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Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
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In Syrien und anderswo gegen die Kriegspartei und das Gesetz des Dschungels

Den Frieden in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht wieder aufbauen

Von Michel Raimbaud

Michel Raimbaud ist ehemaliger französischer Botschafter in der arabischen Welt, in Afrika und Lateinamerika und ehemaliger Direktor des Französischen Amts für den Schutz von Flüchtlingen und Staatenlosen. Seine Rede wurde aus dem Französischen übersetzt.

Das Gesetz des Dschungels

Die Welt steht heute vor einer großen Kriegsgefahr, mehr denn je. Sie durchlebt eine globale Krise.

Man hört, wie von einem neuen Kalten Krieg gesprochen wird, der uns zurück zu der alten Konfrontation führt zwischen der „freien Welt“ - dem Vorläufer der „Achse des Guten“ - und einem „totalitären Block“, den George W. Bush als die „Achse des Bösen“ bezeichnete, eine Konfrontation, die mit dem Sieg der Vereinigten Staaten über den Kommunismus endete.

Das Verschwinden der UdSSR 1991, das Wladimir Putin als die „größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichnete, bewirkte das Aufkommen des berühmten „unipolaren amerikanischen Moments“ unseligen Angedenkens - ein viel kürzerer Moment, als das atlantische Empire erwartete, das glaubte, er werde ewig andauern, aber doch viel zu lang für den Rest des Planeten, insbesondere für die Ärmsten unter uns.

„Das mächtigste Empire, das die Welt je gesehen hat“, „mächtiger als Rom“ - das war die unverzichtbare und einzige Hypermacht 20 Jahre lang (von 1991-2011), als sie der Berufung folgte, die Welt zu beherrschen, im Namen des Messianismus, der das Alte wie das Neue Testament inspirierte. Dieser angebliche „göttliche Wille“ - d.h. die Launen der neuen Herren der Welt - nahm den Platz des Völkerrechts ein. Auf den Trümmern dieser Legalität wurde die amerikanische imperiale Ordnung errichtet, um ein „zivilisiertes Zentrum“ herum, das sich zur „internationalen Gemeinschaft“ erklärte und versuchte, den Planeten zu beherrschen, darunter auch einige periphere Schurkenstaaten.

Der Elizabeth-Arden-Club (in Washington, London und Paris), wie ich ihn nenne, hat ein Vierteljahrhundert lang behauptet, er verkörpere die „internationale Gemeinschaft“. Er ist ein politisches Direktorat, das von der Kriegspartei inspiriert ist, deren Anhänger in den westlichen und anderen Ländern den „Staat im Staate“ bilden. Einige sprechen vom „militärisch-industriellen Komplex“, andere bezeichnen ihn als die „neokonservative“ Strömung. Diese kriegerische, imperiale, interventionistische und bigotte Partei betreibt im Namen Gottes eine Politik der systematischen Aggression, Intervention und Zerstörung - eine kriminelle Politik. Ihr Ziel ist es angeblich, überall auf der Welt Frieden, Demokratie und Menschenrechte durchzusetzen, insbesondere in der arabischen und muslimischen Welt, auch und vor allem durch Gewalt, da es der göttliche Wille des Empires ist, gutes zu tun und das böse zu unterdrücken - das ist übrigens der Name der Religionspolizei des wahabitischen Saudi-Regimes. Die NATO ist der bewaffnete Arm der Kriegspartei des atlantischen Empire.

Die atlantizistischen Führer bewegen sich im Schatten, verbergen sich hinter der falschen Flagge der Demokratie, der Gerechtigkeit, der Moral und des Gesetzes. Sie verteufeln jedes Land, das sich ihren Ambitionen widersetzt, und zitieren sie alle vor das Gericht der „besorgten Staaten“, um sie in „demokratische“ Einheiten aufzuspalten - kurz, sie sind „Schurkenstaaten“. Dieses Konzept spielt seit Jahrzehnten eine wesentliche Rolle in der amerikanischen Strategie, und indem sie diesen Buhmann heraufbeschwörten, haben sie das Völkerrecht systematisch verletzt und zerstört.

Dieses Recht beruht auf der Charta der Vereinten Nationen, die in Artikel 51 allein dem Sicherheitsrat das Recht zuerkennt, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, die er für notwendig hält, um den Frieden und die internationale Sicherheit zu erhalten. Aber die Neocons in Washington kümmern sich nicht um die Legalität der Vereinten Nationen.

Das einzige, was zählt, ist die Bedrohung amerikanischer Interessen, die „direkte militärische Interventionen“ erforderlich machen. Für sie gründet das Recht nicht auf der UN-Charta, sondern auf der amerikanischen Verfassung. Noam Chomsky zufolge „ist die Verachtung des Primats des Rechts tief in der amerikanischen Kultur und Praxis eingebettet“.

Die neokonservative Doktrin, „der Nullpunkt des politischen Denkens“, hat eine einfache Grundlage: Der Kalte Krieg ist beendet, aber die Vereinigten Staaten haben immer noch die Verantwortung, die Welt vor den „Schurkenstaaten“ zu beschützen. 1970 meinte Nixon, die Vereinigten Staaten sollten den Eindruck erwecken, „sie seien von Verrückten mit unvorhersehbarem Verhalten regiert und mit einem gewaltigen Zerstörungspotential bewaffnet, um die Ängste ihrer Gegner zu wecken oder zu verstärken“ (Verrückten-Theorie). Die Geschichte der Strategie der Vereinigten Staaten zeigt, daß diese Einschätzung keine bloße Phantasie ist.

Im August 1990 erklärten Washington und London den Irak zu einem Schurkenstaat, und daraus wurde eine lange Liste: Sudan, Afghanistan, Somalia, Palästina, Jugoslawien, Iran, die Ukraine, gefolgt von anderen, darunter Syrien (2011). Im Juni 2000 erklärte Robert McNamara, ehemaliger US-Verteidigungsminister (1961-1968), gegenüber der International Herald Tribune, die Vereinigten Staaten seien zu einem Schurkenstaat geworden. Noam Chomsky sagte am Beginn des „Arabischen Frühlings“ dasselbe und bemerkte, sein Land stelle sich über das Völkerrecht.

Die Kriegspartei

Die Welt im Jahr 2016 ist nicht mehr die des Kalten Krieges, aber sie ist auch anders als die von 2011. Wie alle Sprichwörter über Krieg und Frieden ist auch der lateinische Ausdruck si vis pacem, para bellum - „wenn du den Frieden willst, bereite dich vor auf den Krieg“ - doppeldeutig, denn er verweist auf das Konzept eines bewaffneten Friedens. Aber dies ist das Motto der Kriegsakademie in Frankreich und der britischen Marine. Es könnte auch sehr gut das Motto der NATO sein. Die Römer behaupteten, sie würden von den Barbaren belästigt, und beschlossen, ihnen den Krieg zu erklären, um die Aufmerksamkeit abzulenken und die berühmte pax romana in ihrem eigenen Reich genießen zu können. Einige Zyniker glauben, die Botschaft laute eigentlich: „Wenn du zuhause Frieden willst, führe Krieg gegen andere“. Das ist die Bedeutung, die ihr die Führer und Denker der Kriegspartei gegeben haben.

Heute steht der Kriegspartei ein Friedenslager gegenüber. Das Friedenslager beruft sich auf die Prinzipien des Völkerrechts, daß Krisen durch Verhandlungen beizulegen sind, und auf die Perspektive der multipolaren Welt, im Gegensatz zur Kriegspartei, die auf den Trümmern der Legalität der Vereinten Nationen wuchert und Chaos, das Gesetz des Dschungels, verbreitet und bei jeder Gelegenheit versucht, ihre Ansichten mit Gewalt durchzusetzen.

Seien es Kriege im Nahen Osten, die Gefahr eines nuklearen Konflikts, die bevorstehende Implosion des Finanzsystems, die Flüchtlingskrise oder andere Dramen, die den Planeten treffen: man muß niemals lange suchen und findet die Falken bereit, alles zu tun, um die Hegemonie des atlantischen Lagers zu erhalten, wenn nötig durch Krieg, und die Welt daran zu hindern, daß sie sich verändert. Um die schönen Prinzipien und noblen Werte einerseits mit den Aggressionskriegen und dem kriminellen Verhalten andererseits zu verbinden, liefert das Handbuch der Chaostheorie eine Antwort.

Aber das Nürnberger Tribunal, das wußte, wovon es sprach, urteilte: „Einen Angriffskrieg anzufangen..., ist nicht bloß ein internationales Verbrechen, es ist das größte internationale Verbrechen überhaupt, das sich von anderen Kriegsverbrechen nur dadurch unterscheidet, daß es die gesamten Übel aller anderen in sich trägt.“

Die Debatte über die Ethik in den internationalen Beziehungen ist geladen. Sie ist für einige eine wirkliche Debatte, für andere nur ein Deckmantel, und der Bezug auf die Legalität hat für die beiden Lager nicht den gleichen Wert. Diplomaten können keine Wunder vollbringen, wenn sie nur eine unhaltbare Politik verteidigen sollen, die auf der falschen Seite der Geschichte steht. Sie können nicht konstruktiv sein, wenn sie im Dienste destruktiver Führer handeln, die entschlossen sind, den Krieg fortzusetzen und die Diplomatie zu schwächen.

Die Vereinigten Staaten als Herren des Empires tragen die Hauptverantwortung für diese Verbrechen, Zerstörung und Greueltaten, die wir erwähnt haben. Obama prahlt, er habe im August 2013 das schlimmste verhindert, indem er nach der Chemiewaffen-Affäre beschloß, nicht sofort Vergeltungsschläge gegen Syrien anzuordnen. Tatsächlich scheint die Entscheidung, die Spielregeln zu brechen, eher von dem Wunsch motiviert gewesen zu sein, seine eigene Macht gegenüber den Stabschefs, den Geheimdiensten und den Denkfabriken zu behaupten, die alle von Saudi-Arabien und anderen Ländern des Nahen Ostens beeinflußt und finanziert werden und meist für arabische oder israelfreundliche Finanziers arbeiten. Nichts würde die Menschen im Großraum des Nahen Ostens dazu veranlassen, Paul Craig Roberts zu widersprechen, dem früheren Unterstaatssekretär im US-Finanzministerium, der mit seiner spitzen Feder (in Le Blog de la Résistance vom 12. Januar 2016) schrieb: „Unter allen Ländern der Erde ist die US-Regierung die kriminellste Organisation in der Geschichte der Menschheit.“

Trotz seines Lächelns und seiner wohlklingenden Reden hat Obama mehr Konflikte entfacht und in Gang gehalten als George W. Bush, und er führt einen Staat an, der für den Tod von Millionen von Kindern und Erwachsenen, die Zerstörung von Staaten und ganzen Gesellschaften, die Zerstörung des Lebens von Millionen verantwortlich ist, wofür man nicht einmal bis Hiroshima und Nagasaki zurückblicken muß. Er schuf Chaos im Großraum Nahost und tut mehr als jeder andere für die Vermehrung von Kernwaffen, insbesondere in Europa, und um einen neuen Krieg gegen Rußland und China anzufangen. Worte des Friedens, aber reichlich Taten des Krieges.

Die Zukunft ist nicht optimistisch.

Unterstützt von der zionistischen Lobby, den Saudis und den Golfstaaten, durch Waffenhändler, Finanzgruppen und als favorisierte Kandidatin des neokonservativen Lagers hat Hillary Clinton, Obamas frühere Außenministerin, eine lange Geschichte als Kriegstreiberin und Extremistin. Sie hat eine aktive Rolle dabei gespielt, alle die Konflikte und Kriege eines Vierteljahrhunderts anzufachen: Jugoslawien, Kosovo, Libyen, Syrien, von der Ukraine ganz zu schweigen, und zwischendrin auch noch Honduras. Als enthusiastische Befürworterin von „Regimewechseln“ ist sie fanatisch antisyrisch, antiiranisch, anti-Hisbollah, antirussisch und antichinesisch - und zudem auch fanatisch pro-israelisch.

Paradoxerweise gibt es auf der anderen Seite des Atlantiks auch viele kluge Köpfe, die hoffen, daß Donald Trump gewählt wird, weil dessen Isolationismus Washington von dem Kurs der kriegsähnlichen Interventionen abbringen könnte.

Die Vasallen des Empires in Europa, im Nahen Osten und anderswo, sind Komplizen und mitverantwortlich für all das Leid, das angerichtet wurde. Es ist allgemein bekannt, daß Frankreich und seine NATO-Verbündeten mit ihrer privilegierten Beziehung zu Katar, Saudi-Arabien, der Türkei und Israel eine Schlüsselrolle bei dem „größten aller internationalen Verbrechen“, nämlich den Angriffskriegen gespielt haben. Das war in Syrien ebenso der Fall wie schon zuvor in Libyen. Diese Unterstützung ist vielfältig und wird akzeptiert - Botschaften wurden geschlossen, Sanktionen verhängt, die bewaffnete Opposition, darunter auch Terroristen, aktiv unterstützt, im UN-Sicherheitsrat aufgetreten, Sondereinsatzkräfte im krassen Bruch des Völkerrechts eingesetzt (Juni 2016) und Dschihadisten, die nach Syrien aufbrachen, toleriert.

Die gegenwärtige Lage

2011 war Syrien an der Reihe. Es aufzuspalten, war schon lange ein Ziel des Empire, von israelisch-amerikanischen Plänen und von Maßnahmen und Erklärungen, die seit 2001 liefen - wir werden hier nicht in die Einzelheiten gehen.

Aber Syrien ist nicht zusammengebrochen, wie es seine „Freunde“ [„Freunde Syriens“, die Unterstützer der Rebellen] erwarteten. Es zahlt seinen Beamten pünktlich Gehälter und Pensionen, und seine Institutionen bestehen weiter. Unter Berücksichtigung der Umstände wurde der in seiner Verfassung vorgeschriebene Zeitrahmen [für Wahlen etc.] eingehalten. Seine nationale Armee, unterstützt von seinen russischen, iranischen und libanesischen Verbündeten (Hisbollah), widerstand einer Aggression der westlichen Großmächte im Bündnis mit den Fundamentalisten im Nahen Osten und Zehntausenden Söldnern aus hundert Ländern.

Zwei Drittel Syriens sind nach fünf Jahren brutaler Gewalt zerstört, in denen es als Testgelände für alle möglichen Formen des „kreativen Chaos“ mißbraucht wurde. Ein Land, das zuvor wohlhabend, selbstgenügsam und schuldenfrei war, mit funktionierenden öffentlichen Diensten, kostenloser Bildung und Krankenversorgung, liegt heute in Trümmern. Seine Infrastruktur - Schulen, Krankenhäuser, Gemeindezentren, Schulen etc. - ist zerstört. Um dies zu erreichen, behaupteten die Aggressoren, sie seien „Freunde Syriens“, die den Terroristen der bewaffneten Opposition helfen müßten, einen Gutteil des Landes herauszubrechen.

Die vielfachen Sanktionen hatten Folgen für das soziale Gewebe der Nation, die von einer beispielhaften „weltlichen Toleranz“ geeint ist, aber sie konnten sie nicht zerstören. Das Ziel dieses Politizids war und ist es, die Bevölkerung zu demoralisieren und gleichzeitig die Illusion zu schaffen, der Westen sei da, um sie von dem „Tyrannen, der sie massakriert, zu befreien“, und um die Flüchtlinge und Vertriebenen zu empfangen.

Allein in einem Jahr, vom Juli 2011 bis Juli 2012, beschlossen die EU, die Vereinigten Staaten, Kanada und Australien 17 verschiedene Sanktionen. Die diplomatischen Sanktionen wurden ab Herbst 2011 verhängt, nachdem Rußland und China gegen den UN-Resolutionsentwurf, der dem libyschen Vorbild folgte, ihr Veto eingelegt hatten.

Die Verluste an Menschen sind extrem hoch; mit 300.000 bis 400.000 Toten, davon mindestens 130.000 Soldaten der regulären Armee, mehr als einer Million Kriegsversehrten, 14 Millionen Flüchtlingen oder Vertriebenen - das sind mehr als zwei Drittel der syrischen Bevölkerung - ist das Gewebe der Nation zerrissen, geschwächt durch die Ausbreitung bewaffneter Gruppen und durch die Invasion von Söldnern, die sich dem Dschihad anschließen, und durch bestimmte ethnische Forderungen.

Der materielle Schaden ist immens. Allen für Syrien werden die Kosten der Zerstörung und Plünderung auf rund 300 Mrd. Dollar geschätzt. Der Nahostexperte Bernard Cornut schrieb am 11. März 2016: „Angesichts der weithin bekannten Tatsache, daß mehrere Länder - Frankreich, die USA, Großbritannien und natürlich Katar, Saudi-Arabien und die Türkei - die bewaffneten Rebellengruppen mit dem erklärten, gemeinsamen Ziel unterstützt und finanziert haben, das Regime zu wechseln und natürlich den gewählten Präsidenten zu stürzen, sind diese Länder und andere, die Syrien kennt, allesamt in unterschiedlichem Maße verantwortlich für die Schäden, die eingetreten sind und kürzlich auf 1000 Mrd. Dollar geschätzt wurden.“ Und er schloß: „Sie werden sich mit den Klagen befassen müssen, die Syrien vor internationalen Gerichten angestrengt hat, um seine legitimen Kriegsforderungen geltend zu machen.“ Er schlug vor, „eine Steuer auf Öl und Gas einzuführen, die in einen Fonds fließen könnte, um die Opfer zu entschädigen und Syrien wiederaufzubauen“. Dieser Fonds könnte von der UNO verwaltet werden.

Die erschreckenden Zahlen im Irak - 1,5 Mio. Tote, davon 500.000 Kinder - erinnern uns daran, daß Sanktionen Massenvernichtungswaffen sind, die von den „Herren der Welt“ mit blankem Zynismus eingesetzt werden. Für Madeleine Albright „war es das wert“.

Die Umwälzungen der letzten Jahre durch den „Arabischen Frühling“ forderten (nach Schätzung des kanadischen Experten Ahmed Ben Saada) 1,5 Mio. Tote und Verwundete, mehr als 15 Mio. Flüchtlinge und Vertriebene - wenn man die Irakkriege mitzählt, sogar 18 oder 19 Millionen.

Für die arabischen Länder insgesamt belaufen sich die Schäden auf 833 Mrd. Dollar, davon 300 Mrd.$ in Syrien, und davon mehr als die Hälfte auf Infrastrukturen und auf archäologische oder historische Stätten. Zu diesen apokalyptischen Zerstörungen, die von den ölproduzierenden Staaten mit zig Milliarden finanziert wurden, kommen noch Hunderte von Milliarden durch Sanktionen „eingefrorene“ - mit anderen Worten, gestohlene - Dollars hinzu, außerdem 700 Mrd. Dollar für Libyen.

Politisch betrachtet ist Syriens Zukunft noch nicht besiegelt, und die Realpolitik pocht an die Türen der allzu optimistischen Analysten. Die bewaffneten Dschihadisten hatten Schwierigkeiten, sich als Unterhändler zu verkleiden, ihre Vergangenheit würde sie eher vor den Internationalen Strafgerichtshof führen als zu diplomatischen Aufgaben. Aber ihre westlichen Förderer sehen in ihnen auch einige Tugenden: Ihre Schützlinge weigern sich, aus einer schwachen Position zu verhandeln. Von Zeit zu Zeit brauchen sie eine Waffenruhe, um sich wiederherzustellen. Wenn sie den Waffenstillstand verletzen, so tut das nichts, denn dafür machen sie ja das „Regime“ von Baschar Al-Assad verantwortlich. Dieser Teufelskreis verstärkt sich selbst, denn die Politiker, Journalisten und Intellektuellen im Westen sind mit wenigen Ausnahmen an dieser Verschwörung der Lügen beteiligt.

Die militärische Lage wiegt schwer auf der Waage der Diplomatie. Es ist jetzt Ende Juni, und es ist deutlich, daß die NATO, trotz aller Illegalität, einen Einsatz im Norden Syriens vorbereitet, dessen Zweck - angeblich der Kampf gegen Daesch - entweder ein schlechter Witz oder ein neuer Krieg ist.

Zur Lösung der Krise: den Frieden unter Wahrung des Rechts wiederherstellen

Um den Frieden unter Wahrung des Rechts wiederherzustellen, müssen wir die Legalität wiederherstellen und die Prinzipien der UN wiederentdecken: Souveränität der Staaten, Nichteinmischung, Verpflichtung zu Verhandlungen zur Lösung von Konflikten, indem wir ein neues Paradigma einführen. Die BRICS können dieses neue Paradigma sein, das uns in eine neue Form der Beziehungen überführen kann, die die Souveränität achten und für alle vorteilhaft sind.

Ein Wiederaufbau entlang der Linien des klassischen Schemas - mit einem Pool von Geldgebern aus dem Westen, wobei Syrien der Gnade der „Wohltäter“ ausgeliefert ist, die es zerstört haben - ist undenkbar. Die Vereinigten Staaten und die NATO sind kaum geeignet, diese Krise zu lösen, da sie sie selbst herbeigeführt haben.

Deshalb entspricht das von China gestartete Projekt der Neuen Seidenstraßen - „Ein Gürtel und eine Straße“ - den Hoffnungen vieler Länder, inzwischen sind es fast 70. Wir werden hier nicht die Darlegungen unserer chinesischen Kollegin wiederholen.

Das Projekt, das einen großen Teil des Nahost-Großraums, insbesondere Syrien und seine Nachbarn (Iran, Libanon, Irak) und seine Verbündeten (Rußland und China) einbindet, ist eine gewaltige Sammlung von Win-Win-Kooperationen und könnte das regionale Gleichgewicht verändern, den Handel neu ausrichten und die Logik eines herrschenden Norden gegenüber einem beherrschten Süden durchbrechen. Insgesamt sind es fast 900 Einzelprojekte und, wie Helga Zepp-LaRouche bemerkte, Beiträge von fast 900 Mrd. Dollar.

Dieses Projekt kann das zerstörte Syrien auf einer neuen Grundlage wiederaufbauen, die seine Entscheidungsfreiheit respektiert und von Drohungen frei ist. Es zielt darauf ab, ein stabileres Umfeld zu schaffen, in dem Wissen, daß Südwestasien entlang zweier Korridore organisiert ist, mit wichtigen Rollen für den Iran, den Irak, Syrien, Saudi-Arabien und die Türkei, sei es ein Eisenbahnkorridor (begonnen 2011) oder ein Straßenkorridor (von Urumqi bis in den Nahen Osten) oder der Seekorridor zum Mittelmeer durch den Suezkanal.

Das Schiller-Institut seinerseits hat ein Projekt entlang der gleichen Perspektive vorgeschlagen: „Die Neue Seidenstraße wird zur Weltlandbrücke“, das auch auf eine Änderung der Regeln in der Weltwirtschaft setzt, während es dem Wiederaufbau Südwestasiens eine besondere Rolle zuweist, das durch die Kriege und Konflikte der letzten 25 Jahre verheert wurde, aber ein enormes Entwicklungspotential und gewaltige natürliche und menschliche Ressourcen birgt, was für die Geopolitiker die Gelüste der eurasischen Länder und der Seeimperien erklärt.

Das Projekt ist ein Echo der Fünf-Meere-Strategie, die Präsident Baschar Al-Assad 2004 angekündigt hatte, um ein Infrastrukturnetz zwischen dem Mittelmeer, dem Indischen Ozean, dem Roten Meer, dem Kaspischen Meer und dem Schwarzen Meer zu schaffen, das darauf abzielt, diese strategische Verbindungszone zu einer Zone des Austauschs zwischen den drei Kontinenten der alten Welt zu machen.

Offensichtlich wird ein Wiederaufbau stattfinden. Aber dazu müssen

    1. die vom Westen und seinen Verbündeten unterstützten Terrorgruppen ihr Zerstörungswerk einstellen. Dazu würde es ausreichen, die bestehende Resolution des Sicherheitsrats umzusetzen.

    2. wird es keinen Wiederaufbau geben ohne eine baldige Aufhebung der Sanktionen, deren Ziel die Zerstörung der Bevölkerung und ihres Landes ist.

    3. liegt die Lösung nicht darin, die Flüchtlingsströme, die in der einen oder anderen Form durch das Anfachen des Angriffskrieges und des Dschihad in Syrien ausgelöst wurden, in Europa aufzunehmen.

    4. ist der Kampf gegen Daesch, auch wenn er sicherlich eine Priorität ist, kein Ziel an sich, denn er wird nicht alle Probleme Syriens lösen, vor allem in seiner Zukunft als widerstehender Nationalstaat.

Es obliegt dem syrischen Volk, und allein ihm, ohne ausländische Einmischung über sein Schicksal zu entscheiden. Es ist dieses Prinzip der Souveränität, das der chinesische Präsident Xi Jinping vertritt, wenn er sagt, die unipolare Ära sei beendet und die heutige Welt multipolar. Auch Wladimir Putin hat sich in den Rahmen der internationalen Legalität gestellt und unterstützt den syrischen Staat „und die Streitkräfte des Präsidenten Al-Assad, die als einzige den Islamischen Staat bekämpfen“. Die Entscheidung des russischen Präsidenten, militärisch zu intervenieren, löste im Westen Verärgerung aus, man ist dort wütend über seine ständigen Hinweise auf ein Völkerrecht, das der Westen ständig verletzt.