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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Die Integrationsoptionen der Eurasischen Zoll- und Wirtschaftsunion
und der OBOR-Initiative Chinas

Von Folker Hellmeyer

Der bekannte deutsche Ökonom Folker Hellmeyer hielt am 1. Juli bei der Bad Sodener Konferenz des Schiller-Instituts den folgenden Vortrag.

Sehr geehrte Frau Zepp-LaRouche, es ist mir eine Ehre, es ist mir eine Freude, hier heute vortragen zu dürfen, und bevor ich jetzt in den nächsten zwei Stunden das eine oder andere erzählen werde, möchte ich mich für das Engagement von Herrn LaRouche und Frau Zepp-LaRouche für dieses Projekt, das Sie wesentlich auch inhaltlich mitbestimmt haben – über Jahrzehnte –, bedanken. Und ich möchte Ihnen eines sagen: Es ist das größte Wirtschaftsprojekt in der Geschichte der Menschheit, seitdem es Schriftzeichen gibt, seit den Sumerern!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, und das ist mir genauso wichtig, und das setzt dann auch an dem Vortrag an, den wir eben gehört haben: Es ist ein Friedensprojekt. Es ist der Aufbau von Infrastruktur. Es ist doch nicht nur die Wachstumsdividende aus dem Aufbau der Infrastruktur, sondern wir müssen hier reden über die Zweit- und Drittrundeneffekte durch Erschließung des Humankapitals. Das ist eine nachhaltige, die Weltwirtschaft bedeutend verändernde Initiative, der ich übrigens seit fünf Jahren, und so lange kennen wir uns auch, glaube ich, mich angeschlossen habe und dafür kämpfe.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte eines deutlich sagen: Aristoteles war ein guter Grieche, und Aristoteles hat vor 2350 Jahren gesagt: Wer Strukturen verändert, verändert nachhaltig die Konjunkturverläufe und ultimativ die Haushaltslagen. Und diese These von Aristoteles bildet das Rückgrat meiner gesamten Analysen, seitdem ich diesen Job 1997 mal begonnen habe, und diese Thesen werden latent bestätigt. Und das ist jetzt auch etwas für Sie, Herr Zanni, Deutschland hat reformiert – Agenda 2010. Wir haben Europa schmerzhaft strukturell reformiert – und das bestätigt alles Aristoteles –, und wir haben heute die strukturellen Haushaltsdefizite bereinigt, die Nord-Süd-Divergenz bereinigt. Europa wächst – und jetzt hören Sie bitte genau hin – maßgeblich auf wiederkehrenden Einkommen, das ist die beste Qualität die es gibt, auch hier wird Aristoteles bestätigt.

Und das Projekt One Belt One Road, Seidenstraße, ist Struktur. Das ist Aristoteles in Reinkultur, das ist Zukunftsfähigkeit.

Ich soll und werde heute über die Eurasische Zoll- und Wirtschaftsunion reden, aber ich bin immer noch nicht durch. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle etwas sagen, denn die Aktualität brennt: Wir haben heute eine Anfechtung genau dieser Initiativen, One Belt, One Road, weil sie ja länderübergreifend sind, durch die Vereinigten Staaten. Und das sollten wir nicht klein schreiben. Ich hatte das Vergnügen, vor zwei Wochen hier in Frankfurt mit einem der vier Generaldirektoren der Welthandelsorganisation WTO zusammen zu sein, und der Angriff, der seitens der USA gegen die WTO gefahren wird, ist absolut ernst zu nehmen. Das Gerüst, das die arbeitsteilige Weltwirtschaft zusammen hält, ist das Grundgerüst der Welthandelsorganisation. Wenn wir diese Welthandelsorganisation in ihrer Funktionalität untergraben, dann werden wir hier einen Sturm ernten, der massiv ist. Denn es gibt heute keine autarken Wirtschaftsnationen mehr. Wir sind von dieser arbeitsteiligen Konstellation absolut abhängig. Deswegen gilt es im Moment sehr aufmerksam zu sein, denn für mich ist der Angriff auf die WTO, auf die Welthandelsorganisation, eben auch ein Angriff auf das Projekt One Belt One Road und Seidenstraße.

Aber ich möchte Sie gleichzeitig beruhigen. Denn die USA haben heute nur noch 15% Anteil an der Weltwirtschaft, der Rest der Welt sind 85%. Und wenn diese 85% zusammenstehen, meine Damen und Herren, dann wird dieses Konstrukt, das hier im Moment aufgebaut wird – maßgeblich durch China, aber auch durch viele Institutionen – Bestand haben.

Das möchte ich einfach vorneweg als Einführung zu diesem Thema bringen, und jetzt lassen Sie uns gehen zur Eurasischen Zoll- und Wirtschaftsunion. Wir haben eben über den Balkan gehört, jetzt schauen wir also im Grunde genommen in Richtung Kasachstan: die Nordroute.

Der immense Aufstieg asiatischer Nationen, den wir seit Jahrzehnten erleben, sucht in der Wirtschaftsgeschichte seinesgleichen. Dabei geht es nicht nur um China oder Indien, meine Damen und Herren, der ganze Kontinent akzeptiert die Vorherrschaft der alten Industrienationen nicht mehr. Während unsere westliche Welt mit Überalterung, Politikmüdigkeit und Verschuldung kämpft, zeichnen sich die meisten Länder Asiens durch Wachstum sowie eine junge, lernfähige, leidensfähige und leistungsfähige Bevölkerung aus.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen das deutlich machen. Ich hatte das Vergnügen, vor einigen Jahren hier in Frankfurt mit einem Vorstandsmitglied der chinesischen Zentralbank dinieren zu dürfen, und er sagte mir: „Herr Hellmeyer, wir finden Europa phantastisch, das ist der widerstandsfähigste und größte Absatzmarkt für uns – die Europäische Union mit 500 Millionen Menschen -, wichtiger als die USA, wir kaufen Ihre Industrie, wo wir es nur können, aber“ – meine Damen und Herren, und jetzt, Herr Zanni, hören Sie hin – „Sie finden außenpolitisch doch gar nicht statt.“ – Ich betone das nochmal: Sie finden außenpolitisch nicht statt! – „Mit wem sollen wir denn seitens Chinas reden? Mit Brüssel? London? Lissabon? Helsinki? Berlin? Paris? Mit wem sollen wir reden? Sie sind ein außenpolitischer Eunuch.“

Und jetzt denken Sie genau darüber nach, denn wir brauchen auch für die Seidenstraße ein starkes Europa, ein Europa, das außenpolitisch, Herr Zanni, mit einer Stimme spricht. Das brauchen wir, das ist zwingend erforderlich.

Wir haben den besten und stärksten Kapitalstock der Welt. Was ist Kapitalstock? Das sind Unternehmen, meine Damen und Herren. Kapitalstock, das nennt sich „hidden champion“, Ein hidden champion ist die Nr. 1 in seiner Branche in seinem eigenen Land und unter den Top Drei der ganzen Welt. Davon gibt es 2700. Und die Eurozone hat mit 4,6% der Weltbevölkerung 60% dieses innovativen Kapitalstocks. Wir sind das Powerhouse der Welt, außerhalb von Hardware, Software und Biotechnologie, und dieses Powerhouse der Welt, dieser Kapitalstock, hat keine sinnstiftende außenpolitische Vertretung. Und Herr Zanni, wenn wir in Europa nicht anfangen, unsere Hausaufgaben zu machen, in einer Welt, die in Blöcke zerfällt, dann werden wir diesen Kapitalstock in 25 Jahren in der Form, wie wir ihn haben, nicht haben. Und den brauchen wir doch gerade für die Seidenstraße und das Projekt. Sehen Sie, Rußland hat die Rohstoffe, wir haben die hidden champions. Und Asien hat die nicht erschlossene Bevölkerung und die Bevölkerungswachstumspotentiale. Lassen Sie das zusammenwachsen, und dann sind Sie bei einem Modell von Prosperität und Frieden. Und übrigens: Frieden ist immer die Grundlage für Prosperität, das sehen wir gerade bei den Regimechange-Ländern, da klappt das nicht so mit der Prosperität, und deswegen gibt es übrigens auch Flüchtlingsströme, und deswegen diskutieren wir auch bei den Flüchtlingsströmen die vollkommen falschen Ursachen. Die Regimechange-Politik der letzten 15, 17 Jahre ist die Grundlage für die Flüchtlingsströme. – In welcher Talkshow haben Sie das gesehen? Sagen Sie es bitte – keiner. Danke!

Meine Damen und Herren, ich will weitermachen, denn es geht ja um die Eurasische Zoll- und Wirtschaftsunion.

Emanzipation der aufstrebenden Länder, die sich eben ergeben hat – denn in den westlichen Institutionen, ob das der IMF ist oder die Weltbank oder auch UNO, da hatten wir heute morgen ja auch schon drüber gehört, werden die Interessen dieser aufstrebenden Länder nicht gespiegelt, und diese Länder emanzipieren sich, mit der Asia Infrastructure Investment Bank, mit der New Development Bank, mit CIPS als Alternative zu SWIFT. Und das Projekt One Belt One Road ist dann doch nur die Krönung des ganzen, indem man sagt: Wir emanzipieren uns – wow!

Und jetzt habe ich eine Frage an Sie: Wieviel Prozent der Weltwirtschaft stellten die Entwicklungsländer und aufstrebenden Länder im Jahr 1990, als der Kommunismus fiel und die Globalisierungspolitik begann? Ich gebe Ihnen drei Möglichkeiten: 60%, 40% oder 20% der Weltwirtschaft? Und Sie wollen sagen: 20%? Vollkommen richtig, Sie sind im Spiel!

Wieviel Prozent haben die aufstrebenden Länder heute? Ich gebe Ihnen drei Möglichkeiten: 20%, 30% oder 66,798%?

Anders ausgedrückt: Wir haben ein Organigramm mit IMF, Vereinten Nationen, das spiegelt das Bild von 1990 ab, als der Westen 80% Anteil an der Weltwirtschaft hatte. Jetzt haben wir noch weniger als 34%, aber die Strukturen sehen immer noch so aus, als hätten wir 80%. Das funktioniert nicht! Wenn finanzökonomische Machtachsen sich verändern, muß sich auch was verändern? Die politische Machtachse! Und wenn das in der Vergangenheit nicht passierte, meine Damen und Herren, dann gab es Krieg. Und was wir heute erleben, sind – über Regimechange, Wirtschaftssanktionen, Finanzsanktionen – hybride Kriege. Es geht nur um das Thema Macht, aber es geht für Europa auch um das Thema Frieden, es geht für die Welt um das Thema Frieden. Wie bekommen wir das hin?

Die Eurasische Zoll- und Wirtschaftsunion

Und da sind wir wieder zurück bei der Wirtschafts- und Zollunion Eurasiens. Wir wissen, daß Herr Putin Deutschland phantastisch findet, und in der Eurasischen Zoll- und Wirtschaftsunion wird im Grunde genommen adaptiert, was wir in der Europäischen Union gemacht haben. Sie wurde gegründet am 1. Januar 2015 und ging aus der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft hervor. Das Gründungsabkommen wurde am 29. Mai 2014 unterschrieben von Kasachstan, Rußland und Weißrußland, dann kam Armenien dazu, 2014 im Oktober, und schließlich Kirgisistan 2015. Das ist eine überschaubare Größe an Ländern, und auch wenn wir uns dann mal die Anteile anschauen (Tabelle 1), dann hat Rußland bei Bevölkerung und Fläche über 80%, dann ist das schon sehr stark dominiert von Rußland.

Tab. 1: Mitgliedstaaten der Eurasischen Wirtschaftsunion

Land

Unterzeichnungsdatum

Einwohner in Mio.

Ein­wohner in %

Fläche in km²

Fläche in %

Kasachstan

29. 5. 2014

18,0 (2017)

9,9 %

2.724.900

13,45 %

Rußland

29. 5. 2014

146,5 (Schätzung 2015, mit Krim)

80,2 %

17.102.344 (mit Krim)

84,40 %

Weißrußland

29. 5. 2014

9,5 (2016)

5,2 %

207.595

1,02 %

Armenien

10. 10. 2014

3,0 (2018)

1,6 %

29.800

0,15 %

Kirgisistan

23. 12. 2014

5,6 (Schätzung 2012)

3,0 %

199.900

0,99 %

Summe

182,6

100 %

20.264.539

100 %

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Eurasische_Wirtschaftsunion

Aber es gibt weitere Beitrittskandidaten: Tadschikistan, Usbekistan, Mongolei, Aserbaidschan, Syrien; und wie gesagt, Ziel ist es, am Ende so etwas darzustellen wie die Europäische Union.

Was wurde dort gemacht?

  • Abschaffung von Zollgebühren und Zollkontrollen (Zollunion),

  • 2007 einheitlicher Wirtschaftsraum

  • 1. Januar 2015: freier Personen- und Waren- und Dienstleistungsverkehr und Kapitalfluß,

  • 1. Januar 2016: Gemeinsamer Markt für pharmazeutische Mittel und medizinische Geräte,

  • 2019: Beginn gemeinsamer Energiemarkt,

  • 2019: Gemeinsamer Strommarkt,

  • 2024: Gemeinsamer Erdölmarkt,

  • 2025: Gemeinsamer Gasmarkt,

  • bis 2025: Schaffung der Bedingungen für einheitlichen Finanzmarkt, gemeinsame Währung.

Sehen Sie? Da versucht man doch tatsächlich, das Modell der Eurozone nachzubauen – übrigens gar nicht so schlecht.

Ein Exkurs: Ist Ihnen eigentlich bewußt, daß die Eurozone einen Goldstandard hat? Herr Zanni, genau hinhören: einen Goldstandard! Was war der Goldstandard früher? Große Stabilität. Viele finden ihn ganz toll. Der Goldstandard war: Ein Land benimmt sich nicht, muß für die Importe die Goldreserven hergeben, irgendwann sind sie alle. Und was muß es dann machen? Es muß sich restrukturieren und die Fehler, die selbst gemacht worden sind, dann auch wieder korrigieren. There is no easy way out, as the British would say, with a stiff upper lip, ladies and gentlemen.

Und was hat die Eurozone? Ein Land benimmt sich daneben, reißt die Defizitgrenzen, dann wird es ermahnt, Strukturreformen zu machen; wenn es die nicht macht, wird der Druck erhöht, weil auch die Märkte den Druck erhöhen; und wenn es dann knallt, wie Italien 2012, als man 7% für zehnjährige Staatsanleihen zahlen mußte, wäre ohne die Hilfe der EZB und der Solidargemeinschaft Europas Italien pleite gewesen. Was machen wir? Wir stehen zur Seite, es werden Strukturreformen umgesetzt, meine Damen und Herren, und die Erfolge sind sensationell! Die Eurozone hat, anders als die USA und UK einen Goldstandard light, mit einer sozialen Komponente über die Solidarität des Systems. Und ich bin empört, und das sage ich auch an die Adressen im Europäischen Parlament, ich bin empört, daß wir diese faktische Lage nicht richtig darstellen.

Die Lage in den Mitgliedstaaten der EAWU

Was wir jetzt in der Eurasischen Zoll- und Wirtschaftsunion sehen, ist eigentlich die Adaption unseres Modells. Und ich darf Ihnen eines sagen: Das ist auch nicht schlecht.

Tabelle 2: Rußland – Konjunktur- und Strukturdaten
BIP-Wachstum 2018 Circa 2%
Verbraucherpreise aktuell 2,4% im Jahresvergleich
Außenhandel Überschüsse in Höhe von circa 10 Mrd. $ pro Monat
Realer Lohnanstieg Aktuell circa 7% im Jahresvergleich
Öffentlicher Haushalt Defizit bei 0% des BIP per 2018 gemäß IWF-Prognose
Staatsschulden 18,7% des BIP gemäß Prognose des IWF

Lassen Sie uns auf die einzelnen Länder eingehen.

Rußland ist wichtig in diesem Zusammenhang, und dann gucken wir mal auf Wirtschaftsdaten aus Rußland (Tabelle 2):

Da haben wir ein Wachstum in diesem Jahr wahrscheinlich von 2% in etwa; Inflation auf dem niedrigsten Niveau seit Gründung Rußlands, bei 2,4%; im Außenhandel Überschüsse – 10 Mrd. $ pro Monat, also ganz anders als die USA; realer Lohnanstieg inflationsbereinigt 7%, also Wohlstandsgewinne; öffentlicher Haushalt: 0% der Wirtschaftsleistung. Something Italy has to go for, really. 0%.

Und wie hoch ist eigentlich die Staatsverschuldung Rußlands? Ich gebe Ihnen drei Möglichkeiten: so hoch wie in Japan, 240%, so hoch wie in den USA, ca. 108-110%, oder 18,4% der Wirtschaftsleistung? 18,4%! Und wissen Sie, was unsere Ratingagenturen dazu sagen im Westen? Müll, junk. Sie sehen, deswegen wollen diese Länder sich von uns emanzipieren, weil wir das mit der Wahrheitsfindung nicht so ernst nehmen.

Weißrußland
Wirtschaftsentwicklung Trendwende geschafft
Investitionen Moderater Anstieg erwartet
Konsum Verbrauch könnte 2018 um 3% steigen
Außenhandel Deutsche Exporte 2017 mit hohem Zuwachs

Meine Damen und Herren, Rußland ist damit ein Kernstück des ganzen.

Dann haben wir Weißrußland, Belarus: Auch da läuft die Wirtschaftsentwicklung wieder besser, auch die Beilegung des Zwists mit Rußland hilft dabei, die Rohstoffpreise helfen dabei. Bei den Investitionen wird ein moderater Anstieg erwartet, der Konsum, der private Verbrauch, könnte im Jahr 2018 um 3% steigen, auch der Außenhandel fängt an, wieder zu wachsen.

Kasachstan ist im Grunde am stärksten begünstigt durch dieses Projekt Seidenstraße. Wir haben hohe Investitionen. Wenn Sie mal in Astana sind, ich glaube, Hans [von Helldorff], wir hatten dort diese Bilder vom Bahnhof: vollkommen überdimensioniert, das erinnert so ein bißchen an Napoleon. Alles, was Napoleon gebaut hat, ich komme aus Hamburg, und die Palmaille dort hält noch heutigen Anforderungen stand. Und so ähnlich ist das auch in Astana, in Kasachstan, man baut im Großen, weil man sagt: Da kommt etwas auf uns zu, über die Seidenstraße, über die Verbindung mit China, über Investitionen, die von China laufen. Kasachstan gehört sicherlich zu den Ländern, wenn wir über die Eurasische Wirtschaftsunion sprechen, die am stärksten profitieren.

Armenien
Wirtschaftsentwicklung Gute Chancen für kräftiges Wachstum
Investitionen Lang erwartete Trendwende in Sicht
Konsum Verbraucher geben wieder mehr aus
Außenhandel Gute Aussichten auf weiteren signifikanten Zuwachs
Kirgisistan
Wirtschaftsentwicklung Nachlassendes Tempo wegen Rückgang der Goldförderung
Investitionen Internationale Geber und chinesische Investoren sind bestimmend
Konsum Einkommensentwicklung stimmt positiv
Außenhandel Einfuhren wachsen stark

Dann haben wir noch Armenien: leider geschlossene Grenzen zur Türkei und auch nach Aserbaidschan, und damit so etwas eine Insellösung. Die profitieren am wenigsten davon, aber lange Rede kurzer Sinn: auch das sieht alles nicht schlecht aus.

Kirgisistan kommt dieses Jahr auch wieder, wenn wir die IWF-Prognosen sehen, über 4%, und was wir feststellen bei allen diesen Ländern, ist, daß die Staatsverschuldung relativ gering ist. Also die Strukturdaten: Aristoteles! Struktur ist das entscheidende, die Struktur bestimmt die Konjunktur! Das ist das A und O. Mit Finanzkosmetik und Interventionen und nivellierenden Standards gewinnen Sie nicht die Zukunft, damit verspielen Sie die Zukunft Ihrer Kinder. Die Strukturdaten in diesen Ländern sehen grundsätzlich, auch gerade im Vergleich zum Westen, gut aus.

Und dann kommt dieses zusätzliche Projekt – One Belt, One Road, Seidenstraße – als ein potentieller Wachstumstreiber hinzu: Erschließung von Humankapital durch Infrastrukturmaßnahmen, das ist der Schlüssel zum Erfolg.

Integrationsoptionen: „Business of sale demands politics of scale“

  • Optimierende Verkehrsanbindung für Kirgisistan, Kasachstan, Rußland und Weißrußland

  • Höhere Verkehrsdichte mit Wachstumsimplikation (Dienstleistung)

  • Anbindung eigener Produktionszweige an den Weltmarkt über neue Verkehrswege

  • Chance verstärkter Wirtschaftsclusterbildung im Rahmen eigener Stärken

  • Chance auf verbesserten kulturellen Austausch

  • Chance auf mehr Tourismus (Dienstleistung)

  • Stärker im Fokus der Weltwirtschaft => Mehr Chancen auf internationale Förderung

Schlußbemerkung

Meine Damen und Herren, ich möchte schließen.

Integrationsoptionen: „Business of sale demands politics of scale.

Was will ich damit sagen? Es gibt einige Politiker bei uns in Europa, die glauben, daß man mit den Rezepten der Vergangenheit die Probleme der Zukunft lösen kann. Und nichts ist weiter von der Realität entfernt. Der Weg zurück zur Nationalstaatlichkeit – siehe Brexit – ist extrem teuer. sofern der Brexit stattfindet, gnade Großbritannien Gott, die schießen sich dahin, wo sie 1965 waren! In welcher wirtschaftlichen Situation befand sich Großbritannien 1965? Ich gebe Ihnen drei Möglichkeiten: prekär, sehr prekär oder äußerst prekär? Sie wollen sagen, äußerst prekär, und Sie haben recht.

Also meine Damen und Herren, ich will Ihnen das an einem Beispiel deutlich machen. Als 1990 die Globalisierung sportlich begann, war BASF ein deutsches Unternehmen. Die maßgeblichen Produktionsanlagen waren in Deutschland, aus Deutschland wurde exportiert. BASF 2018 ist immer noch ein deutsches Unternehmen, weil es sein Headoffice hier bei uns hat. Aber heute sind die geringsten Produktionsanlagen in Deutschland, und es ist ein „Global Player“. Und wenn Sie glauben, mit einer Währung eines kleinen Landes – Deutschland mit 81 Millionen Menschen von 7,5 Milliarden auf der Welt –, daß wir mit 81 Millionen Menschen die Interessen dieser Institution schützen können; wer das glaubt, der glaubt damit, diese Unternehmen mit ihren Produktionsstandorten an uns zu binden, der macht seine Hose mit einer Kneifzange zu, meine Damen und Herren!

Und das funktioniert nicht. Wenn wir business of scale haben, so wie wir die arbeitsteilige Welt aufgebaut haben, dann brauchen wir am Ende auch politics of scale, um diesen Kapitalstock außenpolitisch vertreten zu können.

Und Sie sehen das im Moment genau in der Auseinandersetzung mit den USA. Da haben wir in Europa ein Problem: Wir sprechen nicht mit einer Zunge, oder? Und damit spielen wir mit diesem Kapitalstock, der die Grundlage ist für die kommenden Generationen, um Sicherheit, um wirtschaftlichen Erfolg zu haben.

Meine Damen und Herren, deswegen: business of scale demands politics of scale. Und wer glaubt, mit der Nationalstaatlichkeit hier auch nur eine Lösung anzubieten, der verkauft die kommende Generation.

Meine Damen und Herren, machen wir weiter. Was haben wir mit dieser Eurasischen Wirtschafts- und Zollunion? – Das war eigentlich mein Thema, aber ich mußte den Rest bringen, ganz im Ernst, ich fühlte mich dazu verpflichtet. - Wir haben optimierende Verkehrsanbindung für Kirgisistan, Kasachstan, Rußland und Weißrußland. Und jeder, der sich damit auskennt, weiß: Infrastruktur ist dann immer die Grundlage für Ansiedelung von Unternehmen.

Wir haben eine höhere Verkehrsdichte mit Wachstumsimplikation im Dienstleistungssektor. Wir haben eine Anbindung eigener Produktionszweige an den Weltmarkt aus diesen nationalen Ökonomien über diese neuen Verkehrswege. Wir haben Chancen verstärkter Wirtschaftsclusterbildung. Das ist jetzt im Grunde genommen der entscheidende Punkt, da hat Herr Krugman als Nobelpreisträger ja auch viel für China damals gemacht: Clusterbildung. Was jetzt passieren muß in diesen Ländern, ist, daß man sagt: Wo sind unsere Stärken? Und dann werden wir Cluster um diese Verkehrswege herum anbinden, um unsere Wirtschaft zu optimieren.

Die Chance auf verbesserten kulturellen Austausch – das ist mir wichtig, meine Damen und Herren! Weil der kulturelle Austausch immer die Grundlage für die Friedensdividende ist, und alles basiert auf Frieden.

Die Chance auf mehr Tourismus, auch das. Ich habe jetzt mit Frau Welteke gesprochen, der Ehefrau unseres Ex-Bundesbankpräsidenten, die kommt aus Aserbaidschan, sie waren gerade in Baku. Das muß irre sein, ich fahre demnächst auch hin! Sie sehen, es klappt.

Meine Damen und Herren: Stärker im Fokus der Weltwirtschaft ist gleich mehr Chancen auf internationale Förderung. Auch das spielt dann eine Rolle.

Lassen Sie mich hier schließen. Die Eurasische Zollunion und Wirtschaftsunion ist im Grunde genommen ein Baby der Europäischen Union, von der Grundstruktur her. Es nimmt den Gedanken „business of scale, politics of scale“ auf, um eben auch diese Region sinnvoll vertreten zu können, um nicht in der Kleinteiligkeit von den Rädern der Zeitgeschichte zermalmt zu werden, meine Damen und Herren.

Und ich möchte schließen mit dem Satz: Im Osten liegt die Zukunft.

Und jetzt ein Wort an Berlin: Wir sind in Deutschland ein sehr exportstarkes Land, habe ich gelesen. Und ich habe auch überhaupt nichts dagegen und ich bin überhaupt nicht bei Ihnen, Herr Zanni, daß Sie sagen, das müssen wir ändern, wir müssen mehr konsumieren. Mehr Konsum habe ich nichts dagegen, wenn es nicht unbedingt kreditfinanziert ist. Aber wir haben eben die hidden champions, und da wollen wir ja nicht schlanker werden, da wollen wir eher größer werden! Das sollte unser Streben sein.

Aber zurück zu dem Thema: Mit welchen Ländern machen wir eigentlich Freihandelsabkommen? Und Sie wollen sagen: Kanada, Japan, wir bemühen uns gerade um die USA. Meine Damen und Herren, das ist der Blick in den Rückspiegel, und wir sollten durch die Frontscheibe schauen! Denn die aufstrebenden Länder haben 66% Anteil an der Weltwirtschaft, sie wachsen doppelt so schnell wie die westlichen Wirtschaftsnationen, sie haben also demnächst 70 und über 70% Anteil an der Weltwirtschaft, sie stellen 88% der Weltbevölkerung. Sie kontrollieren 70% der Weltdevisenreserven. Dort spielt die Musik! Und Sie sehen an der Form, wie wir die Freihandelsabkommen machen: Wir gucken in den Rückspiegel. Das ist die Negation des Begriffs Verantwortung in Wirtschafts- und Außenhandelspolitik! Und meine Damen und Herren, ich freue mich, daß Sie hier heute da sind, um das zu ändern.

Meine Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

eir