf ihm vor, er sei homosexuell, und zwang ihn,
Frauenunterwäsche zu tragen und an einer Leine "Hundetricks"
vorzuführen. An 48 von 54 Tagen wurde er jeweils 18-20 Stunden lang
verhört. Bei einer Zeugenaussage vor dem Generalinspekteur der
US-Armee erklärte Generalleutnant Schmidt unter Eid, Rumsfeld sei an
diesem Verhör "persönlich beteiligt" gewesen. Rumsfeld habe
wöchentlich mit Gen. Miller, dem damaligen Kommandeur von Guantánamo,
gesprochen. Schmidt sagte aus, er habe Bedenken wegen der Länge und
Wiederholung der harten Verhörmethoden gehabt; Schmidt wörtlich: "Es
gab keine Grenzen". Schmidt identifizierte auch die engen Parallelen
zwischen den Methoden, die in Guantánamo angewendet wurden, und
denen, die auf den berüchtigten Fotografien aus Abu Ghraib abgebildet
seien.