Unsterblichkeit im Präsidentenamt
Das Schiller-Institut veranstaltete am 19. Januar ein Konzert
zum Gedenken an US-Präsident John F. Kennedy in der Bostoner
Heilig-Kreuz-Kathedrale.
29. Januar 2014 •
„Ich war 23 Jahre alt, als das neue Jahrhundert anbrach. Es war eine Zeit
großer Hoffnungen. Eine neue Epoche stehe unmittelbar bevor, so glaubten
viele, die Jahrhundertwende werde sich als Wende der Menschheitsgeschichte
erweisen. Man berief sich auf die jüngsten Errungenschaften der
Naturwissenschaften und prophezeite, daß die Zukunft auch in sozialer Hinsicht
große Fortschritte bringen werde. Die Zeiten, da Armut und Hunger endgültig
verschwunden wären, würden nun nicht mehr lange auf sich warten lassen. Wie
die Leute sonst beim Beginn eines neuen Jahres Besserung geloben, so schien
diesmal alle Welt entschlossen zu sein, auch den Weg in ein neues Jahrhundert
mit guten Vorsätzen zu pflastern. Wer hätte damals voraussehen können, daß die
kommenden Jahrzehnte die unvorstellbaren Schrecken zweier Weltkriege mit sich
bringen würden mit ihren Konzentrationslagern und ihren Atombomben?“
– Pablo Casals in: „Licht und Schatten auf einem langen Weg“
Wer sich darin hineinversetzt, wird von diesen so wahren Beobachtungen des
großen Musikers ergriffen sein. Wenn unsere Zivilisation überleben soll, dann
brauchen wir Voraussicht, dann ist es unsere Pflicht, die Zukunft zu
gestalten, und daher auch, sie zu kennen. Frei nach den Worten von Abraham
Lincoln, der wie John F. Kennedy ermordet wurde, in seiner unsterblichen
Ansprache von Gettysburg: Wir führen einen 150jährigen Krieg, der auf die
Probe stellt, ob eine Nation wie die Vereinigten Staaten oder irgendeine
andere auf den gleichen Grundsätzen gegründete Nation dauerhaft Bestand haben
kann. Die Ermordung von Amerikas Präsidenten und Staatsmännern war die
bevorzugte kriminelle Methode der Gegner der Vereinigten Staaten, um sie als
positives Vorbild zu zerstören. So war es bei John F. Kennedy, so war es bei
dessen Bruder Robert und so war es bei Martin Luther King.
Das Schiller-Institut hat sich die Herausforderung, die Fähigkeit der
Vorausschau für das kurz- und langfristige Überleben der Zivilisation zu
wecken und auszuweiten, zu seiner besonderen Aufgabe gemacht. Diese Mission
führte am 19. Januar nach Boston. Der Chor des Schiller-Instituts, verstärkt
durch zusätzliche Sänger und ein Orchester, das vor allem aus Freiwilligen des
New England Conservatory of Music bestand, führte in der Bostoner
Heilig-Kreuz-Kathedrale vor etwa 1200 Gästen Mozarts Requiem auf - auf
den Tag genau 50 Jahre nach der feierlichen Totenmesse, die 1964 auf
besonderen Wunsch der Familie John F. Kennedys zum Gedenken an den ermordeten
Präsidenten an gleicher Stelle zelebriert worden war.
Ein Jahr, nachdem er sich im Oktober 1962 in der Kubakrise gegen die
finsteren Mächte wie Lord Bertrand Russell durchgesetzt hatte, die einen
Atomkrieg gegen die Sowjetunion führen und „gewinnen“ wollten, wurde John F.
Kennedy in Dallas ermordet. Dieser Mord, zusammen mit denen an seinem Bruder
Robert und an Martin Luther King, wirkt noch heute wie ein böser Geist auf
Amerika. Vier Generationen ist es nicht gelungen, die Folgen dieser Morde zu
überwinden. Denn dazu gibt es nur einen einzigen verläßlichen Weg: Man muß die
Menschen über ihre vorgefaßten und beschränkenden Erwartungen erheben. Die
Menschen brauchen keine „Fakten“ über das, „was geschehen ist“, sie brauchen
das Feuer der Erkenntnis, nur das kann Amerikas Trauma heilen. Keine
Predigten, Slogans und Verwünschungen werden einem verschreckten Volk Mut
geben. Nur wenn es seine eigene Stimme im Spiegel in einer großen
künstlerischen Aufführung erlebt, können die Verzweifelnden auf eine höhere
Ebene aufsteigen, wo sie zur eigenen Überraschung ihre Seele finden.
John Sigerson, der Dirigent und Musikdirektor des Schiller-Instituts, wurde
in einem Interview mit der Zeitschrift der Bostoner Diözese The
Pilot gefragt, ob er glaube, daß „klassische Musik eine Änderung unserer
Kultur bewirken kann?“ Sigersons Antwort lautete: Nein, es sei vielmehr die
Gegenüberstellung des „Musikalischen“ mit dem „Nichtmusikalischen“ - in diesem
Falle die Auszüge aus Reden Kennedys, die an ausgewählten Stellen zwischen den
Sätzen des Requiem vorgeführt wurden, die den Zuhörer provozieren, sein
Denken zu verändern und die Musik dann anders zu erleben.
Nach der Aufführung in Virginia am 22. November, dem Jahrestag der
Ermordung des Präsidenten, nutzte das Schiller-Institut damit zum zweiten Male
die geistige und therapeutische Kraft von Mozarts Requiem, um den
Amerikanern ihre Erkenntnisfähigkeit zurückzugeben. Die Gründerin des
Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, sagte dazu in ihren Bemerkungen, eine
solche Wiederbelebung der Klassik sei notwendig, um die Amerikaner zu
inspirieren, Kennedys Mission wiederaufzugreifen, in einer Situation, in der
die Welt wieder am Rande eines thermonuklearen Krieges steht.
Die Vorbereitung des Publikums
Matthew Ogden bereitete das Publikum als Moderator auf die Musik vor,
verschiedene Kurzbeiträge von Rednern, Grußbotschaften und Zitate dienten
dazu, das Publikum auf die tiefere Bedeutung dieser Aufführung vorzubereiten -
„nicht in der Zeit, sondern in der Idee“, wie der Philosoph Nikolaus von Kues
sagte. Zweieinhalb Stunden lang wurde die virtuelle Realität der üblichen
Gehirnwäsche durch eine Popkultur, in der im Sinne Nietzsches „alles erlaubt“
ist, durchbrochen. Wieder einmal wurden jene widerlegt, die gegen das Programm
eingewendet hatten, das Publikum könne sich nicht so lange konzentrieren. Es
mußte erst auf das Hörerlebnis vorbereitet werden. Aber warum?
Wie der große Dirigent Wilhelm Furtwängler sagte: Um ein richtiges Urteil
fällen zu können, braucht man vor allem genug Zeit. Diese notwendige
Voraussetzung war erfüllt, bevor der erste Ton erklang, und deshalb konnte das
Publikum auf einer höheren Ebene reagieren, als es sonst selbst bei der besten
Aufführung möglich gewesen wäre.
Zur Vorbereitung des Publikums sollte man aber noch mehr sagen. Sie war
insgesamt eine gründliche und konsequente politische Intervention, sogar ein
politischer Kampf. In den sechs Wochen vor der Aufführung wurde in der
gesamten Region Boston intensiv dafür mobilisiert. Ein Teil des Publikums war
durch Anzeigen im Boston Globe und anderen Medien aufmerksam geworden.
Viele hatten auch durch die Zeitung der katholischen Diözese, The
Pilot, von dem Konzert erfahren. Mehrere Bostoner Schulen und Hochschulen
waren vertreten, ebenso verschiedene Seniorenzentren und Bürgerorganisationen.
Flugblätter und Plakate in chinesischer, vietnamesischer, spanischer,
portugiesischer, englischer und französischer Sprache hatten für das Konzert
geworben. Mehrere Konsulate waren unter den Gästen vertreten, ebenso mehrere
Landtagsabgeordnete aus Maine und Rhode Island. Grußbotschaften übersandten
der irische Staatspräsident Michael D. Higgins, der Bostoner Stadtrat Steven
Murphy und der Tenor Nicholas Di Virgilio, der einzige noch lebende Solist der
Requiem-Aufführung vor 50 Jahren.
Etliche Zuhörer konnten sich noch an diese Aufführung erinnern - die
Heiligkreuz-Kathedrale ist im mehrheitlich katholischen Boston für viele
Menschen „ihre“ Kirche. Der frühere Bostoner Bürgermeister Ray Flynn, der auch
zeitweise amerikanischer Botschafter beim Vatikan war und ebenfalls bei der
Aufführung von 1964 im Publikum gewesen war, brachte in einem Grußwort seine
Freude und Dankbarkeit als Bostoner Bürger zum Ausdruck, daß diese Aufführung
an jenes historische Ereignis erinnerte.
Die Frage der Stimmung
Der Chor des Schiller-Instituts, die Solisten Nataly Wickham (Sopran),
Heather Gallagher (Mezzosopran), William Ferguson (Tenor), Ron Williams
(Bariton) sowie das vor allem aus Freiwilligen vom New England Conservatory of
Music bestehende Orchester meisterten ihre Aufgabe bravourös und präsentierten
Mozarts Requiem als eine einheitliche Gesamtidee. Dank dieser
einheitlichen Gesamtwirkung der Aufführung flossen die Worte Präsident
Kennedys mit Mozarts Idee von Unsterblichkeit, in die sie eingefügt waren, zu
einem Dialog über den Triumph dieser Unsterblichkeit über den Tod zusammen, in
den auch das Publikum mit einbezogen war.
Das Werk wurde in der bei den Aufführungen des Schiller-Instituts üblichen
wissenschaftlichen Stimmung (c’=256 Hz bzw. a’=427-432 Hz) aufgeführt. Das ist
fast ein Viertelton tiefer ist als die heute verbreitete Stimmung (440-448
Hz). Manche nennen das die „tiefe“ Stimmung, das ist jedoch nicht ganz
richtig, denn die heute verwendete, höhere Stimmung ist schlicht falsch.
Mozarts Requiem wurde in der niedrigeren Stimmung und für sie
komponiert.
Der Dirigent Anthony Morss, ein Unterstützer des Schiller-Instituts, der
bei verschiedenen Experimenten zur Demonstration der notwendigen Rückkehr zu
dieser sog. „Verdi-Stimmung“ mitgewirkt und dirigiert hat, verfaßte für das
Programmheft der Aufführung einen Aufsatz zu diesem Thema.
Kunst als Notwendigkeit
Die Frage, warum der Mensch die Kunst braucht - nicht nur moralisch,
sondern auch ganz real -, stand im Mittelpunkt der kurzen Bemerkungen von
Helga Zepp-LaRouche an das Publikum: „Es ist dringend notwendig, heute der
Aufführung von Mozarts Requiem für John F. Kennedy vor 50 Jahren in dieser
Kathedrale zu gedenken. Wir müssen dringend den Geist der göttlichen Schönheit
von Mozarts Werk wieder hervorrufen, damit wir wieder den Zugang zu der
besseren Welt finden, die Kennedy und Mozart verkörpern.“
Wie Mozart, Beethoven und Beethoven verkörpere der „Dichter der Freiheit“
Friedrich Schiller, nach dem das von ihr vor 30 Jahren gegründete Institut
benannt ist, den Sieg der Unsterblichkeit über den Tod, genauso wie Kennedys
Apollo-Projekt. Dank Kennedys Optimismus konnten alle Amerikaner und mit der
erfolgreichen Mondlandung alle Menschen auf der Welt wissen, daß der
menschliche Geist - anders als der Körper, in dem er eingeschlossen ist -
keine Grenzen kennt.
Es war gesetzmäßig, daß diese Aufführung den „Zugang zur besseren Welt“
öffnete, von dem Helga Zepp-LaRouche sprach. Es konnte nicht anders sein,
schließlich gehörte für John F. Kennedy die Wertschätzung und Förderung der
klassischen Kunst und Künstler zu den Grundlagen seiner Präsidentschaft, auch
wenn man das in den seither vergangenen Jahrzehnten oft übersehen hat. Wer
kennt beispielsweise die folgenden Worte Kennedys, mit denen er am 26. Oktober
1963, knapp einen Monat vor seinem Tod, an den in jenem Jahr verstorbenen
Dichter Robert Frost erinnerte?
„Unsere nationale Stärke ist wichtig, aber der Geist, der unsere Stärke
inspiriert und lenkt, ist genauso wichtig. Darin liegt die besondere Bedeutung
von Robert Frost... Es ist kein Zufall, daß Robert Frost Dichtung und Macht
miteinander in Verbindung brachte, denn er sah in der Dichtung das Mittel, die
Macht vor sich selbst zu schützen. Wenn Macht den Menschen zur Arroganz führt,
erinnert ihn die Dichtkunst an seine Grenzen. Wenn Macht die Grenzen seiner
Rücksichten einschränkt, erinnert ihn die Dichtkunst an den Reichtum und die
Vielfalt seiner Existenz. Wenn Macht korrumpiert, läutert die Dichtkunst. Denn
die Kunst formuliert die grundlegenden menschlichen Wahrheiten, die als
Prüfstein unseres Urteils dienen müssen.“
Heute und damals
Es gab ein paar wichtige Unterschiede zwischen der Aufführung 1964 und der
von heute. Eine Besonderheit war, daß Mozarts Requiem 1964 in den
Vereinigten Staaten zum ersten Mal überhaupt im Rahmen eines katholischen
Hochamtes aufgeführt wurde.
Und ein weiterer wichtiger Unterschied: Das Gedächtniskonzert 2014 stellte
besonders hohe Ansprüche an die Musiker, das Werk einsichtsvoll dazustellen,
weil das Denkvermögen der Bevölkerung in diesen letzten 50 Jahren immer mehr
unterhöhlt wurde - insbesondere durch die obszönen Kakophonien der
„Unterhaltungskultur“ (die letzten Regierungen eingeschlossen).
In dem Zusammenhang muß man darauf hinweisen, daß der Chor aus
Laienmusikern des Schiller-Instituts bestand, deren tägliche Arbeit meistens
im Einsatz für die politischen Ziele der LaRouche-Bewegung besteht. Zunächst
hatten auch etliche halbprofessionelle und professionelle Sänger aus Boston
ihre freiwillige Mitwirkung zugesagt, viele ließen sich davon jedoch durch
eine Verleumdungskampagne einiger örtlicher Politiker gegen das
Schiller-Institut wieder abbringen. Aber andere ließen sich davon nicht
beeindrucken und sangen trotzdem mit.
Dabei verhehlten die Organisatoren bei den Vorbreitungen zu der Aufführung
keineswegs, „wer sie sind“, sondern betonten immer wieder ausdrücklich, warum
gerade das Schiller-Institut und Lyndon und Helga LaRouche dieses
Gedächtniskonzert unbedingt veranstalten wollten - und warum kein anderer im
heutigen Amerika auf diese Idee kommt.
Um diese Frage zu beantworten, muß man eine zweite stellen, die auf den
ersten Blick gar nichts damit zu tun hat, die aber im Grunde dieselbe ist:
Warum haben viele scharfe, manchmal sogar gnadenlose Beobachter des
menschlichen Charakters wie Charles de Gaulle, Douglas MacArthur und Eleanor
Roosevelt in Kennedy trotz seiner Schwächen einen so außergewöhnlichen
Menschen erkannt? Warum sahen solche anspruchsvollen Kritiker des menschlichen
Charakters, aber genauso auch unzählige „einfache“ Amerikaner in Kennedy einen
amerikanischen Präsidenten, der in hervorragender Weise geeignet war, den
Fortschritt nicht nur der Vereinigten Staaten, sondern der ganzen Menschheit
zu fördern?
Kennedy hat in seiner Rede zu seiner Amtseinführung am 20. Januar 1961
diese Frage praktisch selbst beantwortet. Man erkennt an ihr, was ihn von
allen Präsidenten unterscheidet, die nach ihm kamen. Er beschreibt die
Aufgaben, die er mit seiner Regierung bewältigen will, so „die Bürde eines
langen Kampfes in der Dämmerung, Jahr für Jahr, fröhlich in der Hoffnung,
geduldig in Bedrängnis..., gegen die gemeinsamen Feinde aller Menschen:
Tyrannei, Armut, Krankheit und der Krieg an sich“. Dann sagt er:
„All das wird nicht in den ersten hundert Tagen vollendet werden. Es wird
auch nicht in den ersten tausend Tagen vollendet werden, auch nicht in der
Amtszeit dieser Regierung, vielleicht auch nicht zu unserer aller Lebenszeit.
Aber laßt uns anfangen.“
Kennedy sah dem Schicksal ins Auge und handelte danach. Auch wenn es so
vieles gab, dessen Verwirklichung er nicht mehr selbst erleben konnte, konnte
Kennedy in den tausend Tagen seiner Regierung die Welt vor der atomaren
Vernichtung retten und die Menschheit zum Mond führen. Diese Fähigkeit, aus
den revolutionären Prinzipien der Amerikanischen Verfassung und
Unabhängigkeitserklärung die richtigen Ziele und Beiträge für den Fortschritt
des Landes abzuleiten, wie es Lincoln und Kennedy mit ihren Regierungen taten,
war bei den Nachfolgern seit Kennedys Ermordung einfach nicht vorhanden, und
die Vision fehlte.
Die Regierung Obama betreibt heute, genauso wie die Regierung Bush vor ihr,
sogar genau das Gegenteil. Die Amerikaner müssen dafür sorgen, daß ihr Land zu
diesen Prinzipien zurückkehrt, und man muß die Bevölkerung kulturell dazu in
die Lage versetzen.
Das ist der Grund, warum das Schiller-Institut ganz besonders dazu berufen
war, diese Konzerte vom 22. November 2013 und vom 19. Januar 2014 zur
Erinnerung an Präsident John F. Kennedy vorzuschlagen, zu organisieren und
aufzuführen. Sein Vorbild darf nicht verschwinden. Mut und Intelligenz hängen
miteinander zusammen. Kennedy wurde seinem eigenen Maßstab des Mutes in der
Not gerecht – streben wir ihm nach!
Dennis Speed
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