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  8. März 2006   Newsletter  

Was steht hinter der Iran-Krise?

Am 2.3. veranstaltete EIRNA in Berlin ein strategisches Seminar über die Hintergründe und Bedeutung der Krise um das iranische Atomprogramm. An dem ganztägigen Seminar nahmen fast hundert Personen teil, darunter Vertreter von 15 Botschaften, Akademiker, Journalisten, frühere Regierungsmitglieder und Parlamentarier sowie Kernforscher.

Das Seminar begann mit der Hauptrede von Lyndon LaRouche, es folgten der ehem. deutsche Militärattaché in Bagdad Oberst (a.D.) Jürgen Hübschen, die BüSo-Vorsitzende Helga Zepp-LaRouche sowie Dr. Cliff Kiracofe vom Virginia Military Institute (VMI). Prof. Selim aus Ägypten war kurzfristig verhindert und schickte eine Rede, die von Muriel Mirak-Weißbach verlesen wurde. Einen wichtigen Beitrag lieferte Michelle Steinberg von EIR aus den USA. Die Diskussion nach den Redebeiträgen dauerte vier Stunden.

Lyndon LaRouche stellte die Irankrise in den Zusammenhang der Krise des Weltwährungs- und Finanzsystems. Die einzige strategische Friedensperspektive - besonders für Westasien - bestehe in einer Wirtschaftspolitik des Amerikanischen Systems ähnlich der, mit der Franklin Roosevelt die USA aus der Großen Depression herausholte und das Bretton-Woods-System schuf. Notwendig seien langfristige Investitionen in die Entwicklung neuer Rohstoffe und ein modernes Infrastrukturnetz über ganz Eurasien, und die Kernenergie sei ein wesentlicher, unverzichtbarer Bestandteil davon.

Daher habe der Iran ein Recht auf die Kernenergie, betonte LaRouche. Käme es zu einem militärischen Angriff auf den Iran, so hätte dies nichts mit dem Iran per se zu tun. Der Iran sei nicht die "Ursache", er sei nur eine "passende Zielscheibe" für die synarchistische Finanzoligarchie, die entschlossen sei, durch "imperiale Globalisierung" den Nationalstaat auszurotten. Der erste und entscheidende Schritt zur Lösung der Irankrise sei es, US-Vizepräsident Dick Cheney, den "Vollstrecker" der synarchistischen Oligarchie, zu stürzen. Dies hätte weltweit weitreichende strategische Folgen.

Oberst a.D. Hübschen stellte dar, welche Folgen ein von den USA angeführter Luft- bzw. Raketenschlag gegen den Iran hätte: Die NATO und die transatlantische Partnerschaft fielen auseinander, die USA müßten ihre Truppen aus Stützpunkten in aller Welt abziehen, und der Antiamerikanismus nähme weltweit neue Dimensionen an. Der einzige politische Ausweg bestehe darin, daß der Westen und insbesondere die USA den Iran als Partner mit gleichen Rechten anerkennen und mit einer "Diplomatie", die auf Diktat und Doppelmoral hinausläuft, aufhören. Man müsse dem Iran eine Brücke bauen - auf der Grundlage verläßlicher Sicherheitsgarantien, wirtschaftlicher Zusammenarbeit und einer allseitigen Einhaltung des Atomwaffensperrvertrags (NPT). LaRouche merkte nach Hübschens Rede an, es sei falsch, im NPT etwas Unantastbares zu sehen, praktisch gehöre der Vertrag der Vergangenheit an und müsse durch eine neue, gerechte wirtschaftliche und politische Weltordnung abgelöst werden.

Am Nachmittag sprach Helga Zepp-LaRouche darüber, wie Deutschland zur Entschärfung des Irankonflikts beitragen kann. Zwei Tabus hätten Deutschland bisher daran gehindert, einen "Kampf der Kulturen" zwischen dem "Westen" und den Muslimen oder auch innerhalb Europas aufzuhalten, und daher müßten diese Tabus aufgehoben werden: Erstens müsse man, um die Muslime in die deutsche Gesellschaft einzubinden, etwas gegen die Wirtschaftskrise und die Massenarbeitslosigkeit tun. Dazu müsse man mit dem Maastrichter Vertrag und der Europäischen Währungsunion brechen. Zweitens bedeute ein Dialog der Kulturen, daß man die Existenz universeller Gesetze anerkennen und die kulturellen Werte der 68er-Generation, besonders Existentialismus und Relativismus, aufgeben müsse. Zepp-LaRouche verwies besonders auf das ökumenische Werk "De pace fidei" des Nikolaus von Kues aus dem 15. Jahrhundert.

Dr. Kiracofe, ein früherer Berater des Außenpolitischen Ausschusses des US-Senats, schilderte den Gegensatz zwischen Amerikas Tradition einer Außenpolitik fairer Zusammenarbeit und der imperialen Richtung, für die heute die "imperiale Präsidentschaft Bush-Cheney" und die Neocons stünden. Mit diesem Punkt befaßte sich auch Prof. Selim, aus arabischer Sicht.

Cheneys Sturz wird wahrscheinlicher

Am 5.3. betonte Lyndon LaRouche erneut, wie wichtig es für die USA und für die strategische Weltlage ist, US-Vizepräsident Dick Cheney aus dem Amt zu entfernen.

LaRouche bezog sich auf Cheneys Jagdunfall am 11.2., als Cheney, mutmaßlich unter Alkoholeinfluß, einen Jagdgenossen schwer verletzte, und verwandte dabei folgende Metapher: "Da ist ein Kerl, der läuft herum und begeht einen Mord nach dem anderen, aber er ist der große Boß im Stadtviertel - und wer wird sich mit dem großen Boß anlegen. Aber dann erwischen sie ihn mit heruntergelassenen Hosen, wie er Unzucht mit der Schneiderin seiner Frau treibt oder so etwas. Und dann endet seine Karriere."

LaRouche fuhr fort: "Cheney konnte sich halten, weil er Senatsmitglieder und andere einschüchtern konnte... [Aber jetzt] wollen ihn die Republikaner und einige Demokraten loswerden. Sie tun, was man schon längst hätte tun sollen: Sie versuchen den Präsidenten zu überzeugen, zuzulassen, daß Cheney gestürzt wird. Gründe, ihn loszuwerden, gibt es mehr als genug. Es gibt Gründe, ihn abzusetzen, wahrscheinlich sogar, ins Gefängnis zu werfen... Es ist für uns alle offensichtlich: Wenn Cheney weiter der Klotz am Bein des Präsidenten bleibt, werden die Republikaner im kommenden November viele Wahlen verlieren. Sie werden wahrscheinlich die Mehrheit im Abgeordnetenhaus verlieren und werden vielleicht vier oder fünf Senatssitze verlieren. Was hieße, daß die Demokraten im Kongreß das Sagen hätten, und dann könnte man gleich sagen: ,Watergate kommt wieder!'

Und was immer der Präsident denkt, nachdem er mit seinen Damen [Laura Bush, Condi Rice und Karen Hughes] gesprochen hat, die das Gegenstück zu den Hexen aus Macbeth bilden - was immer sie denken mögen, die Republikaner, die sich zur Wahl stellen, wissen genau, wenn man Cheney als Vizepräsidenten behält und die Popularität des Präsidenten abstürzt, werden sie die Mehrheit im Kongreß verlieren, ganz ohne Frage. Sie sind äußerst besorgt um ihre Wahl, und deshalb wollen sie den Klotz am Bein, Cheney, loswerden... Und die Demokraten, zumindest einige von ihnen, sind wahrscheinlich geneigt, durch eine Einigung zwischen beiden Parteien dabei mitzumachen, ihn zu stürzen. Die Einigung würde beinhalten, daß der Präsident vorerst im Amt bleiben darf und man kein langes Absetzungsverfahren durchmacht."

Absehbares Ende des "Carry Trade" verfolgt Märkte

Der "Island-Crash" Ende Februar war nur eine erste Episode der Kernschmelze des weltweiten "Carry Trade"-Geschäfts. "Carry Trade" bedeutet, Banken oder Fonds nehmen Schulden in Währungen mit niedrigen Zinsen wie Yen und Euro auf, das Geld wird am Devisenmarkt in eine Hochzinswährung eingetauscht und dann in hochverzinsliche, hochriskante Anleihen oder hypothekengestüzte Wertpapiere investiert.

In Japan stiegen die Renditen kurzfristiger Regierungsanleihen Anfang März auf das höchste Niveau seit fünf Jahren, nachdem die Zentralbank die höchste Kerninflationsrate seit acht Jahren gemeldet hatte. Und nach der Ankündigung des EZB-Präsidenten Claude Trichet am 2.3., man werde die Zinsen nicht nur um ein Viertelprozent auf 2,5% anheben, wegen des Inflationsdrucks sei noch mit weiteren Zinsanhebungen zu rechnen, stiegen die Renditen europäischer Regierungsanleihen auf den höchsten Stand seit vielen Jahren. So stiegen z.B. die Zinsen für zweijährige deutsche Regierungsanleihen auf 3,10%, verglichen mit 2,88% zwei Wochen zuvor.

Das Austrocknen der "Carry-Trade"-Liquidität aufgrund steigender Zinsen in Japan und Europa macht schon die Finanzmedien nervös. Am 1.3. warnte das Wall Street Journal, die sich abzeichnende währungspolitische Wende in Japan könne die weltweiten Finanzmärkte aus der Fassung bringen. Eine Abkehr von der Politik des "billigen Geldes", die "ein Jahrzehnt lang ein wichtiger Fixpunkt der Weltwirtschaft war", würde einen Abzug von Billionen von Yen aus dem japanischen Bankenwesen mit sich bringen. Weiter bemerkte das Journal, Hedgefonds hätte zu niedrigen japanischen Zinsen Gelder aufgenommen, um diese dann in profitablere Wertpapiere auf dem ganzen Globus fließen zu lassen .. bekannt als "Yen-Carry Trade". Größer Turbulenzen bedeuteten höhere Zinsen auf praktisch alles von US-Hypotheken bis zu Regierungsschulden, sinkende weltweite Aktienmärkte, einen steigenden Yen sowie fallenden Anleihepreise.

Bereits am 22.2. hatte William Pesek von Bloomberg News in der International Herald Tribune geschrieben: "Im letzten Jahrzehnt war der Yen-Carry-Trade zu einer Massenerscheinung geworden. Eine verbreitete Form der Strategie nutzte den Unterschied zwischen amerikanischen und japanischen Erträgen aus. Jeder lieh sich praktisch für Nichts Yen und parkte die Gelder dann in amerikanischen Schatzbriefen, die einen doppelten Ertrag brachten: einerseits einen Unterschied von drei oder mehr Prozentpunkten, zum anderen einen Anstieg des Dollar gegenüber dem Yen. Letzteres polsterte Gewinne ab, wenn die Gelder wieder in Yen zurückgetauscht wurden. Als die Bank von Japan die Zinsen erhöhte und sich Investoren zunehmend in die japanische Erneuerung einkauften, ist der Yen sicherlich vorzuziehen, zum großen Verdruß der Anhänger des "Carry Trades". Zunehmend erkennt man, daß sich der Handel gegen die Investoren richtet und die globalen Märkte stören könnte... Spekulanten könnte plötzlich Positionen schließen, die teurer werden: Verkauf von Schatzbriefen, Gold, Immobilien in Shanghai, Anteile an Google oder was auch immer sie mit geliehenen Yen bezahlten... Wenn sich das alles übertrieben anhört, sollte man Ende 1989 denken, was ein Beispiel für den Schaden bietet, den eine Panik und Carry-Händlern anrichten kann." Pesek bezieht sich damit auf das russische Schuldenmoratorium und den Beinahebankrott des Hedgefonds LTCM, der die "globalen Märkte erschütterte".

Ein weiterer Fed-Präsident warnt vor Kredit-Derivaten

Der Präsident der New Yorker Federal Reserve Timothy Geithner sprach am 28.2. vor der "Global Association of Risk Professionals" in New York City. Nach den üblichen Hymnen auf die Wohltaten des "schnellen Wachstums der Instrumente für Risikotransfer" kam er dann auf Derivate und insbesondere Kreditderivate zu sprechen:

"Sie haben Risiken nicht ausgeschaltet, Sie haben die Tendenz der Märkte nicht beendet, zuweilen in Manie und Panik zu verfallen. Sie haben die Gefahr eines Zahlungsunfähigkeit eines größeren Zwischenhändlers nicht ausgeschaltet, und sie können das umfassendere Finanzsystem nicht vor den Auswirkungen eines solchen Scheiterns nicht schützen. Der Umfang des außerbörslichen Derivatmarktes ist sehr groß... und nähert sich derzeit der 300 Bio.$ -Marke."

Geithner betonte, sollte eine Derivat-Gegenpartei nicht in der Lage sein, ihren Verpflichtungen nachzukommen, "könnte der Prozeß des Ausbuchens unserer Positionen und deren Ersatz für die Märkte Streß bedeuten und den unmittelbaren Schaden noch vermehren." Er wies daraufhin, daß Kreditderivate "auf einer sehr viel kleineren ihnen zugrunde liegenden Schuldenausgabe beruhen", d.h. für jeden Dollar an Firmenschulden geben die Banken bis zu 10$ an Kreditderivaten aus und machen die Schulden damit "unsicherer". "Im Falle einer Zahlungsunfähigkeit [vergrößern Kreditderivate möglicherweise] das Risiko einer ungünstigen Marktdynamik."

Die Ausrichtung der Äußerungen Geithners ist um so wichtiger, als er zum Verantwortlichen dafür ernannt wurde, die Kreditderivate unter Kontrolle zu bekommen. In dieser Frage hatte er wenig erfolgreich mit den 14 größten Kreditderivate-Banken zusammengearbeitet. Geithners Warnungen stehen in deutlichem Kontrast zur scheinbar weniger besorgten Haltung des neuen Vorsitzenden der Federal Reserve Ben Bernanke.




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