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Finnische Initiativen für Eisenbahnring von Deutschland bis zur Arktis

Die finnische Regierung hat am 9. März angekündigt, daß sie eine Arktis-Bahn zur östlichsten norwegischen Stadt Kirkenes an der Barentssee bauen möchte. Damit ist die Entscheidung über den Verlauf der Bahnstrecke gefallen, um die mehrere norwegische Häfen und die russische Hafenstadt Murmansk konkurriert hatten. Durch die Strecke von Kirkenes kann eine reiche Bergbauregion im Norden Finnlands erschlossen werden. Die Bahnstrecke wird nach Rovianiemi führen, wo es Anschluß an das übrige finnische Bahnnetz gibt. Die Arktisbahn wird ganz Finnland und Schweden die Anbindung an die Nordostpassage und an die riesigen Energieprojekte in der Arktis sichern.

Finnlands Verkehrsministerin Anne Berner setzt sich für eine ganze Reihe von Projekten ein, um den Nördlichen Seeweg via Finnland direkt mit Mitteleuropa zu verbinden. U.a. wirbt sie für das Tunnelprojekt zwischen der finnischen Hauptstadt Helsinki und der estnischen Hauptstadt Tallinn (s. Neue Solidarität 7/2018). Dort soll die geplante „Rail Baltica“ beginnen, die Baltikumbahn, eines von neun leider weitgehend eingeschlafenen transeuropäischen Verkehrsprojekten (TEN-V oder engl. TEN-T). Berner sucht aktiv den Kontakt zu zuständigen Stellen in Norwegen, Schweden und den baltischen Staaten sowie den Vertretungen der indigenen Völker entlang der Bahnstrecke. Ministerin Berner hatte auch Finnland bei der großen internationalen Landbrückenkonferenz in Beijing im Mai 2017 vertreten.

Karte: http://arcticcorridor.fi
Nach den Plänen der finnischen Verkehrsministerin Anne Berner sollen alle Anrainerstaaten der Ostsee durch Eisenbahnkorridore untereinander und mit der „arktischen Seidenstraße“ verbunden werden.

Finnland macht auch Druck auf Schweden, einen weiteren TEN-V-Korridor, den Skandinavien-Mittelmeer-Korridor (ScanMed), der bisher in der schwedischen Hauptstadt Stockholm endet, auszubauen. Am 21. Februar gab Schwedens Infrastrukturminister Tomas Eneroth bekannt, daß seine Regierung bei der Europäischen Kommission einen Antrag gestellt hat, den ScanMed-Korridor 1000 km nach Nordschweden bis nach Haparanda an der finnischen Grenze zu verlängern. Die EU will im Laufe des Frühjahrs ihren neuen Eisenbahnplan vorlegen, und man befürchtete, daß Schwedens Regierung Milliardenzuschüsse der EU entgehen könnten, wenn sie zu lange zögert. Da es sich um TEN-V-Projekte handelt, könnte die EU bis zur Hälfe der Baukosten übernehmen.

Parallel dazu beantragt Finnland von der EU, den Baltischen Korridor von Helsinki bis Tornio an der schwedischen Grenze gegenüber Haparanda zu verlängern. So werden diese Korridore in Schweden und Finnland zusammen einen großen in Korridor in Hufeisenform bilden, den „Bottnischen Korridor“, der die gesamte Ostseeregion integriert, bis nach Dänemark, Deutschland und Polen, womit ein „Ostseering“ oder „Baltischer Eisenbahnring“ rund um die gesamte Ostsee führen würde.

Die Arktisbahn wird eine Verbindung von der Nordostpassage zu beiden Seiten des Hufeisens des Bottnischen Korridors bilden, und zusammen könnten sie die Hauptstrecken für Containerverkehr vom Nördlichen Seeweg nach Nord- und Mitteleuropa werden. Die Schiffe, die diese Route befahren, sind spezielle Eisbrecher (siehe ebenfalls Neue Solidarität 7/2018), was hohe Kosten mit sich bringt, wenn sie entlang der norwegischen Küste beispielsweise bis Rotterdam weiterfahren. Es wäre weitaus günstiger, die vom Pazifik kommenden Schiffe bei Kirkenes zu entladen und von dort aus die Bahn zu nutzen.

Handel mit China

Aus dem von Ministerin Berner anforderten Bericht über eine Arktische Eisenbahn geht hervor, daß das Hauptziel ist, über den Arktisweg mit China zu kooperieren. Die Strecken der Arktisbahn werden zwar aus einem regionalen Standpunkt heraus beurteilt, aber das Kapitel „Die Arktisbahn als Teil des globalen Transportnetzes“ ist wahrhaft visionär. Es heißt dort:

„Aus einer logistischen Perspektive heraus betrachtet, ist Finnland eine Insel und vollständig vom Transport über die Ostsee abhängig. Daher ist es für Finnland wichtig, seine logistische Lage und Erreichbarkeit zu verbessern. Seine geographische Lage kann Finnland zwar nicht ändern, aber es kann sowohl seine logistische Lage als auch Erreichbarkeit verbessern. Finnland könnte ein Knotenpunkt für den nordeuropäischen Personen-, Güter- und Telekommunikationsverkehr werden. Das ist wichtig, weil die Dynamik der Globalisierung immer noch zunimmt. Der Schwerpunkt des internationalen Handels und der internationalen Produktion verlagert sich nach Asien, deshalb werden bessere Verbindungen nach Asien für ganz Europa wichtig. Insbesondere China möchte seine Verbindungen nach Europa aktiv weiterentwickeln, beispielsweise durch arktische Regionen.

Das TEN-V-Entwicklungsprojekt, das für Finnland die weitreichendsten Folgen haben wird, ist die Rail-Baltica-Strecke, welche die baltischen Staaten über Polen mit Deutschland verbinden wird. Finnische Lieferungen und der Transitverkehr durch Finnland werden für das Nachfragepotential der Rail Baltica und somit auch für die Rentabilität dieses Projektes eine beträchtliche Rolle spielen. Ein weiterer Teil dieser Vision ist der Eisenbahntunnel Helsinki-Tallinn, der Finnland mit dem europäischen Bahnnetz verbinden und Finnlands Verbindungen nach Süden verbessern würde.

Im größeren Maßstab ist die Arktisbahn auch mit den gerade erwähnten Projekten, Rail Baltica und Helsinki-Tallinn-Tunnel, verbunden. Insofern sollte die Arktisbahn als Teil des globalen Verkehrsnetzes betrachtet werden. Eine Eisenbahnverbindung von Finnland zum Arktischen Ozean würde Finnlands Verbindungen nach Norden verbessern. Die Arktisbahn würde die Arktisregion und ihre gewaltigen natürlichen Rohstoffe mit Finnlands Bahnnetz verbinden, ebenso wie auch – über den Helsinki-Tallinn-Tunnel und die Rail Baltica – mit Mitteleuropa und weiter. Die Arktisbahn böte eine alternative Route für finnische Im- und Exporte. Eine Verbindung zu den eisfreien Tiefwasserhäfen des Arktischen Ozeans würde die Verbindung zum Atlantik und zur Nordostpassage eröffnen und dadurch Finnlands Transportkapazität erheblich erhöhen und seine logistische Lage und Erreichbarkeit verbessern. Dank dieser Verbindungen würde Finnlands Bedeutung als nordeuropäische Transportroute wachsen.“

Die Bedeutung der Arktisbahn hat der Autor in einer Rede über die Erschließung der Arktis in einer internationalen Konferenz des Schiller-Instituts in Berlin 2012 erläutert (s. Neue Solidarität 13/2012).

Ist die Arktisbahn gegen Rußland gerichtet?

Einige unverbesserliche Geopolitiker verbreiten die Vorstellung, der Helsinki-Tallinn-Tunnel und die Rail Baltica, beide nahe der Westgrenze Rußlands, könnten dazu dienen, Rußland zu isolieren und statt dessen direkte Verbindungen nach China herzustellen, indem man Rußland im Norden und im Süden umgeht. Der in Moskau lebende US-amerikanische Geopolitiker Andrew Korybko verfaßte dazu am 23. März einen Artikel mit dem Titel „Polen und Schweden bauen einen ,Baltischen Ring’“, in dem er dafür sogar an die Geschichte Polens und Schwedens im 16. und 17. Jahrhundert anknüpft und ihre Kooperation als einen neuen „nordischen Block gegen Rußland“ beschreibt.

Solche Gedanken sind völlig unrealistisch, weil der Ausbau der Nordostpassage schon aus geographischen Gründen natürlich weitgehend ein russisches Projekt in Kooperation mit anderen Staaten ist. Darüber hinaus verläuft auch die Neue Seidenstraße von China zur Ostsee großenteils durch Rußland. Regelmäßig treffen Güterzüge in der ostfinnischen Eisenbahnstadt Kouvola und in der lettischen Hauptstadt Riga ein, ebenso wie der sog. „Sun Train“ aus dem chinesischen Chongqing im litauischen Hafen Klaipeda – sie alle fahren durch Rußland. Und wenn in Nordrußland die Belkomur-Abkürzung nach Archangelsk für die Transsibirische Eisenbahn gebaut sein wird, entsteht damit auch ein Korridor nach Mittelfinnland.

Der wichtigste Grund, warum man bei Verkehrs- und Wirtschaftsplänen an der Ostsee um Rußland nicht herumkommt, ist aber der, daß das russische St. Petersburg mit seinen fünf Millionen Einwohnern bei weitem die größte Stadt in der Region ist, deren wirtschaftliche Ausstrahlung sich nicht ausbremsen läßt. Wenn der Tunnel zwischen Helsinki und Tallinn fertiggestellt ist, wird die Region der drei Großstädte am Finnischen Meerbusen, St. Petersburg-Tallinn-Helsinki, der größte Ballungsraum Nordeuropas sein.

Die großen Infrastrukturprojekte im Ostseeraum werden daher nicht das alte Paradigma der Geopolitik, sondern das neue Paradigma der Neuen Seidenstraße stärken.

Ulf Sandmark, Stockholm


Quellen

  • Ministerium der Republik Jemen für Menschenrechte

  • Ministerium der Republik Jemen für Öffentliche Gesundheit und Bevölkerung

  • Behörde für Zivilluftfahrt und Meteorolgie