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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

„Wirtschaft beruht auf unserer Fähigkeit, Neues zu entdecken“

Von Jason Ross

Bei der New Yorker Konferenz des Schiller-Instituts gab Jason Ross einen Überblick über die positiven Aussichten für die Weltwirtschaft, die sich durch die Initiativen der BRICS-Staaten bieten. Wir geben seine Rede hier leicht gekürzt wieder.

(...) Lassen Sie mich zunächst kurz zusammenfassen, worüber ich hier reden werde. Der Hauptpunkt ist die Frage: Was ist Wirtschaft? Dann will ich noch zwei andere Dinge ansprechen. Diese beiden Punkte sind die Kernfusion und die Durchbrüche in der Wissenschaft, die wir machen werden, wenn wir uns entscheiden, das anzupacken.

Früher, jedenfalls in gewissen Zeiten, war Fortschritt normal. Früher sagte man, in Amerika ist es völlig normal, daß es jeder Generation besser geht als der Generation davor. Das ist heute nicht mehr der Fall. Die meisten Amerikaner glauben das nicht mehr, Umfragen zeigen das. Sie machen sich Sorgen, daß es ihren Kindern nicht mehr so gut gehen wird wie ihnen selbst. Warum hat sich das geändert?

Man hatte es als völlig normal angesehen, daß es uns besser gehen wird, daß alles immer besser wird, daß wir uns weiterentwickeln. Schauen wir uns einmal an, wie wir strategische Sicherheit auf der Welt schaffen können. Jeff [Jeffrey Steinberg] hat über die 28 Seiten gesprochen - daß man den Terrorismus an seiner Wurzel packen muß, daß man seine Finanzierung nicht übersehen und übergehen darf, daß man die 28 Seiten ansehen muß und etwas gegen Saudi-Arabien tun muß. Das ist der einzige Weg, wie man dauerhafte Sicherheit in dieser Hinsicht schaffen kann. [Siehe den Leitartikel in Neue Solidarität 3/15.] Und Frau Zepp-LaRouche hat oft über Xi Jinpings Verständnis gesprochen, daß Sicherheit keine lokale Angelegenheit ist - daß wir in dieser Welt entweder globale Sicherheit haben oder gar keine. Es ist nicht möglich, daß in einem Land Sicherheit und Wohlstand herrschen, wenn man zuläßt, daß gleichzeitig anderswo Terroristen und Kleinkriege im Dienste verschiedener Interessen Amok laufen. Wir brauchen eine globale Sicherheitsordnung.

Ich möchte darüber sprechen, warum diese globale Sicherheitsordnung, wenn man es volkswirtschaftlich betrachtet, auch auf Wissenschaft als Mittel der Zusammenarbeit zwischen den Nationen beruhen muß. Wie Sie wissen, ist Entwicklung nicht bloß etwas, wonach wir uns sehnen, wonach unser Geist strebt. Sie ist die Grundlage dafür, warum wir eine Wirtschaft haben und Tiere nicht. Vielleicht ist Ihnen schon aufgefallen, daß Tiere keine Wirtschaft haben. Es gibt keine Banken für Eichhörnchen, kein Internationales Tauben-Institut veröffentlicht Inflationsdaten, und es gibt auch keine Nashörner, die ihren Produktionsausstoß berechnen. Das gibt es nicht.

Nehmen wir ein Beispiel: Wenn wir eine Zeitmaschine hätten und 5000 Jahre in die Vergangenheit zurückkehren könnten, dann wären wir in einer ganz anderen Welt als heute.

Man könnte auch fragen, was man in jener Welt tun könnte. Hätten Sie irgend etwas anzubieten, was dort helfen könnte? Ich glaube nicht, daß man den Leuten dort mit iPhones helfen würde, denn es gab sie dort nicht. Könnten Sie den Menschen helfen, zu entdecken, wie man aus Steinen Metall macht? Könnten Sie den Menschen helfen, nach den Sternen zu navigieren? Könnten Sie helfen, die Landwirtschaft zu entwickeln? Könnten Sie einen Kanal entwerfen?

Oder stellen Sie sich einen Menschen vor, der vor 5000 Jahren gelebt hat und den Sie in die heutige Welt bringen. Das ist eine völlig andere Welt, ganz offensichtlich.

Aber wenn Sie in dieser Zeitmaschine ein Känguruh, einen Kolibri oder eine Mücke mitnähmen, dann kämen die sehr gut zurecht. Känguruhs leben heute nicht anders als vor 5000 Jahren. Kolibris? Nicht anders, es macht keinen Unterschied, sie sind zeitlos. Die Zeit ist etwas, was nur für uns existiert, für uns Menschen. Wir sind eine Gattung, für die Zeit in diesem Sinn eine Bedeutung hat. Für Tiere existiert sie nicht. Sie haben zwar eine Generation nach der anderen, aber sie sind alle gleich.

Wirtschaft beruht auf unserer Fähigkeit, Geschichte zu gestalten, Neues zu entdecken, herauszufinden, wie das Universum funktioniert, und unser Verhalten zu ändern, indem wir dieses Wissen nutzen, um anders zu leben.

Vor 5000 Jahren haben Menschen zum erstenmal Steine in Metall verwandelt. Dieser grüne Stein wird Malachit genannt, und man kann daraus Kupfer machen. Man kann Zinn hinzufügen und erhält Bronze. Das waren keine Schweine, die das entdeckten, es waren Menschen. Daraus entstand eine neue Ära in der Geschichte. Oder denken Sie an die Landwirtschaft, denken Sie an die Erfindung des Säens, so daß man wußte, wo man in Zukunft Nahrung finden würde. Tun das Tiere? Sie laufen nur herum in der Hoffnung, etwas zu finden.

Abb. 1: Der Mensch hat die Weiterentwicklung der Biosphäre durch Kultivierung vorangetrieben - so wurde z.B. aus der „wilden“, strauchartigen Teosinte (links) unser heutiger Mais (rechts).

Hier (Abbildung 1) sehen Sie die Entwicklung des Mais. Auf der linken Seite sehen Sie, wie der Mais aussah, bevor die Landwirtschaft ihn in die moderne Form verwandelte, die wir heute kennen. Wir entwickeln neue Lebensformen. Und das war schon lange vor Monsanto oder der Gentechnik. Das ist eine genetische Modifikation durch Zucht, durch Entwicklung besserer Pflanzen, durch Züchtung neuer Obstsorten, beispielsweise durch das Bepfropfen von Bäumen.

Oder nehmen Sie andere Kenntnisse, die wir entwickelt haben - die Astronomie, die Navigation, die Verwendung von Magneten, von Natur aus magnetischen Steinen, die man als Kompaß verwenden konnte. Wie hat das unsere Beziehung zum gesamten Globus verändert? Wie hat Eratosthenes herausgefunden, wie groß die Erde ist? Wie hat das unsere Beziehung zu ihr verändert? Was ist mit der Entwicklung des Wasserbaus, der Kanäle, Wasserstraßen, Bewässerungssysteme? Dem ersten Bau einer Schleuse, um an Stromschnellen vorbei einen Fluß hinaufzufahren, oder eines Damms, um Überschwemmungen zu verhindern und die Wasserhöhe zu regulieren? Oder einer Mühle, die diesen Wasserstrom nutzt, um menschliche Arbeit oder die Arbeit von Ochsen oder Pferden, die etwas ziehen, einzusparen.

Oder Windmühlen: Windmühlen waren eine großartige Entdeckung - vor vielen Jahrhunderten! Heute sind sie es nicht mehr. Aber als sie ursprünglich erfunden wurden, war das ein großer Durchbruch. Man konnte sie verwenden, um Mühlen zu betreiben, um Wasser zu pumpen und ins Meer zurückzuleiten, wie in den Niederlanden.

Wer sind wir?

Was ist mit der Renaissance? Das erstaunlich schöne Bild der schönen menschlichen Gattung, wie wir es in Florenz sehen, in den Werken der größten Künstler, der größten Musiker? Die Entwicklung der Perspektive, der Schönheit, der Musik, der Poesie: Das konnten wir nutzen, um zu steuern, zu feiern, voranzubringen, wie wir uns selbst sehen - eine höhere Sicht dessen, was es heißt, ein Mensch zu sein. Das hat ein jeder in seinem Kopf, egal ob er sich dessen bewußt ist oder nicht. Was es bedeutet, ein Mitglied der menschlichen Gattung zu sein. Das war in der Renaissance neben den wissenschaftlichen Aspekten der eigentliche Durchbruch - daß man einen Weg entwickelt hat, sich explizit und in einer erhebenden und wahrhaftigeren Art und Weise mit der Frage zu befassen: Wer sind wir, was sind Menschen?

Was ist mit der Entwicklung der Nationalstaaten? Was ist mit Johanna von Orleans, der Gründung Frankreichs durch Ludwig XI., von England durch Heinrich VII.? Was ist mit der neuzeitlichen Wissenschaft, die Werkzeuge erschuf, die nicht aus Steinen gemacht sind wie in der Steinzeit, oder aus Metall oder Holz, sondern Werkzeuge, die aus der Macht des menschlichen Geistes bestehen? Was ist mit der Schaffung dieses Apparats des menschlichen Denkens als Möglichkeit? Diesen Werkzeugen, die von Cusa, Kepler, Fermat, Leibniz, Gauß, Riemann geschaffen wurden. Wie haben sie uns verändert?

Sie haben es uns erlaubt, Fortschritte zu machen und alle möglichen Probleme der Wissenschaft und Ingenieurskunst zu lösen. Denken Sie an die Dampfmaschine! Das hat enorme Mengen an Kraft freigesetzt! Man konnte einen Stein verbrennen, und anstatt ihn bloß dazu zu verwenden, eine Mahlzeit zu kochen, konnte man dieses Feuer in Bewegung umsetzen: Das ist eine phänomenale Neuerung! Es scheinen zwei vollkommen verschiedene Dinge zu sein. Wie hat dieser Durchbruch das verändert, was wir tun konnten? Wieviel Kraft hatten wir dadurch zur Verfügung?

Was ist mit der Elektrizität? Anstatt Kohle herumzutragen, konnte man nun Kraft durch ein dünnes Stück Metall, einen Draht, transportieren. Man konnte eine Maschine in einem Kraftwerk haben, einen Draht und woanders einen Motor in einer Fabrik. Wie veränderte das die Produktion, wie hat es unsere Möglichkeiten verändert? Die Elektrizität erlaubte es uns auch, neue Materialien zu entwickeln, beispielsweise, indem man Metalle trennte. Heute wirft man ein Stück Aluminiumfolie weg oder recycelt es, aber vor zwei Jahrhunderten war das noch ganz anders. Napoleon selbst verwendete Aluminium als Geschirr, aber seinen Gästen ließ er auf goldenen Tellern servieren - weil Aluminium damals teurer war! Heute ist das nicht mehr so - dank der Elektrizität.

Was ist mit der Keimtheorie der Krankheitsübertragung? Ich hoffe, Sie denken alle daran und waschen sich oft ihre Hände. Keimtheorie und Impfungen - wie viele Menschenleben haben ihre Entdecker gerettet? Wieviel unnötiges Leid haben sie verhindert? Was ist mit der Entwicklung der Betäubungs- und Schmerzmittel, die Operationen möglich gemacht haben, an die vorher gar nicht zu denken war? Eine künstliche Hüfte? Ich denke, niemand will das ohne Betäubungs- und Schmerzmittel bekommen! Das gäbe es nicht, nicht wahr?

Das Atomzeitalter hat uns ganz neue technische Möglichkeiten gebracht: Tomographie in der Medizin, Rauchmelder, Kernkraftwerke, Sprengstoffe, grundlegendes Wissen in der Physik. Wieviel mehr Kraft werden uns die Kernfusion und die Weiterentwicklung der schon existierenden Kernspaltung bringen? Was wäre das Potential einer Fusionswirtschaft, in der wir Helium-3 vom Mond nutzen, wie es China bereits vorbereitet - eine Plattform, wo wir mit vielem arbeiten, was wir heute für Naturphänomene halten?

Dürre gilt als Naturkatastrophe. Aber sie muß nicht sein. Es gibt genug Wasser in den Ozeanen. Warum gibt es eine Dürre in Kalifornien? Weil wir unser Wetter nicht beeinflussen und keine Entsalzungsanlagen haben. Warum haben wir zuwenig Kraft oder Materialien? Mit einer Plasmafackel könnten wir 100% des Mülls recyceln.

Wir könnten Asteroiden umlenken! Es steht hundertprozentig fest, daß irgendwann ein Asteroid oder ein Komet auf die Erde stürzen und fast alles Leben darauf töten wird. Das wird geschehen. Ich weiß nicht, wann, aber es ist 100% garantiert, daß es geschehen wird. Und wir haben einen Stand in der menschlichen Entwicklung erreicht, wo wir das ernst nehmen müssen. Mit einer Kernfusionsplattform könnten wir die Bahn dieser Asteroiden ändern. Wir könnten sie dorthin lenken, wo wir sie haben wollen! Wenn man Obamas Plan nimmt, zu einem Asteroiden zu fliegen: Wir könnten dann den Asteroiden dorthin bringen, wo wir ihn brauchen, und ihn als Rohstoff verwenden, um dort draußen Raumschiffe und ähnliches zu bauen, anstatt hier auf der Erde, wo man es erst dort hinaufschaffen muß.

Wir bräuchten uns auch keine Sorgen darüber zu machen, daß Saudi-Arabien den Ölpreis manipuliert. Es gäbe auch keine Imperien mehr.

Abb. 2: Vier mögliche Finanzierungswege für den Bau eines Fusionsreaktors (Magneteinschlußverfahren) seit 1976 (in Mrd.$ nach dem Wert von 2012), im Vergleich zum Finanzierungsniveau von 1978 und den seither tatsächlich eingesetzten Mitteln (von oben nach unten): „Maximaler effektiver Aufwand“ (1990), „Beschleunigt“ (1993), „Ehrgeizig“ (1998), „Moderat“ (2005). „Mittelaufwand von 1978 (Kernfusion unmöglich)“. Die tatsächliche Finanzierung liegt unter allen Projektionen, selbst noch unter einem gleichbleibenden Finanzierungsniveau von 1978, das bereits viel zu gering war, um die erforderlichen Durchbrüche zu erreichen.
Quelle: Graphikdesign von Geoffrey M. Olynyk, unter Berücksichtigung von Hochrechnungen der U.S. Energy Research and Development Administration, 1976, “Fusion power by magnetic confinement: Program Plan”, S. O. Dean.

Geld ist nicht Wirtschaft

Das also ist Wirtschaft, solche Veränderungen. Das ist Wirtschaft, das bringt die Menschheit voran. Es sind Kapitel in einem Geschichtsbuch.

Was geschieht an der Wall Street? Das hat mit Wirtschaft nichts zu tun, es ist Diebstahl, es ist Glücksspiel, es ist imperial, es ist Geld! Geld ist nicht Wirtschaft. Wir verwenden Geld, aber das macht die Wirtschaft nicht aus. Nahrungsmittel sind ein wesentlicher Teil der Wirtschaft; ein Dach über dem Kopf zu haben ist ein wesentlicher Teil der Wirtschaft. Aber Glücksspiel? Das ist kein wesentlicher Teil der Wirtschaft, es gehört nicht zu den Grundbedürfnissen der Menschen oder der Menschheit als einer sozialen Gattung.

Ergreifen wir also diese Gelegenheit, dieses Erbe der menschlichen Entwicklung zu verstehen. Wir sind Teil davon, das sind unsere gemeinsamen Vorfahren, es ist unsere gemeinsame Vergangenheit. Wir alle können ein besseres Verständnis davon entwickeln und es nutzen, um eine bessere Zukunft zu schaffen...

Aber warum geschieht das derzeit nicht? Warum sagen die Umfragen, und das zutreffend, daß die Amerikaner nicht glauben, daß es der nächsten Generation besser gehen wird?

Hier ist ein Beispiel (Abb. 2): Ende der 70er Jahre wurden mehrere Ideen entwickelt, wie sich bei einer unterschiedlichen Finanzierung der Kernfusionsforschung der Zeitpunkt der Verwirklichung der Kernfusion ändert. Hier sehen Sie verschiedene Kurven. Hier sehen Sie die braune Linie, die nach den damaligen Erwartungen bedeutete, daß man die Kernfusion niemals erreichen würde. Die schwarze Linie zeigt die tatsächliche Mittelvergabe für die Kernfusion in den USA: Es wurde also die Entscheidung getroffen, diesen realwirtschaftlichen Prozeß, von dem die Rede war, zu stoppen, im Rahmen der Verlagerung auf die Wall Street. Wir brauchen die Wall Street nicht. Wir brauchen keine monetäre Wirtschaft. Wir brauchen physische Wirtschaft...