"Nichts mehr davon, ich bitt euch. Zu essen gebt ihm, zu wohnen.
Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst."
Friedrich Schiller
  Mai 2008 Nahrungsmittel für den Frieden

Um 9 Mrd. Menschen zu ernähren, fordert der französische Landwirtschaftsminister einen "weltweiten New Deal"

"Weltnahrungsmittelkrise: für ein weltweiten 'New Deal'." So lautet die Überschrift eines neuen Aufsatzes, den der französische Landwirtschaftsminister Michel Barnier am 12. Mai in der Tageszeitung Le Figaro vor dem Hintergrund des kommenden Gipfels der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) im Juni nun veröffentlichte. Barnier widerlegt darin, wie bereits vor zwei Wochen in einem Brief an die Financial Times, die Hauptargumente der britischen imperialen Freihändler. Die Verwendung des Begriffs "New Deal" wird die französische Position in London nicht sehr beliebt machen.

Die britische Linie, vor allem gerade wieder vertreten vom britischen Finanzminister Aleister Darling, lautet, daß die europäische Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) eigentlich die Ursache des Hungers und der Hungesaufstände sei. Das lehnt Bernier komplett ab.

In seinem Beitrag schildert er zunächst all die EU-Maßnahmen zum Subventionsabbau der letzten Jahre, um die Bedingungen des freien Handels "nicht zu verzerren" und um den EU-Markt für Exporte aus den ärmsten Nationen zu öffnen. Die GAP befasse sich ohnehin heute bereits mehr mit Umwelt- und Gesundheitsnormen und bürokratischen Vorschriften als mit der Erhöhung der Produktion.

Dann unterstreicht Barnier , daß "sich unsere Nahrungsmittelsicherheit und -vielfalt ohne die GAP verringern würde." Auf die Frage, ob eine weitere Liberalisierung des Handels das Problem der Hungeraufstände lösen würde, antwortet Barnier mit einer klaren Absage an diese Politik: "Diejenigen, welche die Zukunft der ärmsten Nationen im Wesentlichen von ihrer Fähigkeit, in reichen Ländern zu exportieren, abhängig machen wollen, sind sich der Realität nicht bewusst. Der Schwerpunkt auf Cash Crops [vornehmlich für den Export angebaute Feldfrüchte], hat die Subsistenzwirtschaft zurückgedrängt und nicht für nachhaltige Entwicklung gesorgt." Barnier erteilte der "brutalen Liberalisierung des Handels" eine klare Absage; damit könne keine Nahrungsmittelsicherheit geschaffen werden. "Die Lösung liegt in der Entwicklung von Landwirtschaft in allen Teilen der Welt, nicht nur dort, wo es sich rentiert". Selbst die Weltbank habe in ihrem neuesten Bericht festgestellt: "Investitionen in der Landwirtschaft sind die effektivsten Hebel im Kampf gegen Armut und Hunger."

Barnier weist in Anlehnung an die Weltbank und die Carnegie-Stiftung darauf hin, daß die Verlierer des WTO-"Freihandels"-Abkommens die ärmsten Nationen sein werden. Unter den größten Gewinnern seien neben Schwellenländer, die bereits moderne und wettbewerbsfähige Landwirtschaft betreiben, wie Brasilien, Argentinien oder Thailand, vor allem entwickelte Länder mit großen Agrarexporten wie [die Commonwealth-Mitglieder] Australien und Neuseeland.

Barnier betont: "Jetzt erkennt man, daß Nahrungsmittel keine einfache Frage von Handel ist. Um eine Weltbevölkerung von 9 Milliarden Menschen im Jahr 2050 ernähren zu können, müssen alle Möglichkeiten genutzt werden. Was die ärmsten Länder brauchen, sind gemeinsame Entwicklungsprojekte, um die Erzeugung zu verbessern, Preise zu stabilisieren, Einfuhren zu regulieren und die Funktion ihrer Binnenmärkte zu verbessern, sowie ihre Bauern zu schützen."

"Meine Überzeugungen beinhalten nichts Neues. Die Nahrungsmittelversorgung darf nicht den Marktregeln allein überlassen werden; weder der finanziellen Spekulation, noch niedrigen Gesundheits- und Umweltstandards. Unsere Agrarpolitik in Europa ist keine veraltete Angelegenheit. Für Europa ist sie von strategischer Bedeutung, da sie für Nahrungsmittelsicherheit sorgt und einen Weg auch für die Entwicklung der Landwirtschaft weltweit eröffnen kann."

Die EU trage Verantwortung in dieser Frage und Frankreich, das ab dem 1. Juli die Präsidentschaft übernimmt, wolle sich der Herausforderung der fehlenden Nahrungsmittelsicherheit annehmen. Frankreich werde danach streben, die verschiedenen Initiative zusammen zu führen und längerfristig eine echte Partnerschaft für Nahrungsmittel und Landwirtschaft aufzubauen, wie dies der französische Staatspräsident angekündigt habe.