Weltkrieg - oder weltweite Renaissance?
Warum der Westen mit den BRICS für die gemeinsamen Ziele der Menschheit
zusammenarbeiten muß
Von Craig Isherwood
Den nebenstehenden Vortrag hielt Craig Isherwood vom Vorstand des
australischen Citizens Electoral Council (CEC) beim Civil BRICS Forum, das vom
29. Juni bis 1. Juli 2015 in Moskau stattfand. Isherwood war bei diesem Forum
der einzige geladene Redner aus einem Nicht-BRICS-Land. Er sprach am 30. Juni
in einem Konferenzabschnitt zu Fragen des Friedens und der Sicherheit in einer
Diskussionsrunde zum Thema „Moderne globale Herausforderungen und die Rolle
der BRICS-Union bei der Sicherung von Frieden und Sicherheit“.
Rußland, das in diesem Jahr den Vorsitz der BRICS-Gruppe innehat,
veranstaltete erstmals ein solches BRICS-Bürgerforum als eine von mehreren
Veranstaltungen zur Vorbereitung und Beratung des Gipfeltreffens der
Staatschefs von Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika am 8.-9. Juli
in Ufa. Weitere Konsultationsveranstaltungen fanden für Parlamentarier,
Akademiker und Jugendvertreter aus den BRICS-Staaten statt.
Prof. Georgij Toloraya, der Exekutivdirektor des Russischen
Nationalkomitees für die BRICS-Forschung und russischer Koordinator sowohl des
VII. BRICS-Forums der Denkfabriken (das im Mai stattfand) wie des ersten Civil
BRICS Forum stellte Isherwood bei der Diskussionsrunde vor. Er wies darauf
hin, daß Isherwood an der Konferenz als Gast aus Australien teilnehme und aus
Paris anreist sei, wo er an der Konferenz des Schiller-Instituts „Wiederaufbau
der Welt in der BRICS-Ära“ teilgenommen hatte. Prof. Toloraya selbst hatte
Ende März an einer Konferenz des CEC in Australien teilgenommen, wo er über
die wachsende Kooperation der BRICS mit anderen Ländern sprach und dazu
aufrief, die Vorstellung zu überwinden, die BRICS seien „antiwestlich“. (Prof.
Tolorayas Rede finden Sie auf der Internetseite des CEC unter http://cecaust.au/2015conference.)
Ich bin Craig Isherwood vom Citizens Electoral Council Australiens, einer
unabhängigen Bewegung und seit 27 Jahren landesweit registrierten Partei. Ich
bin dem Organisationskomitee und Prof. Toloraya persönlich dankbar für die
Einladung, hier am BRICS-Bürgerforum teilzunehmen und zu Ihnen zu
sprechen.
Australien ist natürlich kaum ein Kandidat für eine baldige Mitgliedschaft
in den BRICS. Unser Land umfaßt zwar einen ganzen Kontinent, mit einer
Landfläche, die größer ist als die Indiens oder Südafrikas (wenn auch kleiner
als die von Rußland, China oder Brasilien), ist aber von weniger als 24
Millionen Menschen bewohnt. Unser Staatsoberhaupt ist immer noch der britische
Monarch - eine Situation, die Indien 1950 und Südafrika 1961 überwunden haben.
In den letzten Jahrzehnten diente Australien als Laboratorium für destruktive
Finanzexperimente, wie etwa die Privatisierung der öffentlichen Infrastruktur.
Im politischen Bereich hat sich meine Regierung den Sanktionen und dem
Wirtschaftskrieg gegen das BRICS-Mitglied Rußland angeschlossen und in
militärischer Hinsicht sehen einige amerikanische und britische Strategen in
Australien einen „unsinkbaren Flugzeugträger“ für die Konfrontation gegen ein
anderes BRICS-Mitglied, China.
Aber ich bin hier, um Sie im Namen Tausender meiner australischen Mitbürger
zu grüßen, die die BRICS willkommen heißen als eine entscheidende Institution
für die Überwindung der großen Gefahren, die jetzt die ganze Menschheit
bedrohen - allen voran, wie es im Entwurf dieser Arbeitsgruppe heißt, das
„wachsende Ausmaß von Spannungen in den internationalen Beziehungen“ und die
Aussicht auf „einen ,großen Krieg’ unter Beteiligung großer Mächte“ - und als
eine entscheidende Institution, um statt dessen eine neue, gerechte
Weltordnung zu errichten.
Am 28.-29. März dieses Jahres veranstaltete unser Citizens Electoral
Council Australiens eine internationale Konferenz mit dem Titel „Die
Weltlandbrücke: Friede auf Erden und allen Menschen ein Wohlgefallen“. Prof.
Toloraya sprach über „die Macht des BRICS-Prozesses“ und forderte auf, Wege zu
finden, um „die Vorstellung zu überwinden, die BRICS seien antiwestlich“, und
um mit dem Westen zusammenzuarbeiten. Ich unterstütze diese Hoffnung, wohl
wissend, daß dies drastische Änderungen in der amerikanischen, europäischen
und auch der australischen Politik voraussetzt.
Deshalb bin ich auch sehr froh, Ihnen die Grüße der internationalen
Bewegung des Schiller-Instituts überbringen zu können, mit der meine
Organisation verbunden ist, von dessen Gründerin Helga Zepp-LaRouche aus
Deutschland und von ihrem Ehemann Lyndon LaRouche, dem amerikanischen
Ökonomen, den viele in den BRICS-Nationen durch seine Pionierarbeiten im
Bereich der physischen Wirtschaft kennen.
Das Neue Paradigma
Im Oktober 2012 startete Helga Zepp-LaRouche eine Serie von Konferenzen in
aller Welt über das „Neue Paradigma“, das notwendig ist, um die Menschheit vor
der Zwillingsgefahr von Krieg und Wirtschaftskollaps zu retten. Unter Hinweis
auf die Osterweiterung der NATO und die amerikanischen militärischen
Provokationen im Pazifik, Nordafrika und Zentralasien warnte sie: „Das
Undenkbare könnte passieren..., ein Krieg, in dem thermonukleare Waffen
eingesetzt werden und der mit der Auslöschung der Menschheit endet.“
In den drei Jahren seither hat die Kriegsgefahr wegen der amerikanischen
Provokationen im Zusammenhang mit dem Putsch in der Ukraine noch zugenommen.
Militärexperten sprechen von der gegenwärtigen Konfrontation als der
gefährlichsten seit der Kubakrise 1962, weil so viele diplomatische Kanäle
zwischen Ost und West abgebrochen wurden.
Auf der positiven Seite formten die BRICS schnell einen Anziehungspunkt für
eine ganz andere Politik: Frieden durch wirtschaftliche Entwicklung.
Seit November 2014 verbreitet das Schiller-Institut eine Petition mit dem
Titel „Die USA und Europa müssen den Mut aufbringen, mit der Geopolitik zu
brechen und mit den BRICS-Staaten zusammenzuarbeiten“. Darin werden mehrere
Vorschläge der BRICS-Länder beschrieben, die nicht nur diesen selbst, sondern
den Menschen aller Nationen nutzen, und die Resolution des Schiller-Instituts
schließt:
„Wir fordern daher die Vereinigten Staaten und Europa auf, die
selbstmörderische Geopolitik der Vergangenheit, die schon zu zwei Weltkriegen
geführt hat und zu einem dritten zu führen droht, aufzugeben. Statt dessen
sollten wir eine Zukunft für die gesamte Menschheit aufbauen, indem wir wieder
zum Prinzip des Westfälischen Friedens, mit dem der Dreißigjährige Krieg in
Europa beendet wurde, zurückkehren...
Das ist der einzige Weg, der der wahren Natur des Menschen als einziger
kreativer Gattung entspricht... Als Patrioten unserer Nationen und als
Weltbürger fordern wir unsere Mitbürger und die Führungen unserer Nationen
auf, den Mut aufzubringen, aus dem Kreislauf eskalierender Bestialität
auszubrechen, indem wir das großzügige Angebot zur Zusammenarbeit mit den
BRICS-Staaten annehmen.“
Hunderte prominente Persönlichkeiten, u.a. aus den USA, Großbritannien und
Europa, haben diese Petition unterzeichnet.
Die treibende Kraft hinter der Kriegsgefahr ist der fortdauernde und immer
schnellere Einsturz des transatlantischen Finanzsystems - die Krise der
griechischen Schulden ist dabei nur ein Aspekt von vielen. Selbst das
Sprachrohr des Londoner Finanzzentrums, der Economist, mußte zugeben,
daß ein bei weitem größerer Krach als die Krise 2008 kurz bevorsteht.
Seit mehr als 50 Jahren, insbesondere seit dem Ende des
Bretton-Woods-Systems und der Einführung freier Wechselkurse 1971, warnt
Lyndon LaRouche, die Finanzoligarchie, die ihre Macht auf Finanzspekulation
und Ausplünderung der Volkswirtschaften stützt, würde letztendlich
systematischen Massenmord betreiben - sei es durch offene Kriege, „liberalen
Imperialismus“ oder Bevölkerungsreduktion durch Beschränkung des Zugangs der
Nationen zu moderner Technik und höherem Lebensstandard. „Das gegenwärtige
Geld- und Finanzsystem läßt sich nicht reformieren“, hat LaRouche oft gesagt,
„es muß durch ein neues ersetzt werden.“
40 Jahre Einsatz für die Zusammenarbeit
LaRouche und das Schiller-Institut sind bekannt dafür, daß sie sich seit 40
Jahren für diesen Systemwechsel einsetzen - angefangen damit, was im Dienste
der nationalen Interessen aller Länder und der gemeinsamen Ziele der
Menschheit in der Forschung und in der Realwirtschaft zu tun ist. Anfang der
90er Jahre, als der Fall der Berliner Mauer das Ende des Kalten Krieges hätte
bedeuten sollen, schlug das Schiller-Institut vor, statt auf
Konfrontation auf Zusammenarbeit zu setzen. Der Plan des Instituts für das
„Produktive Dreieck“ [Paris-Berlin-Wien] für einen industriellen Aufschwung
und sein späterer Vorschlag der „Eurasischen Landbrücke“ wurden weltweit
bekannt. 1996 sprach Helga Zepp-LaRouche bei einer Konferenz über die
„Kontinentalbrücke“ in China. Unsere Karte der Landbrücke erschien in
russischen Publikationen.
Meine Organisation und ich mobilisierten in Australien für das Konzept der
Landbrücke, über das wir 1997 in unserer Zeitung berichteten.
1998 begrüßte das Schiller-Institut den mutigen Aufruf, den der damalige
russische Ministerpräsident Jewgenij Primakow in Neu-Delhi machte, für ein
eurasisches „Strategisches Dreieck Rußland-China-Indien“, den Kern, aus dem
sich dann die BRICS entwickelten; wir trauern über Primakows Tod am
vergangenen Freitag [26. Juni].
Im Dezember 2014 veröffentlichten meine amerikanischen und europäischen
Freunde einen aktualisierten Bericht The New Silk Road Becomes the World
Land-Bridge (Die Neue Seidenstraße wird zur Weltlandbrücke).
Diese Projekte bieten Wege für die Zusammenarbeit zwischen Nationen im
gemeinsamen Interesse. Meine Bewegung sieht eine außerordentliche
Übereinstimmung zwischen dem Prinzip vom „Streben nach dem Wohl des anderen“
aus dem Westfälischen Frieden und der „Win-win-Politik“, von der Chinas
Präsident Xi Jinping spricht.
Das bedeutet eine wirkliche Änderung des Denkens. Wenn beispielsweise das
Programm des Schiller-Instituts aus dem Jahr 2012 für den Aufbau von
Großprojekten im Mittelmeerraum verwirklicht wird, was die Neue Seidenstraße
durch ganz Südeuropa verlängern würde, dann ist Griechenland kein
„hoffnungsloser Fall“, sondern es kann eine Brücke zwischen Europa und den
BRICS werden, in der Tradition der alten historischen Beziehungen zwischen
großen Kulturen wie Griechenland und China.
Ich hoffe, daß die Staatsführer der BRICS in Ufa solche mutigen Ideen
äußern werden. Ich hoffe - vielleicht wird dies von anderen Arbeitsgruppen
dieses Forums kommen -, daß sie sich darauf einigen werden, die
internationalen Bemühungen zur Verwirklichung der kontrollierten Kernfusion
stark auszuweiten. Die optimistischen Entwürfe mehrerer BRICS-Nationen,
Helium-3 auf dem Mond abzubauen, um es als Brennstoff auf der Erde zu
verwenden, sind ein Ausdruck davon: Die Kraft der Kernfusion kann dem
Ressourcenmangel und den Kriegen um Rohstoffe ein Ende setzen, und sie kann
die Menschheit in die Lage versetzen, den Trinkwassermangel zu beheben und die
Wüsten grün zu machen. Ich denke, auf diese Weise kann das 21. Jahrhundert das
werden, was Wladimir Wernadskij vorhergesehen hat: eine Ära, in der die
Biosphäre zur Noosphäre wird und die menschliche Kreativität zur mächtigsten
geologischen Kraft.
Strategische Verteidigung der Erde
Ich unterstütze nachdrücklich Paragraph 13 in Abschnitt III Ihres
Empfehlungsentwurfs, der ein System zum Schutz des Planeten (Planetary Defence
System) fordert. Wie russische Experten erklären, ist es dringend notwendig,
auch in der südlichen Hemisphäre Komponenten eines Systems gegen die Gefahr
durch Kometen- und Asteroideneinschläge zu installieren, und ich denke, daß
das BRICS-Mitglied Südafrika, das mit BRICS verbündete Argentinien und mein
Land, Australien, dabei alle eine wichtige Rolle spielen müssen.
Die Strategische Verteidigung der Erde ist eine Aufgabe, die auch das
Denken im Westen verändern kann; dies wissen wir schon durch die Besuche des
amerikanischen Kernwaffenforschers Edward Teller bei seinen russischen
Kollegen in Tscheljabinsk in den 90er Jahren, wo sie über den Schutz der Erde
sprachen.
Meine Bewegung ist entschlossen, Menschen dafür zu begeistern, ihr Denken
über das positive Potential der BRICS ähnlich grundlegend zu verändern. Der
frühere australische Premierminister Malcolm Fraser, der bis zu seinem Tod im
März dieses Jahres ein Freund des Citizens Electoral Council gewesen ist, war
während des Vietnamkriegs als „Falke“ bekannt. Im vergangenen Jahr äußerte
Fraser in einer Botschaft an eine Konferenz in Deutschland zum 30jährigen
Bestehen des Schiller-Instituts die Einschätzung, daß die wirtschaftliche und
strategische Politik der USA und der NATO gescheitert ist. Er beschrieb eine
andere Option: „...indem nämlich die mächtigsten westlichen Nationen erkennen,
daß auf der Welt große Veränderungen stattfinden, daß der strategische Kontext
sich gewandelt hat, daß andere Mächte wie die BRICS aufsteigen und daß der
Westen mit ihnen als Partner zusammenarbeiten sollte, um eine
gleichberechtigtere und gerechtere Welt aufzubauen“.
Vielen Dank.