"Nichts mehr davon, ich bitt euch. Zu essen gebt ihm, zu wohnen.
Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst."
Friedrich Schiller
  Juni 2008 Nahrungsmittel für den Frieden

Belgien: Gesetzesvorschlag gegen Nahrungsmittelspekulation vorgelegt

Am 23. Mai 2008 brachten drei sozialistische Abgeordnete im belgischen Parlament einen Gesetzesentwurf ein, der ein "Verbot der Finanzspekulation bei Nahrungsmitteln" zum Ziel hat. Es folgt an dieser Stelle eine teilweise Übersetzung des Dokuments, das großes Interesse bei denjenigen hervorrufen wird, die weltweit gegen das Geschäft mit dem Hunger kämpfen:

Gesetzesvorschlag zum Verbot der Finanzspekulation, die sich auf Nahrungsmittelpreiserhöhungen gründet

Vorbemerkungen

Sehr geehrte Damen und Herren,

1) Allgemeiner Umriß

Der weltweite Hunger ist leider schon viel zu lange eine Tatsache in unserer Welt.

Nach Angaben der Verbandes SOS Hunger leiden 852 Millionen Menschen an Hunger, vor allem Frauen und Kinder.

Nach Angaben des UN Welthungerprogramms sterben 25000 Menschen jeden Tag an Unterernährung. Darunter verlieren zwischen 11000 und 18000 Kinder ihr Leben, weil sie nicht über ausreichend Nahrungsmittel verfügen!

Die Gründe für dieses Drama sind bekannt: Nord-Süd Unterschiede, Fehlinvestitionen beim Getreideanbau in den Entwicklungsländern, sehr oft unter dem Impuls internationaler Institutionen, Naturkatastrophen, Dürreperioden, schlechte Staatsführung, Fehlentscheidungen bei Investitionen im Rahmen der Entwicklungshilfe, etc.

Im Verlauf der letzten Jahre hat der Preisanstieg bei Lebensmitteln die Krise verstärkt und ausgeweitet.

Im Gegensatz zu den entwickelten Ländern, in denen der für Lebensmittel aufgewendete Anteil am Haushaltseinkommens zwischen 10 und 20 Prozent liegt, beträgt dieser Anteil in den Entwicklungsländern zwischen 60 und 90 Prozent.

Nahrungsmittelaufstände sind überall auf der Erde ausgebrochen: vor allem in Ägypten, Haiti, Indonesien und in Sub-Sahara Afrika.

Als Hauptgründe für die weltweite Hungerkatastrophe gibt der Gesetzesentwurf an, daß die Liberalisierung der Märkte durch die Welthandelsorganisation (WTO), die Weltbank und den Internationalen Währungsfond (IWF) zu einer "tiefgreifenden Destabilisierung der landwirtschaftlichen Produktion der Länder des Südens" geführt habe. Desweiteren habe die Entwicklung sogenannter "cash crops" zu "massiven Fehlinvestitionen bei der regionalen Produktion" und zur "Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten aus Ländern, in denen Subventionen gezahlt werden", beigetragen.

Auch der Klimawandel mache sich durch vermehrte Dürre- und Flutperioden bemerkbar. Vor allem aber hätten Investmentfonds, angetrieben von der Finanzkrise, mit ihrem spekulativen Kapital Zuflucht auf den Märkten für Landwirtschaftsgüter gesucht.

Auch sogenannte Biotreibstoffe wurden als Problem für die Preisinflation einbezogen. Dazu wurde auf eine Untersuchung des belgischen Forschungs-, und Informationszentrums der Verbraucherverbände (CRIOC) verwiesen, die den Preisanstieg der die letzten zwei Jahre beobachtet hat: Mehl +39%; Vollkornbrot: +13%; Mich +36%; Kartoffeln +13%; Eier +33%; Steaks +10%; Butter +25%; Tomaten +22%; Orangen +17%; Yoghurt +14%.

Weiter heißt es in dem Entwurf:

Obwohl die wichtigsten internationalen Entscheidungsträger zum Handeln aufrufen, um den Ärmsten zu helfen, zögern Spekulanten in diesem Zusammenhang nicht, von der Krise zu profitieren, um sich zu bereichern!

Es scheint, als gäbe es auf dem belgischen Markt Investmentprodukte [...] deren Gewinn an die Preisentwicklung eines Warenkorbs bestehend aus Landwirtschaftsgütern (Kakao, Kaffee, Zucker, Weizen, Mais und Soja) gebunden ist.

Kurz gesagt, je höher der Preis dieser Landwirtschaftsgüter steigt, desto profitabler ist das Investment. Schlimmer noch, die Werbung für diese Investmentprodukte räumt ausdrücklich Profite durch Preissteigerungen bei Lebensmitteln ein. In einem Werbeprospekt wird sogar behauptet, daß der Klimawandel, die Wasserknappheit, und der Mangel an Ackerfläche eine gute Gelegenheit sei!

In Wahrheit wird dazu geraten, daß belgische Investoren damit reich werden, daß noch mehr der Ärmsten auf der Erde verhungern.
Diese Situation ist einfach unzumutbar.

Das Gesetz soll also konsequenterweise die Verbreitung und den Verkauf solcher Investmentprodukte verbieten. Die Verfasser des Entwurfs erinnern daran, daß das Recht auf eine ausreichende Lebensmittelversorgung Teil des Internationalen Abkommens für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Artikel 11) sei, das am 15. Mai 1981 auch von Belgien unterzeichnen worden wäre. Der Gesetzesvorschlag lautet dann folgendermaßen:

Gesetzesvorschlag

Artikel 1.
Dieses Gesetz bezieht sich auf die Zielsetzung von Artikel 78 der belgischen Verfassung.

Artikel 2.
In Belgien ist der Verkauf, das Verbreiten oder Anbieten von Finanzinstrumenten im Sinne des Artikels 2 des Gesetzes vom 2. August 2002 "Über die Aufsicht des Finanzsektors" verboten, und zwar jedweder Art, einschließlich der Kapitalversicherung und derjenigen Versicherungsarten, die an solche Investmentfonds gekoppelt sind, deren Gewinn teilweise oder ganz aus der Spekulation auf den Preisanstieg bei Grundnahrungsmitteln stammen.

Artikel 3.
Jeder Verstoß gegen das Gesetz wird gemäß Artikel 41 des Gesetzes vom 2. August 2002 "Über die Aufsicht des Finanzsektors und der Finanzdienstleistungen" bestraft.