Gemeinsamer Aufbau der Seidenstraße zur Wiederbelebung der
Weltwirtschaft
Zhang Junhui, Gesandter der chinesischen Botschaft in
Deutschland, hielt bei der Essener Konferenz des Schiller-Instituts am 21.
Oktober das folgende Referat.
Von Zhang Junhui
Sehr geehrte Frau Helga Zepp-LaRouche, meine sehr geehrten
Damen und Herren,
es ist mir eine große Freude und eine große Ehre, unseren
Botschafter zu vertreten und der Einladung zu dieser Konferenz zu folgen und
hier einen kurzen Vortrag halten zu dürfen.
Eben hat Frau Präsidentin sehr umfassend referiert über die
Weltlage, über die Neue Seidenstraßen-Initiative, und auch sehr viele
Informationen über China gegeben. Bevor ich also über unsere historische und
die gegenwärtige Sicht der Neuen Seidenstraße referiere, über die Chance, die
sich für die Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland ergibt, möchte ich
noch drei Punkte vorwegschicken.
1. Diese Initiative stammt zwar aus China, aber sie braucht
die Zusammenarbeit aller Interessierten. Die Realisierung dieser Initiative
liegt also nicht allein in Chinas Hand, sondern in der aller Interessierten.
2. Wir verstehen diese Initiative als eine Ergänzung zu
Institutionen, die bereits existieren, wie die Weltbank, die Asian Development
Bank (Asiatische Entwicklungsbank) usw. Wir haben festgestellt, daß die
Bedürfnisse größer sind, als daß die schon bestehenden Institutionen sie
erfüllen und befriedigen können. Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten.
3. Damit komme ich zum dritten Punkt, nämlich: Diese
Initiative, wie auch die Asian Infrastructure Investment Bank (Asiatische
Infrastruktur-Investitionsbank), ist eine offene Institution für alle.
Wir wollen uns einbringen, aber, wie gesagt, China maßt sich
nicht an, eine Patentlösung für alle Fragen und alle Krisen in der Welt
anbieten zu können. In Deutschland gibt es ein sehr schönes Sprichwort: „Die
Bäume wachsen nicht in den Himmel.“ Das gilt genauso für China…
Jetzt möchte ich mit dem eigentlichen Vortrag beginnen.
Vor über 2100 Jahren wurde Zhang Qian als Gesandter der
chinesischen Han-Dynastie zweimal nach Zentralasien geschickt, um das Tor des
freundschaftlichen Austausches zwischen China und Zentralasien, zwischen China
und Europa aufzutun. Damit wurde in der weiteren Entwicklung auch eine
Seidenstraße eröffnet, die vom Osten bis in den Westen reichte und Europa und
Asien miteinander verband.
Angesichts der heutigen globalisierten Weltwirtschaft mit
unausgeglichenen Entwicklungen glauben wir, daß dringend eine noch
umfangreichere, hochwertigere und tiefgreifende überregionale Zusammenarbeit
erforderlich ist.
Die Weiterentwicklung des Geistes der Seidenstraße ist heute
noch dringender geboten als jemals in der Vergangenheit. Gerade in diesem Sinne
hat Chinas Staatspräsident im September 2013 die große Initiative der gemeinsamen
Errichtung der Neuen Seidenstraße - auf deutsch „Ein Gürtel, eine Straße“, auf
englisch „One belt, one road“ - ins Leben gerufen, die der alten Seidenstraße
neue Vitalität und Bedeutung verleihen soll. Die Neue Seidenstraße durchzieht
den eurasischen Kontinent: an einem Ende das pulsierende Wirtschaftszentrum
Ostasiens, am anderen Ende das Wirtschaftszentrum des entwickelten Europa. Und
die Wirtschaftsentwicklung der Länder im großen Raum dazwischen hat, so glauben
wir, auch ein enormes Potential. Das Ziel ist, über den Ausbau der
Infrastruktur in den beteiligten Ländern die Konnektivität zu erhöhen, so daß
die Neue Seidenstraße der Wirtschaftskooperation ausgebaut wird und der
globalen Wirtschaft beständig „frisches Blut“ zuführt.
Schwerpunkt und Priorität der Neuen Seidenstraße liegen auf
dem Bau einer Verkehrsinfrastruktur, was den tatsächlichen Bedürfnissen des
eurasischen Kontinents entspricht. Schätzungen der Asiatischen Entwicklungsbank
zufolge wird bis 2020 der jährliche Bedarf an Investitionen in die
Infrastruktur 730 Mrd. US-Dollar betragen. Bestehende Institutionen wie die
Weltbank und die Asian Development Bank sind in keiner Weise in der Lage,
diesen Bedarf zu decken. Die aus diesem Grund auf Initiative auch von China
gegründete Asian Infrastructure Investment Bank stößt deshalb bei allen
Ländern auf große Zustimmung.
Die Initiative der Neuen Seidenstraße hält an den Prinzipien
von Öffnung, Inklusivität und allseitigem Vorteil fest. Sie ist keinesfalls ein
Solostück Chinas, sondern ein Konzert, an dem alle Länder gemeinsam
partizipieren. Die Neue Seidenstraße hält an den Prinzipien von gemeinsamer
Beratung, gemeinsamem Bau und gemeinsamem Nutzen fest, auf der Basis von
Gleichberechtigung und Gegenseitigkeit werden gemeinsame Entwicklung und
gemeinsamer Wohlstand angestrebt. Sie ist eine regionale Kooperationsplattform.
Meine Damen und Herren, in den letzten drei Jahren
verzeichnete diese bereits erste Erfolge. Inzwischen haben wir mehr als 100
Länder und Organisationen auf dem eurasischen Kontinent, die sich bereit
erklärt haben, sich aktiv am Aufbau der Neuen Seidenstraße zu beteiligen, und
mit über 30 Ländern, die auf dieser Route liegen, wurden bereits entsprechende
Kooperationsvereinbarungen unterzeichnet.
Die Asian Infrastructure Investment Bank und der Silk
Road Fund (Seidenstraßen-Fonds) sind bereits erfolgreich gestartet, und eine
Reihe von Infrastrukturprojekten zugunsten der Konnektivität hat zügig ihren
Anfang genommen. Konnektivitätsprojekte wie der Wirtschaftskorridor zwischen China
und Pakistan und die Hochgeschwindigkeits-Bahnlinien zwischen China und Laos,
zwischen China und Thailand sowie zwischen Jakarta und Bandung werden Schritt für
Schritt in Angriff genommen.
Außerdem gibt es zwischen China und Europa bzw. zwischen
China und Deutschland Projekte, die sich sehen lassen können; mit den
Güterzug-Verbindungen, auch China Railway Express genannt, zwischen China und
Europa geht es stetig voran. Es handelt sich um regelmäßige
Güterzug-Verbindungen, die China mit Europa verbinden und dabei den Kontinent
durchqueren. Im letzten Jahr, 2015, fuhren zwischen China und Europa insgesamt
815 Züge, zwischen China und Deutschland waren es über 400, also die Hälfte.
Das Frachtaufkommen der Güterzüge zwischen China und Deutschland betrug 30.000
Container, und es wird geschätzt, daß es bis 2020 jährlich 100.000 Container
werden.
Kooperation China-Deutschland
Die chinesische Bahn und Siemens arbeiten in den Bereichen
Lokomotiven, Kommunikation und Signaltechnik seit langem zusammen. Im März dieses
Jahres unterschrieben die Chinesische und die Deutsche Bahn ein Memorandum,
wonach beide Seiten bei Transport und Logistik im Bahnverkehr zwischen China
und Europa, bei der Intensivierung des Containerzugverkehrs und bei der
Erschließung von Drittmärkten kooperieren werden. Die Deutsche Bahn hat
entschieden, in China ein Einkaufsbüro zu eröffnen, was aus unserer Sicht von
Weitblick zeugt. China wird in den kommenden fünf Jahren über 360 Mrd. Euro für
die Bahninfrastruktur ausgeben. Davon kann die Deutsche Bahn profitieren.
China und Deutschland liegen jeweils an den Enden des
Wirtschaftsgürtels der Seidenstraße, sie sind nicht nur die größten
Volkswirtschaften Asiens bzw. Europas, sondern zudem große Fertigungs- und
Exportnationen. Von den Gütern im Wert von 1,5 Mrd. US-Dollar, die täglich
zwischen China und der EU unterwegs sind, entfällt nahezu ein Drittel auf China
und Deutschland.
Der gemeinsame Ausbau der Seidenstraße ist für China wie für
Deutschland von ganz besonderer Bedeutung. Wenn beide Länder gemeinsam die
neuen Kooperationsfelder und -spielräume der Neuen Seidenstraße ausloten und
erschließen, dann wird das mit Sicherheit für die Völker beider Länder, sowie
für die Länder und Menschen entlang der Seidenstraße großen wirtschaftlichen
Nutzeffekt und ganz konkrete Vorteile mit sich bringen.
Deutschland und andere europäische Länder sind dabei, ihre
Infrastruktur umzubauen und zu erneuern. Sie bauen ein transeuropäisches
Bahnverkehrsnetz auf. China besitzt inzwischen beim Aufbau von Infrastruktur,
bei der Technologie und beim Management eigene Stärken. China verfügt über
reiche und qualitativ gute Produktionskapazitäten, seine Industriekette für
Baumaterial z.B. ist vollständig und aus einem Guß, seine Maschinen und Anlagen
bewähren sich im praktischen Einsatz. Wir unterstützen die Beteiligung
leistungsfähiger chinesischer Unternehmen von hoher Bonität an den Projekten
der transeuropäischen Verkehrsnetze.
China hat bereits 19.000 km Hochgeschwindigkeitsstrecken,
innerhalb der nächsten Jahre werden es 30.000 km werden. Chinesische und
deutsche Unternehmen können durchaus zusammenarbeiten und gemeinsam den Bau von
Hochgeschwindigkeitsbahnen auf Drittländermärkten angehen. Ich zitiere ein
deutsches Sprichwort: Will man neue Kontinente entdecken, darf man sich nicht
nur an den eigenen Gestaden tummeln. Wenn die auf der Route liegenden Länder
China, Deutschland und Rußland zusammenarbeiten und den Traum einer den
europäischen und asiatischen Kontinent überquerenden
Hochgeschwindigkeitsstrecke verwirklichen, dann steht für den eurasischen
Kontinent mit Sicherheit eine neue Epoche des Aufschwungs bevor.
Keine Geopolitik
Meine Damen und Herren, im Ausland wird von manchen - das
hat eben auch schon die Frau Präsidentin angedeutet - die Neue-Seidenstraßen-Initiative
mißverstanden, falsch interpretiert oder sogar mißtrauisch beobachtet. Manche
halten die Neue Seidenstraße für ein strategisches Instrument im Dienste von
Chinas Geopolitik. Wir halten das für eine veraltete Denkweise aus der Zeit des
Kalten Krieges. Die Globalisierung hat die Welt immer mehr zu einem „global
village“ gemacht, in dem die Menschen im Frieden wie in Krisen untrennbar
miteinander verbunden sind. Alle sind zu Nachbarn geworden und engstens
miteinander verbunden, verflochten. Gedeiht einer, dann gedeihen alle, erleidet
einer Verlust, so erleiden alle Verluste. Ich glaube, man kann sich nicht mehr
zurückziehen in ein Zeitalter, in dem man sich gegenseitig abschotten und jeden
Kontakt vermeiden kann.
Deshalb sind wir der Meinung, daß die Neue Seidenstraße zum
richtigen Zeitpunkt kommt, sie ist sowohl ein Ergebnis von Öffnung und
Kooperation, als auch eine Antwort auf die Herausforderungen der
Globalisierung.
Die Neue-Seidenstraße-Intitiative hält fest an dem Geist der
Öffnung und Inklusivität, sie betreibt keine Verdrängung und keinen unlauteren
Wettbewerb, sondern fördert gemeinsamen Frieden, Stabilität und Prosperität in
der Region. Sie ist eine sinnvolle Ergänzung für die globale Kooperation im
Wirtschafts- und Finanzbereich. Die Neue Seidenstraße bedeutet nicht nur
wechselseitigen Nutzen und gemeinsames Gewinnen im wirtschaftlichen Sinne, sie
wird sicherlich auch einen Beitrag zur Förderung des Friedens und der
Stabilität leisten.
Abschließend möchte ich noch kurz auf die G-20 eingehen.
Nach China übernimmt Deutschland im nächsten Jahr, 2017, die
G-20-Präsidentschaft; das Gipfeltreffen findet im kommenden Jahr in Hamburg
statt. Beide Länder arbeiten auch in diesem Rahmen sehr eng und sehr
vertrauensvoll zusammen. Beide Länder setzen sich für die Stärkung des
Wirtschaftswachstums mittels allgemeiner politischer Maßnahmen wie
struktureller Reformen, Innovationen und Investitionen ein. Beide Seiten
betonen die wichtige Rolle der realwirtschaftlichen Entwicklung und vertreten
die Ansicht, daß eine dauerhafte Erholung der Weltwirtschaft nicht allein auf
finanzpolitische Stimuli und geldpolitische Lockerung bauen darf. Was das
innovative Wachstum angeht, betrachten beide Länder Schritte wie die Revolution
der neuen Industrie und die Digitalisierung der Wirtschaft als Schlüssel, um
technische und ökonomische Innovationen anzustoßen und eine Blaupause für das
innovative Wachstum der Weltwirtschaft zu entwickeln.
Zum Schluß wünsche ich mir, daß wir, unsere beiden Länder,
die Chancen, die sich aus der G-20 und auch aus der
Neuen-Seidenstraßen-Initiative ergeben, beim Schopf packen, und wir Hand in
Hand eine vielversprechende Zukunft für unsere beiden Länder und für die Welt
gestalten können.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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