Friedrich Schiller Denkmal
Friedrich Schiller



Hauptseite
       

Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Gemeinsamer Aufbau der Seidenstraße zur Wiederbelebung der Weltwirtschaft

Zhang Junhui, Gesandter der chinesischen Botschaft in Deutschland, hielt bei der Essener Konferenz des Schiller-Instituts am 21. Oktober den folgenden Vortrag.

Sehr geehrte Frau Helga Zepp-LaRouche, meine sehr geehrten Damen und Herren,

es ist mir eine große Freude und eine große Ehre, unseren Botschafter zu vertreten und der Einladung zu dieser Konferenz zu folgen und hier einen kurzen Vortrag halten zu dürfen.

Eben hat Frau Präsidentin sehr umfassend referiert über die Weltlage, über die Neue Seidenstraßen-Initiative, und auch sehr viele Informationen über China gegeben. Bevor ich also über unsere historische und die gegenwärtige Sicht der Neuen Seidenstraße referiere, über die Chance, die sich für die Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland ergibt, möchte ich noch drei Punkte vorwegschicken.

1. Diese Initiative stammt zwar aus China, aber sie braucht die Zusammenarbeit aller Interessierten. Die Realisierung dieser Initiative liegt also nicht allein in Chinas Hand, sondern in der aller Interessierten.
2. Wir verstehen diese Initiative als eine Ergänzung zu Institutionen, die bereits existieren, wie die Weltbank, die Asian Development Bank (Asiatische Entwicklungsbank) usw. Wir haben festgestellt, daß die Bedürfnisse größer sind, als daß die schon bestehenden Institutionen sie erfüllen und befriedigen können. Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten.
3. Damit komme ich zum dritten Punkt, nämlich: Diese Initiative, wie auch die Asian Infrastructure Investment Bank (Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank), ist eine offene Institution für alle. Wir wollen uns einbringen, aber, wie gesagt, China maßt sich nicht an, eine Patentlösung für alle Fragen und alle Krisen in der Welt anbieten zu können. In Deutschland gibt es ein sehr schönes Sprichwort: „Die Bäume wachsen nicht in den Himmel.“ Das gilt genauso für China…

Jetzt möchte ich mit dem eigentlichen Vortrag beginnen. Vor über 2100 Jahren wurde Zhang Qian als Gesandter der chinesischen Han-Dynastie zweimal nach Zentralasien geschickt, um das Tor des freundschaftlichen Austausches zwischen China und Zentralasien, zwischen China und Europa aufzutun. Damit wurde in der weiteren Entwicklung auch eine Seidenstraße eröffnet, die vom Osten bis in den Westen reichte und Europa und Asien miteinander verband.

Angesichts der heutigen globalisierten Weltwirtschaft mit unausgeglichenen Entwicklungen glauben wir, daß dringend eine noch umfangreichere, hochwertigere und tiefgreifende überregionale Zusammenarbeit erforderlich ist.

Die Weiterentwicklung des Geistes der Seidenstraße ist heute noch dringender geboten als jemals in der Vergangenheit. Gerade in diesem Sinne hat Chinas Staatspräsident im September 2013 die große Initiative der gemeinsamen Errichtung der Neuen Seidenstraße - auf deutsch „Ein Gürtel, eine Straße“, auf englisch „One belt, one road“ - ins Leben gerufen, die der alten Seidenstraße neue Vitalität und Bedeutung verleihen soll. Die Neue Seidenstraße durchzieht den eurasischen Kontinent: an einem Ende das pulsierende Wirtschaftszentrum Ostasiens, am anderen Ende das Wirtschaftszentrum des entwickelten Europa. Und die Wirtschaftsentwicklung der Länder im großen Raum dazwischen hat, so glauben wir, auch ein enormes Potential. Das Ziel ist, über den Ausbau der Infrastruktur in den beteiligten Ländern die Konnektivität zu erhöhen, so daß die Neue Seidenstraße der Wirtschaftskooperation ausgebaut wird und der globalen Wirtschaft beständig „frisches Blut“ zuführt.

Schwerpunkt und Priorität der Neuen Seidenstraße liegen auf dem Bau einer Verkehrsinfrastruktur, was den tatsächlichen Bedürfnissen des eurasischen Kontinents entspricht. Schätzungen der Asiatischen Entwicklungsbank zufolge wird bis 2020 der jährliche Bedarf an Investitionen in die Infrastruktur 730 Mrd. US-Dollar betragen. Bestehende Institutionen wie die Weltbank und die Asian Development Bank sind in keiner Weise in der Lage, diesen Bedarf zu decken. Die aus diesem Grund auf Initiative auch von China gegründete Asian Infrastructure Investment Bank stößt deshalb bei allen Ländern auf große Zustimmung.

Die Initiative der Neuen Seidenstraße hält an den Prinzipien von Öffnung, Inklusivität und allseitigem Vorteil fest. Sie ist keinesfalls ein Solostück Chinas, sondern ein Konzert, an dem alle Länder gemeinsam partizipieren. Die Neue Seidenstraße hält an den Prinzipien von gemeinsamer Beratung, gemeinsamem Bau und gemeinsamem Nutzen fest, auf der Basis von Gleichberechtigung und Gegenseitigkeit werden gemeinsame Entwicklung und gemeinsamer Wohlstand angestrebt. Sie ist eine regionale Kooperationsplattform.

Meine Damen und Herren, in den letzten drei Jahren verzeichnete diese bereits erste Erfolge. Inzwischen haben wir mehr als 100 Länder und Organisationen auf dem eurasischen Kontinent, die sich bereit erklärt haben, sich aktiv am Aufbau der Neuen Seidenstraße zu beteiligen, und mit über 30 Ländern, die auf dieser Route liegen, wurden bereits entsprechende Kooperationsvereinbarungen unterzeichnet.

Die Asian Infrastructure Investment Bank und der Silk Road Fund (Seidenstraßen-Fonds) sind bereits erfolgreich gestartet, und eine Reihe von Infrastrukturprojekten zugunsten der Konnektivität hat zügig ihren Anfang genommen. Konnektivitätsprojekte wie der Wirtschaftskorridor zwischen China und Pakistan und die Hochgeschwindigkeits-Bahnlinien zwischen China und Laos, zwischen China und Thailand sowie zwischen Jakarta und Bandung werden Schritt für Schritt in Angriff genommen.

Außerdem gibt es zwischen China und Europa bzw. zwischen China und Deutschland Projekte, die sich sehen lassen können; mit den Güterzug-Verbindungen, auch China Railway Express genannt, zwischen China und Europa geht es stetig voran. Es handelt sich um regelmäßige Güterzug-Verbindungen, die China mit Europa verbinden und dabei den Kontinent durchqueren. Im letzten Jahr, 2015, fuhren zwischen China und Europa insgesamt 815 Züge, zwischen China und Deutschland waren es über 400, also die Hälfte. Das Frachtaufkommen der Güterzüge zwischen China und Deutschland betrug 30.000 Container, und es wird geschätzt, daß es bis 2020 jährlich 100.000 Container werden.

Kooperation China-Deutschland

Die chinesische Bahn und Siemens arbeiten in den Bereichen Lokomotiven, Kommunikation und Signaltechnik seit langem zusammen. Im März dieses Jahres unterschrieben die Chinesische und die Deutsche Bahn ein Memorandum, wonach beide Seiten bei Transport und Logistik im Bahnverkehr zwischen China und Europa, bei der Intensivierung des Containerzugverkehrs und bei der Erschließung von Drittmärkten kooperieren werden. Die Deutsche Bahn hat entschieden, in China ein Einkaufsbüro zu eröffnen, was aus unserer Sicht von Weitblick zeugt. China wird in den kommenden fünf Jahren über 360 Mrd. Euro für die Bahninfrastruktur ausgeben. Davon kann die Deutsche Bahn profitieren.

China und Deutschland liegen jeweils an den Enden des Wirtschaftsgürtels der Seidenstraße, sie sind nicht nur die größten Volkswirtschaften Asiens bzw. Europas, sondern zudem große Fertigungs- und Exportnationen. Von den Gütern im Wert von 1,5 Mrd. US-Dollar, die täglich zwischen China und der EU unterwegs sind, entfällt nahezu ein Drittel auf China und Deutschland.

Der gemeinsame Ausbau der Seidenstraße ist für China wie für Deutschland von ganz besonderer Bedeutung. Wenn beide Länder gemeinsam die neuen Kooperationsfelder und -spielräume der Neuen Seidenstraße ausloten und erschließen, dann wird das mit Sicherheit für die Völker beider Länder, sowie für die Länder und Menschen entlang der Seidenstraße großen wirtschaftlichen Nutzeffekt und ganz konkrete Vorteile mit sich bringen.

Deutschland und andere europäische Länder sind dabei, ihre Infrastruktur umzubauen und zu erneuern. Sie bauen ein transeuropäisches Bahnverkehrsnetz auf. China besitzt inzwischen beim Aufbau von Infrastruktur, bei der Technologie und beim Management eigene Stärken. China verfügt über reiche und qualitativ gute Produktionskapazitäten, seine Industriekette für Baumaterial z.B. ist vollständig und aus einem Guß, seine Maschinen und Anlagen bewähren sich im praktischen Einsatz. Wir unterstützen die Beteiligung leistungsfähiger chinesischer Unternehmen von hoher Bonität an den Projekten der transeuropäischen Verkehrsnetze.

China hat bereits 19.000 km Hochgeschwindigkeitsstrecken, innerhalb der nächsten Jahre werden es 30.000 km werden. Chinesische und deutsche Unternehmen können durchaus zusammenarbeiten und gemeinsam den Bau von Hochgeschwindigkeitsbahnen auf Drittländermärkten angehen. Ich zitiere ein deutsches Sprichwort: Will man neue Kontinente entdecken, darf man sich nicht nur an den eigenen Gestaden tummeln. Wenn die auf der Route liegenden Länder China, Deutschland und Rußland zusammenarbeiten und den Traum einer den europäischen und asiatischen Kontinent überquerenden Hochgeschwindigkeitsstrecke verwirklichen, dann steht für den eurasischen Kontinent mit Sicherheit eine neue Epoche des Aufschwungs bevor.

Keine Geopolitik

Meine Damen und Herren, im Ausland wird von manchen - das hat eben auch schon die Frau Präsidentin angedeutet - die Neue-Seidenstraßen-Initiative mißverstanden, falsch interpretiert oder sogar mißtrauisch beobachtet. Manche halten die Neue Seidenstraße für ein strategisches Instrument im Dienste von Chinas Geopolitik. Wir halten das für eine veraltete Denkweise aus der Zeit des Kalten Krieges. Die Globalisierung hat die Welt immer mehr zu einem „global village“ gemacht, in dem die Menschen im Frieden wie in Krisen untrennbar miteinander verbunden sind. Alle sind zu Nachbarn geworden und engstens miteinander verbunden, verflochten. Gedeiht einer, dann gedeihen alle, erleidet einer Verlust, so erleiden alle Verluste. Ich glaube, man kann sich nicht mehr zurückziehen in ein Zeitalter, in dem man sich gegenseitig abschotten und jeden Kontakt vermeiden kann.

Deshalb sind wir der Meinung, daß die Neue Seidenstraße zum richtigen Zeitpunkt kommt, sie ist sowohl ein Ergebnis von Öffnung und Kooperation, als auch eine Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung.

Die Neue-Seidenstraße-Intitiative hält fest an dem Geist der Öffnung und Inklusivität, sie betreibt keine Verdrängung und keinen unlauteren Wettbewerb, sondern fördert gemeinsamen Frieden, Stabilität und Prosperität in der Region. Sie ist eine sinnvolle Ergänzung für die globale Kooperation im Wirtschafts- und Finanzbereich. Die Neue Seidenstraße bedeutet nicht nur wechselseitigen Nutzen und gemeinsames Gewinnen im wirtschaftlichen Sinne, sie wird sicherlich auch einen Beitrag zur Förderung des Friedens und der Stabilität leisten.

Abschließend möchte ich noch kurz auf die G-20 eingehen. Nach China übernimmt Deutschland im nächsten Jahr, 2017, die G-20-Präsidentschaft; das Gipfeltreffen findet im kommenden Jahr in Hamburg statt. Beide Länder arbeiten auch in diesem Rahmen sehr eng und sehr vertrauensvoll zusammen. Beide Länder setzen sich für die Stärkung des Wirtschaftswachstums mittels allgemeiner politischer Maßnahmen wie struktureller Reformen, Innovationen und Investitionen ein. Beide Seiten betonen die wichtige Rolle der realwirtschaftlichen Entwicklung und vertreten die Ansicht, daß eine dauerhafte Erholung der Weltwirtschaft nicht allein auf finanzpolitische Stimuli und geldpolitische Lockerung bauen darf. Was das innovative Wachstum angeht, betrachten beide Länder Schritte wie die Revolution der neuen Industrie und die Digitalisierung der Wirtschaft als Schlüssel, um technische und ökonomische Innovationen anzustoßen und eine Blaupause für das innovative Wachstum der Weltwirtschaft zu entwickeln.

Zum Schluß wünsche ich mir, daß wir, unsere beiden Länder, die Chancen, die sich aus der G-20 und auch aus der Neuen-Seidenstraßen-Initiative ergeben, beim Schopf packen, und wir Hand in Hand eine vielversprechende Zukunft für unsere beiden Länder und für die Welt gestalten können.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.