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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Wenn die USA sich der Seidenstraßen-Initiative anschließen,
kann das Neue Paradigma beginnen

In der Mai-Ausgabe der chinesischen Monatsschrift China Investment, die an alle Teilnehmer des BRI-Forums in Beijing verteilt wurde, erschien auch der folgende Beitrag der Vorsitzenden des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche.

Anfangs hatten zwar fast alle amerikanischen Denkfabriken eine negative Haltung zu Chinas Gürtel- und Straßen-Initiative (Belt and Road Initiative, BRI) oder sie weigerten sich, sie überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, aber in jüngster Zeit gab es eine Wende. Außer dem harten Kern der neokonservativen Denkfabriken haben nun etliche begonnen, über die gewaltigen Geschäftsmöglichkeiten zu berichten, die das Projekt der Neuen Seidenstraße amerikanischen Unternehmen bietet, vor allem nach dem trotz schwieriger Umstände sehr erfolgreichen Gipfeltreffen zwischen Präsident Xi Jinping und Präsident Trump in Mar-a-Lago/Florida.

Der offensichtlichste der vielen Bereiche für eine solche Zusammenarbeit wäre natürlich die Verbindung der Gürtel- und Straßen-Initiative mit den geplanten Billionen-Investitionen in die Infrastruktur, die Präsident Trump in seinem Wahlkampf versprochen hat und deren Plan dem Vernehmen nach noch im Mai vorgelegt werden soll. Allerdings müssen noch einige Hindernisse überwunden werden, bis dies geschehen kann.

Der Infrastrukturbedarf der Vereinigten Staaten ist aufgrund der jahrzehntelangen Nicht-Investitionen der früheren Regierungen enorm. Abgesehen von denen, die selbst in China waren, haben die meisten Amerikaner keine Vorstellung davon, wie weit die Infrastrukturentwicklung der USA hinter China zurückgefallen ist. Die Durchschnittsgeschwindigkeit auf der 736 km langen „Hochgeschwindigkeitsbahn“ Acela1 liegt bei nur 105 km/h, nur auf kurzen Abschnitten werden 145 km/h erreicht. Das ist keine hohe Geschwindigkeit. Im Vergleich dazu gibt es in China rund 22.000 km Hochgeschwindigkeitsbahnen, also mehr als 50mal so viel!2

Die Straßen in den Vereinigten Staaten sind in einem schrecklichen, gefährlichen Zustand, ebenso die Brücken und die Kanalisation – aber ihre Nutzung ist trotzdem noch teuer. Für eine Fahrt von Washington nach New York muß man pro Fahrzeug die beträchtliche Summe von 115 Dollar an Mautgebühren und Benzin zahlen.

Die American Society of Civil Engineers hat kürzlich bei einer Konferenz die Schätzung vorgelegt, daß der Investitionsbedarf der US-Infrastruktur bei 4,5 Billionen Dollar liegt. Es ist vollkommen ausgeschlossen, daß die Finanzierung dieser Summen von den privaten Kapitalmärkten kommen wird. Die Vertreter dieses Sektors haben vor kurzem in Gesprächen mit Präsident Trump unerfüllbare Forderungen gestellt, wie Renditen von 11-12% pro Jahr und eine vollständige Rückzahlung des investierten Kapitals innerhalb von zehn Jahren. Auch die Idee, Infrastruktur durch ein Mautsystem zu finanzieren, ist problematisch. In dichtbesiedelten Gebieten wäre es vielleicht gerade noch machbar, doch in abgeschiedenen Regionen würde es sicherlich scheitern. Schon die Vorstellung, daß Infrastrukturinvestitionen eine unmittelbare Rendite abwerfen sollen, zeigt ein völlige Unkenntnis, welche Rolle die Infrastruktur in der Wirtschaft insgesamt hat.

Die Qualität und Dichte der Infrastruktur ist eine notwendige Voraussetzung für die Produktivität der gesamten Volkswirtschaft. Eine moderne Volkswirtschaft erfordert, daß etwa 50% ihrer Ausgaben dazu genutzt werden sollten, die Infrastruktur auszubauen und zu modernisieren, da die Lebenserwartung der verschiedenen Kategorien der Infrastruktur zwischen 20 und 50 Jahren liegt. Eine gut geplante Infrastrukturplattform ist ein integriertes System von Hochgeschwindigkeitsbahnen, Wasserstraßen, Autobahnen, Energieerzeugung und -verteilung und Kommunikation, sowie sogenannter ,weicher’ Infrastruktur wie Gesundheits- und Bildungssystemen. Je mehr die technologische Entwicklung und Produktivität eines Wirtschaftsraumes ansteigt, desto wichtiger werden die Geschwindigkeit und Effizienz des Verkehrs und die Dichte der Infrastruktur generell, da all die verschiedenen Ebenen der Produktion von Halb- und Fertigprodukten wie eine komplizierte Maschine zusammenwirken, in der jedes Einzelteil seinen Beitrag zu einem harmonischen Funktionieren leistet.

Die Erträge der Infrastrukturinvestitionen sind also an der Steigerung der Produktivität der gesamten Volkswirtschaft zu messen. Daher kann man die Finanzierung nicht privaten Investoren überlassen, sondern sie muß in der Verantwortung des Staates liegen, der dem Gemeinwohl der Volkswirtschaft als ganzer verpflichtet ist.

Das Potential für eine amerikanisch-chinesische Kooperation

Wenn Präsident Trump einfach beim Kongreß beantragen würde, das Infrastrukturprogramm aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren, würde er auf den gleichen Widerstand der Demokraten und Teilen der Republikaner stoßen, der bereits die Aufhebung von Obamacare verhindert hat. Und wenn China und andere ausländische Investoren einfach mit Hilfe der privaten Kapitalmärkte investieren würden – vorausgesetzt, man erlaubt es ihnen –, dann wären diese Investitionen möglicherweise den Fluktuationen der Märkte ausgesetzt.

Aufgrund der jahrzehntelangen Politik der Auslagerung in Billiglohnländer fehlt dem Produktionssektor der USA derzeit eine vollständige vor- und nachgeschaltete Wertschöpfungskette, was ein weiteres Hindernis ist. China hingegen hat eine vollständige vor- und nachgeschaltete Wertschöpfungskette, und es hat große Erfahrungen beim Bau moderner Infrastruktursysteme – nicht nur durch seine Erfahrungen in China selbst, sondern auch dadurch, daß es solche Systeme in anderen Ländern gebaut hat.

China könnte daher nicht nur den Städten mit den größten Verkehrsproblemen helfen, wie New York, Los Angeles, Boston, Chicago, San Francisco und Washington, es könnte auch helfen, das nachzuvollziehen, was China im eigenen Land tut, nämlich alle großen Städte durch Hochgeschwindigkeitsbahnen miteinander zu verbinden.

Für Regionen wie beispielsweise die um New York, New Jersey und Philadelphia wäre ein integriertes Infrastrukturnetz wie das geplante System zur „integrierten Verkehrsentwicklung“ der Region Beijing-Tianjin-Hebei sehr sinnvoll, da die Menschen täglich viele Stunden für das Pendeln zwischen ihren Wohnvierteln und ihrem Arbeitsplatz verlieren. Während man für die rund 1300 km lange Reise von Beijing nach Shanghai mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 300 km/h nur 5 Stunden benötigt, braucht man für die etwa gleich weite Reise von New York City nach Chicago 19 Stunden!

Die Vereinigten Staaten würden auch sehr vom Bau ganz neuer Städte profitieren, die in den bisher nur sehr dünn besiedelten Gebieten in den zentralen Bundesstaaten der Vereinigten Staaten liegen könnten. Dies könnten Wissenschaftsstädte als Bildungs- und Forschungszentren sein, oder sie könnten in der Nähe anderer, dringend benötigter großer Infrastrukturprojekte liegen, wie etwa Projekten zur Wasserregulierung in den dürregefährdeten Regionen im Südwesten des Landes. Ein solches Projekt, das seit der Kennedy-Regierung in den Schubladen liegt, ist die Nordamerikanische Wasser- und Stromallianz (NAWAPA), die vor kurzem für das 21. Jahrhundert aktualisiert wurde.3

Andererseits würde solch eine modernisierte US-Wirtschaft auch auf den expandierenden chinesischen Markt exportieren. Die chinesische Mittelschicht - mit etwa 900 Millionen Menschen – genießt eine rasch wachsende Kaufkraft, was durch die Strukturreformen, die die chinesische Regierung umgesetzt hat, möglich wurde. 2016 betrug das bilaterale Handelsvolumen zwischen den Vereinigten Staaten und China bereits 519,6 Mrd.$, und die bilateralen Investitionen wuchsen im gleichen Jahr auf 170 Mrd.$ an. Im letzten Jahrzehnt stiegen die US-Exporte nach China um 11% und die chinesischen Investitionen in den Vereinigten Staaten um 5,6%. Das Wachstumspotential ist in all diesen Kategorien enorm, wenn die beiden komplementären Volkswirtschaften der Vereinigten Staaten und Chinas sich in dieser Weise verbinden würden.

Eine solche amerikanisch-chinesische Kooperation würde sich natürlich nicht auf den bilateralen Handel beschränken, sondern angesichts des gewaltigen Bedarfs für den Ausbau von Infrastruktur, Landwirtschaft und Industrie in aller Welt würden Joint Ventures fast überall auf der Welt eine „Win-Win“-Perspektive für die Vereinigten Staaten, China und das jeweilige Drittland bieten. Angesichts des gewaltigen Potentials der Gürtel- und Straßen-Initiative zur Weltlandbrücke,4 die das Schiller-Institut 2014 vorgeschlagen hat, könnte in nicht allzu ferner Zukunft ein Netz von Hochgeschwindigkeitsbahnen von der Südspitze Südamerikas in Chile und Argentinien durch Mittel- und Nordamerika gebaut und durch einen Tunnel unter der Beringstraße mit den eurasischen Verkehrsnetzen verbunden werden. Dies würde den Vereinigten Staaten einen Weg eröffnen, sich der nun entstehenden, pazifisch ausgerichteten Welt anzuschließen. Dazu müßten die Eisenbahnkorridore durch Kanada nach Alaska stark verbessert und ausgebaut und mit einem neuen Eisenbahnsystem in den Vereinigten Staaten verbunden werden.

Das Beispiel Roosevelt

Eine solche Perspektive von etwa 65.000 km modernen elektrifizierten Eisenbahnstrecken, wovon etwa die Hälfte Hochgeschwindigkeitsstrecken sein sollten, bedeutete auch enorme Investitionen in die Industrieproduktion, um die notwendigen Teile und Materialien zu produzieren, sowie in die Aus- und Fortbildung der qualifizierten Arbeitskräfte, die zur Bewältigung einer solchen gewaltigen Aufgabe benötigt werden. Insbesondere bei der Ausbildung der Jugend kann man auf die Erfahrungen mit Franklin Roosevelts Civilian Conservation Corps – dem CCC-Programm – zurückgreifen, das wesentlich dazu beigetragen hat, die Vereinigten Staaten aus der Depression der 1930er Jahre herauszuführen. Roosevelt nannte das CCC „die größte Bewegung, die unser Land je in Friedenszeiten erlebt hat“. Es wurde geschaffen, um dem schrecklichen Bildungs- und Qualifikationsmangel der Jugend abzuhelfen – einem Zustand, der im heutigen Amerika die Form verbreiteter Drogenabhängigkeit und Drogenstraftaten annimmt.

Bei ihrem Gipfeltreffen beschlossen Präsident Trump und Präsident Xi Jinping, vier permanente Dialoge einzurichten, von denen einer den wirtschaftlichen Fragen gewidmet ist. Diese Expertengruppe könnte sofort damit anfangen, zu untersuchen, wie die Vereinigten Staaten sich an der BRI beteiligen können.

Der wichtigste Aspekt der Idee, daß die Vereinigten Staaten sich der Gürtel- und Straßen-Initiative anschließen, wäre jedoch, die gesamte Bevölkerung mit Hoffnung auf die Zukunft zu begeistern, auf eine bessere Zukunft für die kommenden Generationen, etwas, was in den letzten fünf Jahrzehnten verloren gegangen ist.

Es würde auch demonstrieren, daß Präsident Trumps Versprechen, „Amerika wieder groß zu machen“, nicht im Widerspruch zu den Interessen anderer Länder steht, sondern daß eine solche Win-Win-Kooperation die ganze Welt in eine neue Ära der Zivilisation führen würde. Wenn die beiden größten Volkswirtschaften der Welt in dieser Weise zusammenarbeiten, gibt es kein Problem auf der Erde, das nicht gelöst werden kann.

Wenn man die Wirtschaftstheorie hinter dem enormen Erfolg des chinesischen Wirtschaftswunders der letzten 30 Jahre studiert, wird man feststellen, daß Chinas gegenwärtige Wirtschaftspolitik, die sich auf die Ausbildung seiner Bürger stützt, sehr stark mit dem konfuzianischen Prinzip des lebenslangen Lernens und der Innovation übereinstimmt, und daß sie den Prinzipien des Amerikanischen Systems der Ökonomie, wie es von Alexander Hamilton, John Quincy Adams, Henry Clay, Henry C. Carey und Lincoln entwickelt und umgesetzt wurde, faktisch sehr nahe kommt. Alle diese Männer wußten, daß die wichtigste Quelle des Reichtums eines Landes in der Entwicklung der schöpferischen Kräfte seiner Bevölkerung liegt. Und deshalb entwarfen sie ein System der Wirtschaft, das genau dies förderte, um soviel wissenschaftlich-technischen Fortschritt und Innovationen wie möglich zu katalysieren.

Es ist auch faszinierend, daß der eigentliche geistige Vater der Amerikanischen Revolution, Benjamin Franklin, begeistert und inspiriert von den Schriften des Konfuzius war, aus denen er die Überzeugung übernahm, daß die moralische Veredelung des einzelnen unbedingt der Schlüssel zur Verbesserung der Gesellschaft ist. Franklin gründete sein System der Morallehre auf Konfuzius, und das hat den Geist der Gründung Amerikas entscheidend geprägt. Eine ganz ähnliche geistige Nähe existierte zwischen Präsident Lincoln und Chinas Gründervater [Sun Yatsen].

Die Zusammenarbeit in der Neuen Seidenstraße sollte daher auch eine kulturelle Dimension haben, und genauso wie die alte Seidenstraße sollte sie einen Austausch in der Kunst und in der Philosophie bewirken. Sie sollte auch die besten Traditionen und den höchsten Ausdruck der Menschlichkeit in allen beteiligten Ländern hervorbringen, und dadurch werden die Menschen die unerwarteten Schönheiten der anderen Kulturen entdecken. Dieses Wissen wird dann zur Bewunderung führen und neue Horizonte öffnen. Die Epoche der Gemeinschaft einer gemeinsamen Zukunft ist in greifbarer Nähe. Wenn Präsident Trump und Präsident Xi Jinping sich die Hände zu dieser Kooperation reichen, dann werden sie beide einen Platz in der Geschichte behalten, weil sie die Menschheit zu ihrer wahren Bestimmung geführt haben.


Anmerkungen

1. Das ist die Strecke Washington D.C.-New York City-Boston.

2. Die Durchschnittsgeschwindigkeit der Strecke Peking-Shanghai liegt bei 300 km/h.

3. Siehe http://archive.larouchepac.com/files/20120409-nawapa-press-release_0.pdf

4. Siehe http://worldlandbridge.com/

    Om

    Purnamadah Purnamidam
    Purnath Purnamudachyate
    Purnasya Purnamadaya Purnameva Vashishyate

    Jenes ist ganz und dieses ist ganz
    Aus dem Ganzen ist das Ganze manifestiert
    Wenn das Ganze aus dem Ganzen genommen wird, bleibt immer noch das Ganze


Die Videos mit allen Vorträgen der Tagung finden Sie in Kürze unter www.impulswelle.ch