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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Die Neue Seidenstraße – ein neues Modell für die internationalen Beziehungen

Von Helga Zepp-LaRouche

Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zu dieser Konferenz des Schiller-Instituts. (Im Publikum sind viele Ehrengäste, die wir im Lauf der Veranstaltung noch begrüßen werden. Aber lassen Sie mich stellvertretend den äthiopischen Generalkonsul besonders willkommen heißen.)

Ich möchte mit einer Idee von Gottfried Wilhelm Leibniz beginnen. Er sagte, daß wir tatsächlich in der besten aller möglichen Welten leben. Das ist ein ganz fundamentales ontologisches Konzept. Es ist die Idee, daß wir in einem Universum leben, das sich entwickelt – daß das, was das Universum zum besten aller möglichen macht, sein enormes Potential für Entwicklung ist. Es ist so geschaffen, daß jedes große Übel die Entstehung eines noch größeren Guten bewirkt

Ich denke, wenn wir über die Neue Seidenstraße sprechen und über die gewaltigen Veränderungen, die in der Welt geschehen sind, besonders in den letzten vier Jahren, dann ist das die Wirkung genau dieses Prinzips. Denn es war der absolute offensichtliche Mangel an Entwicklung in der alten Weltordnung, was dafür sorgte, daß sich der Impuls aus China und der Geist der Neuen Seidenstraße so durchsetzten, so daß heute viele Nationen der Welt fest entschlossen sind, durch wirtschaftliche Entwicklung allen ihren Menschen ein besseres Leben zu verschaffen. Ich denke, die Neue Seidenstraße ist ein typisches Beispiel einer Idee, deren Zeit gekommen ist. Und sobald eine Idee in dieser Weise materielle Realität wird, wird sie eine physische Kraft im Universum.

Ich hatte persönlich das große Glück, die Evolution dieser Idee mitzuerleben, die in vieler Hinsicht im Grunde mit diesem großen Mann anfing – meinem Ehemann Lyndon LaRouche –, der vor vielen Jahrzehnten, vor fast einem halben Jahrhundert, die Idee einer gerechten neuen Weltwirtschaftsordnung hatte. Das wurde deutlicher sichtbar in den 70er und 80er Jahren, besonders aber 1991, als die Sowjetunion zerfiel, wurde diese Idee der Schaffung einer gerechten neuen Weltwirtschaftsordnung sehr prominent.

Ich konnte persönlich erleben, wie sich das ausweitete, nachdem Xi Jinping 2013 in Kasachstan die Neue Seidenstraße ankündigte. 2014 fuhr ich nach China, und zu dem Zeitpunkt waren es noch sehr wenige offizielle Vertreter, die darüber sprachen; aber dann verbreitete es sich sehr schnell. Es gab Industriemessen in allen Städten in China und Hunderte internationale Symposien. Die BRICS-Länder begannen sich im gleichen Geist zu verbinden, auch die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, insgesamt waren es mehr als hundert Länder und große internationale Organisationen. Es erweiterte sich mit dem Gürtel- und Straßen-Forum im Frühjahr im Mai, wo 29 Staatsoberhäupter sprachen und 110 Nationen teilnahmen. Und ich denke, diese Entschlossenheit der Chinesen, eine neue Weltwirtschaftsordnung ins Leben zu rufen, wurde auf dem 19. Nationalen Kongreß der Kommunistischen Partei im Oktober noch einmal auf ganz neue Weise konsolidiert.

Eine optimistische Perspektive

Das bewirkt eine ganz optimistische Perspektive. Xi Jinping hat angekündigt, daß China bis 2020 ein Land sein wird, in dem die Armut völlig ausgerottet ist. Ich finde das wundervoll! Und es ist auch absolut glaubwürdig, weil China ein unglaubliches Wirtschaftswunder hatte und 700 Millionen Menschen aus der Armut erhob. Jetzt sind nur noch 42 Millionen Arme übrig, warum auch sollten sie es nicht erreichen, daß es bis 2020 keiner mehr ist? Bis 2035 soll China ein großes, modernes sozialistisches Land mit chinesischer Ausprägung sein – was meiner Ansicht nach vor allem konfuzianische Ausprägung bedeutet. 2050 wird China, Xi Jinping zufolge, ein großes, modernes sozialistisches Land mit chinesischer Ausprägung sein, wohlhabend, stark, demokratisch, kulturell fortgeschritten, harmonisch und schön. Die Chinesen sollen dann glücklicher sein und ein sichereres und gesünderes Leben haben. Aber auch die Menschen der anderen Länder der Welt sollen ein besseres und gesünderes und glücklicheres Leben haben.

Die chinesischen Medien haben sehr stolz angekündigt, daß dies eine große Vision für die Zukunft ist, daß eine neue Ära eingeläutet wurde. Xinhua schrieb, China werde einen neuen und größeren Beitrag zu der edlen Sache von Frieden und Entwicklung für die ganze Menschheit leisten. Das können die Chinesen sehr leicht verstehen, weil das ganze Land schon um diese Mission vereint ist.

Der Geist der Neuen Seidenstraße ergreift auch die mehr als 70 Länder, die sich daran beteiligen. Auch viele im Westen haben das verstanden; entweder weil sie in China investiert haben, oder weil sie wissen, daß die Neue Seidenstraße das größte Infrastrukturprogramm der Geschichte ist. Es ist schon jetzt 12mal oder vielleicht sogar 20mal größer als der Marshall-Plan der Nachkriegszeit – aber ohne den militärischen Beigeschmack. Es begeistert jeden, der das Projekt kennt.

Ablehnung im Westen

Aber es gibt natürlich auch diejenigen im Westen, die völlig dagegen sind. Es läuft jetzt der Kampf zwischen dem alten Paradigma der Geopolitik und dem Neuen Paradigma der einen Menschheit. Die Vertreter des alten Paradigmas sagen: „Ach, was Xi Jinping sagt, ist bloß leere Propaganda. Die wahre Absicht der Chinesen ist es, die Vereinigten Staaten als Hegemon abzulösen. Xi Jinping ist ein Diktator; er will nur ein System, das eine Gefahr für das westliche Modell der marktorientierten Demokratie ist. Deshalb ist es schlecht.“ Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, erklärte sogar in seiner sog. „Rede zur Lage der Union“, die EU sei entschlossen, chinesische Investitionen in Europa unter allen möglichen Vorwänden zu blockieren. Viele Denkfabriken wie MERICS oder die Rhodium Group sehen es im Grunde nur als geopolitische Herausforderung. Der Spiegel hatte letzte Woche eine große Titelstory mit chinesischen Schriftzeichen auf der Titelseite: Xing lái, „Aufwachen!“, einen Artikel über den erwachenden Riesen, wo es hieß, als Trump vor zwei Wochen nach China fuhr, habe er einen Kotau gemacht; es sei seine Abschiedsrede der Führung der Welt gewesen, die er an China übergeben habe. Der Westen müsse dringend aufwachen und sich gegen ein aufsteigendes China wehren; Chinas Errungenschaften seien eine Bedrohung der Werte und des Systems des Westens.

Ist das nicht lustig? Heute besagen die Schlagzeilen, der Kollaps von Chinas Banken und Chinas Wirtschaft werde einen globalen Finanzkollaps auslösen; und morgen schreiben dieselben Zeitungen, China stehe kurz davor, die Welt zu übernehmen. Offensichtlich drehen einige dieser Kritiker völlig durch darüber, daß die alte Ordnung – die Idee einer unipolaren Welt und geopolitischer Kontrolle auf der Grundlage der anglo-amerikanischen Sonderbeziehung in der Tradition von Churchill und Truman in der Nachkriegszeit und dem, was die Neokonservativen nach dem Kollaps der Sowjetunion aufbauten – daß dieses System eindeutig nicht funktioniert.

Das sieht man an der Revolte gegen das System: der Brexit, die Niederlage Hillary Clintons bei US-Wahl, das Nein beim Referendum in Italien, das erbärmliche Zusammenbrechen der Verhandlungen über die Jamaika-Koalition in Deutschland – der Grund dafür war, daß keine der beteiligten Parteien eine Vision für die Zukunft oder irgendwelche substantiellen Ideen hatte. Diese Parteien verstehen nicht die sich rasch verändernde strategische Orientierung auf der Welt.

Der gemeinsame Nenner aller dieser Phänomene ist, daß das westliche, neoliberale, linksliberale Establishment völlig unfähig und nicht gewillt ist, über die Ursachen des Niedergangs dieses westlichen Systems nachzudenken. Nämlich: die absurde Einkommensschere, wo acht einzelne Personen genauso viel besitzen wie die Hälfte der Menschheit und die Schere zwischen reich und arm in jedem Land größer wird; die Politik der Regimewechsel, Farbenrevolutionen; die unsägliche Lage bei der Flüchtlingskrise.

Die Menschen haben auch erfahren, daß das, wofür wir buchstäblich jahrhundertelang gekämpft haben, hinsichtlich der Bürgerrechte, fast ohne Diskussion weitgehend verschwunden ist. Es gibt die totale Überwachung durch die NSA, den CGHQ – den britischen Geheimdienst. Die westlichen Werte der Demokratie sind in Scherben. Wenn die Führung der Demokraten ein Jahr vor dem Parteikonvent entscheidet, wer der Kandidat sein soll, und dann die Wahl ein Jahr lang gegen Bernie Sanders manipuliert, ist das kein schönes Bild von Demokratie. Da gibt es die illegalen Absprachen der amerikanischen Demokratischen Partei mit dem britischen Geheimdienst MI-6, um das „Russiagate“ gegen Trump zu erfinden. Da sind die illegalen Absprachen von Obamas Geheimdienstchefs gegen den gewählten Präsidenten der Vereinigten Staaten.

Und wenn man sich die berühmten „Menschenrechte“ des Westens ansieht: Sogar die UN-Menschenrechtskommission verurteilt das, was die Troika in Ländern wie Griechenland tut, als krassen Verstoß gegen die Menschenrechte. Es herrscht eisiges Schweigen über den Völkermord im Jemen, den die Briten und Saudis anrichten. Auch die Art, wie die EU die Flüchtlinge behandelt, wurde von den Vereinten Nationen als Menschenrechtsverletzung bezeichnet.

Wenn diese Leute China kritisieren, sieht man nur, daß sie ihre eigenen Absichten und Sichtweisen auf China und die Neue Seidenstraße projizieren. Diese Leute im Westen, die China angreifen, können sich nicht vorstellen, daß es eine Regierung gibt, die wirklich dem Gemeinwohl und einer harmonischen Entwicklung aller Menschen verpflichtet ist; denn sie denken, daß die Welt ein Nullsummenspiel ist, wo einer nur gewinnt, wenn der andere verliert. Daß sie die Regeln machen müssen, damit sie das Spiel zu ihren Gunsten manipulieren können, und wer das nicht kann, der verliert.

Dies alles führt zu ganz absurden Schlußfolgerungen. So veröffentlichte beispielsweise 1995 Lester Brown, damals Präsident des Earth Policy Institute, eine große Schauergeschichte: „Wer wird China ernähren?“, worin er sagte, die wachsende Zahl der Menschen in China werde eine wachsende Nachfrage nach Nahrungsmitteln bedeuten, so daß die Nachfrage das Angebot an Nahrungsmitteln auf der Welt übersteigen werde. Dies ist natürlich nur die alte malthusianische Vorstellung, daß die Zahl der Menschen schneller steigt als die Menge der Nahrungsmittel. Aber wenn man China heute sieht, kann man dort 1,4 Milliarden Menschen sehr wohl ernähren, und ich kann Ihnen versichern: mit ausgezeichnetem Essen! Viele Länder sollten neidisch sein, daß es dort so gutes Essen gibt – z.B. die Briten. China produziert heute 30% der Weltwirtschaft. Die Realität ist also durchaus anders, als es die westlichen Medien darstellen.

2014 veröffentlichten wir die Studie Die Neue Seidenstraße wird zur Weltlandbrücke. Und das ist genau das, was jetzt passiert. Was mit der alten Seidenstraßen-Verbindung zwischen China und Europa begann, entwickelt sich jetzt sehr schnell zu sechs großen Entwicklungskorridoren. Es gibt bereits 40 Bahnstrecken, auf denen jede Woche Güterzüge von China nach verschiedenen europäischen Orten fahren. Die 16+1-Länder, d.h. die ost- und mitteleuropäischen Länder, veranstalten gerade eine Konferenz in Budapest, sie sind ganz an Bord bei der Neuen Seidenstraße. Es gibt eine neue Balkan-Seidenstraße. Der Präsident von Panama war gerade in China aus dem Anlaß, daß Panama seine diplomatischen Beziehungen von der Bindung an Taiwan wechselte, es ist jetzt mit Festlandchina verbündet. Panamas Präsident sagte, ganz Lateinamerika werde sich der Neuen Seidenstraße anschließen, und dies sei nicht gegen die Vereinigten Staaten gerichtete, weil die auch eingeladen sind, sich zu beteiligen. Die Neue Seidenstraße hat auch Afrika erreicht und hat dort die Stimmung in unglaublicher Weise verändert. Es herrscht dort jetzt ein großer Optimismus.

Neuausrichtung der Vereinigten Staaten

Aber die wichtigste Wende ist natürlich die der Vereinigten Staaten in ihrem Verhältnis zu China. Bei der jüngsten Reise von Präsident Trump, der dort einen zweitägigen Staatsbesuch machte, war das offensichtliche Resultat besonders folgenreich. Denn wenn die beiden größten Volkswirtschaft der Welt ein gutes Verhältnis haben, dann bewegt sich der Weltfrieden in eine sehr positive Richtung.

Erinnern wir uns, daß Obamas Politik der sog. „Schwenk nach Asien“ und das Freihandelsabkommen TPP war, das war die Idee der Einkreisung Chinas und Ausschließung Chinas. Es gibt immer noch ein Element von Geopolitik, man muß also wachsam sein, wenn der Begriff „indo-pazifisch“ benutzt wird – das ist die Idee, Japan, Australien und Indien als Gegengewicht zu China zu benutzen.

Aber der große Durchbruch kam, als Trump China besuchte, wo Xi Jinping ihn in unglaublicher Weise empfing – er nannte das einen „Staatsbesuch-plus-plus“. Es wurde sogar die ganze Verbotene Stadt einen Tag lang geschlossen. Die Verbotene Stadt ist die größte Ansammlung von Palästen, wo die chinesischen Kaiser seit dem 17. Jahrhundert lebten. Sie ist unglaublich schön, majestätisch, wirklich atemberaubend. Xi Jinping benutzte also den ganzen Tag, um Trump und der First Lady einen Kurs in chinesischer Geschichte zu geben. Sie hatten ein schönes Galadinner, es wurden drei Pekingopern aufgeführt.

Ich möchte Ihnen einige Äußerungen Präsident Trumps darüber vorlesen, von denen ich denke, daß Sie sie kennen müssen, weil die westlichen Medien natürlich kein Wort darüber berichten.

Trump kommentierte am nächsten Tag seinen Empfang und sagte:

    „Gestern besuchten wir die Verbotene Stadt, ein stolzes Symbol von Chinas reicher Kultur und majestätischem Geist. Ihre Nation ist ein Zeugnis von Jahrtausenden pulsierender, lebendiger Geschichte. Und heute war es eine außergewöhnliche Ehre, von der chinesischen Delegation hier an der Großen Halle des Volkes begrüßt zu werden. Dieser Augenblick der Geschichte bietet unseren beiden Nationen eine unglaubliche Gelegenheit, Frieden und Wohlstand zu fördern, an der Seite anderer Nationen in aller Welt. Wie ein chinesisches Sprichwort sagt: ,Wir müssen die Sache weiterführen und den Weg in die Zukunft bahnen.’ Ich habe großes Vertrauen, daß wir diese wundervolle Vision verwirklichen können, eine Vision, die für China wie für die Vereinigten Staaten so gut und, jawohl, so großartig sein wird.

    Obwohl wir aus verschiedenen Orten und weit voneinander entfernten Ländern kommen, gibt es vieles, was den Osten und den Westen miteinander verbindet. Unsere Länder wurden beide aufgebaut von Menschen mit großem Mut, starker Kultur und einem Antrieb, sich mit dem Treck durch das Unbekannte in große Gefahr zu wagen. Aber sie haben sie überwunden. Das Volk der Vereinigten Staaten hat tiefsten Respekt vor dem Erbe Ihres Landes und den edlen Traditionen seines Volkes. Ihre alten Werte vereinen Vergangenheit und Zukunft in der Gegenwart. Wie schön! Es ist meine Hoffnung, daß der stolze Geist des amerikanischen und des chinesischen Volkes unsere Bemühungen inspirieren wird, eine gerechtere, sicherere und friedlichere Welt zu erringen – eine Zukunft, die den Opfern unserer Vorfahren und den Träumen unserer Kinder würdig ist.“

Ich bin sicher, daß Sie das nicht in der Bildzeitung über Trump lesen werden, es wird niemals berichtet, was Präsident Trump wirklich tut.

Der chinesische Botschafter in Washington, Cui Tiankai, wies kürzlich darauf hin, daß in der Weltgeschichte 16 mal ein aufsteigendes Land das bis dahin vorherrschende Land ablöste. In 12 Fällen führte das zum Krieg, und in vier Fällen übernahm das aufsteigende Land friedlich die Vorherrschaft. Er sagte, China wolle keines von beiden, sondern es wolle ein ganz anderes System einer „Win-win“-Beziehung mit Gleichheit und gegenseitigem Respekt.

Offensichtlich ist, wenn man darüber nachdenkt, die wichtigste strategische Frage heute, daß wir die „Thukydides-Falle“ vermeiden. Das war die Rivalität zwischen Athen und Sparta im 5. Jahrhundert v.Chr., die zum Peloponnesischen Krieg und zum Niedergang des antiken Griechenland führte. Daß das heute, im Zeitalter thermonuklearer Waffen, zwischen den Vereinigten Staaten und China geschehen sollte, wird sich kein Mensch wünschen, der bei Verstand ist.

Deshalb sollten alle wir sehr froh sein, daß Trump und Xi Jinping diese sehr wichtige Beziehung entwickelt haben. Ich habe mich in den Vereinigten Staaten im Februar weit hinausgewagt und gesagt, wenn Präsident Trump es schafft, ein gutes Verhältnis der Vereinigten Staaten zu China und zu Rußland aufzubauen, dann wird er als einer der größten amerikanischen Präsidenten in die Geschichte eingehen. Darüber waren natürlich alle ganz entsetzt, weil das nicht das Bild ist, das die Leute von Trump haben sollen. Aber ich denke, wenn Sie sich ansehen, was geschieht, dann werden Sie sehen, daß Trump auf gutem Wege ist, genau das zu erreichen.

Er kam von dieser Asienreise zurück mit Wirtschaftsgeschäften mit China im Umfang von 253 Mrd. Dollar. Ich habe die Pressekonferenz des Gouverneurs von West-Virginia, Jim Justice, gesehen, wo er sagte, daß es jetzt dank China in West-Virginia Hoffnung gibt. West-Virginia ist ein Bundesstaat in einer totalen Wirtschaftsdepression, mit hoher Arbeitslosigkeit und einer Drogenepidemie. Aber er sagte, jetzt können wir Mehrwert-Produktion haben, wir werden eine glänzende Zukunft haben. So hat der Geist der Neuen Seidenstraße sogar West-Virginia erfaßt.

Offensichtlich haben die Vereinigten Staaten einen enormen Bedarf an Infrastruktur, besonders jetzt nach den Zerstörungen durch die Hurrikans. Allein das wiederherzustellen, was dadurch zerstört wurde, erfordert 200 Mrd.$, von Katastrophenschutz ganz zu schweigen. Das ist also alles auf gutem Wege, daß China in die Infrastruktur in den Vereinigten Staaten investieren wird und umgekehrt US-Firmen bei Projekten der Gürtel- und Straßen-Initiative kooperieren werden.

Alles dies hat eine strategische Neuorientierung zur Folge. Das Verhältnis zwischen den Präsidenten Xi und Putin ist das beste in der Geschichte [beider Nationen]. Sie haben eine enge Freundschaft entwickelt, und das weitet sich jetzt schnell aus mit der Integration der Neuen Seidenstraße und der Eurasischen Wirtschaftsunion.

Hoffnung für den Nahen Osten und Afrika

In einer separaten, aber doch verwandten Entwicklung gab es gerade einen historischen Besuch des Präsidenten Baschar al-Assad aus Syrien in Sotschi, der sich mit Putin traf. Was wirklich geschah, ist genau das Gegenteil von dem, was man in den Medien liest. Die sagen: dieser Diktator Putin und dieser schreckliche Assad. Aber was geschah, war das Gegenteil. Putin stellte Assad die russische Militärführung vor, und Assad dankte ihnen dafür, daß sie Syrien gerettet haben.

Man erinnere sich: Als Putin vor gut zwei Jahren entschied, daß das russische Militär in Syrien intervenieren wird, um ISIS zu besiegen, befand sich das Land in völliger Auflösung. Die Lage war hoffnungslos, gegen al-Kaida und ISIS etc. Jetzt sind sie militärisch besiegt, und der Wiederaufbau kann beginnen. Assad lud die Flüchtlinge ein, zurückzukehren, um beim Wiederaufbau des Landes zu helfen. Die Seidenstraße wird auch nach Afghanistan erweitert, in den Irak und hoffentlich alle anderen Länder dort. Es gibt einen großen Plan Putins mit dem Astana-Prozeß. Er bindet die Türkei und Jordanien ein und versucht sogar, Saudi-Arabien auf einen anderen Kurs zu bringen.

Die Idee, die Neue Seidenstraße nach Südwestasien zu verlängern, haben wir schon seit langem vertreten. Aber 2012 hatten wir eine Konferenz des Schiller-Instituts in Frankfurt, wo wir sagten, der einzige Weg, den Terrorismus zu stoppen und Entwicklung und Frieden im Nahen Osten zu schaffen, besteht darin, daß alle großen Nachbarn, Rußland, China, Indien, Iran, die Vereinigten Staaten und auch europäische Länder, gemeinsam die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben. Das ist jetzt dank der russischen Militärintervention und der chinesischen Verlängerung der Seidenstraße eine realistische Möglichkeit.

In diesem Kontext ist auch das Verhältnis zwischen Putin und Trump auf einem viel besseren Weg. Nach Assads Besuch führten sie ein anderthalbstündiges Telefongespräch, und Leute in Rußland auf verschiedenen Ebenen – in der Duma, im Föderationsrat – äußerten sich hinterher sehr optimistisch, daß das Verhältnis zwischen Rußland und den Vereinigten Staaten jetzt viel fruchtbarer und besser werde könne.

Denken Sie einmal darüber nach – fast alles, was ich sage, widerspricht allem, was Sie in den westlichen Medien hören. Aber von wem kommt der Impuls für Frieden und Entwicklung? Kommt er von denen, die Putin, Xi und Trump attackieren? Und die auf Obamas Seite stehen? Es ist offensichtlich an der Zeit, daß die Menschen überdenken, was der westliche Standpunkt in allen diesen Dingen ist, oder die Welt durch eine ganz andere Brille betrachten.

Neben den Veränderungen im Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und China in Südwestasien gibt es die größte Veränderung zum besseren als Resultat der Neuen Seidenstraße in Afrika. China investiert in Afrika in Eisenbahnen, sie haben eine Bahnstrecke von Dschibuti nach Addis Abeba gebaut, sie bauen andere Bahnen von Kenia, die bis nach Ruanda gehen sollen, Dämme mit Wasserkraftwerken, Industrieparks etc. Besonders in den letzten vier Jahren hat sich die Sicht der meisten Afrikaner völlig verändert, denn sie sehen zum erstenmal, daß ohne die Unterdrückung des Kolonialismus und die Verweigerung von Entwicklung durch die IWF-Konditionalitäten es möglich ist, den Kontinent wirklich wirtschaftlich zu entwickeln. Sie wollen nicht mehr belehrt werden über gute Regierungsführung („Governance“), Menschenrechte und Demokratie ohne Entwicklung – also das, was die Europäer gewöhnlich anbieten –, sondern sie wollen als gleichberechtigte Partner behandelt werden.

LaRouches großer Entwurf 1980

Lassen Sie mich die Person würdigen, die diese Vision über Afrikas Entwicklung schon vor mehr als 40 Jahren hatte: wieder einmal mein lieber Ehemann. [Applaus] Er schrieb 1980 als Zusatz zum Lagos-Aktionsplan der OAU eine Schrift mit dem Titel „Stoppt den Völkermord des IWF in Afrika – ein kritischer Kommentar als Anhang zum Lagos-Aktionsplan“. Darin beschreibt er eine schöne Vision, ein Grand Design für die Entwicklung Afrikas auf der Grundlage von LaRouches wissenschaftlicher Methode der physikalischen Ökonomie, die wiederum auf Leibniz und Alexander Hamiltons Kreditpolitik beruht. LaRouche hat dem natürlich sehr viel hinzugefügt. Er schrieb:

    „Das kompetente Konzept ökonomischer Prozesse erwächst ursprünglich aus einem moralischen Prinzip, das jedem vernünftigen Erwachsenen oder Heranwachsenden in jedem Teil der Welt, egal wie gebildet oder ungebildet, unmittelbar zugänglich ist: Um meinem Modell individueller Existenz einen Wert zu geben, wie entwickele und informiere ich mein Handeln, um etwas zum Wohle der Entwicklung zukünftiger Generationen zu erschaffen?“

Lyn definiert Wirtschaftswissenschaft als untrennbare Facette der Wissenschaft, die man gewöhnlich Staatskunst nennt; dazu gehören die Entwicklung des Rechts und der kulturelle Fortschritt der Menschen, die Entwicklung des einzelnen, um die gesetzmäßigen Prinzipien der Komposition des Universums zu meistern. Er beschrieb das genaue Gegenteil des Club of Rome mit dessen angepaßter Technologie und nachhaltiger Entwicklung, was nur eine andere Bezeichnung für gar keine Entwicklung ist. Er schlug vor, die Arbeitskräfte ständig für höhere Produktionsmethoden zu qualifizieren, indem man große Teile der Beschäftigung von ländlichen auf städtische produktive Beschäftigung umlenkt, deren Produktionsmethoden ständig höhere Energieflußdichten verwenden.

Als Bezugspunkt für die Entwicklung Afrikas nahm er die Entwicklung der Vereinigten Staaten, wie etwa der US-Landwirtschaft: Ende des 18. Jahrhunderts arbeiteten 98% der Amerikaner in der Landwirtschaft, aber heute weniger als 4%, die offensichtlich viel mehr Nahrungsmittel als damals erzeugen. Diesen Weg müsse Afrika gehen. Dazu gehört der Bau von Straßen, Kanälen, Eisenbahnen, die Spezialisierung von Farmern, Produktivitätsanstieg in Landwirtschaft und Industrie, ein Übergang weg von arbeitsintensiven zu kapitalintensiven Produktionsmethoden, bessere Bildung, die Entwicklung der Fähigkeit der Bevölkerung zu materiellen Umgestaltungen der Natur mit steigender potentieller relativer Bevölkerungsdichte und höherer Energieflußdichten.

Er sagte: „Die Entwicklung Afrikas muß sich daran orientieren, was Nationen Afrikas bis zum Jahr 2000 und 2020 werden sollen.“ Dies schrieb er 1980, das sind also zwei Generationen. „Das notwendige Konzept ist eines der Entwicklung der Produktivkräfte der Gesamtbevölkerung über die zwei Generationen umspannende Entwicklungsperiode.“

Neben der grundlegenden Infrastruktur – d.h. ein kontinentales Netz von Eisenbahnen, Wasserwegen, Autobahnen – schlug er eine Kette neuer Städte von 250.000 bis maximal 2 Millionen Einwohnern vor. Im Stadtkern jeder neuen Stadt wäre eine Ausbildungskomplex, mit pädagogischen Museen, Bibliotheken, Kulturzentren, Parks, Forschungs- und Lehrinstituten, darunter medizinische Forschungsinstitute. Er schlug ein Verbundsystem für schnellen Transport von Personen und Gütern vor, dazu den Übergang von einer kostengünstigen Transportart zur anderen. Weiterhin Verteilung von Gütern in der Innenstadt von Lagern in der Stadt, tägliche Lieferung leicht verderblicher Güter wie Nahrungsmittel. Und um diesen Kern des Bildungskomplexes herum liegen dann Wohngebiete, Industrie- und Geschäftszonen.

Die Städte sollten nicht nur funktional gut entworfen, sondern auch schön sein, unter Verwendung der Prinzipien der platonischen Verhältnisse in der Architektur, wie z.B. die Methoden, die bei gotischen Kathedralen oder der Architektur der Goldenen Renaissance in Italien verwendet wurden. Dazu gehörte auch die Vorstellung vieler Bäume und Pflanzen, damit die Menschen glücklich wären und das Klima abgemildert würde. Er sagte: „Das wesentliche, was die Bürger einer solchen Stadt im Laufe der stufenweisen Fertigstellung der Stadt erfahren müssen, ist ein Eindruck ständigen Fortschritts der Perfektionierung.“

Dazu sollte ein Technologietransfer aus den entwickelten Ländern stattfinden, der durch Beihilfen finanziert wird. Er betonte richtig, daß der Technologietransfer aus Europa und den Vereinigten Staaten nach Afrika die Wirtschaft in den exportierenden Nationen ankurbeln und ihre Steuereinnahmen erhöhen würde. Die Entwicklungsländer, die Beihilfen erhalten, würden zu den Kunden der nächsten Generation für Käufe auf Kreditbasis. Die exportierenden Nationen würden sich auf diese Weise wohlhabende Kunden von morgen heranziehen und hätten einen beschleunigten Umsatz von Realkapital. Zudem würden die exportierenden Länder ihre Produktivität und somit ihren nationalen und Pro-Kopf-Besitz erhöhen.

Das ist offensichtlich das genaue Gegenteil von dem, was der IWF getan hat, der Länder in die Schuldenfalle lockte, wie John Perkins in seinem Buch Bekenntnisse eines Economic Hit Man recht dramatisch beschrieben hat.

Andererseits sagte Lyn, die technologieexportierenden Nationen müßten diejenigen Arbeitskräfte in den Entwicklungsländern finden, die unmittelbar für produktive Beschäftigung fortgebildet werden können, in der sie die fortgeschrittensten importierten Technologien anwenden, die aus den Industrieländern als Erweiterung des Grundkapitals geliefert werden. Die Arbeitskräfte könnten sich an die modernen Technologien anpassen, und das müsse stetig ausgeweitet werden. Dies erfordere Methoden zur Förderung des Entwicklungspotentials der Bevölkerung auf Massenbasis. Die Investitionen in die Infrastruktur und in die Entwicklung der Bevölkerung müßten also gleichzeitig geschehen. Er schreibt: „Jedes Kind, das in irgendeinem Teil der Welt geboren wird, hat das Potential, seine Geisteskräfte auf das Niveau zu entwickeln, das für eine direkte kompetente Nutzung moderner Technik ausreicht. Dieses Entwicklungspotential ist die einzige Quelle des Wohlstands. Für einen wirklich klugen Kreditgeber ist diese Entwicklung ein kreditwürdiges Gut.“

Was geschieht nun an dem Punkt, wo die wirtschaftliche Entwicklung den Großteil der Bevölkerung der Welt erfaßt hat? Bis dahin braucht man einen so hohen Anstieg der Rate der Entwicklung von Technologie, daß wir nicht länger darauf angewiesen sind, die Wirtschaft quantitativ zu vergrößern. Wenn dieser Übergang zu einer Neuen Weltwirtschaftsordnung vollzogen ist, werden immer mehr Mitglieder der Gesellschaft als Künstler leben und arbeiten – als Goldene Seelen, wie Plato sie beschreibt; als „schöne Seelen“, von denen Schiller spricht; als junzi, die konfuzianische Idee des edlen Menschen; oder die Menschen auf der Ebene von Dantes Paradies in seiner Commedia; oder wie Wladimir Wernadskij sagt, daß die Noosphäre, der Teil des physischen Universums, der von der schöpferischen Aktivität des Menschen geprägt ist, immer mehr der Biosphäre übernimmt.

Was jetzt geschieht, geht in diese Richtung. Was Xi Jinping als ein Ziel für 2050 für China und den Rest der Welt definiert hat, ist ein besseres und glücklicheres Leben, Überwindung der Armut, Menschen, die ihr Leben sinnvollen Zwecken widmen können – das geht tatsächlich sehr stark in diese Richtung.

Ist das realistisch? Ich höre schon das Protestgeschrei der Neoliberalen wie der Neokonservativen im Westen: „Was ist mit westlichen Werten? Was ist mit unserer Freiheit? Was mit der Demokratie?” – oder besser „marktkonforme Demokratie“, wie Frau Merkel es gerne formuliert.

Wir sollten lieber darüber nachdenken, wohin uns diese Werte in Europa gebracht haben. Europa ist völlig zerstritten. Wir stehen kurz vor dem Ausbruch einer schlimmeren Finanzkrise als 2008. Die EU hat gerade Richtlinien fertiggestellt, die jede Möglichkeit der Bankentrennung ausschließen, während China diese gerade bekräftigt hat. Die rechten Bewegungen werden stärker. Die Flüchtlingskrise hat Europas Ruf in der Welt völlig ruiniert. Es gibt eine gefährliche Stimmung gegen Immigranten. Das ganze soziale und politische Gewebe Europas löst sich auf, denn Europa in seiner gegenwärtigen Form der Europäischen Union ist wie ein riesiger Turm von Babylon – der Versuch einer Vermischung von Kulturen, Sprachen und Geschichte, der zu immer mehr Spannungen zwischen der supranationalen Integration und dem Selbstinteresse dieser Nationen Europas führt. Ganz zu schweigen von der schlimmsten Regierungskrise seit 1949, seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland.

Leibniz über Europa und China

Nun ist es nicht das erste mal, daß Europa in schlechtem Zustand ist. Gottfried Wilhelm Leibniz befaßte sich damit 1670 in einem politischen Memorandum, worin er die Herausforderungen seiner Zeit aufzählt: schlecht aufgestellter Handel und Fabrikation, eine völlig entwertete Währung, rechtliche Unsicherheit und Verschleppung aller juristischen Handlungen, eine wertlose Bildung, zunehmender Atheismus, schreckliche Moral, als wären die Menschen von einer fremden Seuche befallen, ein erbitterter religiöser Konflikt, der uns schwächt und am Ende völlig ruinieren kann. Das war also die Lage, die Leibniz sah, das waren noch die Folgen der 150 Jahre langen Religionskriege in Europa.

Er kam auf die Idee, daß die Lösung in einer Verbindung der alten chinesischen natürlichen Theologie und der europäischen Kultur läge. Er nannte es einen glücklichen Zufall, daß die beiden entwickeltsten Kulturen der Welt quasi an zwei Polen lagen und Europa und China einander die Hände reichen. Durch einen Austausch zwischen ihnen könne die Zivilisation die nächsthöhere Stufe in der Menschheitsgeschichte erreichen.

Im Vorwort zu seiner Schrift Novissima Sinica – Das Neueste aus China – brachte er diese Absicht zum Ausdruck. Leibniz verfolgte alle Nachrichten aus China genau; er hatte einen lebhaften Austausch mit vielen Jesuitenmissionaren, die ihn über alle Entwicklungen in der Wissenschaft informierten, ebenso wie über den berühmten Rechtsstreit, in dem er sich auf die Seite von Leuten wie Matteo Ricci stellte. Er sagte, der Konfuzianismus habe weit mehr zu bieten als jedes andere Glaubenssystem seiner Zeit. „Die Chinesen sollen Missionare nach Europa schicken, so daß wir von ihnen natürliche Religion lernen können, die wir fast verloren haben.“ Er schlug einen Austausch kultureller Botschafter vor, eine für seine Zeit sehr moderne Idee. Er sagte: „Es gibt in China eine in vieler Hinsicht bewundernswerte öffentliche Moral, verbunden mit einer philosophischen Doktrin oder besser einer altehrwürdigen natürlichen Theologie, die seit etwa 3000 Jahren etabliert und autorisiert ist, lange vor der Philosophie der Griechen.“

Für Leibniz bewies die Wesensverwandtschaft von Konfuzius und dem Christentum trotz aller kulturellen Unterschiede, daß die Menschheit die Vernunft als universelle Eigenschaft hat. Die Tatsache, daß Kaiser Kung-Xi und er, Leibniz, sich die gleichen mathematischen Lösungen anhörten, bewies für ihn den universellen Charakter der menschlichen Vernunft und Gattung. Er betonte, daß das Li in der chinesischen Philosophie sich auf die höchste Ordnung des Universums bezieht, in der Harmonie herrscht, wenn jedes Wesen seine gesetzmäßige Funktion an seinem angemessenen Ort ausübt. Und zusammen mit dem Begriff des Ren, was annähernd dem christlichen Begriff agape – (Nächsten-)Liebe – entspricht, werden zwar unterschiedliche Terminologien und Konzepte verwendet, aber sie haben eine Analogie und Wesensverwandtschaft, die Leibniz in seiner Monadologie beschreibt. Wie Leibniz schreibt:

    „Gott hat das Universum über eine prästabilierte Harmonie geschaffen, wo der Bereich der spirituellen und materiellen Welt, die Seele und der Körper, in völliger Übereinstimmung sind. Das ist so, weil Gott – in seiner göttlichen Vorhersehung – die materielle und spirituelle Substanz in einer so geordneten Weise und mit solcher Präzision geschaffen hat, daß selbst wenn sie ihrer eigenen, in ihre Natur eingebetteten Gesetzmäßigkeit folgen, es dennoch eine solche Kohäsion gibt, als existierte zwischen ihnen eine gegenseitige Folgerichtigkeit. Und als wirkte Gott, abgesehen von seinem allgemeinen Beitrag, in jedem einzelnen Augenblick. Jede Monade, jede uniforme Substanz, spiegelt im Keim das ganze Universum insgesamt wider. Aber sie beziehen sich nur aufeinander, weil sie am absoluten Wesen Gottes teilhaben.“

Wenn man diese innere Übereinstimmung zwischen der alten chinesischen Philosophie, und insbesondere ihrem konfuzianischen Ausdruck, und den Ideen von Leibniz versteht, dann überrascht es nicht, daß er diese Affinität nicht nur erkannte, sondern auch konkret überzeugt war, daß ein wechselseitiger Austausch zwischen beiden Kulturen zu einem noch höheren, fortgeschritteneren Niveau der Zivilisation führen würde.

Zu Leibniz’ Plänen für dieses Projekt gehörte u.a. die Schaffung einer Weltsprache, wofür er die chinesische Sprache und Schrift als die geeignetste betrachtete; die Schaffung einer Weltakademie der Wissenschaften, in der chinesische und westliche Wissenschaftler zusammenarbeiten; die Schaffung eines Weltbürgertums, das es allen Menschen erlaubt, alle Kulturen der Welt in sich aufzunehmen. Die zukünftige Rolle Rußlands wäre die, zwischen China und dem Westen zu vermitteln; die Entwicklung Sibiriens ebenso wie die Nordafrikas. Peter der Große, mit dem er in Kontakt stand, befahl 1712 die Expedition von Vitus Jonassen Bering, nach dem die Beringstraße benannt ist. Vergleichende Sprachstudien sollten den gemeinsamen Ursprung der menschlichen Sprachen finden, was später Philologen wie Humboldt und andere weiterverfolgten. Eine chronologische Studie der Geschichte des Westens und Chinas. Das einzige Museum, wo ich so etwas gesehen habe, ist das Museum in Taipeh, wo es eine wunderschöne Ausstellung gibt, in der man oben die Geschichte Chinas sieht und darunter das, was zur gleichen Zeit in der westlichen Kultur geschah – was einen ganz anderen Weg eröffnet, die Universalgeschichte zu betrachten. Auch das binäre System, das zur Grundlage von Computern und ähnlichem wurde. Die Entwicklung eines Notenschlüssels, der es erleichtern würde, die chinesische Sprache zu lernen. Ich denke, jeder, der versucht hat, Chinesisch zu lernen, wäre für einen solchen Schlüssel sehr dankbar. Die Entwicklung einer Methode, um die Unterschiede zwischen der westlichen und der chinesischen Kultur zu studieren. Die Prinzipien eines neuen Moralkodex für westliche Staatsmänner und Politiker. Eine Analyse des Konfuzianismus auf der Grundlage westlicher Methoden, in der Absicht, dessen Nähe zum westlichen Christentum aufzuzeigen.

Wenn man diese Pläne von Leibniz betrachtet, dann ist absolut erstaunlich, wie sehr sie dem ähneln, was Xi Jinping heute mit der Strategie der Neuen Seidenstraße tut, die Aspekte alle dieser Pläne enthält. Warum fällt es dann so vielen Menschen im Westen so schwer, das Angebot einer „Win-Win-Kooperation“ zwischen allen Nationen anzunehmen, die so offensichtlich im Interesse aller Menschen wäre?

Der Kulturkrieg des CCF

Lassen Sie mich zurückgehen zum Ende des Zweiten Weltkriegs, um die Wurzeln dieses Problems zu suchen. Franklin D. Roosevelt hat in seiner berühmten Debatte mit Churchill in Casablanca ein Ende des Kolonialismus und die Hilfe der Vereinigten Staaten bei der Entwicklung der Entwicklungsländer versprochen. Churchill hingegen sagte, die Briten führten den Zweiten Weltkrieg nicht, um ihr Empire zu beenden.

Leider starb Roosevelt in einem sehr ungünstigen Moment, und Truman, der ein sehr kleiner Geist war, übernahm das Weiße Haus. Erinnern Sie sich daran, was Lyn immer wieder berichtet hat, wie schockiert die Menschen waren, als er in Indien war, daß Roosevelt zu diesem Zeitpunkt starb.

Roosevelt, der im Zweiten Weltkrieg mit der Sowjetunion verbündet war, lebte also nicht mehr. Churchill füllte dieses Vakuum und hielt im März 1946 in Fulton/Missouri seine berüchtigte Rede über den „Eisernen Vorhang“, mit der er den Kalten Krieg eröffnete. Er schlug ein neues Bündnis vor, das auf der Sonderbeziehung zwischen den Vereinigten Staaten und dem Britischen Empire beruhte. Diese Rede Churchills in Fulton veränderte die Ansichten der Amerikaner über die Sowjetunion. Im März 1947 folgte dann die Truman-Doktrin, die solche Schrecklichkeiten ermöglichte wie die Hexenjagden von Senator Joseph McCarthy in Amerika gegen jeden, der im Verdacht stand, ein Kommunist zu sein. Unter jedem Bett wurde ein Kommunist vermutet. Das ist genau das, was jetzt auch in der Hexenjagd gegen Trump geschieht.

Was geschah in Europa? Kürzlich gab es einen erstaunlichen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), in dem über eine Ausstellung berichtet wurde, die gerade in Berlin stattfindet, anläßlich des 50. Jahrestags des Skandals über den Kongreß für kulturelle Freiheit (CCF). Der Kongreß für kulturelle Freiheit, der von 1950 bis 1967 bestand, war ein gigantisches Programm der CIA zur kulturellen Kriegsführung, mit dem ausdrücklichen Ziel, Linke, Kommunisten, in den Kalten Krieg gegen die Sowjetunion hineinzuziehen.

Tatsächlich wollten sie die Axiome in der Bevölkerung beseitigen, die Franklin D. Roosevelt möglich gemacht hatten. Denn die Wall Street war wütend darüber, daß Roosevelt das Glass-Steagall-Trennbankengesetz eingeführt hatte, den New Deal, das Bündnis mit der Sowjetunion. Das war der Moment, als Truman in Kohäsion mit den Briten die Idee hatte, einen Paradigmenwandel in der Bevölkerung herbeizuführen. Und genau das wird in dem Artikel der FAZ gesagt: Es sei nicht der Plan der CIA gewesen, reaktionäre Bewegungen hervorzubringen, sie haben vielmehr jene links-liberale Haltung erzeugt, die noch heute in Europa die herrschende „politisch korrekte“ Sichtweise ist.

Ich denke, es lohnt sich wirklich, darüber nachzudenken, denn das ist genau das, was unter den Dulles-Brüdern und dem Kommando des Hochkommissars John Jay McCloy geschah. Wenn man sich diese Operation anschaut – sie war gewaltig, sie umfaßte 35 Länder und 20 Zeitschriften. Sie steuerten praktisch jede Kunstausstellung, jede Kulturveranstaltung. In Europa gab es nur sehr wenige Schriftsteller, Dichter, Musiker, Historiker, Kritiker und Journalisten, die nicht mit diesem Projekt verbunden waren – einige wissentlich, andere ohne es zu wissen. Es war ein Teil des Kalten Krieges, für die „Befreiung des menschlichen Geistes“ zu kämpfen.

Der CCF arbeitete wie ein Kartell, er beherrschte die gesamte Kulturindustrie und gründete sich auf den Mythos einer freiheitsorientierten Weltanschauung. Man erinnere sich, daß die CIA zur gleichen Zeit, als sie so vorgab, für die Freiheit einzutreten, einen Putsch gegen Mossadegh durchführte, die Schweinebucht-Operation, die Operation Phoenix in Vietnam und ähnliche Dinge.

Das wurde zum Teil mit Geld aus dem Marshallplan finanziert, das zum CCF umgeleitet wurde, aber auch von insgesamt 170 Stiftungen. Einer der wesentlichen Ideologen, George Kennan, entwickelte im Dezember 1947 in einer Rede vor der Nationalen Kriegshochschule die Strategie der „notwendigen Lüge“. Dies wurde zu einem wesentlichen Teil der US-Außenpolitik, niedergelegt in der Direktive NSA-48 und später einer weiteren für Operationen zur psychologischen Kriegführung, und es blieb Jahrzehnte. Die Idee der fake news, die Bevölkerung durch Lügen zu manipulieren, ist also nichts neues, sie kam nicht plötzlich mit Trump.

Die Ziele des CCF waren auch die der Frankfurter Schule. Sie wollten den Idealismus zerstören, die klassische Kultur. Adorno beispielsweise argumentierte, der Idealismus führe zum Nazismus, weil er zu radikalen Ansichten führe, und deshalb müsse er ausgerottet werden, um sowohl die Überreste des Nazismus als auch die sowjetische Diktatur zu beseitigen. Adorno sagte, dazu müsse die Schönheit vollkommen aus der Kunst ausgemerzt werden.

Erinnern Sie sich daran, daß Schiller sagte, Kunst, die nicht schön sei, sei auch keine Kunst. Dem stimme ich vollkommen zu, denn die Kunst muß die Menschen veredeln und ihren Geist erheben. Und wenn sie nicht schön ist, dann tut sie das nicht.

In der Musik startete der CCF eine bösartige Kampagne gegen Furtwängler, und anstelle der klassischen Komponisten förderten sie die Zwölftonmusik, Alban Berg, Schönberg, Webern. Und sie beseitigten die Idee der polyphonen, harmonischen Komposition. Die berühmte Autorin Susan Sonntag sagte: „Wir wußten, daß man von uns erwartete, häßliche Musik als angenehm zu akzeptieren.“ Das geschieht heute, wenn man in Konzerte geht, im Rheingau-Musik-Festival und anderen: Da hat man nach Beethoven immer Berg oder einen anderen modernen Komponisten. Man kann gar nicht mehr in ein klassisches Konzert gehen.

Sie machten auch Listen der erlaubten Schriftsteller – Ibsen, Shaw, O’Neil, Wilder, Steinbeck. Sie verboten bestimmte Stücke von Shakespeare und Kleist, und sie erfanden das berühmte Regietheater, bei dem die Idee ist, die klassischen Kompositionen von Schiller, Shakespeare vollkommen zu zerstören. Jeder moderne Regisseur kann seine eigene Interpretation hineinbringen, bis an den Punkt, daß man das Stück überhaupt nicht mehr wiedererkennt.

Eine große Rolle spielte dabei das Museum of Modern Art in New York, das die moderne Malerei förderte – Kubismus, Futurismus, Dadaismus, Expressionismus, abstrakte Kunst, Serialismus usw.

Eine Schriftstellerin namens Eva Cockcroft schrieb im Magazin ArtForum: „Der abstrakte Expressionismus war eine Waffe des Kalten Krieges.“ Die Verbindung zwischen dem Kalten Krieg und dem Expressionismus war absolut kein Zufall, denn er sollte die Fähigkeit des Geistes zerstören, Dinge zu verstehen. Ausgerechnet Harry Truman ging gerne in die Nationale Kunstgalerie in den Vereinigten Staaten, um dort Holbein und Rembrandt anzuschauen. Er sagte: „Welch ein Genuß, und welch ein Unterschied zu unseren modernen Schmierfinken [mucky pups].“

Der Einfluß des CCF endete somit nicht 1967. Die Sache endete damals, als das herauskam, mit einem großen Skandal, aber es wirkt bis heute weiter. Deshalb haben die Leute heute diese links-liberale Ideologie, das ist es, was hinter der Interventionspolitik, den Farbenrevolutionen, dem Export der Demokratie, der „Schutzverantwortung“ steht. Das ist es, was Rußlands Außenminister Lawrow als die „post-christlichen Werte“ bezeichnet. Er sagte: „Die westlichen Werte sind nicht mehr die Werte, die uns von unseren Großvätern, von Generation zu Generation, überliefert wurden. Sondern sie sind verdrängt worden durch ,alles ist erlaubt’, einen völligen Hedonismus, in dem Freiheit mißverstanden wird als das Recht, daß jeder seine Gelüste im Hier und Jetzt auslebt. Tue, was du willst.“ Diese Häßlichkeit sieht man heute in den meisten Filmen, in den Videospielen, in der Kunst, der Jugendkultur, mit allen Charakteristiken eines Kults der Häßlichkeit. In diesem Sinne war der CCF also eine sehr erfolgreiche Operation.

Eine neue Renaissance durch einen Dialog der Kulturen

Wir haben also ein großes kulturelles Problem im Westen. Es gibt eine gewaltige Drogenepidemie in den Vereinigten Staaten, unkontrollierte Gewalt, fast jede Woche Amokläufe an Schulen, Terrorismus. Aber die gute Nachricht ist, daß die Lösung zur Überwindung dieser Probleme leicht zugänglich ist. Als wir das Schiller-Institut vor inzwischen mehr als 33 Jahren gründeten, sagten wir von Anfang an, daß eine Neue Gerechte Weltwirtschaftsordnung mit einer Renaissance der klassischen Kultur verbunden sein muß. Deshalb haben wir bei allen unseren Konferenzen stets auch ein Konzert, in dem dieser Dialog der klassischen Kulturen zum Ausdruck kommt.

Wir brauchen ganz neue internationale Beziehungen. Wir müssen die Geopolitik überwinden, und wir brauchen ein System gegenseitiger Beziehungen mit einem absoluten Respekt für Souveränität, Nichteinmischung, Respekt für die verschiedenen gesellschaftlichen Systeme, eine „Win-Win-Kooperation“ im gegenseitigen Interesse aller, und die Perspektive der einen Menschheit. Nikolaus von Kues, der die Methode des Coincidentia Oppositorum entwickelte, die Idee des Zusammenfallens der Gegensätze, argumentierte, daß das Eine eine höhere Macht hat, eine höhere Größenordnung, als das Viele. Also die Idee, daß Harmonie im Makrokosmos nur möglich ist, wenn man die beste Entwicklung aller Mikrokosmen hat. Diese Entwicklung darf nicht statisch oder linear sein, sie wirkt vielmehr wie eine kontrapunktische Fuge, in der jede Entwicklung die Entwicklung des nächsten Abschnitts fördert, geeint durch ein höheres Konzept der Komposition.

Wir müssen ein Netz völlig neuer internationaler Beziehungen aufbauen, in dem jeder Nation erlaubt ist, Staatskunst zu üben und das schöpferische Potential aller ihrer Bürger zu ermöglichen; ein Austausch zwischen den Nationen, in denen sich jeder auf die besten kulturellen Traditionen und Potentiale des anderen konzentriert. China belebt neu den Konfuzianismus und seine Philosophie der philosophischen, klassischen Kunst in der Dichtung, Musik und Malerei. In Europa müssen wir genau das gleiche tun. Die Griechen tun das bereits mit der klassischen Periode des antiken Griechenland, sie hatten dazu kürzlich eine Konferenz, im wesentlichen über die zehn ältesten Zivilisationen, und sie beleben diesen Geist wieder. In Italien gibt es die Goldene Renaissance, in Spanien die Andalusische Renaissance und andere große Denker. In Frankreich gibt es die Tradition von Ludwig XI., Jeanne d’Arc, die École Polytechnique. In Deutschland haben wir einen gewaltigen Reichtum an Philosophen, Komponisten und Dichtern wie Schiller und Beethoven. In Amerika gibt es die amerikanische Verfassung und das Amerikanische System der Ökonomie.

Alle diese Schätze gibt es, sie müssen nur wiederbelebt werden. Wenn wir das, was der CCF angerichtet hat, rückgängig machen und die klassische Kultur aller Nationen wiederbeleben, und in einen wunderschönen Dialog zwischen ihnen eintreten, dann wird die Menschheit eine neue Renaissance erleben und die enorme Kreativität der menschlichen Gattung wie nie zuvor entfesseln.

Es ist also sehr gut, in diesem Augenblick der Geschichte zu leben und dazu beizutragen, daß die Welt ein besserer Ort wird. Und das ist möglich, denn das Neue Paradigma entspricht der Gesetzmäßigkeit des physischen Universums in der Wissenschaft, der klassischen Kunst und deren Prinzipien. Neoliberalismus und Linksliberalismus sind veraltet und werden verschwinden wie damals die Scholastiker, die darüber diskutierten, wie viele Engel auf einer Nadelspitze sitzen können. Was sich durchsetzen wird, ist das Selbstverständnis der menschlichen Gattung als die schöpferische Gattung im Universum. [Applaus]