Willkommenskonzert: Ein Dialog der Kulturen
Leona Meyer berichtet von einem Konzert für Flüchtlinge in
Berlin.
Das Ensemble As-Surur (Die Freude), das Duo ?Operatori? und der Chor des
Schiller-Instituts luden am 26. November zum Willkommenskonzert für
Flüchtlinge in Berlin ein. Es war ein besonderer Abend, ein Dialog
wunderschöner Kompositionen aus den Hochphasen unserer verschiedenen Kulturen.
In der Ankündigung des Konzerts hieß es:
?Die Errungenschaften des Goldenen Zeitalters des Islam, der italienischen
Renaissance und der deutschen Klassik zeigen uns, daß unsere Zivilisation nur
dann Fortschritte macht, wenn wir voneinander lernen und uns von den
Fortschritten unserer Nachbarn weiterbringen lassen. Ein großartiges Beispiel
dafür ist Bagdad, das in den Jahren 767 bis 1258 zur Wiege einer historischen
Renaissance der Wissenschaften und der Kultur, und zu einem Schmelztiegel
islamisch-christlich-jüdisch-arabisch-persisch-griechisch-indisch-chinesischer
Zusammenarbeit wurde. Zentrum dieser reichen und fruchtbaren Entwicklung war
das Haus der Weisheit, die humanistische Akademie, die von Harun al-Raschid
und seinem Sohn al-Ma'mun gegründet wurde. Im Bereich der Musik ist
wissenswert, daß die Schriften der islamischen Wissenschaftler Al-Farabi und
Ibn Sina zu den Quellen der Entwicklung europäischer,
polyphonisch-kontrapunktischer Musik gehören.?
Das Konzertprogramm bestand aus traditioneller Musik der islamischen
Mystik, aufgeführt vom As-Surur Ensemble, Opernarien mit Klavierbegleitung in
italienischer und deutscher Sprache und Chorstücken von Mozart, Beethoven und
Verdi in Deutsch, Italienisch und Latein, aufgeführt vom Schiller-Institut.
26.11.2015, 20:30 Uhr in Berlin Wedding: Der Konzertsaal ist eine Turnhalle
einer Schule. Hier sind 100 Flüchtlinge notdürftig untergebracht. Auf der
anderen Straßenseite sieht man die Zelte, in denen die neu ankommenden
Flüchtlinge untergebracht werden. Viele Menschen stehen draußen auf der
Straße, es sind ungefähr 5° Celsius. In der Turnhalle laufen viele in Jacken
und Mänteln herum, denn selbst hier ist es kalt. In einer Ecke wurden
Lautsprecher aufgebaut, man sieht eine zehnköpfige Gruppe junger Männer mit
orientalischen bunten Westen und roten Hüten. Sie bereiten ihren Auftritt mit
traditionell islamischer Musik vor. Als der internationale Chor des
Schiller-Instituts die Turnhalle betritt, sind viele Augen neugierig auf die
?Fremdlinge? gerichtet. Ein paar Kinder, aber auch Erwachsene, sitzen
gespannt, voll Vorfreude, erwartend auf den Stühlen in den ersten Reihen,
hoffend, daß das Konzert endlich beginnen möge.
Das Konzert beginnt mit einem islamischen Stück, die Zuhörer scheinen damit
vertraut zu sein. Als nächstes singt der Schiller-Institut-Chor: erst einen
Teil aus Beethovens Neunter Symphonie ?Alle Menschen werden Brüder?, als
zweites das Chorstück der hebräischen Gefangenen - das berühmte ?Va Pensiero?
- aus Verdis Oper Nabucco, dann Mozarts ?Ave Verum Corpus? und zum
Schluß das in der deutschen Geschichte immer wieder wichtige Lied ?Die
Gedanken sind frei?. Danach hören wir wieder ein Lied der As-Surur Gruppe und
abschließend Opernarien von Verdi, gesungen von Alan Razzak und begleitet von
Sergej Strid.
Das Publikum ist begeistert und vor allem für die Kinder ist es ein
unvergeßlich schöner Abend. Er zieht sie aus den erlebten Strapazen empor, die
Konzentration fokussiert auf die geistige Ebene und alle anderen Sorgen treten
für den Moment in den Hintergrund. Nach dem offiziellen Teil umzingeln die
Kinder neugierig das Klavier und klimpern fasziniert darauf herum.
Das Konzert gibt Mut zur Hoffnung und die Aussicht, daß Frieden durchaus
möglich wird, wenn man die besten Traditionen in jeder Kultur sieht,
hervorhebt und so respektvoll miteinander umgeht. Das ist ein Dialog der
Kulturen, kein ?Clash of Civilizations?. Und es soll bloß der Auftakt einer
Konzertreihe für Flüchtlinge sein.
Es grüßt das Schiller-Institut e.V.
Leona Sophia Meyer
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