Eine Neue Seidenstraße und eine neue Sicherheitsarchitektur für Asien
Von Bao Shixiu
Bao Shixiu ist Professor für Militärische Angelegenheiten
und Forschungsleiter an der Akademie für Militärwissenschaft der Chinesischen
Volksbefreiungsarmee.
Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Freunde,
es ist mir eine große Freude, hier in die USA, in die wunderschöne
Metropole New York, den „Big Apple“, zu kommen, anläßlich der Konferenz des
Schiller-Instituts. Ich denke, dieses Symposium wird uns Gelegenheit geben,
unsere Freundschaft zu erneuern und Wege für unsere weitere Zusammenarbeit zu
finden. Vor allem danke ich Frau Helga Zepp-LaRouche, der Gründerin und
Präsidentin des Instituts, für die herzliche Aufnahme und die durchdachte
Organisation dieses Treffens.
Ein historischer Überblick über die antike chinesische Seidenstraße
Die Seidenstraße besteht aus mehreren Routen für den Handel und den
kulturellen Austausch, die eine zentrale Rolle in den wirtschaftlichen und
kulturellen Beziehungen zwischen den Regionen auf dem asiatischen Kontinent
spielten. Sie verband in verschiedenen Perioden der Geschichte den Westen und
den Osten und bot Händlern, Kaufleuten, Pilgern, Mönchen und Soldaten aus
China eine Verbindung bis zum Mittelmeer. Sie erstreckte sich über 7000
Kilometer. Die Seidenstraße erhielt ihren Namen durch den lukrativen Handel
mit chinesischer Seide, der entlang von ihr getrieben wurde und schon in der
Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.) begann.
Vor über 2100 Jahren verlängerte der Gesandte der Han-Dynastie Zhang Qian
(um 164-114 v. Chr.) die Handelswege auch nach Zentralasien. Seit jener Zeit
wurden Seide, Tee und Porzellan von Chang’an (heute Xi’an, die Hauptstadt der
Provinz Shaanxi) über diese Handelswege nach Zentralasien, Westasien und sogar
nach Europa gebracht, umgekehrt fanden auch Waren aus diesen Regionen ihren
Weg nach China.
Der Handel auf der Seidenstraße war ein bedeutender Faktor bei der
Entwicklung der Zivilisationen in China, auf dem Indischen Subkontinent, in
Persien, Europa und Arabien. Er ermöglichte einen politischen und
wirtschaftlichen Austausch zwischen den Zivilisationen über weite
Entfernungen. Seide war zwar sicherlich die wichtigste Ware aus China, aber es
wurden auch viele andere Waren transportiert, und Techniken, Religionen und
Weltanschauungen wurden übermittelt. Neben dem wirtschaftlichen Handel diente
die Seidenstraße als Weg für den kulturellen Austausch zwischen den durch sie
verbundenen Zivilisationen.
Nach der Tang-Dynastie (618-907 n. Chr.) verlagerte sich Chinas politisches
Zentrum nach Norden und sein wirtschaftliches Zentrum an die Ostküste und in
die südlichen Regionen. Die Schiffahrt wurde zum bevorzugten Transportmittel
für Güter, und die Seidenstraße wurde später nach und nach aufgegeben.
Was ist die Neue Seidenstraße?
Schon das Wort „Seidenstraße“ weckt Erinnerungen an die guten alten Zeiten
für den Westen Chinas. Nun sind Pläne in Vorbereitung, diese glorreichen Tage
zurückzuholen, denn China schlägt vor, eine moderne Version der weltberühmten
Handelsroute aufzubauen. In einer Rede an der Nasarbajew-Universität in
Kasachstan im September 2013 hat Chinas Staatspräsident Xi Jinping
vorgeschlagen, einen Seidenstraßen-Wirtschaftsgürtel zu schaffen, ähnlich der
Seidenstraße vor 2000 Jahren, um die politischen und wirtschaftlichen
Verbindungen zwischen China und den eurasischen Ländern zu fördern. Das
transeurasische Projekt hat eine Zielgruppe von mehr als 3 Milliarden Menschen
und schafft den größten Markt der Welt mit einem unvergleichlichen
Potential.
Auch wenn die antike Seidenstraße am Ende durch Transportwege über das Meer
abgelöst wurde, gibt es für China und die Nationen Zentralasiens starke
Anreize, die historische Verbindung im Geiste der Zusammenarbeit und des
gegenseitigen Nutzens wiederzubeleben.
Im Vergleich zu der Zeit vor 2000 Jahren sind die heutigen Verkehrswege
zwischen China und den zentralasiatischen Ländern viel schneller und bequemer.
Die Eisenbahn von China in die zentralasiatischen Länder ist der
Hauptverkehrsweg einer neuen Eurasischen Landbrücke. Chinas Autobahn ist durch
Zentralasien mit der europäischen Fernstraße E40 verbunden. China hat auch
Flugverbindungen in die großen zentralasiatischen Städte eröffnet, darunter
Almaty, Taschkent und Duschanbe.
Außerdem gibt es in Chinas autonomer Provinz Xinjiang-Uygur 12
Güterumschlagstellen („Land-Häfen“) an der Grenze zu Kasachstan, Kirgisistan
und Tadschikistan. Es wurde ein umfassendes Netz von Transportwegen in ganz
China und den zentralasiatischen Ländern geschaffen, mit Eisenbahnen, Straßen
und Flugverbindungen. Mit der Wiederbelebung der Seidenstraße ist schon bald
zu rechnen.
Eine neue Sicherheitsarchitektur für Asien
In einer Zeit, in der viele Teile Asiens von Spannungen bedroht sind, haben
Vertreter der 26 Mitgliedstaaten der Konferenz über Interaktion und
Vertrauensbildende Maßnahmen in Asien (CICA) bei ihrem jüngsten Gipfeltreffen
in Shanghai eine bahnbrechende Erklärung ausgearbeitet. In der Erklärung wird
besonders ihr starker politischer Wille betont, in einem immer komplexeren
internationalen Umfeld zusammenzuarbeiten. Der Erfolg des Gipfeltreffens kam
für viele Beobachter vielleicht überraschend. Aber die Tatsache, daß die
Staatschefs der CICA in der Lage waren, eine kollektive Antwort auf gemeinsame
Herausforderungen zu formulieren, ist ein Beleg dafür, daß die asiatischen
Länder weiterhin entschlossen sind, Gespräche zu führen, um ihre Problem zu
lösen. Darüber hinaus sind sie darauf erpicht, in den Angelegenheiten der
Region eine maßgebende Rolle einzunehmen.
Diese wachsende Bereitschaft zur Zusammenarbeit wurzelt in der gemeinsamen
Hoffnung der asiatischen Länder auf Frieden und Entwicklung. Indem sie ihre
Anstrengungen verdoppeln, das Wirtschaftswachstum zu steigern, den
Lebensstandard zu verbessern und die soziale Stabilität zu erhalten, müssen
sie im Streben nach Verbesserungen die gegenseitigen Bande festigen.
Nehmen Sie beispielsweise China. Die schnell wachsende Volkswirtschaft ist
bereit, ihre Möglichkeiten mit den Nachbarn zu teilen, beispielsweise durch
den Seidenstraßen-Wirtschaftsgürtel und die Maritime Seidenstraße des 21.
Jahrhunderts. Gleichzeitig ist es auf die Zusammenarbeit angewiesen, um
Probleme wie Terrorismus, grenzüberschreitendes Verbrechen und Drogenschmuggel
anzupacken.
Asien ist seit der Finanzkrise von 2008 der wesentliche Motor der
weltweiten wirtschaftlichen Erholung. Die nachhaltige Entwicklung Asiens, auf
das etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung und ein Drittel des
Weltwirtschaftsprodukts entfallen, ist ein Segen für die Menschheit. In diesem
Sinne sollte man der CICA sehr dankbar sein. Bei ihrem jüngsten Gipfeltreffen
stellte der chinesische Staatspräsident Xi Jinping als Gastgeber der Konferenz
ein neues Sicherheitskonzept für Asien vor, er schlug vor, sich für
gemeinsame, umfassende, kooperative und nachhaltige Sicherheit
einzusetzen.
In seiner Eröffnungsrede regte Präsident Xi auch an, CICA zu einer
Plattform für den Sicherheitsdialog und die Kooperation für ganz Asien zu
machen. Xi sagte: „Kein Land sollte absolute Sicherheit für sich selbst auf
Kosten anderer anstreben. Es kann nicht nur Sicherheit für ein Land oder
einige Länder geben und die übrigen bleiben unsicher. Ein Militärbündnis, das
sich gegen eine dritte Partei richtet, ist einer gemeinsamen regionalen
Sicherheit nicht förderlich.“
Ich sehe es so: Gemeinsamkeit, Offenheit für alle, Kooperationsbereitschaft
und Tragfähigkeit sind die vier Säulen der neuen Sicherheitsarchitektur für
Asien, und Sicherheit für alle asiatischen Länder ist der Schlußstein.
Die neue Sicherheitsarchitektur wird von einigen in Frage gestellt
Natürlich ist Asien ein offener Kontinent. Es begrüßt die großen „Global
Player“, wie die Vereinigten Staaten. Aber wenn sie sich in der Region
engagieren, dann müssen sie deren Realitäten und Traditionen respektieren. In
den letzten Jahren haben wir zahlreiche Fälle erlebt, in denen das
amerikanische Streben nach nationaler Sicherheit eine Destabilisierung von
Ländern in Asien zur Folge hatte.
Leider wurden diese Methoden immer noch nicht aufgegeben. Trotz
Behauptungen, sich in die territorialen Streitigkeiten zwischen China und
seinen Nachbarn nicht einzumischen, hat Washington seine in diese
Auseinandersetzungen verwickelten Verbündeten offen unterstützt, was viele
chinesische Analysten dazu veranlaßt hat, vor einer, wie sie es sehen,
Rückkehr zur Eindämmungspolitik zu warnen.
Die Vergangenheit zeigt diese Tatsache ganz offensichtlich. Als
US-Präsident Barack Obama 2009 ins Amt kam, setzte er einen neuen
strategischen Schwerpunkt, nämlich, die US-Präsenz in der [asiatischen] Region
neu auszurichten, um ihre Vorherrschaft zu konsolidieren.
Das Südchinesische Meer ist ein riesiges Gebiet von etwa 3,5 Mio.
km2. Der chinesische Besitz der Inseln war schon lange
dokumentiert, bevor Christoph Kolumbus 1492 nach Nordamerika segelte und
Ferdinand Magellan im 16. Jahrhundert seine historische Weltumsegelung
unternahm.
Dennoch benutzen die Vereinigten Staaten die Philippinen und Vietnam, um
China Schwierigkeiten zu machen, indem sie die Spannungen in diesem Meer
schüren. Es ist klar, daß Chinas legitime Öl- und Gasbohrungen von
vietnamesischen Schiffen gestört wurden.
Aber in einem regionalen Sicherheitsforum, dem Shangri-La-Forum in
Singapur, behauptete der Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten Chuck
Hagel, Chinas Aktivitäten würden die asiatisch-pazifische Region
„destabilisieren“. Natürlich wurde seine Rede sofort von Experten widerlegt.
Ein Beobachter sagte, diese Schuldzuweisungen seien für Washington ein
Vorwand, um eine engere Sicherheitspartnerschaft mit asiatischen Ländern
anzustreben, als Versuch, seine abnehmende Rolle inmitten massiver Kürzungen
seines Militärhaushalts aufrecht zu erhalten.
Chinas Präsident Xi sagte: „Die Sicherheitsprobleme in Asien sollten die
Asiaten selbst lösen, sie können durch Kooperation regionalen Frieden und
Stabilität erreichen.“
Richtig, die Sicherheitsprobleme in Asien sollten die Asiaten selbst lösen.
Außenstehende sollten sich aus diesem Spiel bewußt heraushalten.
Vielen Dank.
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