Geschichte wird jetzt in Asien geschrieben:
EU-Gipfel muß dem Beispiel von Singapur folgen!
Von Helga Zepp-LaRouche
Der Kontrast könnte nicht deutlicher sein: In Singapur fand das historische
Treffen zwischen Präsident Trump und Präsident Kim Jong-un statt, das einen
Prozeß in Gang gesetzt hat, der auch über die Region hinaus den Weltfrieden für
die Zukunft sichern kann. Gleichzeitig läutete die Shanghaier Organisation für
Zusammenarbeit (Shanghai Cooperation Organisation, SCO) eine neue Ära beim Bau
einer neuen, auf Vertrauen, Harmonie und gemeinsamer Entwicklung basierenden
Weltordnung ein. Auf der anderen Seite der zerstrittene und antagonistische
G7-Gipfel, deren europäische Staatschefs dann nach Hause zurückkehrten, nur um
über der neu entflammten Flüchtlingskrise in neuen Zwist zu verfallen und mit
ebenso abscheulichen wie unbrauchbaren Rezepten auf diese Krise zu reagieren. Es
ist allerhöchste Zeit für eine Neuausrichtung der Politik im alten Kontinent!
Die unmittelbare Chance dafür ist der kommende EU-Gipfel am 28./29. Juni.
Völlig ungeachtet aller zynischer Kommentare der üblichen Verdächtigen in den
Mainstream- Medien wäre der bahnbrechende Gipfel zwischen Trump und Kim Jong-un
niemals ohne den Geist der Neuen Seidenstraße möglich gewesen, der sich in den
letzten Jahren vor allem in Asien ausgebreitet hat. Denn die Idee einer
wirtschaftlichen Einbeziehung Nordkoreas in die Integration der
Wirtschaftsgürtel-Initiative Chinas mit der Eurasischen Wirtschaftsunion war
schon beim letztjährigen Ost-Forum in Wladiwostok absolut präsent. Und beim
innerkoreanischen Gipfel in Panmunjom im April dieses Jahres überreichte
Präsident Moon Jae-in seinem nordkoreanischen Gegenüber einen USB-Stick mit
ausführlichen Plänen für die wirtschaftliche Entwicklung des Nordens.
Das Weiße Haus hatte in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Sicherheitsrat ein
Video vorbereitet, das die Perspektive eines modernen, industrialisierten und
wohlhabenden Nordkorea ausmalt – Schnellbahnsysteme, eine chinesische
Magnetschwebebahn, Industrieparks, ein Land im Aufschwung – und das Trump dem
nordkoreanischen Präsidenten während des Treffens vor der abschließenden
Pressekonferenz zeigte. Man kann den von den Medien „eingeordneten“ und mit
Vorurteilen zugeschütteten Geistern im Westen nur empfehlen, sich die
Pressekonferenz Trumps im Archiv selbst anzusehen. Ein souveräner Trump
präsentierte das Ergebnis des Gipfels: die völlige atomare Abrüstung Nordkoreas,
im Gegenzug für Sicherheitsgarantien, die Aufhebung der Sanktionen und das
Versprechen, Nordkorea zu einem wohlhabenden Land zu machen. Zusätzlich kündigte
Trump das sofortige Ende der amerikanisch-südkoreanischen Manöver an. Das werde
viel Geld sparen, und sie seien ohnehin „sehr provokativ“ gewesen.
Die Bevölkerung in beiden Koreas reagierte absolut ekstatisch auf die
Liveübertragung von Gipfel und Pressekonferenz.1 Präsident Moon
kommentierte wiederholt mit begeistertem Applaus. Wir sollten uns in Deutschland
an die Hochstimmung beim Fall der Berliner Mauer erinnern, um einen Begriff zu
bekommen, was die Wirkung auf die Menschen dort ist.
Ebenso wie im Vorfeld des Gipfels vor allem China und Rußland wichtige
Hintergrund- Verhandlungen mit Nordkorea geführt hatten, so versprach die
russische Regierung bei der wirtschaftlichen Entwicklung zu helfen, und die
chinesische Regierung versprach, die Sicherheitsgarantien für Nordkorea mit zu
übernehmen. Der russische Außenminister Lawrow betonte die Wichtigkeit der
Wiederaufnahme der Sechsparteiengespräche für eine international abgesicherte
Abwicklung des Abkommens. Die chinesische Global Times schrieb, die
nordkoreanische Wirtschaft sei keineswegs in einem so schlechten Zustand, wie
oft angenommen: „Nordkorea hat wirtschaftliche und geographische Vorteile, die
es prädestinieren, am Wirtschaftsgürtel teilzunehmen, was dem Land helfen wird,
sein ökonomisches Potential zu verwirklichen. Es wird nicht einfach sein und
nicht über Nacht geschehen. Allerdings, Nordkorea in die
Wirtschaftsgürtel-Initiative einzubinden, um seine ökonomische Integration zu
befördern, könnte einfacher sein, als es sich die Leute vorgestellt hatten.“
Der etwa gleichzeitig stattfindende SCO-Gipfel, an dem erstmals auch Indien
und Pakistan als Vollmitglieder teilnahmen, wurde von Xi Jinping mit der
Begrüßung eröffnet, daß die Zukunft vom Geist des Konfuzius geleitet sein werde,
dessen Geburtsort sich in der gleichen Provinz Shandong befinde wie der
Konferenzort Qingdao. Chinas Außenminister Wang Yi charakterisierte den Verlauf
der Konferenz als den Beginn einer neuen Ära beim Bau einer internationalen
Ordnung, die auf gegenseitiges Vertrauen, Gleichberechtigung, Respekt für die
Unterschiedlichkeit und die gemeinsame Entwicklung aufgebaut sei. Sie überwinde
damit die veralteten Vorstellungen eines Kampfs der Zivilisationen, vom Kalten
Krieg, einem Null-Summen-Spiel oder exklusiven Clubs.
Wie anders dagegen der G7-Gipfel in Kanada! Das Foto, das Frau Merkel in
konfrontierender Haltung gegenüber Trump im Kreise der anderen Staatschef zeigt,
ist gleichermaßen das Synonym für das Auseinanderbrechen der geopolitisch
ausgerichteten Nachkriegsordnung, die „G-6 gegen 1“-Formation. Aber eigentlich
war es nur die G4, denn Trump, Abe und Conte sind mit der Fortsetzung der
Sanktionen gegen Rußland nicht einverstanden. Die Uneinigkeit der Europäer wird
angesichts der Flüchtlingskrise vollends sichtbar. Es müßte für jedermann
erkennbar sein, daß weder die Idee, Flüchtlinge, mit welchen Methoden auch
immer, an den EU-Außengrenzen abzuweisen, praktikabel ist, noch bis zum
kommenden EU-Gipfel eine Einheit in der EU auf der Basis der bisher
vorgeschlagenen „Lösungen“ zu finden ist.
Die von Seehofer vorgeschlagene Abweisung von Flüchtlingen an der deutschen
Grenze, falls diese bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat registriert sind,
führt tendenziell zum Scheitern des Schengener Abkommens und damit zur
Zerstörung der Grundlage der Währungsunion. Das Konzept von sogenannten
Auffanglagern in Ländern wie Libyen, das als Resultat von Obamas
Militärintervention in innerem Chaos versunken ist, ist so barbarisch, daß es
die vielzitierten „westlichen Werte“ endgültig ad absurdum führt.
Bis 2040 werden voraussichtlich zwei Milliarden Menschen in Afrika leben,
davon ein riesiger Anteil junger Menschen, die eine Ausbildung, einen
Arbeitsplatz und generell eine Zukunftsperspektive brauchen. Was der
afrikanische Kontinent braucht, sind massive Investitionen in Infrastruktur,
Industriekapazitäten und Landwirtschaft, genau von der Art, wie sie China in den
letzten zehn Jahren vorgenommen hat. China hat damit dafür gesorgt, daß die
Armut in Afrika sich von 56% im Jahr 1990 auf 43% im Jahr 2012 reduziert hat.
Beim G20-Gipfel in Hamburg 2017 hat Xi Jinping Frau Merkel explizit und zum
wiederholten Male die Kooperation mit der Neuen Seidenstraße in Afrika
angeboten. Die deutsche Regierung hat ihrerseits wiederholt von einem
„Marshallplan für Afrika“ gesprochen, aber außer den üblichen, grünen
„nachhaltigen“ Projekten, Auffanglagern, der Sicherung der EU-Außengrenzen und
Spesen ist nicht viel gewesen.
Der neue Unterstaatssekretär im Entwicklungsministerium der italienischen
Regierung, Professor Michele Geraci, hat soeben ein Memorandum für die
Kooperation Italiens mit China veröffentlicht, in dem er elf Bereiche
identifiziert, in denen es von existentiellem Interesse für Italien ist, mit
China zusammenzuarbeiten. In dem Papier heißt es u.a.: „Afrika und die
Migranten? Wer kann Afrika helfen? China.“ China habe mehr in Afrika investiert,
und China sei zu danken, daß die Armut in Afrika zum ersten Mal rückläufig sei.
„China bietet Europa und Italien insbesondere die historische Gelegenheit bei
der sozio-ökonomischen Stabilisierung Afrikas zu kooperieren, die wir absolut
nicht verpassen sollten. Wir müssen deshalb die Kooperation zwischen Italien und
China in Afrika verstärken.“
Falls die Merkel-Regierung noch existiert, wenn dieser Artikel erscheint,
gäbe es einen sehr guten Weg, wie die derzeitigen Krisen – von der
Flüchtlingskrise bis zur Regierungskrise und zur Krise der EU – überwunden
werden könnten. Die deutsche Regierung sollte dem Beispiel des Gipfels von
Singapur, daß wirklicher Wandel möglich ist und daß die Vergangenheit nicht die
Zukunft bestimmt, folgen und durchsetzen, daß die Tagesordnung für den
bevorstehenden EU-Gipfel am 28./29. Juni kurzfristig geändert wird. Man sollte
die Kooperation der EU mit Chinas Seidenstraßen-Initiative für die Entwicklung
Afrikas zum einzigen Thema machen und Xi Jinping oder Wang Yi sowie einige
Staatschefs aus Afrika, die bereits mit China kooperieren, zu dem Gipfel
einladen.
Wenn der EU-Gipfel, der Repräsentant der chinesischen Regierung und die
Vertreter Afrikas dann in einer gemeinsamen Erklärung die Verpflichtung
aussprechen würden, gemeinsam ein Crash-Programm für ein gesamtafrikanisches
Infrastruktur- und Aufbauprogramm in Angriff zu nehmen, und allen jungen
Menschen in Afrika versprechen, daß der Kontinent in kurzer Zeit die Armut
überwinden und eine prosperierende Zukunft haben wird, hätte eine solche
Ankündigung wegen der Teilnahme Chinas alle Glaubwürdigkeit der Welt in Afrika,
und dies würde die Dynamik in allen Staaten in Richtung einer konkreten Hoffnung
für die Zukunft und damit die Flüchtlingskrise umgehend ändern, es würde die EU
aus ihrer gegenwärtigen Legitimitätskrise befreien und es würde den europäischen
Nationen eine Mission geben, die die Einheit Europas auf einer wunderbaren neuen
Ebene herstellen würde.
Schaffen es die Staatschefs Europas, dem Beispiel Trumps und Kim Jong-uns zu
folgen? Die Perspektive, gemeinsam mit China Afrika zu entwickeln, wäre auch für
Trump die dringend benötigte Gelegenheit, der andernfalls bevorstehenden Spirale
eines Handelskriegs zu entkommen und das Handelsdefizit auszugleichen, indem man
den Handel vor allem durch Investitionen in Joint Ventures in Drittländern
verstärkt.
Die Krise in Europa, die Flüchtlingskrise, die Krise in der deutschen
Regierung – sie alle haben eine solche Dimension angenommen, daß die Chance für
einen Richtungswechsel in der Politik absolut gekommen ist. Jetzt braucht es
Menschen, die ihn bewirken!
Anmerkung
Siehe https://www.youtube.com/watch?v=HMFhG_ff_7w
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