S C H I L L E R J A H R

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F R I E D R I C H   S C H I L L E R

Die Schillerfeste 2004:
Hamburg-Hannover: 200 Jahre Wilhelm Tell

Düsseldorf: Ein Freiluftfest für Friedrich Schiller

Mainz-Wiesbaden: Eine Widerstandsbewegung auf der Ebene des Erhabenen
Düsseldorf: Ein Freiluftfest für Friedrich Schiller

Mit Ghaselen und Gedichten wurde ein Beitrag zum Dialog der Kulturen geleistet.

Die Bürgerrechtsbewegung Solidarität in Nordrhein-Westfalen gedachte Schillers 245. Geburtstag mit einem Straßenfest, das in der Düsseldorfer Altstadt gegenüber dem Geburtshaus Heinrich Heines stattfand.

Rund um das Podium standen Stellschilder mit verschiedenen Xenien und Sprüchen, wie: "Würde des Menschen, nichts mehr davon ich bitt euch. Zu essen gebt ihnen, zu wohnen. Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst.", "Suchst du das Höchste, das Größte, die Pflanze kann es dich lehren. Was sie willenlos ist, sei du es wollend. - Das ists.", "Das ist's ja, was den Menschen zieret und dazu ward ihm der Verstand, das er im inneren Herzen spüret, was er erschaffen mit seiner Hand" oder mit dem, was Heine zum Unterschied zwischen Goethe und Schiller sagte: "Die Goethe-Dichtung bringt nicht die Taten hervor wie die Schiller'sche. Die Tat ist das Kind des Wortes und die Goethe'schen schönen Worte sind kinderlos." Es gab auch lustige Sprüche wie z.B.: "Franz heißt die Kanaille! Wen meint Schiller damit? Franz Beckenbauer, Franz Müntefering, Franz Moor, Franz-Josef Strauß?" Viele Leute wurden angelockt, sich das näher anzusehen.

Das Freiluftprogramm bestand dann in einer Mischung aus Schillers bekanntesten Balladen und lyrischen Gedichten, darunter Die Bürgschaft, Die Kraniche des Ibykus, Der Ring des Polykrates, Der Handschuh, Der Pilgrim, Kolumbus; aber auch Textstellen aus dem Demetrius-Fragment und Wilhelm Tell wurden rezitiert. Ein ganz junges Talent wurde entdeckt: Die Tochter eines Mitgliedes, Elisabeth Seidel, acht Jahre alt, trug den Fliegenden Robert aus dem Struwwelpeter vor. Die Chorstücke Freude schöner Götterfunken, Oh, freedom und Go down Moses oder die von Johann Friedrich Reichardt vertonten Schiller-Gedichte Das Punschlied und Die vier Weltalter erhielten viel Beifall.

Hassan Birkent, der im Frühjahr auf der BüSo-Liste für den NRW-Landtag kandidieren will, inspirierte das Fest zu einem Ghasel. Das ist eine arabische Gedichtform mit einem wiederkehrenden Reimwort:

    Wir stehen beisammen, einer redend, die anderen stumm, Friedrich
    gedenken nun deiner, der du denn weilst im Elysium, Friedrich!

    Deinen Namen trägt sie, manch' Straße, wie auch mancher Platz städteweit,
    viel ward dir gegeben, mehr gabst' uns zurück du wiederum, Friedrich.

    Den Menschen zu lieben, nie belehrend, doch stets rechtführend, war dein Sinn,
    der Wahrheit zugeneigt, dein lebenslang' ehrvoll Studium, Friedrich.

    Geboren bist du einst, sterben wirst du, da nicht alles trügt, wohl nimmer,
    an uns Menschen glaubend, wohntest hier, nun im Elysium, Friedrich.

Wegen einer Erkältung konnte ein weiterer BüSo-Kandidat, der Künstler Christian Karge, sein Gedicht aus seinem ersten Lyrikband Zwischen der Zeit nicht vortragen, das wir Ihnen hier nicht vorenthalten möchten:

    Ein Anteil

    Schwer wie Blei fühlt es sich an,
    wenn man im Leben die Hoffnung verliert.
    Und kein Mensch nimmt mehr Anteil daran,
    weil so etwas viel zu häufig passiert.

    Andauernd wird das Leben geschändet,
    seit Ewigkeiten die Gebote mißbraucht.
    Von Geld und Macht werden Menschen geblendet,
    und durch ihre Gier ganze Völker geschlachtet.

    Nun steh ich mittendrin, mit dem Problem, das ich sehe.
    Und ich leide unter dem, was ich sehe, weil ich's verstehe.
    Das Verstandene schmerzt mich, weil ich fühlen kann,
    und kein Mensch nimmt mehr Anteil daran.

    Das Schlimme ist, daß es keinen interessiert,
    was so passiert, wer und was sie regiert.
    Weil stumpfe Menschen nur das verstehen,
    was sie an der Oberfläche sehen.

    Ihre Lebensphilosophie ist echt genial:
    Erst kommt das Futter und dann die Moral.

    Aber wenn wir uns die Geschichte ansehen,
    stellen wir am Ende fest:
    Gierige Kulturen mußten immer untergehen!
    Warum halten wir an diesem Wahnsinn fest?

    (Aus: Zwischen der Zeit, Freud und Leid eines Suchenden, Gedichte von Christian Karge)

Die Idee, Schillers Geburtstag nicht vor einem ausgewählten Publikum, sondern einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren, war ein Experiment, daß sich gelohnt hat. Auch wenn die Aufmerksamkeit der Bürger nicht immer so groß wie erhofft war, gelang es doch, sie neugierig zu machen; denn daß eine Partei Schillers Ideale so hochhält, ist in der deutschen Parteieinlandschaft ungewöhnlich. Das hat die Vorbeigehenden doch fasziniert und länger zuschauen und zuhören lassen.

Sabine Müchler