Juni 2008 Wirtschaft

Die Schlußresolution der Konferenz der Blockfreien Staaten von Colombo (Sri Lanka), August 1976 (Auszüge)

Einführung

Die Staats- und Regierungschefs der blockfreien Staaten sind der Meinung, daß die wirtschaftlichen Probleme zu den schwerwiegendsten in den internationalen Beziehungen geworden sind. ... Die Entwicklungs­länder sind Opfer dieser weltweiten Krise.... Es wird immer offensichtli­cher, daß das jetzige System weder die Entwicklung der Entwicklungs­länder ermöglicht, noch die Überwindung von Hunger, Krankheiten und Analphabetentum beschleunigen kann. ... Die Errichtung einer Neuen Weltwirtschaftsordnung ist von höchster politischer Wichtigkeit.... Die Hauptaufgabe der Entwicklungsländer ist, den Widerstand jener zu bre­chen, die sich dem Kampf um die wirtschaftliche Entwicklung der Ent­wicklungsländer entgegenstellen...

Der Kampf für Freiheit und Unabhängigkeit -
die jetzige Lage der Weltwirtschaft und die Perspektiven für die Entwicklungsländer

1. Die Staats- und Regierungschefs haben sich intensiv mit den flagran­ten Ungerechtigkeiten beschäftigt, welche die internationale wirtschaftliche Struktur zur Folge hat. ... Von verschiedenen internationalen Organi­sationen sind viele Resolutionen in bezug auf die Errichtung der Neuen Weltwirtschaftsordnung verabschiedet worden, doch gab es kein sicht­bares Anzeichen ihrer Durchsetzung.

2. Die Entwicklungsländer sehen sich heute einer Krise gegenüber, die sowohl die Verwirklichung wie die Beibehaltung eines minimalen Lebens­standards gefährdet.

3. Die Deviseneinnahmen der Entwicklungsländer sind im wesentlichen von den Exporten ihrer Rohstoffe abhängig
...
5. Das Zahlungsbilanzdefizit der Entwicklungsländer ist phänomenal angestiegen:

1973: 12,2 Milliarden Dollar
1974: 33,5 Milliarden Dollar
1975: 40 Milliarden Dollar

Für 1980 wird diese Summe auf 112 Milliarden Dollar geschätzt. Die Entwicklungsländer haben ihre Reserven erschöpft und bedeutende Aus­landsschulden aufgehäuft. 1973 betrug die geschätzte Auslandsverschul­dung mehr als 100 Milliarden Dollar, und es wird erwartet, daß diese sich bis Ende 1976 mehr als verdoppeln wird
...
7. Industrialisierung ist ein dynamisches Mittel zur Entwicklung, in Übereinstimmung mit dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fort­schritt der Entwicklungsländer. Es ist mit der Förderung und Erweiterung des Austausches zwischen Entwicklungs- und entwickelten Ländern ver­bunden. ... Die Errichtung geeigneter Industrien und verstärkte Zu­sammenarbeit zur Errichtung einer gesunden technischen Grundlage in unseren Ländern muß beschleunigt werden.

8. Die ungenügende Durchsetzung jener politischen Maßnahmen, die durch die internationale Entwicklungsstrategie festgelegt sind - was auf den Mangel an politischem Willen in den meisten entwickelten Ländern zurückzuführen ist - kommt zu der wirtschaftlichen Krise hinzu.... Das ist der Grund, warum Hunger, Krankheiten usw. noch immer anhaltende Probleme der Dritten Welt darstellen
...
10. Das Fehlen eines gerechten internationalen Währungssystems führt zu tiefer Sorge und verschlimmert die wirtschaftlichen Probleme. ... Die Versuche, dieses System innerhalb des Rahmens bestehender Währungs­beziehungen, die von wenigen kapitalistischen Ländern kontrolliert werden, zu reformieren, hat nur Fehlschläge hervorgebracht. Diese Länder haben unangebrachten Einfluß auf den Entscheidungsprozeß über Fragen des Weltwährungssystems ausgeübt, und die Lösung der Probleme, die sich den Entwicklungsländern stellen, wird im Rahmen vorläufiger und wirkungsloser Vereinbarungen gesucht. Die Staats- und Regierungschefs ... betonen erneut, daß die Lösung der wirtschaftlichen Probleme der Entwicklungsländer die Errichtung eines universalen und gerechten neuen Währungssystems erfordert.

11. Die Nützlichkeit und Gerechtigkeit des zu errichtenden Systems wird von der Kontrolle abhängen, die die internationale Gemeinschaft auf die Bedingungen ausübt, unter denen neue Liquidität geschöpft wird; die­se soll automatisch an die Finanzbedürfnisse der Entwicklungsländer ge­knüpft sein und sicherstellen, daß die betreffenden Länder rechtmäßig an dem Entscheidungsprozeß beteiligt werden.
...

15. Die Staats- und Regierungschefs ... sind der festen Überzeugung, daß nur eine totale Umstrukturierung der internationalen wirtschaftlichen Beziehungen auf Grundlage der Einführung einer Neuen Weltwirtschafts­ordnung den Entwicklungsländern eine akzeptable Entwicklung sichern kann.

Die Neue Weltwirtschaftsordnung

1. Die Staats- und Regierungschefs ... sind fest davon überzeugt, daß nur eine vollständige Umstrukturierung der internationalen wirtschaftlichen Beziehungen die Wirtschaftsprobleme der Welt lösen kann. Die Schwäche und wiederholten Fehlschläge der besteh hden Wirtschaftsordnung sind durch die jüngsten Krisen in den marktwirtschaftlichen Ländern unter Beweis gestellt worden: Zusammenbruch des Währungssystems, Beginn einer restriktiven und protektionistischen Politik, Rezession, Inflation, Arbeitslosigkeit usw. ... Insbesondere dieser Krisenzustand hat in dramatischer Weise die Abhängigkeit der tragenden Elemente der Weltwirtschaft voneinander deutlich gemacht und den notwendigen Anstoß zum Ent­wurf einer Neuen Weltwirtschaftsordnung gegeben.

2. Die Staats- und Regierungschefs ... fordern die Errichtung einer Neu­en Weltwirtschaftsordnung, welche weitreichende Initiativen, konkrete Neuerungen und globale Lösungen verlangt und unvereinbar ist mit den fragmentarischen und improvisierten Reformen, die die gegenwärtigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten unter Kontrolle halten sollen.

3. Die Staats- und Regierungschefs ... verurteilen die inakzeptable Poli­tik und Praxis der transnationalen Unternehmen....

4. Sie bekräftigen, daß nur eine solche vollständige Umstrukturierung der internationalen wirtschaftlichen Beziehungen eine dauerhafte Lösung bringen kann. ... Sie bekräftigen ihre eindeutige Entschlossenheit, durch gemeinsames Handeln die Errichtung und Durchsetzung einer Neuen Weltwirtschaftsordnung zu erreichen, wie sie in verschiedenen anderen Resolutionen angestrebt und ausgeführt wird. Sie muß folgendes beinhalten:

a) Fundamentale Umstrukturierung des gesamten internationalen Handelssystems, um damit eine Indexierung und Verbesserung der Han­delsbedingungen („terms of trade") zu erreichen....

b) Weitgehende Umstrukturierung der Weltproduktion auf der Basis einer neuen internationalen Arbeitsteilung mit Hilfe folgender Mittel: Verbesserung des Zugangs für Industrieprodukte der Entwicklungsländer, Transfer von Technologie. ...

c) Eine radikale Überholung der internationalen Währungsvereinbarun­gen, die durch den Mangel eines rationalen, gerechten und universalen Systems, die Anarchie des Floatings, das Anwachsen der Liquidität ... und Inflation gekennzeichnet sind. ... Das neue System muß die dominierende Rolle internationaler Währungen an dem Entscheidungsprozeß abschaffen und eine Verbindung zwischen Liquiditätsschöpfung und Entwicklungsfinanzierung herstellen.

d) Garantie für einen adäquaten Transfer von Ressourcen.

e) Vorrangige Festlegung einer befriedigenden Lösung für das Problem der öffentlichen Verschuldung, besonders für die am wenigsten entwickel­ten und am meisten betroffenen Länder.

f) Unterstützung zu günstigen Bedingungen bzw. Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen und geeigneten Technologien, um Investitionen zu ermöglichen, durch die die Nahrungsmittelproduktion gesteigert und die Versorgung mit landwirtschaftlichen Produktionsmitteln in den Ent­wicklungsländern gesichert werden.

Verflechtung der Wirtschaft

... Internationale Zusammenarbeit ist heute zu einer unabdingbaren Notwendigkeit geworden.... Die Staats- und Regierungschefs erkennen, daß die Einführung einer neuen Ära fairer und ausgeglichener Beziehungen die Verantwortung aller ist, doch fällt dies insbesondere denen zu, die die wirtschaftliche Macht innehaben. Darüber hinaus erfordert die Schaffung einer Neuen Weltwirtschaftsordnung auf Seiten der entwickelten Länder entschiedene und wirksame Maßnahmen in allen Hauptbereichen internationaler wirtschaftlicher Beziehungen. Die entwickelte Welt kann unter keinem noch so gearteten Vorwand länger ihrer Verantwortung entfliehen und kann es sich nicht mehr leisten, die grundsätzlich unteilbare Natur des Wohl­standes der Welt fehlzudeuten.

Die Staats- und Regierungschefs ... fordern deshalb die entwickelte Welt auf, überzeugend ihren Glauben an das Prinzip der Verflechtung der Welt auszudrücken, indem sie eine Reihe von Maßnahmen beschließen, die es allein erlauben werden, eine authentische internationale Zusammenarbeit und die Schaffung der Neuen Weltwirtschaftsordnung zu ermögli­chen.

Schlußfolgerung

(Dies) stellt einen neuen Schritt zur Errichtung der Neuen Weltwirtschafts­ordnung dar und insbesondere des wesentlichen Elements einer solchen neuen Ordnung, des Währungs- und Finanzsystems....

(Es handelt sich um eine Übersetzung der Resolution, wie sie am 20. August 1976 in der algerischen Tageszeitung AI Moujahid erschien.)