Griechenland und China
Partner in der Gürtel- und Straßen-Initiative
Von Dean Andromidas
Der folgende Artikel ist ein Beitrag zu einer aktualisierten
Neuauflage der englischsprachigen Ausgabe der Studie „The New Silk Road
Becomes the World Landbridge“ (2014, dt: „Die Neue Seidenstraße wird zur
Weltlandbrücke“, 2017).
Die wirtschaftliche Zukunft Griechenlands und der Balkanländer insgesamt
liegt darin, die Vorteile ihrer geostrategischen Lage am östlichen Mittelmeer
dafür zu nutzen, das Tor für wirtschaftliche Entwicklung zu werden – nach
Eurasien im Nordosten, nach Südwest- und Südasien im Osten und nach Afrika im
Süden. Für Griechenland ist dies eine Rolle, die es in der Geschichte schon
oft eingenommen hat. Für den Balkan ist es die äußerst wichtige Aufgabe, als
Korridor von Frieden und Entwicklung zu dienen, um eine Großregion, die sich
vom Adriatischen Meer durch die Ukraine nach Osten und durch Südwestasien nach
Südosten erstreckt, auf eine höhere Ebene zu heben.
Am 19. Juni 2014 traf der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang in Athen
mit dem griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras zusammen und kündigte
anschließend eine Reihe von Aufbauprojekten an. Dabei betonte er aber auch die
ruhmreiche Geschichte und Kultur dieser beiden alten Zivilisationen des Ostens
und des Westens, China und Griechenland. Beide Länder hätten wesentliche
Beiträge zur Zivilisation geleistet, und nun würden sie zusammenarbeiten, um
die Zukunft zu gestalten. Insbesondere wollten sie den Hafen Piräus zu einem
regionalen Umschlagplatz und zum Tor für den Handel mit ganz Europa
machen.
Diese chinesisch-griechische Kooperation in der Gürtel- und
Straßen-Initiative verstärkte sich weiter unter der Regierung von
Premierminister Alexis Tsipras, der im Mai 2017 am Belt & Road Forum in
Beijing teilnahm. Schon 2006 gingen China und Griechenland eine Strategische
Partnerschaft ein, und 2017 wurde dann der Chinesisch-Griechische Aktionsplan
2017-19 beschlossen, um die Gürtel- und Straßen-Initiative mit Griechenlands
eigener offizieller Wachstumsstrategie zu verbinden.
Karte: EIR
Abb. 1: Korridore der Eurasischen Landbrücke.
Karte: Europäische Union
Abb. 2: So sollte das Netzwerk der „Transeuropäischen Verkehrskorridore“
nach den Plänen von 1994 bis 2010 ausgebaut werden, aber nur wenig davon wurde
realisiert.
Karte: Wikimedia Commons/cc-by-sa 3.0
Abb. 3: Für Osteuropa wurden die Pläne später noch weiter konkretisiert.
Die wichtigsten interkontinentalen Vektoren für die Verbindungen in und aus
dieser Region sieht man schon an den drei Ost-West-Korridoren der Eurasischen
Landbrücke, die 1997 entworfen wurden (Abbildung 1). Die
Balkanhalbinsel liegt am Knotenpunkt dieser Routen am östlichen Mittelmeer,
und mit einem umfassenden Ausbau der intermodalen Handels- und Verkehrswege –
Straßen, Eisenbahnen, Flughäfen, Häfen und Schiffahrtswege etc. – läßt sich
diese besondere Lage Griechenlands und der Balkanstaaten zum größtmöglichen
Vorteil aller Beteiligten nutzen.
Betrachten wir zunächst diese interkontinentalen Korridore und anschließend
einige der wichtigsten regionalen Korridore durch die Halbinsel. Griechenland
und der Balkan schließen im Norden an den wichtigsten
Ost-West-Entwicklungskorridor der Eurasischen Landbrücke an. Nach Westen
besteht über den Rhein-Main-Donau-Kanal eine Verbindung zu den großen
nördlichen Häfen Antwerpen, Rotterdam und Hamburg. Nach Osten besteht durch
den Donaukorridor Anschluß zum Schwarzmeerbecken; die Fortsetzung verläuft zum
Dnepr, dem Wolga-Don-Kanal und dem Kaspischen Meer bis weit hinein nach
Zentralasien und Westsibirien. Auf diese Weise werden Griechenland und der
Balkan in das transeurasische Wasserstraßennetz integriert.
Richtung Osten bzw. Südosten werden Griechenland und der Balkan durch
Schienenkorridore mit der Anatolischen Halbinsel verbunden, und von dort geht
es über den Irak und den Iran weiter ostwärts nach Südasien bis zum Indischen
Subkontinent.
Ein Zweig dieser Landroute durch die Anatolische Halbinsel führt weiter
nach Süden durch Jordanien und über die Halbinsel Sinai nach Nord- und
Ostafrika. Die Seeverbindungen im Mittelmeer und zu den übrigen Weltmeeren
sind offensichtlich, aber seit kürzlich die Kapazität des Suezkanals
verdoppelt wurde, eröffnet sich Handel und Verkehr auch hier ein ganz neuer
Horizont.
Prioritäre Korridore auf der Balkanhalbinsel
Für einen schnellen Überblick über die vorrangigen Verkehrs- und
Entwicklungskorridore und -regionen für den Balkan und Griechenland lassen
sich als Ausgangspunkt die Vereinbarungen verwenden, welche die europäischen
Verkehrsminister bereits im März 1994 bei der Zweiten Paneuropäischen
Verkehrskonferenz auf Kreta trafen. Sie definierten „Prioritätskorridore“ für
modernisierte Eisenbahnverbindungen, was zusätzlich den Ausbau von Straßen-,
Wasser- und anderer Infrastruktur implizierte. Insgesamt wurden zehn
europäische Korridore geplant, wovon fünf Griechenland und/oder den Balkan
durchqueren.
Abbildung 2 zeigt die Landkarte der Europäischen Gemeinschaft vom
Mai 1994 zur Verkehrsinfrastruktur, die während der Konferenz auf Kreta
erstellt wurde, den „Plan für ein europäisches
Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnnetz 2010“. Man sieht eine
Hochgeschwindigkeitsstrecke für Griechenland, und Vektorpfeile geben die
Richtungen der anderen Strecken im Balkanraum an, die noch ausgearbeitet
werden sollten. Später wurden diese Pläne weiter konkretisiert (Abbildung
3), doch nur wenig davon wurde verwirklicht.
Von allen Balkanstaaten hat bisher nur Griechenland eine Bahn, die man als
Hochgeschwindigkeitsbahn bezeichnen könnte (200 km/h). Die anderen Länder –
Bulgarien, Rumänien, Serbien, Ungarn, (Ehemalige Jugoslawische Republik)
Makedonien, Kroatien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina – sind derzeit dabei,
alte Strecken, die teilweise nur mit 20 km/h (!) befahren werden können, zu
erneuern oder auszubauen. Dieser Ausbau ist in unterschiedlichem Maße
fortgeschritten. Einige Länder planen auch Hochgeschwindigkeitsbahnen.
Besonders wichtig ist die Schnellstrecke zwischen Budapest und Belgrad, die
chinesische Unternehmen bauen und finanzieren wollen.
Die EU mag mit diesem äußerst mäßigen Tempo des Ausbaus zufrieden sein,
wenn Vorhaben, für die China wenige Jahre bräuchte, sich jahrzehntelang
hinziehen, aber Europa sollte das chinesische Engagement begrüßen. Das
Schiller-Institut hat vor einigen Jahren vorgeschlagen, eine Europäische
Infrastruktur-Investitionsbank zu gründen, die mit der Asiatischen
Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) zusammenarbeiten sollte, um diese
Projekte zu finanzieren. Europäische Finanzierung sollte die Kapazitäten in
der Region zur Durchführung solcher Projekte unterstützen. Die Tschechische
Republik, Rumänien und Polen haben Kapazitäten für den Bau von Zügen, und
andere, wie Griechenland, haben ebenfalls hochentwickelte Baukapazitäten.
Von den 1994 vorgeschlagenen zehn Verkehrskorridoren betreffen die
folgenden den Balkan:
Korridor 4: Die Hauptverbindung in west-östlicher Richtung
von Berlin nach Istanbul
(Berlin/Nürnberg-Prag-Bratislava-Györ-Budapest-Arad-Craiova-Sofia-Istanbul)
muß durch Verbindungen zwischen Sofia und Thessaloniki erweitert werden.
Korridor 5: Von der Hauptverbindung zwischen Norditalien und
der Ukraine gibt es wichtige Abzweigungen in den Balkan. Der wichtigste
Korridor ist Venedig-Triest/Koper-Ljubljana-Budapest-Uschgorod-Lwiw, zu
erweitern durch Rijeka-Zagreb-Budapest und Ploce-Sarajevo-Osijek-Budapest.
Korridor 8: Von der Adria zum Schwarzen Meer, von Albanien zu
den Häfen Warna und Burgas am Schwarzen Meer
(Durres-Tirana-Skopje-Sofia-Plowdiw-Burgas-Warna).
Korridor 9: Von Griechenland nach Moskau, ausgehend vom
östlichsten griechischen Hafen Alexandropoulis nach
Dimitrowgrad-Bukarest-Chisinau-Lyubaskewa-Kiew-Moskau.
Korridor 10: Von Salzburg nach Thessaloniki
(Salzburg-Ljubljana-Zagreb-Belgrad-Nis-Skopje-Veles-Thessaloniki). Die antike
römische Via Egnatia von der Adria zum Bosporus ist vorrangig zu
entwickeln.
Hierbei handelt es sich nicht nur um Verkehrsverbindungen, sondern um
Entwicklungskorridore, welche die gesamte Region integrieren werden.
China ist Griechenlands Partner
Nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 und dem Zusammenbruch der
kommunistischen Regime in Osteuropa und der Sowjetunion strebte Griechenland
danach, sich zum Verkehrs-, Energie-, Kommunikations- und sogar Finanzzentrum
Südosteuropas zu entwickeln, sogar mit Einfluß bis in die Ukraine und nach
Rußland. Dank Griechenlands strategischer Lage am Fuße der Balkanhalbinsel
bildet der Hafen Piräus das natürliche Tor der Region zum östlichen
Mittelmeer, nach Asien und Afrika. Als EU-Mitglied hätte Griechenland dazu
beitragen können, die neuen Nationen in die Europäische Union zu
integrieren.
Aber diese Ambitionen zu verwirklichen, erforderte eine erstklassige
Infrastruktur, die Griechenland völlig fehlte. Piräus war zwar der zehntgrößte
Hafen und sogar der größte Passagierhafen Europas, mußte aber dringend
modernisiert werden. Die Eisenbahnen des Landes waren veraltet. Die wichtigste
Nord-Süd-Strecke zwischen Athen und Thessaloniki war weder elektrifiziert noch
durchgehend zweigleisig ausgebaut. Der Hafen von Piräus war nicht an das
Eisenbahnnetz angeschlossen. Der Flughafen von Athen war nicht nur veraltet,
er konnte auch nicht weiter ausgebaut werden, weil er mitten im besiedelten
Großraum Athen lag. Athen selbst, eine Stadt mit vier Millionen Einwohnern,
hatte keine U-Bahn und nicht einmal ein Straßenbahnnetz; es gab auch keine
Nahverkehrsbahnen zu den Städten im Umland. Griechenland war also nicht dafür
gerüstet, ein Zentrum für die Region zu sein – aber das Land nahm sich vor,
die dazu notwendige erstklassige Infrastruktur aufzubauen.
Ende der 90er Jahre begann in Griechenland eine regelrechte Revolution der
Verkehrsinfrastruktur. Man fing an, die Eisenbahnmagistrale Athen-Thessaloniki
zweigleisig auszubauen und zu elektrifizieren, eine gigantische Aufgabe.
Zahlreiche Abschnitte mußten ganz neu gebaut werden, mit vielen Tunneln und
Brücken – darunter der längste Eisenbahntunnel des Balkan, der 9 km lange
Kallidromo-Tunnel, der erst in diesem Jahr fertiggestellt wurde. 2013 wurde
der Anschluß vom Containerhafen von Piräus an die Nord-Süd-Magistrale
geschaffen. Seit kurzem ist diese Nord-Süd-Hauptstrecke nach fast zwei
Jahrzehnten Bauzeit fertiggestellt, im Juni 2018 soll sie den regulären
Betrieb aufnehmen. Sie reduziert die Reisezeit für Passagiere zwischen Athen
und Thessaloniki von sechs auf dreieinhalb Stunden, die Züge erreichen eine
Geschwindigkeit von mehr als 200 km/h, Güterzüge können nun mit 120 km/h
verkehren.
Die griechischen Eisenbahnplaner hatten gehofft, daß gleichzeitig auch
Hochgeschwindigkeitsbahnen von Thessaloniki nach Belgrad (Serbien) und von
Belgrad nach Budapest (Ungarn) sowie nach Sofia (Bulgarien) gebaut würden,
aber diese Länder konnten den Bau nicht finanzieren und erhielten auch kaum
Unterstützung von der EU.
Griechenland hat auch in und um Athen ein komplett integriertes Netz von
S-Bahnen, U-Bahnen und Straßenbahnen aufgebaut, das erstmals den gesamten
Großraum mit seinen vier Millionen Einwohnern verkehrstechnisch vereint. Auch
das Straßennetz wurde ausgebaut. Im Nordosten der Stadt wurde ein neuer
Flughafen errichtet, und dort sind genug freie Flächen vorhanden, um ihn in
der Zukunft zu erweitern. Außerdem baute der griechische Staat im Hafen von
Piräus einen Containerterminal, der inzwischen von der chinesischen Reederei
COSCO übernommen wurde.
Eigentlich hätte die EU ein selbstverständlicher Partner bei diesem
Vorhaben sein müssen, Griechenland von einem europäischen Randstaat in ein Tor
für die wachsenden Volkswirtschaften Asiens nach Europa zu verwandeln, aber
ihre Hilfe ging kaum über ein paar Zuschüsse hinaus, auf die Griechenland als
EU-Mitglied Anspruch hatte. Noch dazu erlebten die übrigen Länder der Region
einen starken wirtschaftlichen Niedergang durch die Schocktherapie, die ihnen
vom Weltwährungsfonds (IWF) und der EU als Vorbedingung für ihre Integration
in das „westliche Wirtschaftssystem“ aufgezwungen wurden.
So mußte Griechenland den größten Teil der finanziellen Mittel selbst auf
den internationalen Finanzmärkten auftreiben. Als diese Märkte 2008
abstürzten, steckte Griechenland in einer katastrophalen Schuldenfalle fest.
Die sogenannten europäischen „Partner“ taten alles, um bankrotte Großbanken
der Eurozone zu retten, und zwangen Griechenland, mehr als 300 Mrd. Euro von
deren Schulden zu übernehmen.
Trotzdem gewann Griechenland 2008 einen wirklichen Partner, nämlich China.
In dem Jahr schloß die chinesische Reederei COSCO einen Pachtvertrag über 35
Jahre für den Betrieb der Containerterminals 2 und 3 des Containerhafens von
Piräus (PCT). Damit begann eine strategische Partnerschaft zwischen den beiden
Ländern, die für Griechenland beispiellose positive Konsequenzen hatte. Die
Zahl der umgeschlagenen Container im PCT ist von 880.000 pro Jahr auf fast 4
Mio, gestiegen, und man rechnet mit einem weiteren Anstieg bis 2019 auf 6 Mio.
und bis 2022 auf 7,2 Mio.
Griechenland wurde ein integraler Bestandteil der Revolution in der
Seeschiffahrt, die China in Gang setzt, indem es extrem große Containerschiffe
baut, um seine gewaltigen Frachtmengen aus Asien durch den Suezkanal und das
Mittelmeer nach Europa, Afrika sowie an die Westküsten Nord- und Südamerikas
zu transportieren. Für weitblickende Planer wie die Chinesen war leicht zu
erkennen, daß Griechenland als Umschlagplatz für Fracht von und nach Mittel-
und Osteuropa sowie in den gesamten östlichen Mittelmeerraum dienen
konnte.
Diese Frachtströme werden weiter wachsen. Allerdings geht es nicht nur
darum, Chinas Produkte auf die westlichen Märkte zu transportieren. Als China
2013 die Gürtel- und Straßen-Initiative startete, war das Ziel nicht nur, eine
vernetzende Infrastruktur aufzubauen, sondern auch, die Nationen Asiens und
Afrikas zu entwickeln und dadurch in die Weltwirtschaft zu integrieren. Wir
sprechen hier also nicht bloß vom Export von elektronischen Geräten aus China
oder Kaffeebohnen aus Afrika in den Westen, sondern von einer kompletten
Integration des Produktionsprozesses.
Ein anschauliches Beispiel ist die rasch wachsende Zahl der Güterzüge, die
zwischen China und Europa verkehren. Die Züge aus China transportieren
elektronische Geräte und andere Konsumgüter nach Westen, die Züge nach China
technische Produkte, insbesondere Automobilteile aus Deutschland für die
chinesische Automobilindustrie. Deutschland importierte 2016 Waren im Wert von
1,5 Mrd. Euro per Bahn aus China, während die Züge nach China Waren im Wert
von 4 Mrd. Euro transportierten.
In den kommenden Jahrzehnten werden die Handelsströme zwischen Ost und West
zunehmend von Waren geprägt sein, die mit den industriellen Zulieferketten
verbunden sind, wenn die Nationen in Afrika und Asien umfassend
industrialisiert und in die globalen industriellen Lieferketten integriert
werden.
Piräus wird zum Rotterdam des Mittelmeers
Griechenlands Partnerschaft mit China reichte zwar nicht aus, um die
wirtschaftliche Katastrophe aufzuhalten, die dem Land von seinen „Partnern“ in
der Europäischen Union aufgezwungen wurde, trotzdem brachte sie positive
Resultate. Diese Partnerschaft entwickelt sich auf logische und nützliche
Weise weiter.
Das 35jährige Pachtabkommen über die Containerterminals 2 und 3, das China
2008 abschloß, hat über die Gesamtlaufzeit des Vertrages einen Wert von 831
Mio. Euro. Von 2009-16 hat COSCOs Containerterminal in Piräus mehr als 1 Mrd.
Euro an Steuern und Löhnen generiert. Obwohl das Gegenteil befürchtet worden
war, hat COSCO keine Arbeitsplätze abgebaut und auch nur sieben Manager aus
China eingesetzt. COSCO investierte etwa 300 Mio. Euro in den Ausbau des
Terminals, es wurden neue Kräne installiert, die auch größte Containerschiffe
entladen können, und die Bauarbeiten in den Terminals, die beim Abschluß des
Pachtvertrages noch nicht abgeschlossen waren, werden vollendet.
2016 investierte COSCO 280 Mio. Euro, um einen 51%-Mehrheitsanteil an der
Hafengesellschaft von Piräus zu übernehmen, und wird bis 2021 weitere 88 Mio.
Euro investieren, um den Anteil auf zwei Drittel zu erhöhen. Mit der
Vereinbarung verpflichten sich die Chinesen, in den kommenden fünf Jahren
weitere 350 Mio. Euro in den Ausbau des Terminals zu stecken. Das
Kreuzfahrtterminal wurde bereits beträchtlich ausgebaut.
Bild: Wikimedia Commons/Nikolaos Diakidis/cc-by-sa 3.0
Abb. 4: Piräus ist der Hafen mit dem größten Passagieraufkommen in Europa.
Der eigentliche Hafen von Piräus, der östlich des Containerterminals liegt,
dient als Tor für die Reisenden zu den unzähligen griechischen Inseln, auf
denen ein großer Teil der griechischen Bevölkerung lebt und die meist nur
durch Fähren mit dem Festland verbunden sind. Dieser Passagierverkehr macht
Piräus zum größten Passagierhafen Europas (Abbildung 4). Er wird schon
seit mehr als zehn Jahren ausgebaut, U-Bahn- und Straßenbahnlinien zum Hafen
wurden oder werden gebaut. Auch der Hafen selbst wird nach und nach
modernisiert.
COSCO geht nun mit frischer Energie und Finanzmitteln daran und hat bereits
einen Generalplan für die Erweiterung und Modernisierung des Hafens vorgelegt.
Dieser sieht den Bau eines neuen Passagierterminals und zweier neuer Hotels
vor, da COSCO auch den Tourismus aus China fördern will.
Der Ausbau des Containerterminals und sein gewaltiger Umschlag schaffen
wirtschaftliches Potential in viele Richtungen. Anfangs wurde ein Teil der im
Hafen ankommenden Container auf kleinere Schiffe für den Weitertransport in
andere, kleinere Häfen umgeschlagen und die übrige Fracht per LKW über das
Straßennetz weitertransportiert, da es keinen Gleisanschluß gab. Seit der
Eröffnung der Gleisverbindung zur Nord-Süd-Magistrale 2013 werden nun Tausende
von Containern per Bahn weitertransportiert. Seit das Eisenbahnnetz privaten
Güterbahnbetreibern geöffnet wurde, wurden drei neue Unternehmen gegründet, um
diese Geschäfte abzuwickeln.
Über seine Kontakte in China konnte COSCO große Unternehmen mit
chinesischen Produktionsstandorten wie HP, Sony, ZTE und Huawei gewinnen,
Piräus als Umschlagplatz für ihre Lieferungen nach Mittel- und Osteuropa zu
wählen.
Das zusätzliche Bahnfrachtaufkommen hat das Logistikzentrum Thriasio, das
nördlich von Athen an der Abzweigung der Bahnstrecke von der
Nord-Süd-Magistrale zum Hafen Piräus eingerichtet wurde, mit neuem Leben
erfüllt. Es zog Investitionen griechischer Logistikunternehmen an, darunter
das Konsortium ETV BIPE-Goldair. COSCO hat Interesse angemeldet, dort in
Kooperation mit dem kürzlich privatisierten Eisenbahnbetreiber Trainose, der
nun der staatlichen italienischen Bahngesellschaft FSI gehört, ebenfalls ein
Logistikzentrum aufzubauen.
Griechische Reedereien betreiben die weltweit größte Flotte von
Frachtschiffen, darunter Tanker, Massengutfrachter und Containerschiffe.
Deshalb hatte Griechenland früher eine blühende Schiffbau- und
-reparaturindustrie, die nicht nur Schiffen für den Überseehandel, sondern
auch einer beachtlichen Fähr- und Fischereiindustrie diente. Aber diese
Werften befinden sich seit Jahren in einem Niedergang.
Ein Grund dafür ist die besondere Beziehung der griechischen Reedereien zu
China. Ihre Schiffe transportieren einen Großteil der Öl- und Massenfracht der
chinesischen Importe, und inzwischen werden viele dieser Schiffe mit Krediten
chinesischer Banken in chinesischen Häfen gebaut. Viele solche Schiffe der
COSCO-Flotte sind von griechischen Reedereien gepachtet.
Ein weiterer Grund für den Niedergang sind die Wettbewerbsregeln der EU,
die es den Schiffsbauern in Deutschland und Nordeuropa ermöglicht haben, auf
den griechischen Markt zu drängen.
Auf die Bitte der griechischen Regierung hin, daß COSCO dieser Industrie
wieder auf die Beine hilft, hat China bereits drei neue schwimmende
Trockendocks – Piräus I, II und III – in Betrieb genommen, und zugesagt, die
griechische Schiffsindustrie mit Wartung und Reparaturen zu betrauen, wenn
mehr Schiffe den Hafen nutzen. Piräus III ist im März 2018 in Piräus
eingetroffen. Das Trockendock ist 250 m lang und kann Schiffe bis zu 80.000 t
Tragfähigkeit aufnehmen.
Griechenland hat zahlreiche weitere Häfen. Thessaloniki, der zweitgrößte
Hafen in der zweitgrößten Stadt des Landes, ist ein wichtiger regionaler Hafen
und dient allen osteuropäischen Ländern als Zugang zum Mittelmeer. Der Hafen
wurde kürzlich privatisiert und an ein internationales Konsortium verkauft, es
besteht aus den Firmen Deutsche Invest Equity Partners in München, Belterra
Investment, die zur russischen Ivan-Savvidies-Gruppe gehört, sowie CMA CGM
Terminal Link, einer Tochterfirma des französischen Unternehmens CMA CGM, der
drittgrößten Containerreederei der Welt. Das Konsortium will den Umschlag des
Hafens von 350.000 auf 550.000 Container steigern und den Hafen nach dem
Vorbild von COSCO als Tor zum gesamten Balkan nutzen.
Zwei weitere Häfen, Kavala und Alexandroupoli, liegen an der Ägäisküste
östlich von Thessaloniki. Sie sind zwar viel kleiner als der Hafen von
Thessaloniki, liegen aber strategisch günstig am Endpunkt des
Verkehrskorridors TEN-T 9, der von diesen Häfen entlang der Linie
Dimitrowgrad-Bukarest-Chisinau-Lyubaskewa-Kiew-Moskau nach Norden führt.
Die Regierungen Griechenlands und Bulgariens haben vereinbart, die sog.
„Sea2Sea“-Eisenbahnverbindung zwischen der Ägäis und dem Schwarzen Meer zu
bauen, um den Bosporus zu entlasten. Das Projekt wird die griechischen Häfen
Thessaloniki, Kavala und Alexandroupoli mit den bulgarischen Schwarzmeerhäfen
Warna und Burgas sowie dem Binnenhafen Ruse an der Donau verbinden. Die beiden
Regierungen haben dafür bei der EU Fördergelder beantragt, und es finden
Gespräche statt, um auch Rumänien und Serbien für eine Beteiligung zu
gewinnen.
Diese Häfen liegen an einer Ost-West-Achse, dem sog. Ionisch-Adriatischen
Intermodalen Korridor (vgl. Abb. 3). Der im Paneuropäischen Plan
vorgesehene Korridor 8 definiert eine Route für eine modernisierte
Eisenbahnstrecke zur Verbindung dieser Region mit Eurasien.
Abb. 5: China zeigt Interesse am Bau des geplanten Donau-Oder-Elbe-Kanals.
Karte: Nicolic/Duncic
Abb. 6: Der geplante Donau-Ägäis-Kanal würde eine schnelle
Schiffahrtsverbindung vom östlichen Mittelmeer zur Donau schaffen.
Abb. 7: Der Eurasien-Kanal soll Zentralasien mit dem Schwarzen Meer und dem
Mittelmeer verbinden.
An der griechischen Adriaküste liegt der Hafen Igoumenitsa, einer der
wichtigsten Häfen der Region. Es gibt Pläne, die Schiffsverbindung zwischen
dem zweitgrößten italienischen Hafen Tarent und Igoumenitsa auszubauen und von
dort aus eine Landverbindung über die Egnatia-Odos-Fernstraße durch
Nordgriechenland zu den Häfen Thessaloniki, Kavala und Alexandroupoli sowie
Istanbul zu schaffen. Dieser Korridor würde alle Balkanstaaten, darunter auch
Albanien, die Ehemalige jugoslawische Republik Makedonien und Bulgarien,
untereinander verbinden.
Weiter südlich, an der Nordwestspitze des Peloponnes, liegt Patras mit
seinem kürzlich fertiggestellten Südhafen, der strategisch günstig gelegen
ist, um den wachsenden Verkehr aufzunehmen, der über den erweiterten Suezkanal
ins Mittelmeer kommt.
Drei bahnbrechende Kanalprojekte
Es gibt drei große Kanalprojekte, deren Verwirklichung den Verkehr in einer
Großregion von Osteuropa und dem östlichen Mittelmeer bis weit hinein nach
Zentralasien und China revolutionieren kann. Zwei dieser Projekte wurden in
diesem Bericht bereits an anderer Stelle erwähnt.
Das erste dieser Projekte ist der Donau-Oder-Elbe-Kanal, der über die Oder
die Ostsee und über die Elbe den Nordseehafen Hamburg mit der Donau verbinden
soll (Abbildung 5). Dieser Kanal, dessen Bau schon vor dem Zweiten
Weltkrieg von der tschechoslowakischen Regierung begonnen wurde, ist trotz
großen Interesses in Polen und in der Tschechischen Republik immer noch nicht
realisiert.
Das zweite dieser Projekte ist der Donau-Ägäis-Kanal, eine Wasserstraße,
die die Donau über die Morava in Serbien und einen Kanal in der Republik
Makedonien mit dem Axios verbinden würde, der westlich von Thessaloniki in das
Ägäische Meer mündet (Abbildung 6). Das chinesische Unternehmen China
Gezhouba Group Co. Ltd., das in Serbien bereits Kraftwerke baut, hat eine
Machbarkeitsstudie über den Kanal erstellt.
Bisher wird die Donau östlich von Österreich viel zu wenig genutzt, weil
sie wie eine hundert Kilometer lange Autobahn zwischen zwei Städten ohne Zu-
und Abfahrten dazwischen ist. Die Möglichkeit, Frachten äußerst kostengünstig
über Binnenwasserstraßen zu transportieren, wird sehr schnell das Interesse
chinesischer und anderer Unternehmen wecken, insbesondere, um Frachten von
Piräus und anderen griechischen Häfen weiter in Richtung Ostsee und Nordsee zu
transportieren. Für landeingeschlossene Länder wie die Tschechische Republik
oder die Republik Makedonien wird die Möglichkeit billigen Schiffstransports
die wirtschaftliche Entwicklung fördern.
Es gibt aber noch ein drittes Projekt, das sich ebenfalls in Planung
befindet und einen neuen Ost-West-Wirtschaftskorridor schaffen würde. Es ist
der vorgeschlagene Eurasienkanal, der das Kaspische Meer durch einen Wasserweg
entlang der Kuma-Manytsch-Senke mit dem Schwarzen Meer verbinden soll
(Abbildung 7).
Dieser Kanal, der 2007 vom kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew
vorgeschlagen wurde, wäre im Interesse aller Anliegerstaaten des Kaspischen
Meers – Rußland, Kasachstan, Turkmenistan, Iran und Aserbeidschan. Das Projekt
wurde zwar im letzten Jahrzehnt nicht weiterverfolgt, aber mit der schnellen
wirtschaftlichen Entwicklung Westchinas und dem Ausbau der Bahnverbindungen
wurde Chinas Interesse geweckt. Der Kanal würde dem riesigen bisher
landeingeschlossenen Zentralasien eine Verbindung zum Mittelmeer und zu den
übrigen Weltmeeren verschaffen. Über den Donau-Schwarzmeer-Kanal und das Netz
der europäischen Binnenwasserwege könnten Frachten aus Zentralasien bis nach
Mitteleuropa weitertransportiert werden. Die Eröffnung dieses
Schiffahrtskorridors würde das landeingeschlossene Zentralasien stärker in die
eurasische Wirtschaft einbinden.
Schon in der Antike pflegte Griechenland über das Schwarze Meer und die
Seidenstraße einen regen Austausch mit Asien. Durch diese Projekte kann es
seine alte Rolle wieder einnehmen. Sie schaffen auch neue Chancen für
griechische Ingenieurs- und Baufirmen, die schon jetzt im Nahen Osten und in
Afrika tätig sind.
Energie
Griechenland hat den Ehrgeiz, Hauptumschlagplatz für Energielieferungen
zwischen Europa und Asien zu werden, aber Griechenlands Gläubiger sind auch
bei diesen Bemühungen nicht sehr kooperativ. Sowohl die Europäische Union als
auch die Regierung Obama blockierten systematisch erst das Projekt der
Erdgaspipeline South Stream und dann das Pipelineprojekt Turkish Stream –
beides, weil Rußlands Gasprom daran beteiligt war.
Die EU und die USA unterstützen lediglich die Trans-Adria-Pipeline (TAP)
für Erdgas, das vom Kaspischen Meer über die Transanatolische Pipeline (TANAP)
angeliefert wird, die TAP führt von der griechisch-türkischen Grenze durch
Nordgriechenland, Albanien und das Adriatische Meer zur süditalienischen
Küste, wo sie Anschluß an das italienische Gaspipelinenetz hat. Das Problem
bei diesem Projekt ist nur, daß es dazu ausgelegt ist, Gas aus der Phase II
des Schah-Denis-Gasfeldes in Aserbeidschan zu transportieren, wo die Förderung
noch gar nicht begonnen hat.
Unterdessen wurden South Stream und der europäische Teil von Turkish Stream
blockiert. Die Verbindung zwischen Rußland und der Türkei soll 2019
fertiggestellt werden, womit russisches Gas durch die Türkei zur TAP und von
dort aus nach Europa weitergeleitet werden kann.
Die griechische Regierung wurde massiv unter Druck gesetzt, die
öffentlichen Energieunternehmen zu privatisieren, wird aber bei wichtigen
Fragen der Energieversorgung allein gelassen. Eine der wichtigsten ist die
Stromversorgung auf den griechischen Inseln. Auf vielen dieser Inseln nutzt
man mit Diesel betriebene Generatoren, was die kostspieligste Art ist, Strom
zu erzeugen. Diesel ist nicht nur teuer, die Versorgung ist auch nicht sehr
verläßlich, wie man in den letzten Jahren etwa auf der Insel Rhodos erleben
mußte, die unter schwerwiegenden Stromausfällen litt, als einer der
Dieselgeneratoren ausfiel. Die Lösung, an der die griechische Regierung
bereits arbeitet, ist der Bau eines Leitungsnetzes, das die Stromnetze der
Inseln untereinander und mit dem Festland verbindet.
2017 kaufte die China Grid International Development Ltd. einen 24%igen
Anteil am staatlichen griechischen Netzbetreiber ADMIE. Noch im gleichen Jahr
schlossen die beiden Unternehmen eine Absichtserklärung, worin China Grid sich
verpflichtet, bei der Beschaffung von 2 Mrd. Euro Kapital für einen
zehnjährigen Investitionsplan zu helfen, um die griechischen Inseln – darunter
auch die größte, Kreta – durch Unterseekabel an das Leitungsnetz des Festlands
anzuschließen.
Mit der China Machinery Engineering Co. wurde ein Vorvertrag geschlossen,
neben dem bereits bestehenden Kraftwerk Meliti, das der staatliche griechische
Stromversorger PPC betreibt, einen zweiten Braunkohle-Kraftwerkblock zu
errichten.
Die Europäische Union stemmt sich gegen beide Projekte mit dem Argument,
sie verstießen gegen die europäischen Wettbewerbsregeln, weil die beiden
Unternehmen denselben Besitzer haben, den chinesischen Staat. Ein zweiter
Punkt ist, daß die EU und ihre Finanzinstitutionen den Bau von
Braunkohlekraftwerken grundsätzlich nicht mehr fördern. Mit diesem Argument
wird auch in anderen Balkanstaaten der Bau von Braunkohlekraftwerken
blockiert, woran chinesische Unternehmen ernsthaftes Interesse zeigen.
Griechenland hat zwar keine Pläne für den Bau von Kernkraftwerken, aber
Bulgarien und Rumänien haben solche Pläne.
Bulgarien nutzt Kernkraft schon seit sehr langer Zeit. Das Kernkraftwerk
Kosloduj besteht aus zwei Druckwasserreaktoren des russischen Typs VVER-1000a
mit einer Gesamtleistung von knapp 2000 MWe. Beide Reaktoren werden derzeit
aufgerüstet, um ihre Laufzeit zu verlängern. Ein dritter 1000-MW-Reaktor wird
derzeit gebaut, wobei Teile des eingestellten Belene-Projektes verwendet
werden. Dieses Projekt, das von Rußlands Nuklearkonzern Rosatom gebaut werden
sollte, wurde auf Druck der EU gestoppt, wofür Bulgarien Rosatom 600 Mio. Euro
Schadensersatz bezahlen mußte.
Die gegenwärtige bulgarische Regierung befürwortet die Kernkraft und will
die nukleare Elektrizitätserzeugung, die schon jetzt 35% des bulgarischen
Stromverbrauchs deckt, durch Wiederaufgreifen des Belene-Projektes weiter
steigern. Am 16. März 2018 gab Energieministerin Temenuzhka Petkova bekannt,
daß die China National Nuclear Corporation (CNNC) Interesse gezeigt hat, in
ein 2000-MW-Kernkraftprojekt in Belene zu investieren, das 10 Mrd. Euro kosten
würde. Im Februar 2018 schlug Premierminister Boyko Borissov vor, Belene als
Gemeinschaftsprojekt der Balkanstaaten zu bauen.
Griechenland, das schon jetzt daran arbeitet, sein Elektrizitätsnetz mit
dem Bulgariens zu verbinden, hatte in der Vergangenheit Interesse an einer
solchen Zusammenarbeit gezeigt.
Rumänien hat ein Kernkraftwerk in Cernavoda, das vom staatlichen
Atomkonzern Nuclearelectrica betrieben wird. Es besteht aus zwei Reaktoren, in
denen die kanadische CANDU-Technologie verwendet wird. Die Regierung
verhandelt derzeit mit China General Nuclear über den Bau zweier weiterer
Reaktoren, mit denen das Kraftwerk eine Gesamtleistung von 1,4 GW hätte.
Die China National Nuclear Corporation (CNNC) und der kanadische Konzern
SNC-Lavalin, dem die CANDU-Technologie gehört, arbeiten seit langem zusammen,
SNC-Lavalin hat schon einen großen CANDU-Reaktor in China gebaut. CNNC hat
bereits eine Vereinbarung darüber getroffen, in China zwei weitere
CANDU-Reaktoren der nächsten Generation zu bauen. Nun wollen die beiden
Unternehmen gemeinsam Reaktoren in Drittländern bauen. Sie haben einen
verbindlichen Exklusivvertrag mit der China Nuclear Power Engineering Company
geschlossen – einem Tochterunternehmen der China General Nuclear Power
Corporation (CGN) –, um beim Bau der beiden Reaktoren vom Typ CANDU-6 zu
kooperieren.
Auf diese Weise bietet Rumänien eine Gelegenheit zu einer
„Win-Win-Kooperation“ zwischen China, Kanada und Rumänien. Die
CANDU-Technologie nutzt wiederaufbereitetes Uran aus verbrauchten
Kernbrennstoffen, und das macht sie zu einer idealen Ergänzung der russischen
VVER-1000-Reaktoren, die in Bulgarien und anderen osteuropäischen Ländern
betrieben werden.
Griechenland als Zentrum von Forschung und Technik
Die bei weitem wichtigste Ressource Griechenlands sind seine gut
ausgebildeten jungen Menschen. Trotzdem leidet das Land durch die von den
Gläubigern aufgezwungene rücksichtlose Sparpolitik unter der höchsten
Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Dies führte zu einem dramatischen
„Braindrain“. Griechenland investierte viele hundert Millionen Euro in die
Ausbildung seiner Jugend in Weltklasse-Universitäten, nur um dann zu erleben,
daß diese jungen Ingenieure, Wissenschaftler, Ärzte und Techniker nach
Deutschland, Frankreich, in die Vereinigten Staaten oder sogar nach China
abwandern, um dort Arbeit zu suchen.
Die Regierung, die sich dieser Krise nur allzu bewußt ist, will
Griechenland zu einem Zentrum des Lernens, der Forschung und der technischen
Entwicklung machen. Dazu gehört die Einrichtung neuer Studiengänge in
englischer Sprache, um Griechenland zu einem internationalen Bildungszentrum
zu machen. Im Rahmen der Gürtel- und Straßen-Initiative könnte Griechenland
eine wesentliche Rolle als Bildungs- und Ausbildungszentrum für Studenten aus
Afrika, Asien und dem Nahen Osten übernehmen.
Schon jetzt wirbt die Regierung bei internationalen Unternehmen dafür,
Forschungs- und Entwicklungszentren in Griechenland einzurichten. Das
wunderbare Wetter, die angenehmen Lebensbedingungen und die strategische Lage
in Reichweite der sich schnell entwickelnden Volkswirtschaften Asiens und
Afrikas sowie Europas machen das Land zu einem sehr attraktiven Standort.
Die Nationale Technische Universität von Athen (NTUA) gehört zu den besten
Europas, dabei ist sie nur eine von mehreren Technischen Universitäten in den
großen Städten des Landes. Mit diesen Universitäten sind Nationale
Forschungsinstitute verbunden, die sich jeweils bestimmten Forschungsbereichen
widmen. In Kooperation mit dem privaten Sektor wurden in der Nähe dieser
Universitäten Technologieparks und Forschungszentren eingerichtet, in denen
die Erfolge aus den Laboratorien in Technologien für die Wirtschaft umgesetzt
werden können.
Ein wichtiges Beispiel hierfür ist das Nationale Zentrum für
Wissenschaftliche Forschung Demokritos, das der NTUA zugeordnet ist. Es wurde
in den 1950er Jahren als Nationales Kernforschungszentrum Demokritos
gegründet, mit Unterstützung aus dem amerikanischen Programm „Atome für den
Frieden“, von dem es einen Forschungsreaktor erhielt. Die Gründung des
Instituts löste seinerzeit eine Welle der Rückwanderung von Wissenschaftlern
aus, die im Ausland geforscht hatten, weil es in Griechenland dazu keine
Gelegenheit gab.
Demokritos gründete im September 2009 den Wissenschaftspark Attica
„Lefkippos“ am Campus in Aghia Paraskevi in der griechischen Region Attica, wo
bereits mehrere private Spin-off-Unternehmen und private Forschungszentren
arbeiten.
Im Februar 2018 kündigte der amerikanische Elektrofahrzeugbauer Tesla an,
im Lefkippos-Wissenschaftspark ein kleines Forschungszentrum einzurichten –
eine Initiative von drei jungen Tesla-Motorenentwicklern, die griechische
Bürger und Absolventen der NTUA waren. Sie waren wie Zehntausende andere
gutausgebildete Griechen in die USA ausgewandert, wo sie Arbeit am Sitz von
Tesla fanden: Constantine Laskaris als Leiter der Motorenentwicklung,
Konstantinos Bourchas und Vasilis Papanikolaou als Forschungsingenieure in der
Tesla-Abteilung für die Entwicklung von Elektromotoren. Das Zentrum in
Griechenland wird anfangs zehn griechische Ingenieure und Wissenschaftler
beschäftigen, die Forschungen im Zusammenhang mit Elektromotoren
durchführen.
Der stellv. Minister für Bildung und Forschung Konstantinos Fotakis sagte
dazu, die Eröffnung des Tesla-Forschungszentrums markiere „den Beginn eines
neuen Typs von Investitionen in diesem Land: Innovationen auf der Grundlage
von Forschung, Innovation und Wissensintensität... Synergien zwischen
ausländischen und griechischen Unternehmen, die sich auf ,wissensintensive’
Aktivitäten und Innovationen spezialisieren, fördern das neue
Produktionsmodell auf der Grundlage der Wissensökonomie, das die Regierung für
unser Land geschaffen hat... Wir freuen uns sehr, alle die talentierten
griechischen Ingenieure zu begrüßen, die zur Arbeit an unserer Seite
zurückkehren. Es werden Gelegenheiten für bedeutende Forschungs- und
Entwicklungspartnerschaften geschaffen, sowohl für die Forschungsteams des
Zentrums als auch für die mehr als 30 Innovationsunternehmen, die bereits in
dem Park arbeiten.“
Bild: http://www.inp.demokritos.gr
Abb. 8: Die in Griechenland gebaute Forschungsplattform Delta-Berenike
dient als Basis für das NESTOR-Neutrinoteleskop.
„Lefkippos“ ist nur einer von sechs Parks dieser Art, die übrigen sind der
Wissenschafts- und Technologiepark Epirus (E.TE.P.I) in Ioannina, der
Thessalien-Technologiepark (TE.PA.ThE.A.E.) in Volos, der Technologiepark
Thessaloniki in Thessaloniki, der Wissenschafts- und Technologiepark Kreta
(ETEP-K) auf der Insel Kreta, der Technologie- und Kulturpark Lavrio bei Athen
und der Wissenschaftspark Patras in der Stadt Patras an der griechischen
Westküste.
Die Hellenen der Antike waren die „Seevölker“, die durch Homers Ilias
Unsterblichkeit erlangten, aber heute kann Griechenland an dieses Erbe
anknüpfen, indem es sich von einer Seefahrernation in eine Raumfahrernation
verwandelt. Ein Beispiel: Die Elefsis-Werft baut nicht nur modernste Schiffe,
Eisenbahnwaggons und andere Fahrzeuge, sie hat auch die schwimmende Plattform
Delta-Berenike gebaut (Abbildung 8), eine Spezialanfertigung mit
Eigenantrieb, die als stabile Plattform zum Bau des NESTOR-Neutrinoteleskops
verwendet wird – einem von vieren, die es heute auf der Welt gibt. Das
Neutrinoteleskop steht 17 km von der peloponnesischen Küste entfernt in einer
Tiefe von 5200 m, dem tiefsten Punkt Europas. Der Hauptsitz des Projekts
befindet sich in der Kleinstadt Pylos an der Bucht von Navarino. Im antiken
Pylos, wenige Kilometer von der heutigen Stadt entfernt, befand sich der aus
der Ilias bekannte Palast des Nestor, der dem Projekt seinen Namen gab.
Griechenlands Potential für eine Spitzenposition bei der Eroberung des Alls
machte am 19. März 2018 einen großen Fortschritt, als die Regierung auf
Initiative des Ministers für Digitale Politik und Medien, Nikos Pappas,
offiziell ihre eigene Weltraumbehörde gründete, die Hellenische
Weltraum-Organisation.
„Die Gründung und Arbeit der Hellenischen Weltraum-Organisation wird einer
der dynamischsten Aspekte unseres Weges zur modernen Digitalökonomie der
Zukunft sein“, erklärte der Generalsekretär für Telekommunikation und Post im
Ministerium für Infrastruktur, Verkehr und Netzwerke, Vassilis Maglaras, am
19. März 2018 in einem Interview mit der griechisch-makedonischen
Nachrichtenagentur AMNA. „Griechenland ist schon jetzt aktiv an der
Europäischen Weltraumbehörde beteiligt und muß die Chancen, die sich durch die
Mitarbeit in dieser europäischen Organisation bieten, nutzen können, zum
Vorteil der Unternehmen, der Forschung und aller Wirtschaftsektoren“, sagte
er. Die Gründung einer Weltraumbehörde und die Bemühungen um die Organisation
des Weltraumsektors allgemein seien kein Luxus, sondern eine absolute
Notwendigkeit.
Schon jetzt ist im griechischen Luft- und Raumfahrtsektor die Rede davon,
eigene Kapazitäten zum Bau von Satelliten aufzubauen. Es gibt dafür bereits
qualifizierte griechische Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker, von denen
aber viele im Ausland arbeiten. In dem Zusammenhang wird auch bereits darüber
diskutiert, auf Kreta, dem südlichsten Punkt Europas, einen Weltraumbahnhof zu
errichten.
Im Rahmen der Gürtel- und Straßen-Initiative bieten sich dieser
Wissenschaftsmission neue Möglichkeiten, die bisher unvorstellbar waren.
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