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September 2002 Projekt Renaissance

Das Universum mag keine dummen Leute!

Von Helga Zepp-LaRouche

Helga Zepp-LaRouche hat auf der Sommerakademie des Schiller-Instituts am 24. August 2002 faszinierende Einblicke in die Ideengeschichte der Menschheit gegeben: Platon, Nikolaus von Kues, Wernadskij, LaRouche. Wir veröffentlichen einen Teil ihrer Rede, in der sie auch auf die kürzlich vor der Küste Indiens entdeckte 9500 Jahre alte Stadt einging.


Das Drama und das Erhabene
Wernadskijs Beitrag

Die versunkene Stadt

Die Entwicklung der Bevölkerung

Wir müssen die eingefahrenen Denkgewohnheiten, die die öffentliche Meinung von heute bestimmen, aufbrechen und ändern. Das Gute dabei ist, daß dies möglich ist, da der Mensch im Unterschied zum Tier einen freien Willen hat. Dieser freie Wille ist jedoch kein willkürlicher anarchistischer Impuls, der einen dazu bringt, einfach zu sagen: "Mir gefällt das nicht und ich mache jetzt einfach etwas anderes." Der freie Wille, so wie wir ihn verstehen, ist daran gebunden, was die Naturgesetze tolerieren und was nicht. Der freie Wille ist nicht das Recht eines einzelnen oder gar ganzer Gesellschaften, willkürliche Entscheidungen zu fällen oder ihren Trieben zu folgen. Freier Wille ermöglicht es dem Menschen, bewußt einem höheren Rechtsprinzip, der Vernunft, dem Naturrecht zu folgen. Diese höhere universelle Gesetzmäßigkeit steht über den unbelebten und lebenden Prozessen außerhalb der menschlichen Gattung, und wenn der Mensch ihr folgt, wird er bei dem Versuch, das Universum zu ändern, in dem unsere Gattung existiert, entweder bestätigt oder bestraft.

Nur wenn wir diese höhere Gesetzmäßigkeit des Universums verstehen, können wir voraussagen, welche Konsequenzen unser Handeln oder unsere Unfähigkeit, unsere Gewohnheiten zu ändern, haben werden. So verstandener freier Wille deckt sich mit der höheren Gesetzmäßigkeit und auch mit dem, was Lyndon LaRouche das universelle Prinzip realwirtschaftlicher Antientropie nennt. Ich werde gleich erläutern, was das bedeutet.

Wir brauchen eine freiwillige, revolutionäre Änderung der Axiome, die heute die Politik beherrschen, auf der Grundlage einer voluntaristischen Methode, die sich nur vom Standpunkt der Leibnizschen Monadologie bestimmen läßt. Die führenden politischen Einrichtungen von heute - Regierungen, Denkfabriken usw. - sind philosophisch zweifellos nicht voluntaristisch. Die Frage ist deshalb, wie können wir dennoch voluntaristisch eingreifen, um die notwendigen Veränderungen in die richtige Richtung zu erreichen.

Dabei ist es äußerst nützlich, sich zu betrachten, wie die voluntaristische Methode von den großen Dichtern und Historikern der Vergangenheit angewandt worden ist. Wenn man sich zum Beispiel ansieht, wie in den großen Geschichtsdramen von Shakespeare und Schiller das Wesen wichtiger historischer Perioden dargestellt wird, sieht man die Fähigkeit der großen Helden der Zeit, in den Lauf der Geschichte einzugreifen. Große Dichter sind in der Lage, die Geschichte eines Volkes auf die Bühne zu bringen, und was sich dann in der Form eines Dramas abspielt, ist keine Fiktion oder Unterhaltung, sondern das Wesen der historischen Realität. Denn wenn man im Theater ein historisches Drama verfolgt, wiederholt man geistig die Erfahrungen des historischen Subjekts. Schiller hat natürlich in seinen Geschichtsdramen nicht auf alle Einzelheiten der historischen Realität Wert gelegt, aber er führt uns auf der Bühne in kompakter Form die Essenz der damaligen historischen Realität vor Augen.

Die Beschäftigung mit historischen Dramen ist ganz besonders wichtig, weil vieles von der realen menschlichen Geschichte unbekannt ist. Von vielen historischen Abläufen gibt es heute nicht einmal Spuren. Sie sind einfach verschwunden, es gibt keine schriftlichen Aufzeichnungen, keine Scherben, nichts. Deshalb ist die Universalgeschichte eine ziemlich löcherige Angelegenheit, aber gerade wegen der schweren Krise, in der wir uns befinden, brauchen wir zumindest ein gewisses Verständnis, um die Lehren aus der Universalgeschichte zu ziehen.

Das Drama und das Erhabene

Bereits Platon hatte den großen Tragödiendichtern, die vor ihm gelebt und gewirkt hatten, vorgeworfen, das Tragische überzubetonen und keinen Ausweg aufzuzeigen. Er sagte zum Beispiel, es sei für Kinder sehr schädlich, Aischylos oder einige andere Tragiker zu lesen, denn sie hinterließen im kindlichen Geist schlechte Vorstellungen. Das Tragische allein ist nicht alles, was nötig ist. Deswegen sind die Dialoge Platons tatsächlich wertvoller, denn im Dialog erreicht Platon eine Ebene, die nicht einer Tragödie, sondern der Vernunft entspricht. Auch wenn man beispielsweise Shakespeares Hamlet mit Schillers Jungfrau von Orleans vergleicht, wird der gleiche grundsätzliche Unterschied deutlich. Hamlet ist eine Tragödie, denn Hamlet ist unfähig, einen Ausweg aus der Katastrophe zu finden. Die Ereignisse laufen einfach ab und lassen keine Änderung zu. Bei Schillers Jungfrau von Orleans sind die Umstände völlig anders, und das liegt hauptsächlich an einer der großen Errungenschaften Schillers, nämlich seiner Entwicklung des Prinzips des Erhabenen. Das Erhabene überwindet die Tragödie. Nur wenn man den freien Willen in die Notwendigkeit verlegt, ist der Mensch frei.

Jeder hier im Raum kennt wohl das Stück der Johanna von Orleans, jener 18jährigen Schäferin, die in sich den göttlichen Auftrag verspürt, Frankreich von der britischen Besatzung zu befreien. Sie nimmt den Auftrag an und wird durch göttliche Inspiration zu einem militärischen Genie, sie besiegt den Feind und führt den schwächlichen König zum Sieg. Aber dann bricht sie ihr Gelöbnis für einen Augenblick, als sie Liebe zu Lionel, dem einzigen noch lebenden britischen Feldherrn, verspürt. Sie wird gefangengenommen und in Ketten gelegt, mit der Folge, daß die Franzosen das Kriegsglück verläßt. Doch sie findet neue Kraft im Gebet, überwindet ihre Schwäche und akzeptiert den göttlichen Auftrag auf einer höheren Ebene. Selbst wenn sie dann in der Schlacht stirbt, hat sie dennoch erhaben, d.h. auf der höchsten Vernunftebene gehandelt; sie ist frei. Und deswegen ist Die Jungfrau von Orleans keine Tragödie, sondern ein Drama, das das Erhabene ausdrückt.

Das ist deswegen so bedeutsam, weil die Lehren aus historischen Dramen auf die reale Geschichte übertragen werden können. Das wird sofort deutlich, wenn man sich die heutigen G7-Regierungen ansieht: sie schicken sich alle an, eine Tragödie zu inszenieren. Es ist für das Publikum deshalb äußerst erhebend zu verstehen, daß es einen Weg gibt, wie der einzelne Mensch einen tragischen Ausgang eines historischen Prozesses verhindern kann, indem er seine Identität in die höhere Bedeutung des Lebens, das Erhabene, verlegt.

Wie erreicht man die Ebene des Erhabenen? Offenbar ist die Idee des Erhabenen das genaue Gegenteil vom Leben im Hier und Jetzt, vom Leben für den Genuß des Augenblicks, der Spaßgesellschaft, der Maximierung der Lust und der Minimierung des Schmerzes. Wie kann man diese negativen Axiome umstürzen? Alle Reduktionisten, Empiristen und Nominalisten meinen, sie wüßten nur etwas über die Welt, indem sie mit Hilfe ihrer Sinne fixe Objekte wahrnehmen. Das ist der Grund dafür, daß wir uns über die Ebene der sinnlichen Gewißheit erheben müssen. Dabei ist es sehr nützlich, sich erneut mit Platons Herangehensweise an diese Frage, der polemischen Allegorie in seinem Höhlengleichnis, zu beschäftigen.

Platon sagt, Sinnesgewißheit sei wie eine unregelmäßige Oberfläche auf der Wand einer halbdunklen Höhle, worauf Schatten geworfen werden, die reale Vorgänge außerhalb der Höhle darstellen. Die Person, die von der sinnlichen Gewißheit geleitet ist, ist wie derjenige, der in der nur spärlich beleuchteten Höhle sitzt und von den Handlungen, die außerhalb der Höhle stattfinden, nur die Schatten an der Wand sieht. Die Realität liegt also nicht in den konkreten Gegenständen, die man wahrzunehmen meint, sondern Platon und Heraklit vor ihm definierten das Sein als Prozeß des Werdens, wobei die Realität nicht in einem bestimmten konkreten Gegenstand, sondern in dem Prozeß der universellen ontologischen Veränderung liegt.

Platon betrachtet diese Frage auch vom Standpunkt der menschlichen Vernunft, d.h. der menschliche Geist ist in der Lage, adäquate Hypothesen über das reale Universum aufzustellen, und das nicht nur einmal, sondern immer wieder. Er nennt diesen Prozeß, immer adäquatere Hypothesen aufzustellen, die höhere Hypothese, und er nennt die Fähigkeit, den Prozeß der höheren Hypothese zu durchlaufen, die Hypothese der höheren Hypothese.

Nikolaus von Kues ging noch einen Schritt weiter, er entdeckte nämlich das biogenetische Gesetz der Evolution, wie es Prof. Haubst, einer der wichtigsten Cusanus-Forscher, nannte. Nikolaus entdeckte bereits im 15. Jahrhundert den Unterschied zwischen dem anorganischen und organischen Bereich sowie dem davon noch einmal getrennten Bereich der menschlichen Vernunft, worin der Mensch als lebendes Abbild Gottes wirkt. Der Evolutionsprozeß, die Entwicklung zu höheren Gattungen, so Nikolaus, spiele sich so ab, daß keine Art ihr Potential voll entfalten kann, wenn sie nicht mindestens an einer Stelle an der nächsthöheren Gattung teilnimmt. Das Tier hat sein volles Potential nur dann verwirklicht, wenn es an dem Menschen partizipiert. Und der Mensch entwickelt sein volles Potential nur, wenn er an der schöpferischen Vernunft, der göttlichen Schöpferkraft partizipiert.

Die Evolution erfolgt auch nicht einfach vom Anorganischen zum Biologischen und zur Vernunft, zu Gott, sondern die unteren Entwicklungsstufen werden von oben auf die jeweils höhere Stufe "emporgerissen". Nikolaus sagt, daß jeder Mensch in seinem Leben die gesamte bis dahin abgelaufene Universalgeschichte vom Anorganischen zum Organischen zur Vernunft und zur Teilhabe am Göttlichen rekapituliert. Diese Rekapitulierung der gesamten Evolution befähigt den Menschen dazu, bewußt zu entscheiden, wohin der nächste Schritt des Fortschritts zu gehen hat.

Ich halte das für eine der hervorragendsten Äußerungen eines Denkers des 15. Jahrhunderts, denn dies ist nach wie vor die Frage, vor der wir heute stehen. Die gleiche Idee hat der berühmte russische Forscher Wladimir Wernadskij aufgegriffen, der bereits 1938 eine strenge Definition der Noosphäre, des Bereichs der Vernunft im Sinne von Platon und Nikolaus von Kues, entwickelte. Von ihm stammt die erstaunliche Aussage, daß das Noetische die Beziehung zwischen Biosphäre und Universum verändern werde. Er betonte die besondere Eigenschaft der noetischen Funktion des Menschen bei der Transformation der Biosphäre in immer höhere Zustände der Antientropie. Nach Wernadskijs Vorstellung gibt es eine Hierarchie von drei bekannten bzw. unterschiedlichen Mannigfaltigkeiten. Die erste ist die Mannigfaltigkeit der unbelebten Prozesse im allgemeinen, die zweite die Mannigfaltigkeit der belebten Prozesse im allgemeinen, und die dritte ist die Mannigfaltigkeit der kognitiven Vernunft.

Alle drei zusammen bilden als vielfach verknüpfte Mannigfaltigkeit das, was Wernadskij die Noosphäre nennt. So bestehen beispielsweise Erde, Atmosphäre und Wasser überwiegend aus unbelebten Prozessen, aber ihre Existenz als Atmosphäre, Ozeane, Flüsse und Seen ist überwiegend das Ergebnis lebender Prozesse, d.h. der Biosphäre. Ein ähnliches Verhältnis besteht zwischen fossilen Gesteinsbildungen und dem Erdboden. Letztlich werden unbelebte Stoffe durch lebende Prozesse, d.h. durch das Prinzip des Lebens selbst, hergestellt. Entsprechend wirkt der dem Menschen eigene Denkprozeß auf die Biosphäre ein, um Wirkungen in der Biosphäre hervorzurufen, die in dieser Form nur als das Produkt des menschlichen Lebens existieren können.

Lyndon LaRouches spezifischer Beitrag, der über alle diese früheren Denker hinausgeht, besteht darin, daß er diese Konzepte auf eine noch höhere Ebene als die von Cusanus, Wernadskij u.a. vorgegebene emporhebt. Er definierte das Prinzip der realwirtschaftlichen Antientropie vom Standpunkt der Wirkcharakteristik, in der die Noosphäre definiert werden muß. In dieser Hinsicht ist LaRouches Begriff des relativen Bevölkerungsdichtepotentials der wichtigste wissenschaftliche Durchbruch in dieser Tradition, denn damit ist ein Parameter definiert, mit dem man beurteilen kann, ob eine neue Entdeckung oder eine neue Idee mit Blick auf die langfristige Überlebensfähigkeit der Menschheit positiv ist oder nicht.

Hinter der Idee des relativen Bevölkerungsdichtepotentials steht die Erkenntnis, daß das Potential einer Bevölkerung auf einer bestimmten Entwicklungsstufe stets endlich ist, da sich die Ressourcen für die dabei angewendete Technologie erschöpfen. Aber die Fähigkeit des Menschen, immer wieder neue Gesetzmäßigkeiten des Universums zu entdecken und damit neue Technologien zu definieren, die die Energieflußdichte des Produktionsprozesses erhöhen, bewirkt eine höhere Produktivität, die wiederum das relative Bevölkerungsdichtepotential der Erde ansteigen läßt. Das ist das entscheidende Gesetz, das dem Gesetz der Evolution selbst entspricht.

Die Transformation dieser vielfach verknüpften Mannigfaltigkeit wird durch die Entdeckung universell gültiger physikalischer Prinzipien bewirkt, die die Macht des Menschen in und über die Natur pro Kopf und pro Quadratkilometer erhöhen. Das ist der Standard, um die Antientropie als Charakteristikum der Noosphäre zu definieren.

Wernadskijs Beitrag

Besonders wenn man sich mit dem Beitrag Wernadskijs beschäftigt, erkennt man darin eine sehr ermutigende Idee. Denn schon Ende der 30er Jahre schrieb er, daß die Menschheit in einer Phase des Umbruchs lebt. Es sei eine außerordentlich wichtige und neue Epoche des menschlichen Lebens und der Geschichte unseres Planeten angebrochen, weil die Entwicklung von Wissenschaft und Technik es erstmals möglich mache, daß der Mensch mit seinem Leben und seiner Kultur die gesamte äußere Hülle des Planeten und die gesamte Biosphäre erreicht. Wir erlebten buchstäblich die Schaffung eines neuen geologischen Faktors in der Biosphäre, eines Faktors, der mit Blick auf seine Kraft und Universalität beispiellos sei. Dieser Prozeß, so Wernadskij, halte bereits 20000 bis 30000 Jahre an und habe sich in den letzten tausend Jahren massiv beschleunigt. Seine Potentiale seien grenzenlos. Inzwischen sei ein Punkt erreicht, wo sämtliches Leben der Menschen auf diesem Planeten unteilbar geworden ist, jedes Ereignis irgendwo auf der Erde habe Konsequenzen an vielen anderen Stellen.

Heute könnte man sogar noch einen Schritt weiter gehen und sagen, daß angesichts weltweiter Kommunikation, angesichts der AIDS-Krise und mit der Existenz von Atomwaffen inzwischen jedes Ereignis irgendwo auf der Erde universelle Konsequenzen hat.

Der Kampf dieses Haupttrends in der Geschichte halte seit langer Zeit an, so Wernadskij. Trotz des Umstandes, daß staatliche Einrichtungen das Prinzip der Gleichheit aller Menschen zu leugnen versuchten und die spontane Manifestation dieses Prinzips mit allen Mitteln zu verhindern trachteten, werde es im Laufe der Zeit unweigerlich dazu kommen, daß die aus der Biosphäre entstehende Noosphäre zum vorherrschenden Faktor werden wird, denn dies sei ein natürliches Phänomen, das tiefer und stärker sei als die menschliche Geschichte selbst. Es verlange die Manifestation der Menschheit als einheitliches Ganzes, so Wernadskij, was dann eine neue Phase in der Geschichte bedeute.

Wernadskij spricht von der Universalgeschichte als einer jahrtausendelangen historischen Tragödie voller Blut, Schmerzen, Verbrechen, Elend, schwersten Lebensumständen. Und ich muß zugeben, ich war sehr überrascht, daß Wernadskij eine solche Definition gab, denn ich selbst hatte mir die Universalgeschichte als eine freudigere Entwicklung vorgestellt. Aber wenn man es sich genau überlegt, war die Universalgeschichte tatsächlich in erster Linie eine Geschichte des Elends, des Mordens, des Hungers, und es brauchte eine sehr lange Zeit, bis der homo sapiens in Erscheinung trat und die Einheit und Gleichheit aller Völker und Rassen tatsächlich eine "geologische Bedeutung im Universum" erreichten, wie sich Wernadskij ausdrückte.

Wenn man sich die Universalgeschichte in ihrer Gesamtheit vorstellt, bedeutete es jeweils einen gewaltigen Fortschritt für den Menschen, das Feuer zu beherrschen, Werkzeuge herzustellen, Waffen zu besitzen, die großen Säugetiere zu überwinden und schließlich selbst Tiere zu domestizieren. Es erforderte gewaltige Anstrengungen, daß der Mensch die Eiszeiten überlebte, und praktisch befinden wir uns immer noch in einer Zwischeneiszeit. Hunderttausende Generationen in der Menschheitsgeschichte waren erforderlich, um einen Entwicklungsstand zu erreichen, damit der Mensch die Eiszeiten überleben konnte.

Die Einheit der Menschheit entstand unabhängig von allen anderen Lebensformen, und der Mensch entdeckte eine neue Form der Macht lebender Organismen über die Biosphäre und damit eine größere Unabhängigkeit von seinem Zustand. Und schließlich kam es zur Noosphären-Bildung.

Die viele Jahrtausende lange Geschichte materiellen Austauschs zwischen Zivilisationen und getrennten historischen Zentren spielte sich in ganz Eurasien und Afrika, vom Atlantik bis zum Pazifik und dem Indischen Ozean ab, und manchmal lagen zwischen diesen Entwicklungen Zeiträume von Hunderten von Jahren. Der Austausch fand sogar über die Ozeane hinweg statt. Bisher dachte man, daß die ältesten Zentren kulturellen Lebens im Niltal, in Nordindien und Nordchina lagen. Wernadskij weist in diesem Zusammenhang auf das merkwürdige Phänomen hin, daß es vor etwa 2500 Jahren gleichzeitig in Iran, China, Indien und Italien zur Entstehung ausgedehnter Bewegungen religiösen, künstlerischen und philosophischen Denkens kam: Zoroaster, Pythagoras, Konfuzius, Buddha, Lao-tse, Mahavira. Schließlich entwickelte sich die Idee der Einheit der gesamten Menschheit, was untrennbar verbunden war mit der Entstehung der Noosphäre und der Ausbreitung wissenschaftlichen Denkens.

Die Entwicklung wissenschaftlichen Denkens war eine absolute Vorbedingung für die Entstehung der Noosphäre. Ich habe darüber schon viele Male nachgedacht, da auch Schiller zu seiner Zeit fest davon überzeugt war, daß das Zeitalter der Vernunft angebrochen sei. Der Grund, warum sich Schiller ein wenig geirrt hat, lag darin, daß die Wissenschaft damals einfach noch nicht weit genug entwickelt war, was heute eindeutig nicht mehr zutrifft. In unserer Zeit explodiert die wissenschaftliche Entwicklung geradezu, praktisch jeden Tag werden neue wissenschaftliche Phänomene entdeckt, deren bloße Existenz man noch vor kurzem gar nicht vermuten konnte. Wernadskij bemerkte dazu, daß die Geschichte des wissenschaftlichen Denkens jetzt zu einem geologischen Phänomen wird.

Die Explosion wissenschaftlicher Erkenntnisse besonders im 20. Jahrhundert hatte sich in der gesamten Geschichte der Biosphäre angebahnt, und deshalb war Wernadskij davon überzeugt, daß diese Entwicklung nicht einfach anhalten und umkehren werde. Die Noosphäre, d.h. die vom wissenschaftlichen Denken verbesserte Biosphäre, ist das Ergebnis eines Prozesses, der Millionen, möglicherweise Milliarden von Jahre dauerte, und in dessen Verlauf der homo sapiens entstand. Dieser sich über Milliarden von Jahren erstreckende Prozeß ist kein vorübergehendes geologisches Phänomen, das einfach wieder verschwinden könnte. Die Biosphäre, so Wernadskij, werde sich mit absoluter Sicherheit früher oder später auf die eine oder andere Weise in die Noosphäre verwandeln. Es werde zwar zu Unterbrechungen, Rückschritten, der Auslöschung ganzer Zivilisationen kommen - so waren der Untergang der römisch-griechischen Zivilisation, der indischen Zivilisation, der Erste und Zweite Weltkrieg Ausdruck einer extremen Barbarei - , aber was immer auch geschieht, der Prozeß wird nicht einfach am Übergang von der Biosphäre zur Noosphäre stoppen.

Die geologische Hauptkraft, die die Noosphäre entstehen läßt, ist die Zunahme wissenschaftlicher Erkenntnisse. Deswegen ist es unabdingbar, daß neue Lebensformen der Menschheit, ein neuer geologischer Faktor, entsteht, und das ist die Vernunft. Die Entstehung der Vernunft und die sich daraus ergebende Organisation der Wissenschaft sei der bestimmendste Faktor in der Geschichte des Planeten, sagt Wernadskij. Dieser Umstand sei über Milliarden von Jahren der Evolution vorbereitet worden, und erst heute sehen wir dieses Wirken in geologischen Aufzeichnungen. Der Einfluß des homo sapiens, den es schon lange auf der Erde gibt, wurde erst nach Hunderttausenden Generationen sichtbar.

Nach Wernadskijs Auffassung hat es von Anfang an einen deutlichen Unterschied zwischen dem menschlichen Geist und dem Geist von Affen gegeben. Man muß davon ausgehen, daß das Feuer und der Ackerbau vor etwa 80000 bis 100000 Jahren entdeckt wurden, vor etwa 6000 Jahren kam es zu den ersten genauen Inschriften wissenschaftlicher Fakten aus astronomischen Beobachtungen von Himmelskörpern hauptsächlich in den Sternwarten Mesopotamiens, es entstanden Arithmetik, Algebra und Geometrie vor allem aus den saisonalen Erfordernissen der Landwirtschaft. In Indien, Indochina und dem Inkareich entstand das Konzept der Null.

In allen diesen Zeiten war die Bevölkerungszahl extrem gering, wahrscheinlich lebten damals nicht mehr als einige 100000 oder bestenfalls eine Million Menschen auf der Erde. Die Menschen waren sehr mobil, es kam zu großen Wanderungsbewegungen. Ein weiterer Sprung erfolgte mit der Domestizierung von Tieren und der Entdeckung des Bootes, wodurch Fahrten in günstigere Lebensräume möglich wurden. Wernadskij spricht hier von der heroischen Ära der Schaffung der Noosphäre.

Der Spiegel der Weltmeere schwankte in dieser frühen Zeit in einem Maße, wie man es heute überhaupt nicht mehr kennt, und es gab sogar Regenperioden in der Sahara und anderen Wüstengegenden. Der Mensch mußte alle diese Regen- wie Eiszeiten überstehen, die heute praktisch aus unserer Erinnerung verschwunden sind. Die Überreste der letzten Eiszeitphasen kann man noch auf Grönland, in Kanada, Alaska oder dem Südpol sehen, und Zeugen der Endphase der letzten Regenperioden sind die tropischen Regenwälder in Zentralafrika oder dem Amazonasgebiet.

Der Mensch überlebte das Vordringen der feuchten Tropenwälder und des Tierreichs der Dinosaurier-Ära, das Zigmillionen Jahre andauerte. In all dieser Zeit stand der Mensch in entscheidenden Existenzkämpfen mit den Säugetieren, und der Beginn der Noosphäre ist eng verbunden mit dem Kampf zwischen Menschen und den Säugetieren um den nötigen Lebensraum. Dabei war es keineswegs selbstverständlich, daß der Mensch gewinnen würde, denn diese Tiere waren in der Regel weitaus kräftiger als die Menschen. Die Noosphäre begann erst dann wirklich, als sich der Mensch gegenüber dem Tierreich durchzusetzen begann, und erst in unseren Tagen entdecken wir mehr über diese antiken Kulturen. Immer mehr solche Stellen werden entdeckt, zum Beispiel eine Seidenstraße in der Sahara, wo einmal Giraffen lebten, wo heute nur noch Wüste ist, oder im Wasser versunkene alte Städte wie die an der Küste Indiens, was eine eigene unglaubliche Geschichte ist.

Die versunkene Stadt

Vor der indischen Küste im Golf von Cambay wurde 2001 eine versunkene Stadt entdeckt. Nach ersten Untersuchungen ist die Stadt 9500 Jahre alt. Das ist eine ungeheure Entdeckung, denn danach muß die gesamte Geschichte der bekannten Menschheitsevolution neu geschrieben werden. Die von Mitarbeitern des Indischen Instituts für Meerestechnik (NIOT) entdeckte Stadt liegt etwa 30 km westlich des indischen Bundesstaates Gujarat im Golf von Cambay. Wegen der extremen Gezeitenströmungen in dieser Gegend konnten anfangs nur hochaufgelöste Sonarbilder des Meeresbodens angefertigt werden. Anschließend geborgene Fundstücke setzten Archäologen auf der gesamten Welt in Erstaunen. Man fand menschliche Knochen, Steinwerkzeuge, Keramikscherben und Bruchstücke von Skulpturen. Mit der Radiocarbonmethode wurde an einem Holzteil festgestellt, daß dieses Fundstück 9500 Jahre alt ist, was bedeutet, daß die versunkene Stadt gegen Ende der letzten Eiszeit existiert haben muß.

Der indische Minister für Meerestechnik hat angekündigt, daß jetzt Taucher zu der versunkenen Stadt geschickt werden sollen. Im übrigen soll das ganze Projekt unter indischer Kontrolle bleiben, denn man fürchtet wohl die historischen Verdrehungen der stark unter britischer Kontrolle stehenden Archäologie, die wegen der Implikationen für die Entwicklung der Menschheit nur ungern die Existenz einer so alten Kultur zugeben würde. Mit 9500 Jahren ist die Stadt um 5000 Jahre älter als die sumerische Zivilisation, älter als die ägyptische und die chinesische Kultur, was natürlich unser Bild von der Entwicklung der städtischen Zivilisation auf dieser Erde radikal ändern würde.

Sollte sich herausstellen, daß die Menschen, die in dieser Stadt lebten, vedischen Ursprungs waren, bedeutete dies auch einen radikalen Einschnitt in der indischen Geschichte, die im wesentlichen von westlichen Archäologen geschrieben wurde. Die vedische oder Sanskrit-Kultur ist ein äußerst faszinierender Bereich der menschlichen Entwicklung. Veda heißt Wissen, und alle europäischen Sprachen sind tatsächlich mit dem Sanskrit verwandt. Das bedeutet natürlich auch, daß die europäischen Völker irgendwie aus Indien hervorgegangen sein müssen und sich die europäischen Sprachen dann ins Russische, Englische, Deutsche, Spanische usw. auseinanderentwickelt haben.

Viele europäische Forscher können sich aus bekannten rassistischen Gründen nicht mit dieser Idee anfreunden, denn die vedische Kultur erhielte dadurch eine ganz besondere Schlüsselposition in der Evolution der Menschheit. Die frühen Städte im Industal wie Harappa und Mohendjo-daro wurden als nichtvedisch hingestellt, und sämtliche Archäologen legen gerade darauf eine ganz besondere Betonung. Archäologen wie ein gewisser Richard Meadows behaupten, die vedische Kultur sei vor etwa 3500 Jahren von außen nach Indien gekommen.

Wie paßt das noch mit dem jetzigen Fund zusammen? Die Stadt liegt 36 Meter unter Wasser und hat eine Fläche von 7,5 mal 3,5 km. Sie ist um 5000 Jahre älter als alle anderen bisher entdeckten Städte, daher müssen wir unseren Begriff der Evolution der Menschheit noch einmal ganz von vorn überdenken.

Der indische Minister für Meerestechnik sagte, man müsse herausfinden, was mit dieser Zivilisation geschehen und was ihre Bedeutung sei. Aus den Sonarbildern geht hervor, daß die Stadt entlang eines alten Flußlaufs gebaut wurde und viele Gebäude extrem starke Fundamente haben. Eine frühe Stadt dieser Größe war bisher nur aus Mesopotamien bekannt, aber Mesopotamien ist von dort genauso weit entfernt wie wir von den ägyptischen Pyramiden.

Ich finde das äußerst faszinierend. Im Rigveda, einem der frühesten Zeugnisse der beginnenden menschlichen Zivilisation, ist von einem Fluß namens Sarasvati die Rede, der aus dem Himalaja hinab ins Arabische Meer floß und genau durch jene nordwestliche Gegend Indiens verlief, wo jetzt die Stadt gefunden wurde.

Bis zum Fund dieser Stadt waren die Archäologen der Meinung, daß die gefundenen Zivilisationen nicht vedisch sein können, da es einen solchen Fluß heute nicht gibt. Die Kultur mußte deswegen von anderswo hergekommen sein, wo es einen solchen Fluß gab. Nun haben aber indische Archäologen vor einigen Jahren damit begonnen, amerikanische Satellitenbilder auszuwerten und haben festgestellt, daß tatsächlich ein trockenes Flußbett vom Himalaja fast genau in den Golf von Cambay führt, wo jetzt die Stadt entdeckt wurde. Am Ufer dieses Flußbettes seien Überreste von 2600 städtischen Strukturen feststellbar. In der gleichen Rigveda findet sich ein Hinweis auf einen See in Kaschmir, den es dort vor 5000 Jahren gegeben haben muß, der jedoch später austrocknete.

Diese eindeutigen Hinweise auf den Fluß Sarasvati vom Himalaja ins Arabische Meer bieten eine völlig neue Einsicht in die frühe indische Geschichte und Kultur sowie die Rolle, die der Fluß dabei gespielt hat. Die Suche nach diesem Fluß begann in Indien vor 16 Jahren, und man stellte fest, daß der Fluß in der Rigveda Sarasvati und in der Mahabharata, einer weiteren wunderschönen alten indischen Erzählung, S'atadru genannt wird. Die Satellitenbilder zeigen, daß der Fluß an einem Ort namens Shatrana im Punjab 20 km breit war und dort ein Nebenfluß namens Yamuna einmündete. Aufgrund tektonischer Verschiebungen sollen alle diese Strukturen verschwunden sein, das Flußwasser versickerte, und heute ist an dieser Stelle eine große Wüste. Die Rigveda berichtete bereits, daß es am Ufer dieser Flüsse eine großartige Zivilisation gegeben hat, darunter die sogenannten harappanischen Stätten in Indien und Pakistan. Offenbar hat also die Entwicklung der Menschheit einen ganz anderen Verlauf genommen, als es heute in den Geschichts- und Archäologiebüchern gelehrt wird.

Die Entwicklung der Bevölkerung

Beschäftigen wir uns nun kurz mit einem weiteren Denker, der von einem ganz anderen Standpunkt zu ähnlichen Ideen wie Wernadskij gekommen ist. Dieser äußerst faszinierende Mann heißt Sri Aurobindo. Er wurde 1872 in Kalkutta geboren, doch im Alter von sieben Jahren ging er nach London, um zu studieren und blieb dort 14 Jahre lang. Er besuchte das King's College in Cambridge und wurde stark von der irischen Bewegung Sinn Fein beeinflußt. Als er 1893 nach Indien zurückkehrte, dem Jahr, in dem Mahatma Gandhi von London nach Durban umsiedelte, unterstützte Sri Aurobindo eine revolutionäre Bewegung gegen die Briten. So wurde er 1907 nicht nur einmal verhaftet und 1908 ein Jahr lang ins Gefängnis geworfen - Revolutionären widerfährt so etwas manchmal.

In seinen wissenschaftlichen Arbeiten kam er zu dem Schluß, daß die vorbiologische Evolution bis zu ersten primitiven Lebensformen etwa drei Milliarden Jahre dauerte, dann folgte eine Milliarde lang die biologische Evolution über verschiedene Formen, und erst nach einer weiteren sehr langen Periode entstand der menschliche Geist. Die Evolution verlief also von mineralischen über pflanzliche und tierische zu menschlichen Lebensformen, und mit der Ankunft des Menschen gab es erstmals ein Wesen, das selbstbewußt war. Das war ein äußerst wichtiger Schritt, denn alle anderen biologischen Formen besitzen kein Selbstbewußtsein über sich.

Der Mensch in seiner jetzigen Form, so Sri Aurobindo, ist keineswegs das Endprodukt der Evolution. Der nächste Schritt sei der Übergang vom Geistigen zum Spirituellen. Man braucht ihm zwar nicht in allem zu folgen, aber seine grundsätzlichen Ideen sind hochinteressant, wie ich gleich weiter erläutern werde. Mit dem Menschen existierte erstmals ein Wesen auf der Erde, das bewußt mit den Kräften der Evolution kooperieren konnte.

Die weltweite Vereinigung der separat lebenden Völker sei das, was heute nötig sei. Sie sollten ihre nationalen Lebensgewohnheiten erhalten und sichern, aber sie sollten zu einer überwältigenden und vollziehenden Einheit zusammengezogen werden.

Der indische Dichter Tagore hatte eine ähnliche Vorstellung. Er sagte, man müsse das Universum wie eine Familie betrachten. Deren Zweck sei die Vereinigung, nicht durch die Unterdrückung anderer, sondern durch die Entdeckung immer neuer Möglichkeiten, wie man aus der Unterschiedlichkeit auf unzähligen Wegen Stärke zum Nutzen aller ziehen kann.

Man findet in der indischen Philosophie immer wieder die Idee des Einen im Vielen, und die frühesten bekannten Schriften der menschlichen Geschichte, der Rigveda, enthalten die gleiche Vorstellung. Das Wirkliche ist eins, und es wird von den Weisen nur mit unterschiedlichen Namen belegt. Die vedische Idee, daß ein und das gleiche Bewußtsein in allen Wesen vorhanden ist, ist die gleiche Idee wie Leibniz Monade oder Nikolaus von Kues' Mikrokosmos, der die Gesetze des Makrokosmos in vollkommener Form repräsentiert.

Alle diese Denker sagen das gleiche wie Schiller, der meinte, eine Verbesserung des politischen Lebens sei nur durch die Veredlung des einzelnen möglich. Sri Aurobindo hat eine ähnliche Vorstellung: Nur durch die geistige Entwicklung des einzelnen ließen sich die Massen transformieren.

Es gibt kein System, mit dem sich die Masse der Bevölkerung entwickeln ließe, außer man baut eine breite Bewegung aus sich selbst vervollkommnenden Individuen auf. Wie soll diese geistige Entwicklung geschehen? Schiller sagt, der Mensch muß das Göttliche in seinen Willen aufnehmen. Cusanus unterstreicht, wenn der Mensch vollkommen von der Jagd nach Weisheit erfüllt ist, wird er zu einem zweiten Gott. Und LaRouche sagt, in dem Maße, wie der Mensch die Absichten des Schöpfers entdeckt, die integraler Bestandteil der Universalität der Schöpfung sind, und diese Absichten anwendet, beginnt er das Universum auf eine Weise zu verändern, die sich mit den Prinzipien der universellen Schöpfung deckt. Dann wird der Mensch von der Vernunft geleitet. Dies deckt sich im übrigen mit den klassischen Formen wissenschaftlicher und künstlerischer Entdeckung und Gestaltung, denn in diesen klassischen Kunstformen und -entwicklungen spielt sich ein Schöpfungsprozeß ab, der gleichzeitig auch Ausdruck der universellen Evolution ist.

Wie können wir die Welt aus ihrem heutigen Zustand herausbekommen, wo nur sehr wenige diesen Grad der geistigen Entwicklung erreicht haben? Wie gelangen wir zu einem Punkt, wo sich die Massen der Weltbevölkerung auf der Ebene der Vernunft befinden? Die unmittelbar dazu notwendige Aufgabe ist: Wir brauchen den Ausbau der grundlegenden wirtschaftlichen Infrastruktur auf der ganzen Welt, denn wenn die Menschen nichts zu essen haben, wenn sie keine Wohnung haben, wenn ihnen die Lebensbedingungen fehlen, läßt sich die Vernunft nur sehr schwer erreichen. Wie Schiller sagte: "Zu essen gebt ihm, zu wohnen. Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst."

Die grundlegende wirtschaftliche Infrastruktur ist erforderlich, um für alle Menschen angenehme Bedingungen zu schaffen. Wir müssen die Wüsten zum Blühen bringen. Wir müssen die Biosphäre in einen höheren Organisationszustand bringen, und wir müssen die Wirksamkeit des Menschen im Universum erhöhen. Wir müssen jene Produktionsprozesse verbessern, von denen Erhalt und Fortschritt der menschlichen Existenz auf derzeitigem und verbessertem Stand abhängen. Erziehung und allgemeine Kultur der Gesellschaft muß auf eine Weise organisiert werden, daß ein wirklicher Zustand der Vernunft erreicht werden kann. Wir brauchen eine Selbstverbesserung in der Reproduktion der demographischen Merkmale der Menschheit.

Wir befinden uns in einer Systemkrise, aber diese Krise ist auch eine Chance, so wie es das chinesische Schriftsymbol für "Krise" ausdrückt, das gleichzeitig auch "Chance" bedeutet. Vom Standpunkt der Gesetze des Universums haben wir die kritische Grenze erreicht. So wie bisher geht es nicht weiter. In gewisser Weise erweist uns das Universum einen Gefallen, indem es das jetzige Paradigma ablehnt, das zu dieser Krise geführt hat, und im Augenblick sieht man, wie es die Menschheit wegen des Verstoßes gegen seine Gesetze bestraft. Der Mensch hat seinen freien Willen vernachlässigt; er hat nicht auf der Grundlage seiner Absicht gehandelt, sondern ist in den letzten 35 Jahren seinen anarchistischen Trieben gefolgt, was leider die Verblödung eines großen Teils der westlichen Zivilisation zur Folge gehabt hat.

Wir leben in revolutionären Zeiten, und deshalb brauchen wir um so dringlicher eine internationale Jugendbewegung auf der Grundlage von LaRouches Ideen, welche bewußt das für den Kollaps verantwortliche Paradigma ablehnt. Diese weltweite Bewegung von Jugendlichen beantwortet die Verblödung und Verrohung der Gesellschaft mit dem Entschluß, sie geistig zu erheben - das, was Wernadskij die Beherrschung der Noosphäre und was Sri Aurobindo die neue evolutionäre Phase des Menschen nennt.

Das Problem heute ist der vollkommene Verlust an geistiger Tiefe, die Trivialisierung edler Ideen, die Verdummung der Konsumenten, und das ist die größte Bedrohung der Zivilisation - der Verstoß gegen die Gesetzmäßigkeit des Universums. Das Universum mag keine dummen Leute! Wir müssen deshalb die politische Ordnung in Übereinstimmung mit der kosmischen Ordnung bringen. Wir müssen nach der höheren Ebene des Bewußtseins, der Bedeutung des Lebens suchen und die Notwendigkeit erkennen, die Gesetze des Universums zu verstehen.

Wir müssen verstehen, daß jeder Mensch ein Mikrokosmos, eine Monade ist, die den Ausdruck der kosmischen Gesetze des Makrokosmos repräsentiert. Das war die Idee von Nikolaus von Kues, von Leibniz, von Wernadskij. Wir müssen zu den Philosophen und Dichtern zurückgehen, daß sie uns den Weg zu dieser göttlichen Quelle weisen. Wir brauchen eine Bewegung junger Menschen, die nicht zuläßt, daß die Welt in den Händen emotional und intellektuell verkrüppelter "Babyboomer" untergeht, die sich noch auf dem emotionalen und geistigen Niveau des Tierreichs zur Zeit der Dinosaurier befinden.

Mein Appell an euch alle ist: Seid Revolutionäre und folgt den Absichten des Universums!


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