Bitcoins: der letzte Schrei des transatlantischen Spekulationswahns
Der folgende Beitrag beruht auf einem Artikel, der am 21.
Dezember auf der Internetseite der französischen Partei Solidarité et Progrès
erschien, sowie auf Diskussionen, an denen der frühere französische
Präsidentschaftskandidat Jacques Cheminade und die Vorsitzende des
Schiller-Instituts Helga Zepp-LaRouche beteiligt waren.
Die Anekdote wurde schon oft erzählt: 1929 ließ sich der reiche
Schnapsschmuggler Joseph Kennedy (der Vater des zukünftigen amerikanischen
Präsidenten) von dem Schuhputzer, bei dem er Stammkunde war, die Stiefel
putzen. Der Mann sagte zu ihm: „Herr Kennedy, ich habe einen großartigen
Aktientipp für Sie.“ Kennedy hörte es sich an und dachte: Wenn jetzt schon
Schuhputzer an der Börse spekulieren, dann ist es höchste Zeit, alles zu
verkaufen. Er hatte recht. Kennedy verkaufte seine Aktien gerade noch vor dem
Absturz und war in den 1930er Jahren einer der reichsten Männer Amerikas.
Heute verbreitet sich die Bitcoin-Manie überall, bis hinein in die
Regionen, die am schwersten unter der Wirtschaftskrise leiden, und löst durch
Dopamin- und Serotonin-Ausschüttung Rauschzustände aus, die unterschiedlichste
Menschen dazu verleiten, sich als „Investoren“ zu betätigen.
Das ist aber nur die extremste Erscheinungsform der Pyramidenspiele im
westlichen Finanz- und Währungssystem, deren Anfänge zur Zerschlagung des
Bretton-Woods-Finanzsystems 1971 zurückreichen – eine Folge der Kooperation
der Vereinigten Staaten mit den Spekulanten und Finanzpiraten des Britischen
Empires, die Präsident Truman nach Franklin Roosevelts Tod begann. Lyndon
LaRouche warnte schon damals, diese Kooperation werde beispiellose
Katastrophen zur Folge haben.
Diese jüngste Finanzblase ist für alle, die das Denken noch nicht verlernt
haben, der Beweis dafür, daß dieses System völlig verrückt geworden ist. Das
neue Paradigma, zu dessen Vorkämpferinnen Helga Zepp-LaRouche gehört, umfaßt
mehr als nur die neuen Bahnstrecken und andere beeindruckende Infrastruktur
der Neuen Seidenstraße. Es ist ein neuer Geist: Man verschafft sich nicht Geld
und Macht, indem man sie anderen wegnimmt, sondern baut eine neue Ordnung auf,
in der jeder gewinnt („Win-Win“), um Wohlstand zu produzieren und um
Kenntnisse über das Universum und die Schönheit unseres Zusammenlebens mit
unseren Mitmenschen zu vermehren.
Verbrechen, Delirium und Gier
Der spekulative Höhenflug der „Kryptowährung“ hat die Fachpresse überrascht
und bestürzt. Wir haben viele Gespräche mit Fachleuten geführt, die davor
warnen, Bitcoin-Derivate zur Alltagsware zu machen. Das sagen sogar Leute,
deren Ansichten über Wirtschaft man nicht gerade moralisch nennen kann, ihnen
geht es nicht um das Wohl der Mitmenschen oder humane Werte. Aber sie haben
Angst. Sie sind „Marktkonservative“, und jetzt fürchten sie das
Frankenstein-Monster, das sie selbst geschaffen haben. Und es wird größer und
größer.
Bei seiner Erschaffung war ein Bitcoin nur ein paar Cent wert. Bis Ende
August 2017 war sein Kurs auf rund 4000 $ angestiegen, Mitte Dezember waren
20.000 $ erreicht. China, Marokko und Südkorea haben Maßnahmen ergriffen, um
den Bitcoin zu verbieten. Japan dagegen hat ihn legalisiert, und die
internationalen Finanzinstitutionen werben sogar für ihn. Am 7. Dezember
meldeten Reuters und Bloomberg, Goldman Sachs wolle „für einige
Kunden Bitcoin-Termingeschäfte abrechnen, wenn das neue Geschäft an der Börse
eingeführt wird“. Am 10. Dezember führte die CME Group den ersten Futuresmarkt
für Bitcoins an der Chicagoer Warenbörse (CME) und an der Chicagoer
Handelskammer (CBOT) ein. Dem Vernehmen nach will auch die NASDAQ-Börse in New
York in der ersten Jahreshälfte 2018 den Handel mit Bitcoin-Futures
aufnehmen.
Wir leben heute in vieler Hinsicht in George Orwells Dystopie – oder war es
Bertrand Russells Utopie? –, wo man Menschen glauben machen kann, schwarz sei
weiß oder Unrecht sei Recht. Genauso hat man uns eingeredet, Bitcoins (und
andere Kryptowährungen) seien eine Alternative zum „System“, obwohl sie nichts
anderes sind als dessen extremste und abartigste Erscheinungsform. Es
entspricht voll und ganz dem libertären Projekt eines der Väter des modernen
Ultraliberalismus, Friedrich von Hayek, „private“ Währungen einzuführen, die
vom Staat unabhängig sind. Wer Kryptowährungen als Alternative preist,
überläßt die Macht einem System, in dem die Währungen faktisch der Kontrolle
des Staates entzogen sind und Geldfälscher in den Zentralbanken oder privaten
Banken die Kontrolle haben. Mit diesem Wahn ist wirklich das Ende der
Fahnenstange erreicht!
Bitcoins beruhen nicht auf irgendwelchen realen Werten. Ein Team
australischer Forscher der Technischen Universität Sydney und der Universität
Sydney hat soeben eine Studie veröffentlicht („Sex, Drugs and Bitcoin“,
https://www.uts.edu.au/about/uts-business-school/news/how-much-illegal-activity-financed-through-bitcoin),
aus der hervorgeht, daß fast die Hälfte aller Bitcoin-Transaktionen mit dem
Kauf und Verkauf illegaler Waren und Dienstleistungen verbunden sind, wie
Drogen, gestohlene Waffen und Software-Raubkopien. Die große Mehrheit der
übrigen, „legalen“ Nutzer sind Leute wie Kennedys Schuhputzer, die Bitcoins
kaufen und darauf warten, daß der Kurs weiter steigt.
Mitte Dezember gingen Mitstreiter der LaRouche-Bewegung in Frankreich zum
„Maison du Bitcoin“ in der Rue de Caire 35 im Pariser Finanzdistrikt. Sie
berichteten, daß die durch das „Zaubergeld“ ausgelöste fieberhafte Gier der
einfachen Leute fast mit Händen zu greifen war, als sie mit den Passanten
sprachen. Einer sagte: „Es geht einzig und allein darum, im richtigen Moment
auszusteigen.“ Ein anderer rief: „Bitcoins sind von gestern. Investiert in
Ripple!“ Ein dritter sagte: „Ich bin hier, um Informationen zu besorgen. Die
Vermögensverwalterin meines Chefs – eine ältere Dame – hat mich hergeschickt,
um Informationen zu beschaffen.“ Ein etwa dreißigjähriger Mann, der in
Bitcoins investiert hatte, als sie nur wenige Cent kosteten, ließ sich an
diesem Tag alles auszahlen und wurde Millionär. Auf unsere Frage: „Sind Sie
geldgierig?“ antwortete er: „Natürlich bin ich das. Insider wie ich machen das
große Geld, weil es gutgläubige Narren gibt, die jetzt kaufen!“
Die Bitcoin-Blase 2017 [oben] und ihr Vorgänger, die Tulpenblase 1637 [unten].
Wird dies der Auslöser des Zusammenbruchs des transatlantischen Systems
sein?
Finanzanalysten vergleichen den Bitcoin-Höhenflug mit der holländischen
Tulpenblase, die 1637 eine Krise des gesamten damaligen Finanzsystems
auslöste. Wie Ambrose Evans-Pritchard am 14. Dezember im Daily
Telegraph schrieb: „Die ,Alles-Blase’ steht vor dem Platzen.“
Es gibt eine Obergrenze von 21 Millionen für die Ausgabe von Bitcoins, und
je mehr wir uns dieser schicksalhaften Zahl annähern, desto knapper werden sie
als handelbares Zahlungsmittel, was den Kurs in den Himmel treibt. Der
Dollarwert des Bitcoin ist seit Jahresbeginn um mehr als 1700% angestiegen.
Der Gesamtwert hat inzwischen etwa 400 Mrd.$ erreicht.
Der Ökonom Daniel Cohen analysiert dieses Phänomen in einem Kommentar mit
dem Titel „Was der Bitcoin-Wahn zeigt“ in der französischen Zeitung
L’Obs: „In einer Welt, die immer vom maximalen Gewinn träumt, wurden
die Bitcoins tatsächlich zu einer Phantasiemaschine. In einem Jahr hat sich
der Kurs verzehnfacht, in zwei Jahren verhundertfacht!“ Cohen weiter: „Alles
wurde getan, um es ähnlich erscheinen zu lassen wie Gold. Man kann in den
Bitcoin-Minen ,graben’ wie Goldgräber, indem man komplexe Algorithmen löst,
mit denen man sich kostenlose Bitcoins verdient... Aber egal wie man es
formuliert, der Bitcoin ist und bleibt eine Finanzblase. Die Käufer besitzen
ihn nicht wegen des Eigenwertes – er hat keinen –, sondern um ihn zu einem
höheren Preis an den nächsten Dummen weiterzuverkaufen. Sobald sich keiner
mehr findet, wird die Blase platzen.“
Bitcoins würden zur Steuerhinterziehung genutzt, so Cohen. „Sie bieten
allen Mafiosi der Welt ein ideales Zahlungsmittel: sicher, immateriell und
außerhalb des öffentlichen Bereichs. Aber dieser Wahn kann nur gedeihen, weil
die staatlichen Stellen dies zulassen. An dem Tag, an dem sie ihn verbieten,
weil sie erkannt haben, daß sein Wert auf seiner Verbindung zur Illegalität
beruht, wird der Bitcoin von einem Augenblick zum anderen kein Geld mehr
sein.“
Das Problem ist, daß viele, ja sogar die meisten Menschen in Europa nicht
glauben können, daß die Dinge sich bessern werden. Sie sehen die Zukunft nur
grau und schwarz. LaRouches Mitstreiter in Frankreich sind fest entschlossen,
den Bürgern wieder das Gefühl zu geben, daß sie etwas verändern können. In
China geschieht das längst, und in gewissem Sinne auch in Rußland und in
Amerika mit Trump. Dann kann man den Menschen ein neues Verständnis ihrer
Umstände vermitteln, weil sie die Welt von oben betrachten können. Wir sehen
in breiten Schichten viele positive Reaktionen auf diesen völlig realistischen
strategischen Optimismus.
Lyndon LaRouche gelangte in der Diskussion mit seinen europäischen
Mitstreitern zu dem positiven Schluß: „Wenn wir unsere Arbeit richtig machen,
können wir die Aufgabe wahrscheinlich bestens bewältigen.“ Wir können mit
Menschen in vielen Teilen der Welt ein Katalysator sein, damit getan wird, was
getan werden muß – einfach indem wir mit den Menschen sorgfältig darüber
sprechen, was zu tun ist. Der Mensch hat diese Fähigkeit; wir können eine
größere Kraft aufbauen, als sie bisher existierte. Wir können gewinnen.
Stephanie Ezrol
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