Die Donau, eine europäische Seidenstraße
Von Alexandra Bellea-Noury
Es reicht schon ein Blick auf die Landkarte, dann sieht man, daß dieser
Fluß den Kontinent diagonal durchquert und den Osten mit der Mitte Europas
verbindet, und ohne hier auf historische Kausalitäten einzugehen, verstehen
wir plötzlich die Rolle, die die Donau hatte und haben wird – als eine große
Straße der Zivilisation und des Handels.
– Eugeniu P. Botez
Rumänisches Nationales Historisches Museum, Bukarest
Abb. 1: Der „Denker“ und eine weibliche Figur, gebrannter Ton,
Hamangia/Cernavoda, 5000-4600 v. Chr.
Vor etwa 8000 Jahren kam die neolithische Revolution durch das Donautal
nach Europa und verbreitete die Zivilisation der Landwirtschaft. Einige
Archäologen betrachten die Region an der unteren Donau als das „Alte Europa“
(Abbildung 1). Heute kann die Donau dazu dienen, die Revolution der
„Neuen Seidenstraße“ in Europa einzuführen und einen neuen Standard in den
internationalen Beziehungen zu setzen, der auf gegenseitigem Nutzen und den
gemeinsamen Zielen der Menschheit gründet.
Die 2588 km lange, schiffbare Donau definiert einen Raum der Kooperation
zwischen zehn Ländern Mittel- und Osteuropas, in dem niemand ein einzelner
Akteur sein kann: Keine Nation kann für sich allein Schiffahrt betreiben, alle
müssen zusammenwirken, um die Schiffbarkeit sicherzustellen. Mit der
Initiierung der Neuen Seidenstraße muß die Donauregion in den größeren Rahmen
der Entwicklung Eurasiens gestellt werden. Große Infrastrukturprojekte können
alle Engpässe beseitigen, die Verbindungen nach Westeuropa sicherstellen und
einen Raum schaffen, in dem Ost und West Technologien und Erfahrungen
teilen.
Indem sie eine solche gemeinsame Entwicklung auslöst, kann die Donau zum
Rückgrat des Frachttransports zwischen Ost und West auf der Maritimen
Seidenstraße der Zukunft werden. Ihr schiffbarer Teil verläuft durch
Deutschland, Österreich, die Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Rumänien,
Bulgarien, Moldawien und die Ukraine zum Schwarzen Meer und eröffnet
Transkaukasien, Zentralasien und dem Fernen Osten den Zugang nach Ost- und
Mitteleuropa und über den Rhein-Main-Donau-Kanal auch nach Westeuropa.
Rumäniens Schicksal ist eng mit der Donau verbunden. Der
rumänisch-bulgarische Stromabschnitt ist zusammen mit dem serbischen bis
Belgrad der einzige schiffbare Korridor für Schiffe der Klasse VII
in Europa, das sind mehr als 1000 km im Herzen Europas.1 In
Rumänien besteht auch die einzige schiffbare Verbindung zwischen der Donau und
dem Schwarzen Meer, der Donau-Schwarzmeer-Kanal zum Hafen Konstanza. Im 19.
Jahrhundert bezeichneten die Großmächte Rumänien als die „Donaufürstentümer“,
weil 47% der schiffbaren Donau, nämlich 1075 km, durch Rumänien verlaufen.
Rumänien hat eine lange Tradition der Schiffahrt und 20 Binnenhäfen, von denen
vier auch Seehäfen sind und eine lange Tradition der Seeschiffahrt haben.
Rumänien arbeitet schon seit langem mit Entwicklungsländern in aller Welt
zusammen. In den 1970er Jahren spielte es eine aktive Rolle beim
Technologietransfer in die blockfreien Länder. Da Rumänien keine koloniale
Vergangenheit hat, kann es heute eine glaubwürdige Rolle als Initiator des
„Neuen Paradigmas“ der Neuen Seidenstraßen-Initiative spielen.
Wikimedia Commons/Eitan96/cc-by-sa 4.0
Abb. 2: Die Donau verbindet die Maritime Seidenstraße mit Mitteleuropa, der
Hafen Konstanza am Donau-Schwarzmeer-Kanal wird so zum Tor nach Europa.
Der Hafen Konstanza als Tor nach Europa
Das Tor vom Schwarzen Meer zur Donau ist der rumänische Hafen Konstanza
(Constanţa), ein Binnen- und Seehafen, der über den
Donau-Schwarzmeer-Kanal direkt mit der Donau verbunden ist. Er ist der größte
Hafen am Schwarzen Meer. Der Hafen von Konstanza verschafft auch den
landeingeschlossenen Anliegerstaaten der Donau – Österreich, Slowakei, Ungarn,
Serbien, Moldawien und Ungarn – Zugang zum Schwarzen Meer (Abbildung
2). Nach Angaben der Hafenverwaltung von Konstanza können dort pro Jahr
100 Mio. t Fracht umgeschlagen werden, es können bis zu 156 Schiffe anlegen,
die Länge der Kais beträgt 29,83 km, die Wassertiefe zwischen 8 und 19 Metern.
Dies ist vergleichbar mit den anderen wichtigen europäischen und
internationalen Häfen und ermöglicht Tankschiffen mit einer Kapazität von
165.000 BRT und Massengutfrachtern mit bis zu 230.000 BRT die Nutzung des
Hafens. Der Hafen wird derzeit für den Containerumschlag ausgebaut. Die erste
Phase ist ein von Dubai Ports World betriebenes, neues Containerterminal, des
größte am Schwarzen Meer. Hier können jährlich rund 1,5 Mio. TEU umgeschlagen
werden.2
Auf einer Länge von 600 m können Schiffe mit einem Tiefgang von 14,5 m und
3000 TEU entladen werden. Die Hafenstadt Konstanza hat rund 400.000 Einwohner
und ist Standort einer Marineakademie und einer wichtigen
Schiffahrts-Universität.
Wikimedia Commons/Acaro/cc-by-sa 2.5
Abb. 3: Schiffswerft in Konstanza.
Nicolic/Duncic
Abb. 4: Chinesische Unternehmen sind interessiert am Bau des
Vardar-Morava-Kanals, der die Donau mit der Ägäis verbinden soll.
Die Werften
Rumänien verfügt über mehr als 150 Jahre Schiffbautradition und
Marineschulen mit hochqualifizierten Spezialisten in verschiedenen Bereichen.
Vor 1989 hatte Konstanza große Schiffsbaukapazitäten in insgesamt zwölf
Werften.3 Bis 1990 zählte Rumäniens Handelsflotte rund 300 Schiffe,
vor 1989 hatte Rumänien die viertgrößte Handelsflotte in
Europa.4
Nach 1989 wurden mit dem Übergang von der Planwirtschaft zur
Marktwirtschaft fast alle rumänischen Schiffe verkauft und die Häfen
privatisiert, aber die Schiffsbaukapazitäten bestehen immer noch (Abbildung
3). Die in den rumänischen Werften gebauten Schiffe dienen dem Einsatz im
Gütertransport zur See oder auf Flüssen, als Massengutfrachter, Öltanker,
Schubschiffe für Konvois, Leichter, aber auch als Schleppkähne,
Fischereiboote, Binnenschiffe, Versorgungsschiffe für Plattformen und als
Tiefwasserpontons. Der größte schwimmende Kran im Schwarzen Meer und im
Mittelmeer, der Schwimmkran St. Mykolai, wurde in Konstanza gebaut. Das
Potential ist groß.
Die Bedeutung Konstanzas und des Donau-Rhein-Korridors für BRI
Bekanntlich gehört zur Initiative der Neuen Seidenstraße auch eine Maritime
Seidenstraße. In diesem Kontext haben der Hafen Konstanza und der
Donau-Rhein-Korridor das Potential, die wichtigste Ost-West-Verbindung für den
Schiffsverkehr über die Maritime Seidenstraße zu werden. China hat ein klares
Interesse daran gezeigt, eine Donau-Verbindung zu schaffen, und vereinbarte
schon 2013, eine Machbarkeitsstudie für einen Vardar-Morava-Kanal
durchzuführen, der das Ägäische Meer mit der Donau verbinden könnte
(Abbildung 4). China hat außerdem mit den CEEC-Ländern – den 16 Staaten
Mittel- und Osteuropas, die sich am sog. 16+1-Prozeß beteiligen – eine
umfassendere Strategie begonnen, die sog. Seehäfen-Kooperation
Adria-Ostsee-Schwarzmeer. In den „Rigaer Richtlinien“ für die Kooperation
zwischen China und den CEEC-Ländern von 2016 heißt es dazu:
„Die Teilnehmer begrüßen und unterstützen die Kooperation der Häfen
zwischen China und den CEEC-Ländern an der Ostsee, der Adria und am Schwarzem
Meer, und die Schaffung eines China-CEEC-Sekretariats für Maritime Fragen in
Polen, um die Kooperation zwischen den größeren Häfen der Küstenregionen
voranzutreiben und die Kooperation bei der Entwicklung der Infrastruktur,
darunter Eisenbahnen, Straßen, Wasserwege und Logistikzentren, zu
fördern.“
Zur Frage der Finanzierung heißt es: „Der China-CEEC-Investmentfonds (Phase
2) wird 2017 geschaffen werden und die Arbeit aufnehmen.“ Zu diesem Fonds
sagte Chinas Ministerpräsident Li Keqiang am 5. November 2016 in Riga: „China
unterstützt die Ausweitung der Kooperation bei der Abrechnung in den lokalen
Währungen, und es unterstützt Finanzinstitutionen wie den Seidenstraßen-Fonds,
um in verschiedenen Formen wie Kapital oder Anleihen Finanzmittel für Projekte
der 16+1-Kooperation zur Verfügung zu stellen.“
Offen blieb die Frage, welche Summen dafür mobilisiert werden können. Auf
der Internetseite von CEE Equity Partners Ltd., dem Investitionsberater des
China-CEEC-Investmentfonds, erfahren wir: „Eine typische Investition wird
zwischen 10 und 70 Mio. $ betragen.“ Das scheint zuwenig, wenn man weiß, daß
der Hafen Doha (Qatar) mehr als 7 Mrd.$ gekostet hat. Es wurden jedoch Banken
aus China und aus den CEEC-Ländern eingeladen, sich an diesem Fonds zu
beteiligen, damit seine Bedeutung wächst.
Die Seehäfen-Kooperation Adria-Ostsee-Schwarzmeer überschneidet sich mit
der „Drei-Meere-Initiative“, der zwölf Mitgliedstaaten der EU angehören, die
zwischen der Ostsee, der Adria und dem Schwarzem Meer liegen. Die Initiative
zielt darauf ab, die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Fernstraße „Via
Carpathia“ zu schaffen, die die Ostsee mit dem Adriatischen Meer und dem
Schwarzen Meer verbinden soll. Ein weiterer Aspekt ist die Diversifizierung
der Gaslieferungen, um die Importe aus Rußland zu reduzieren, ein
geostrategischer Plan, der von den USA unterstützt wird. Die finanziellen
Aspekte der Drei-Meere-Initiative sind noch weniger klar.
EIR
Abb. 5: Der Eurasische Seidenstraßen-Kanal soll das Schwarze Meer mit dem
Kaspischen Meer verbinden.
Eine weitere bahnbrechende zukünftige Entwicklung ist der von Rußland,
Kasachstan und China geplante Eurasische Seidenstraßen-Kanal, der das
Kaspische Meer mit dem Schwarzen Meer verbinden soll und berücksichtigt werden
sollte, wenn es um die Zukunft der rumänischen Wasserstraßen geht
(Abbildung 5). Durch diese Verbindung würde das Schwarze Meer eine
zentrale Rolle in der Maritimen Seidenstraße erhalten. In einem Videobeitrag
von Prof. Nuraly Bekturganow, Vizepräsident der Akademie der
Naturwissenschaften von Kasachstan, für eine Konferenz des Schiller-Instituts,
die 2018 in Bad Soden in Deutschland stattfand, erfahren wir, daß dieser Kanal
China, Zentralasien und Rußland miteinander verbinden würde, für
Schwerlastschiffe mit bis zu 11,5 m Tiefgang ausgelegt wäre und 120 Mio. t
Fracht pro Jahr befördern könnte. Er würde einen Teil des Seeschiffsverkehrs
aufnehmen, der jetzt durch den Suezkanal abgewickelt wird.5
Auch die Österreicher sind äußerst interessiert am Potential ihrer
„östlichen Nachbarn“, wie sie sie nennen. Eine Studie über „Die Europäische
Seidenstraße“, die 2018 vom Wiener Institut für Internationale
Wirtschaftsvergleiche (WIIW) vorgelegt wurde, schlägt einen „Big Push“ bei den
Infrastrukturinvestitionen in der „östlichen Nachbarschaft“ Westeuropas
vor.6
Die Studie weist darauf hin, daß in diesem Raum rund 480 Millionen Menschen
leben, fast ebenso viele wie in der Europäischen Union: 30 Millionen auf dem
Westbalkan und in den anderen Ländern der Europäischen Freihandelszone, rund
200 Millionen in den früheren Sowjetrepubliken Europas, fast 90 Millionen in
den zentralasiatischen Republiken und jeweils rund 80 Millionen in den beiden
weiteren Anliegerstaaten des Schwarzen Meers und des Kaspischen Meers, der
Türkei und dem Iran. Als Südroute der „Europäischen Seidenstraße“, wie sich
der Vorschlag in der Studie nennt, soll Westeuropa von Mailand aus entlang der
Donau und über den Hafen Konstanza mit der „östlichen Nachbarschaft“ verbunden
werden.
Die Kosten eines solchen „Big Pushs“ für die Südroute mit einer neuen
Autobahn und Eisenbahnstrecke von Mailand bis Konstanza schätzt man auf 69,9
Mrd. Euro für den Bau der Autobahn und 141,8 Mrd. Euro für den Bau einer
hochwertigen Eisenbahn. Hinzu kommen die Kosten für den Bau von fünf modernen
Seehäfen (35 Mrd. Euro), zehn Binnenhäfen (ebenfalls 35 Mrd. Euro) und zwölf
Logistikzentren (25,4 Mrd. Euro). Als weiterer wichtiger Aspekt wird in der
Studie erwähnt, daß dies keine Konkurrenz zur chinesischen
Seidenstraßen-Initiative wäre, sondern sie ergänzen soll.
Was zu tun ist: Keine Loreley an der Donau
Die gegenwärtige Schiffbarkeit der Donau bleibt hinter ihrem Potential weit
zurück. Das liegt zum Teil daran, daß sie nicht genug ausgebaggert wird, aber
auch am mangelnden Ausbau, der für die Anliegerstaaten eine große finanzielle
Belastung darstellt. Zwei Probleme müssen gelöst werden.
Das erste ist der Mangel an Geldern einer Europäischen Union, die unter
einer anhaltenden Finanzkrise leidet. Die „Strategie für die Donau“ der
Europäischen Union sieht eine Mindesttiefe von 2,5 m für schwere Konvois vor,
aber in demselben Dokument heißt es, daß keine weiteren Gelder für die
„Strategie“ bewilligt werden.7 Der Europäische Rechnungshof, ein
Organ der Europäischen Union, erklärte 2015 in einem Bericht
unmißverständlich: „Die geschätzten Kosten für die Beseitigung aller
identifizierten Engpässe überschreiten bei weitem die beschränkten verfügbaren
Mittel aus dem EU-Haushalt für die Infrastruktur des internationalen
Wassertransports.“8
Ein zweites, grundlegenderes Problem ist der Mangel an Vision und die
herrschende pessimistische Geisteshaltung. Die „Strategie für die Donau“
beruht auf einem Denken, das menschliche Eingriffe in das vermeintliche
natürliche Gleichgewicht ablehnt. Nach dieser pessimistischen Sichtweise
hätten große Infrastrukturprojekte, die die Schiffbarkeit sicherstellen,
negative Folgen für die Natur, deshalb will man die Bemühungen darauf
konzentrieren, die natürliche Umwelt zu erhalten und die Infrastrukturprojekte
klein zu halten. Nach dieser Sicht würde die schöne Nixe Loreley, die die
Schiffer auf dem Rhein so ablenkt, daß sie auf die Felsklippen im Rhein
auffahren und untergehen, noch immer ihr Opfer fordern, da die Arbeiten, durch
die die Klippen beseitigt wurden, niemals durchgeführt worden wären.
Das „ökologische“ Argument wird auch manchmal von Staaten wie Ungarn
vorgebracht, die unter Berufung auf den Umweltschutz Infrastrukturprojekte zur
Verbesserung der Schiffbarkeit stoppten9 und so die Idee der
gemeinsamen Entwicklung gefährdeten.
Mit Hilfe einer gemeinsamen größeren Vision, die seit 2013 durch die
Initiative der Neuen Seidenstraße mit ihren Kreditlinien möglich wurde,
könnten diese Hindernisse beseitigt werden. Die Wirtschaftskommission für
Europa der Vereinten Nationen (UNECE) hat eine Liste von
Schiffahrtshindernissen zusammengestellt,10 und im Rahmen der
China-CEEC-Kooperation sollte man zum gemeinsamen Nutzen ein ehrgeiziges
Projekt starten, diese Hindernisse möglichst bald zu beseitigen. In einer
starken gemeinsamen Dynamik könnten auch die Einzelakteure überzeugt werden,
im Sinne des gemeinsamen Interesses zu denken.
Wikimedia Commons/David Liuzzo/cc-by-sa 3.0 (Europakarte), Alexander Hartmann (Ostsee-Schwarzmeer-Wasserstraße)
Abb. 6: Die vorgeschlagene Ostsee-Schwarzmeer-Wasserstraße soll den Weg von
der Ostsee zum Schwarzen Meer deutlich verkürzen.
www.focus-energetic.ro
Abb. 7: Der Bukarest-Donau-Kanal soll die rumänische Hauptstadt mit der Donau verbinden.
Der Schwarzmeer-Ostsee-Kanal
Im Kontext der Seehäfen-Kooperation Adria-Ostsee-Schwarzmeer sollte Rumänien eine Machbarkeitsstudie und den anschließenden Bau einer ehrgeizigen Wasserstraße von Galatz (GalaÅ£i) nach Danzig vorschlagen, die die Ostsee mit dem Schwarzen Meer verbinden würde (Abbildung 6). Das Projekt wird von der rumänischen Wirtschaft unterstützt und wurde schon vor hundert Jahren diskutiert. Dazu sollen Weichsel, San, Dnjestr und Pruth auf einer Länge von insgesamt rund 1900 km ausgebaut und ein 72 km langer Kanal zwischen Dnjestr und Pruth gebaut werden.
Das Projekt würde die derzeitige Fahrstrecke zwischen
dem Schwarzen Meer und der Ostsee (über Wolga und Don) deutlich verkürzen, und
der rund 4000 km lange Weg nach Nordeuropa durch den Atlantischen Ozean würde
vermieden. Sie würde den nordeuropäischen Ländern Zugang zum Schwarzen Meer,
zum Kaukasus und zum Suezkanal verschaffen. Und sie würde den Anliegerstaaten
Rumänien, Moldawien, Ukraine und Polen ermöglichen, beim Aufbau von
Infrastruktur für Handel, Hochwasserschutz, Kraftwerksbau und Bewässerung zu
kooperieren. Dies ist eine der ärmsten Regionen Europas, die nicht zuletzt
aufgrund der wirtschaftlichen Lage zum Teil politisch destabilisiert ist.
Der Bukarest-Donau-Kanal
Der 73 km lange Kanal, der Bukarest, Rumäniens politische und
wirtschaftliche Hauptstadt, mit der Donau und dem Schwarzen Meer verbinden
soll (Abbildung 7), wurde in der kommunistischen Ära zu 70%
fertiggestellt, aber nach der Revolution 1990 wurden die Arbeiten eingestellt.
Sein offenkundiger Nutzen wäre eine Förderung der Wirtschaft in Bukarest, aber
er würde auch dazu beitragen, 150.000 ha Ackerland zu bewässern und vor
Hochwasser zu schützen. Die Bürgermeisterin von Bukarest, Gabriela Firea,
erklärte kürzlich, daß sie für die Wiederaufnahme der Bauarbeiten ist. Das
Projekt werde etwa 1,5-1,7 Mrd. Euro kosten. Der Stadtrat will dazu ein
Projekt vorschlagen, das dann von der EU mitfinanziert werden soll. 2018
sprach Firea auch beim Bukarester Forum „Dialog der politischen Parteien“ im
Rahmen des 16+1-Kooperationsformats und sagte dort: „Bukarest kann wirklich
das Tor werden, durch das die Neue Seidenstraße das Gebiet der Europäischen
Union erreicht.“ Die Stadt müsse ein „Knotenpunkt des Handels und des Verkehrs
auf der Neuen Seidenstraße zwischen China und Europa“ werden.11
Der Bau dieses Kanals muß Teil eines kohärenten Plans zur
Re-Industrialisierung sein, damit Waren, die in Bukarest hergestellt werden,
über den Kanal und die Donau nach Westen sowie nach Osten zum Schwarzen Meer
transportiert werden können. Der ehrgeizige Plan, Bukarest zu einem
Knotenpunkt an der Neuen Seidenstraße aufzubauen, kann realisiert werden, wenn
der Hafen von vornherein als ein automatisierter, intelligenter Hafen geplant
wird. Rumänien sollte auch dies als Projekt für die China-CEEC-Kooperation
vorschlagen.
Rumäniens Werften und Flotten
Eine Rolle als Umschlagplatz wäre interessant, würde aber nicht ausreichen.
Angesichts der früheren Bedeutung seines Schiffsbaus und seiner Flotten könnte
Rumänien im Kontext der Seehäfen-Kooperation Adria-Ostsee-Schwarzmeer im
Rahmen der Seidenstraße einen kohärenten Plan für den Schiffsbau starten.
Rumänien pflegte in der Vergangenheit eine wichtige wirtschaftliche
Zusammenarbeit mit afrikanischen und anderen blockfreien Nationen, und seine
Schiffsbaukapazitäten könnten erneuert werden, um maßgeschneiderte Lösungen
für Entwicklungsländer zu entwickeln. Rumänien hat in Afrika ein wichtiges
Vertrauenskapital und einen Ruf als nicht-imperiales Land, das seine Geschäfte
auf der Grundlage einer Win-Win-Mentalität betreibt. Ein Beispiel einer
langfristigen Kooperationsgelegenheit wäre das Transaqua-Projekt für einen
rund 2400 km langen, schiffbaren Kanal von der Demokratischen Republik Kongo
zu den Ländern am Tschadsee, was einen Bedarf für eine interafrikanische
Flotte schaffen würde.
Es sollte eine Studie mit einer Bestandsaufnahme der verbliebenen
Schiffbaukapazitäten und einem Überblick über die notwendigen Investitionen
für deren Modernisierung erstellt werden. Ein Problem, das gelöst werden muß,
damit ein solcher kohärenter Plan umgesetzt werden kann, sind die
unterschiedlichen Interessen im Schiffbau und im Wassertransportsektor, da die
Werften nach 1989 in den Bankrott getrieben und dann privatisiert wurden. Zu
stark divergierende Interessen könnten ein koordiniertes Vorgehen behindern.
Die gleiche Herausforderung stellt sich bei dem derzeitigen privaten
Management der verschiedenen Hafenterminals. Wenn man den Erfolg von Rotterdam
und seiner exzellenten Mobilisierung zur Automatisierung des Hafens
untersucht, wird man feststellen, daß dieser Hafen ein Staatsbetrieb ist.
Mit der Schaffung neuer Kanäle und der Wiederbelebung der Donauregion
dürfte das Frachtaufkommen in der Schiffahrt – sowohl über See als auch auf
den Binnenwasserstraßen – zwischen Asien und Europa deutlich zunehmen. Diese
neuen Entwicklungen sollte man studieren, und in diesem Kontext könnte
Rumänien seine Flotte wiederbeleben und ein Schiffsbauunternehmen gründen oder
Kredite dafür bereitstellen. Dieses Unternehmen könnte zu einem Vorbild für
den Transport über die zukünftige Verbindung von der Neuen Seidenstraße über
das Schwarze Meer und die Donau zum Rhein werden und eine entscheidende Rolle
beim Aufbau der Schwarzmeer-Ostsee-Verbindung spielen.
Last but not least sollte Rumänien seine Seehäfen modernisieren und
komplett automatisieren und sie auf die Zukunft intelligenter Container und
Häfen vorbereiten. Diese Aufgabe wäre ein gute Herausforderung für den
rumänischen IT-Sektor und für die Ingenieurschulen des Landes.
Das Hinterland muß aufblühen
Das Beispiel des größten Hafens der Welt, Shanghai, zeigt uns, daß der
Erfolg mit der industriellen Produktion in seinem „Hinterland“ zusammenhängt.
Nur 17% des Containerverkehrs in Shanghai entfällt auf die internationalen
Schiffahrtsrouten, dagegen sind 58% des Containerverkehrs auf das Tal und
Delta des Jangtse ausgerichtet, ein Zentrum der industriellen
Produktion.12 Wenn die rumänischen Häfen nur Umschlagsplätze für
ausländische Waren sind, werden sie einem harten Unterbietungswettbewerb
ausgesetzt sein.
Die rumänischen Planer sollten daher genau das Geheimnis des Aufschwungs
des chinesischen „Hinterlands“ studieren und eine Strategie entwickeln, die in
Verbindung mit den Häfen die rumänische Industrieproduktion wieder in Gang
bringt. Die Entwicklung moderner Werften und Häfen könnte einer der Wege
hierzu sein und den Aufbau kleiner und mittlerer Unternehmen mit Lösungen
made in Romania anregen.
Der Hafen Konstanza hat bereits Vereinbarungen mit den Häfen Qingdao und
Ningbo-Zhoushan in China geschlossen, und die Wirtschaft veranstaltet
regelmäßig Foren, um dem Hafen Konstanza eine Position im Frachtverkehr
entlang der Neuen Seidenstraße zu verschaffen. Um die Re-Industrialisierung
des Hinterlandes des Hafens sicherzustellen, könnte man auch die
Wissenschaftsgemeinde in den Prozeß einbinden und Partnerschaften zwischen
rumänischen und chinesischen wissenschaftlichen Einrichtungen gründen, wie dem
Changjiang (Jangtse) River Scientific Research Institute (CRSRI), dem
berühmten Hydrologischen Forschungsinstitut, das das Projekt für den Bau des
Drei-Schluchten-Damms entwickelte.
Landwirtschaft, Hochwasserschutz und Wasserregulierung sind auch für
Rumänien wichtig, da der Süden und Südosten des Landes immer wieder unter
Dürren wie unter Überschwemmungen leidet. Rumänien droht der Verlust seiner
wertvollen Schwarzerde-Böden. Der Präsident des Rumänischen Instituts für
pedologische und agro-chemische Forschung sagte 2013, rund 400.000 ha
landwirtschaftlicher Nutzfläche drohe die Versteppung. Paradoxerweise grenzen
diese Regionen an die wasserreiche Donau. Insgesamt haben 13
EU-Mitgliedstaaten Versteppungsprobleme nach der UN-Konvention zur Bekämpfung
der Wüsten (UNCCD) angemeldet: Bulgarien, Kroatien, Zypern, Griechenland,
Ungarn, Italien, Lettland, Malta, Portugal, Rumänien, die Slowakei, Slowenien
und Spanien.
Als Antwort darauf könnten interdisziplinäre Forschungsteams und
Ingenieurteams einen integrierten Plan für das gesamte Donautal ausarbeiten,
der Hochwasserschutz, Bewässerung und Sicherung der Schiffbarkeit miteinander
verbindet und der, auf ein besseres Verständnis von Wasserkreislauf und Böden
gegründet, Ingenieurslösungen für die Probleme der Schiffbarkeit,
intelligenter Häfen, Hochwasserschutz und Bewässerung liefert. Ein solcher
Plan könnte auch darauf abzielen, die zahlreichen kleineren und mittleren
Binnenhäfen an der Donau und ihren Nebenflüssen auszubauen und
wissenschaftliche Einrichtungen und wirtschaftliche Entwicklung auch in die
bisher sehr armen Regionen zu bringen. Das DAPhNE-Netzwerk der EU, das darauf
abzielt, alle Häfen an der Donau zu entwickeln, indem es den Austausch von
Erfahrungen und Kenntnissen fördert, ist ein interessanter Ansatz, auch wenn
er aufgrund seiner geringen finanziellen Ausstattung nicht ehrgeizig genug
ist.13
Ein blühendes Hinterland bedeutet auch, daß die Häfen mit einem dichten
Netz von Hochgeschwindigkeitsbahnen und Autobahnen verbunden sein müssen. Es
ist eine anerkannte Tatsache, daß Rumänien moderne Autobahnen fehlen und daß
das einst gute Eisenbahnnetz nicht ausgebaut und nur schlecht instand gehalten
wurde; es ist also ein neuer Impuls notwendig, um die bestehenden
Autobahnprojekte zu realisieren und weitere, ehrgeizigere zu entwickeln, wie
beispielsweise Magnet- oder Luftkissenbahnen (für Geschwindigkeiten bis 500
oder 600 km/h).
Ohne eine Industrialisierungsstrategie und die Entwicklung ihres
Hinterlandes riskieren die rumänischen Häfen, Kolonialhäfen zu werden, die
lediglich dazu dienen, rumänische Rohstoffe auszuführen, die von
multinationalen Unternehmen ausgebeutet werden.14
Alexandra Bellea-Noury (alexandra.bellea@gmail.com) ist
Mitarbeiterin des französischen Schiller-Instituts.
Anmerkungen
1. Schiffe und Schiffsverbände der Klasse VII können laut Vereinbarung der
Europäischen Verkehrsministerkonferenz eine Länge von bis zu 285 m, eine
Breite von bis zu 34,20 m und einen Tiefgang von 2,50-4,50 m und
eine Tonnage von 14.500-27.000 t BRT haben. (s. http://voies-hydrauliques.wallonie.be/opencms/export/sites/met.dg2/images/fr/promotion/cartes/carte_france_europe_VNF.jpg)
2. http://www.portofconstantza.com/apmc/portal/static.do?package_id=term_containere&x=load
3. http://enciclopediaromaniei.ro/wiki/Index:Ateliere_şi_şantiere_navale_româneşti
4. https://www.digi24.ro/special/campanii-digi24/romania-furata/romania-furata-cum-a-esuat-flota-comerciala-537606
5. https://solidaritaet.com/neuesol/2018/34/bekturganow.htm
6. https://wiiw.ac.at/die-europaeische-seidenstrasse--p-4598.html
7. http://ec.europa.eu/regional_policy/en/policy/cooperation/macro-regional-strategies/danube/
8. Bericht des Europäischen Rechnungshofs: Die Binnenschifffahrt in Europa:
keine signifikanten Verbesserungen in Bezug auf Verkehrsträgeranteil und
Schiffbarkeitsbedingungen seit 2001, 2015, p.30, https://publications.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/3b6f7a9f-9d32-4ef7-a087-156c5d9070a3/language-de/format-PDF/source-77116817
9. a.a.O., S. 32
10. https://www.unece.org/fileadmin/DAM/trans/doc/2013/sc3wp3/ECE-TRANS-SC3-159-Rev1e.pdf
11. https://www.wall-street.ro/articol/Politic/212402/gaabriela-firea-dorim-finalizarea-unui-canal-dunare-bucuresti.html
12. https://www.solidariteetprogres.org/documents-de-fond-7/economie/l-autre-secret-du-miracle.html
13. Das Projekt hat ein Gesamtbudget von weniger als 3 Mio. Euro, http://www.interreg-danube.eu/uploads/media/approved_project_public/0001/04/38ab0783f2de7b1724a559663a7b84eaf4569a67.pdf
14. Diese Tendenz ist bei den amerikanischen Maisexporten aus Rumänien nach
Ägypten erkennbar, bei denen der Hafen von Konstanza eine wichtige Rolle
spielt.
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